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China Miéville - Die Stadt & Die Stadt
In einem Artikel auf Steam empfahlen die Mitwirkenden an Disco Elysium ein paar Werke, welche Einflüsse auf sie hatten. Neben den Gebrüdern Strugatzki stand da ebenfalls China Miéville. Der Autor war mir eher als Schreiber für Comics geläufig. Dial H For Hero (DC) habe ich von ihm gelesen. Die Stadt & Die Stadt ist ein Kriminalroman von ihm. Was das Setting angeht, so halte ich ihn für absolut außergewöhnlich.
Stellt euch das geteilte Berlin vor. An der Mauer endet die Welt. Jetzt nehmt diese beiden Städte, die eigentlich eine Stadt sind und faltet sie übereinander, so das Ost und West ineinander verlaufen. Doch die Teilung behaltet ihr bei. So könnt ihr euch Beszel und Ul Quoma vorstellen. Es sind zwei Städte, wo eigentlich nur eine existieren sollte. Die Bürger jeder dieser Städte werden von kindesbeinen an darauf konditioniert, die Bewohner der anderen Stadt, die andere Stadt selbst, nicht zu sehen.
Keine Magie, keine SciFi-Lösung. Die Bürger dieser Städte sind unter Androhung schwerer Strafe dazu angehalten sich gegneseitig zu ignorieren. Um das zu vereinfachen, sprechen die Städte unterschiedliche Sprachen, verwenden unterschiedliche Alphabete, tragen andere Moden und verwenden unterschiedliche Architektur. Dabei liegen die Städte ineinander. Eine Straßenseite mag Beszel sein, die andere Ul Quoma. Stadtviertel können total einer Stadt gehören, oder durchmischt sein.
Über die permanente Wahrung der Grenzen wacht die geheimnisumwitterte Behörde "Ahndung", welche in beiden Städten aktiv sein darf. Sie interessiert nur ein Verbrechen, Grenzbruch, denn Grenzbruch mag schlimmer sein als Mord. Mit einem Mord muss sich Inspektor Tyador Borlú auseinandersetzen. Ein Mord bei dem der Verdacht wächst, dass er gar nicht in seiner Stadt begangen wurde.
Die Stadt und Die Stadt einem Genre zuzuordnen fällt mir schwer. Auf Wikipedia steht, es wäre Science Fiction. Dabei finde ich nichts, was mich an SciFi erinnern würde. Fantasy ist es auch nicht. Bis auf die fiktiven Städte und die außergewöhnliche Gesetzgebung, ist der Roman ganz den Regeln der Realität unterworfen. Für mich ist es ein unheimlich raffinierter Kommentar auf den Wahnsinn von Staatsgewalt, behördlicher Repression, Machterhalt, Nationalismus und imaginären Linien, welche Menschen von einander trennen. China Miéville gelingt mit einem sehr einfachen Gedanken, ein unheimlich spannendes Szenario zu beschwören, welches viel Spannung schon allein aus dem Worldbuilding zieht.