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Liu Cixin - Die drei Sonnen
Die drei Sonnen ist der erste Fall chinesischer Science-Fiction den ich bisher lesend wahrgenommen habe. Mehr als einmal hörte ich Menschen in meinem Bekanntenkreis darüber reden. Liu Cixins internationaler Erstling schlug wohl richtig ein und zauberte chinesischen SciFi ins Interesse der Leser. Für mich klang das Buch immer als sei es für Leute geschrieben, die beim Nachdenken über Mathe einen Halbsteifen bekommen. Zu diesem Kreis gehöre ich nicht. Allerdings habe ich das Buch auch völlig falsch eingeordnet. Aus eigenem Antrieb hätte ich mir Die drei Sonnen wahrscheinlich nicht gekauft. Ein Freund war so lieb mir sein überzähliges Exemplar zu schenken. Inzwischen habe ich es durch.
Die Astrophysikerin Ye Wenjie muss während der Kulturrevolution in China mit ansehen wie ihrem Vater ein ideologisch geradezu berauschter Schauprozess gemacht wird. Im Zuge der gewaltvollen Befragung stirbt er und Ye wird ins Grenzgebiet zur Mongolei abgeschoben. Es sind Zeiten voller ideologischer Gewalt, antiintellektueller Stimmung und der Beginn massiver Umweltzerstörung zu Gunsten einer sich industrialisierenden Nation. Geradezu schicksalhaft gerät die ehemalige Astrophysikerin in die Mühlen der nahegelegenen geheimen Militärbasis "Rotes Ufer".
In der Gegenwart wird Nanowissenschaftler Wang Miao in die Ermittlungen um die Tode führender chinesischer Wissenschaftler verwickelt. Für den ungehobelten Polizisten Shi Quiang soll er eine Clique Wissenschaftler infiltrieren, um das Mysterium der Selbstmorde aufzuklären. Dabei kommt Wang Miao mit dem VR-Multiplayer-Spiel "The Three Body Problem" in Berührung. Dieses Spiel erzählt vom Überlebenskampf einer Zivilisation, die völlig unvorhersehbare Wechsel der Lebensbedingungen auf ihrem Planeten durchmacht. Stabile Phasen, die das entstehen von Kultur begünstigen, wechseln sich mit dem Massensterben in chaotischen Phasen ab. Ziel ist es, den Wechsel diese Phasen auf 10.000 Jahre vorherzusagen.
Diese zwei bzw. drei Plotlines verwebt Liu Cixin zu einem sehr interessanten Gedankenspiel. Kern der Sache ist das Spiel Three-Body-Problem, nachdem das Buch in der englischen Übersetzung auch benannt ist. In der Art und Weise wie Liu Cixin tatsächliche Grundprobleme der Naturwissenschaften aufnimmt und daraus eine Art ScFi-Thriller konstruiert, erinnert stark an Stanislaw Lems Erzählkunst in Solaris. Wobei der Leser eine gewisse Bereitschaft mitbringen muss das Gedankenspiel als solches auch anzunehmen.
Das Buch liest sich unheimlich schnell weg. Bei zwei Gelegenheiten lief die Handlung Gefahr mich zu verlieren, weil ich die Auflösung mancher Mysterien als dröge empfand, nur um sie mir kurz darauf mit ihrer Tragweite für das Narrativ wieder schmackhaft werden zu lassen. Stellenweise wirkt das Buch ein wenig flapsig geschrieben. Speziell bei Figuren wie Polizist Shi Quiang, der quasi stereotype dreckige Bulle mit goldenem Herz und Bauernschläue, illustrierte meine Fantasie die Handlung wie ein groteske Physik-Komödie.
Wer bei Die drei Sonnen eine vollständige Geschichte erwartet, wird enttäuscht. Das Buch ist "nur" der Auftakt zu einer Trilogie, die inzwischen auch vollständig vorliegt. Es war interessant genug, dass ich mir gut vorstellen kann, auch die anderen beiden Bücher noch zu lesen, aber entwickelte nicht den Sog, dass ich losgestürmt wäre um diese Bücher sofort zu kaufen.