Auch wenn es Julian ebenso wie Delia verwunderte, wie viel Aufopferung der Commander hier gerade trotz seiner eindeutigen körperlichen Unterlegenheit anbot, machte er keine Anstalten, zu widersprechen. Sich selbst redete er ein, seine eilige Zustimmung sei vor allem der Erfahrung und Autorität seines befehlshabenden Offiziers geschuldet gewesen. Eine Selbsttäuschung, denn insgeheim ekelte er sich vor dem Gedanken, einfach nur erleichtert zu sein, dass jemand anderes sich an seiner statt dem höchsten Risiko aussetzte.
"Soll mir recht sein, Commander", versuchte er dann sein moralisches Dilemmma herunterzuspielen, salutierte nach Delias Vorbild salopp mit zwei Fingern an der Augenbraue und wirbelte dann gemeinsam mit ihr herum in Richtung Treppeneingang, ohne nocheinmal einen Blick hinter sich zu werfen. Angesichts der ersten Stufen im Treppenhaus musste er jedoch sogleich wieder einhalten und frustriert aufseufzen.
"Wenn das vorbei ist, Delia, sorgen Sie dafür, dass ich jeden Morgen auf dem Laufband stehe und etwas für meine Kondition tue"
In einer Mischung aus lachendem und gequältem Ausdruck schmunzelte er seiner Begleiterin noch zu, zog sich dann die erste Stufe am Treppengeländer hinauf und versuchte in stetigem Schritt hüpfend die Tortur in den dritten Stock hinter sich zu bringen, dabei immer wieder anhaltend, nicht nur um Luft zu holen, sondern um zwischen dem Treppenspalt hinaufzuspähen, um sich gegen eventuelle Überraschungsangriffe von oben abzusichern.
Als sich die Schiebetür vor Odinns Aufzugkabine schließlich öffnete, drang ihm sofort ein lauter, widerhallender Schrei von rechts entgegen:
"Bleiben Sie wo Sie sind!", schrie Lt. Hisao Iiyama, hinter der nächsten Ecke im Flur mit dem Rücken an die Wand gedrängt, die Pistole eng an seiner Brust.
Er hatte im dritten Stockwerk bereits in äußerster Nervosität die letzten Minuten abgewartet, was als nächstes geschehen würde. Seit er vor einigen Minuten in den Aufzug, der sich in Bewegung setzte, eine Granate platziert hatte, war es überraschend still geworden, und auch, wenn er viele der Überwachungskameras über das Netzwerk im Auge behalten konnte, so war das Gebäude Drei, das aus Gründe der Privatssphäre nur vor dem Eingang überwacht wurde, hiervon ausgenommen. Bis zu dieser Sekunde war er, seit das andere Team das Gebäude betreten hatte, blind gewesen, wurde erst jetzt endlich mit den Eindringlingen aus dem Erdgeschoss konfrontiert. Nur langsam lugte er mit einem Auge um die Ecke und richtete den Lauf der Carnifex auf die geöffnete Aufzugtür, wobei nur die stützende Kante seine Hand vom Zittern abhielt.
"Wenn Sie eine Waffe haben, legen sie sie langsam vor dem Aufzug auf den Boden, wo ich sie sehen kann!", forderte er Odinn auf, während Lt. Avon ihm von hinten eine Hand beruhigend auf die Schulter legte.
"Hisao - bloß nicht schießen", flüsterte sie ihm zu, doch dieser stieß die Hand sogleich mit der Schulter von sich und machte unmissverständlich klar, dass er im Gegensatz zu ihr zum Äußersten bereit war.
"Sei still und deck mein Flanke", keifte er ihr stimmlos aber höchst angespannt entgegen, sodass das Getuschel wohl noch bis zu Odinn hörbar war. Avon tat wie befohlen und ging hinter ihrem Freund in die Hocke, um von dort aus die andere Seite des Flurs zu beobachten, wagte es jedoch nicht, die Waffe in ihrer Hand in diese Richtung zu heben.
"Sind sie allein?!", rief er dem Commander kurz darauf zu, wobei ihm ein kalter Schweißtropfen an der Braue hinuntertropfte, während er Kimme und Korn genau auf das Licht aus dem Aufzug gerichtet hielt und auf eine sich herausstreckende Waffe wartete.
In diesem Moment waren Julian und Delia ohne größere Pausen Julians im Endstockwerk angelangt und konnten nun vor der Stahltür zum Flur inne halten. Doch hier zeigte sich nun doch, dass es wenig Vorteile mit sich brachte, einen untrainierten Zivilisten mit in eine Kampfhandlung hineinzuziehen. Der Doktor, völlig außer Atem, hielt sich an der Tür sein Seitenstechen und kämpfte gegen das Brennen seiner Muskeln und den pochenden Herzschlag an. Unter dem Zeitdruck der Situation hatte er seine Kondition überschätzt und musste nun entweder einen Moment inne halten, oder Delia die Vorhut bilden lassen.
"Melden Sie - die Position", beorderte er Delia dennoch keuchend, offenbar ungewillt, für seine Erholung weitere Zeit verstreichen zu lassen.
Skizze der Aufstellung