Ein kurzer Blick auf Regiearbeit in Anime, Ep. 1.1: Todesszenen
(Einleitung und Zankyou no Terror)
Achtung! Dieser Text enthält Spoiler zum Ende von Zankyou no Terror und bis zur siebten Episode von Charlotte.
Einleitung und Kontext
Es kam, dass ich die letzte Episode von Zankyou no Terror und die aktuelle Folge von Charlotte, also die siebte, recht zeitnah nacheinander sah. In beiden Serien stirbt zum entsprechenden Zeitpunkt jemand. Aber mir ist aufgefallen, wie es die eine Serie schaffte den Tod als ein einschneidendes und für die Beteiligten entsetzliches Erlebnis darzustellen, und die andere in dieser Hinsicht bei mir versagte. Konkret schaffte Zankyou das, und Charlotte nicht, ganz unabhängig von der allgemeinen Qualität der Serien. Also will ich im Folgenden versuchen die Todesszenen etwas aufzubröseln und herauszufinden was gute Inszenierung eines sterbenden Charakters ausmachen kann. Dabei will ich den Fokus möglichst auf Darstellung und Ton und weniger auf den Kontext der Story legen. Ich versuche das Ganze mit Screenshots nachvollziehbar zu halten, ein Anschauen der entsprechenden Szenen ist aber sicher hilfreich.
In erster Linie schreibe ich den Text um Szenenanalyse zu erarbeiten. Kritik, Feedback oder vollkommene Widerlegung meiner Darlegung ist herzlich willkommen. Nachdem ich nun den ersten Teil geschrieben habe, habe ich z.B. das Gefühl etwas zu viel beschrieben zu haben. Wenn wir daraus eine etwas dynamischere Erarbeitung machen können, fände ich das umso besser. Könnt ja auch einfach mal schreiben was ihr von so einem kleinen Aufsatz haltet, und ob euch Texte in diese Richtung überhaupt interessieren.
Auch habe ich mittlerweile gemerkt, dass ich viel zu faul bin, um zeitig Auffälligkeiten beider Szenen aufzuzeigen und beide zu vergleichen. Also poste ich jetzt erst einmal nur die Analyse der Zankyou no Terror Szene.
P.S.: Keine Ahnung warum die Videoscreenshots so irre schlecht aussehen.
Analyse
Szene 1: Zankyou no Terror Episode 11, Minute 16:48 – 18:36
Zuerst einmal möchte ich ab ca 16:48 beginnen. Hier beginnt der Konflikt in der Szene mit dem Auftauchen der Helikopter. Außerdem fängt hier ein gutes Beispiel an, wie man in einer Szene neuen Raum und neue Gegebenheiten einführt. Die ankommenden Hubschrauber werden zuerst nur aus einer Perspektive gezeigt in der die Kamera vom Boden aus auf die Flugmaschinen schaut. Das ist die Ebene der für uns in der Szene bereits bekannten Personen und damit des für uns bereits bekannten Raums. Noch findet in dieser Ebene auch das Geschehen statt. Nachdem Nine die Bombe ausgepackt hat und einige Filler, Close-ups von entsetzten Gesichtern und schwirrende Hubschrauber, gezeigt wurden, folgt dann ein Shot aus der Vogelperspektive.
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Die Jungs befinden sich im unteren rechten Drittel, und der Helikopter kreist in der Mitte. Die Kamera ist nun im Himmel, aber die Einstellung lässt uns die Orientierung behalten. Wir können sehen, dass wir uns direkt über der uns bekannten Örtlichkeit befinden. Ein Bezug zwischen Erde und Himmel wird hergestellt, das wird für die späteren Einstellungen wichtig bleiben. Nun können wir auf der neu erarbeiteten Ebene auch Details einführen, sprich eine Großaufnahme des Helikopters.
Als nächstes sehen wir den amerikanischen Scharfschützen mit dem Gewehr im Anschlag.
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Uns wird klar gemacht, dass von den gerade aufgetauchten Hubschraubern tatsächlich eine unmittelbare Bedrohung ausgeht. Die vorherige Einstellung auf den kompletten Hubschrauber hilft uns zu begreifen, dass sich der Scharfschütze in dem Heli befindet. Das nächste Bild zeigt nun die Schulterperspektive des Schützen.
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Das Gewehr zeigt aus dieser Perspektive direkt auf Twelve und Nine. Entlang des Gewehrs springt die Kamera in der darauffolgenden Einstellung in ein Close-up von Twelve. Damit hat diese Bildkomposition gleich mehrere Zwecke erfüllt. Nicht nur wurde uns die direkte Bedrohung für Twelve und Nine deutlich, wir haben nun auch eine klare räumliche Vorstellung der direkten Luftlinie zwischen dem Hubschrauber und den beiden Jungs. Und da unser Auge der Linie des Gewehrs gefolgt ist verlieren wir nicht die Orientierung, unser Blick landet automatisch bei Twelve.
Das mag nun alles recht banal klingen, hilft uns aber ungemein dem Geschehen folgen zu können. Verbinden wir die einzelnen Einstellungen können wir uns eine Kamerafahrt denken, vom Boden hoch zum Hubschrauber, hinein zum Schützen und wieder zurück auf den Boden. Das gibt uns ein viel besseres Verständnis für Raum und hält den Zuschauer interessiert. Ohne allzu viel auf pseudodramatische Close-ups zurückgreifen zu müssen, wie einen Scharfschützen der grimmig sein Gewehr in Zeitlupe anlegt oder ähnliches. Ein Gefühl für Raum ist in dieser Szene ebenfalls besonders wichtig, da Twelve und Nine völlig ungeschützt auf freiem Feld stehen.
Und was hat das Ganze mit dem Tod zu tun? Nun ja, durch diese räumlichen Kniffe wurde uns der Gegner greifbarer gemacht. Wir verstehen den Aufbau der Szene und können dadurch auch die Spannung der Situation besser spüren. Und eine steigende Spannung ist wohl das A und O um auf den Höhepunkt der Szene vorzubereiten.
Fassen wir das kurz zusammen: Der Feind wurde nun als wie ein Raubvogel im Himmel kreisender Helikopter eingeführt. Und Nine hat seinen Trumpf präsentiert. Es sollte aufgefallen sein, dass Twelve mit dem Auftauchen des Feindes in Sachen Nahaufnahmen vollkommen leer ausgegangen ist.
Nun kommen wir zum eigentlichen Schussbefehl. Plötzlich sehen wir nur die Piloten, nicht den Schützen. Sie tragen das Gesicht verdeckende Visiere, wie seelenlos wirken sie. Richtig stark finde ich den nächsten Shot.
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Ein dunkles, sauberes Bürozimmer, die Jalousie verdeckt die Sicht nach außen. Im Bilddrittel steht ein Mann mit dem Rücken zur Kamera und hat den Hörer in der Hand. Der Dialog lässt uns mittlerweile erahnen, dass bald der schicksalhafte Schuss kommen könnte. Und das obige Bild nimmt uns komplett die Kontrolle über das Geschehen. Und lässt uns die Hilflosigkeit in der sich Twelve und Nine befinden erahnen. Uns fehlt ein Gesicht, dem wir das Verbrechen zuordnen können. Ein militärischer Befehl dem sich keiner widersetzen kann und hinter dem reines Kalkül steckt wird über das weitere Geschehen entscheiden. Und ich finde das Bild vermittelt dieses Gefühl sehr gut.
Die folgende Sicht durch das Fadenkreuz ist auch interessant.
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Wie bereits erwähnt bekommt Twelve im Laufe der Szene keine Aufmerksamkeit mehr, man vergisst seine Anwesenheit schon fast. Und nun fällt er uns wieder erschreckend ein. Das Fadenkreuz zeigt aber nicht direkt auf ihn, es „pendelt“ ihn an und schwingt wieder weg. Das kommt mir wie ein leichter horizontaler Fingerzeig vor, um uns die unmittelbare Gefahr für Twelve vor Augen zu führen. Und bringt Bewegung in die Kamera, ohne dabei schnelle Schnitte oder Zoom gebrauchen zu müssen. Am Ende der kurzen Aufnahme wird das Bild unscharf und das Fadenkreuz endet näher bei Nine. Auch als es auf Twelve zeigte waren nie Brust oder Kopf im Fokus. Wir werden bis zum Schluss im Dunkeln über das Ziel gelassen und dürfen immer noch ein bisschen hoffen.
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Den Schuss sehen wir als Close-up von Twelve. Der leichte Blur in der Aufnahme hilft dem Zeitlupeneffekt. Interessanter ist hier der Ton. Bis hierhin haben wir Hubschrauber, Funkspruch und Musik gehört. Es fällt der Schuss, darauf setzen alle Umgebungsgeräusche aus und wir hören nur den ansteigenden Ton der Musik. Bis zum Fallen von Twelve und den Anschlägen der E-Gitarre. Das Aussetzen der Geräusche betont den Schuss. Auf das laute Geräusch folgt ungewohnte Stille, dadurch erscheint uns der Schuss noch sehr viel lauter.
Twelve fällt in Zeitlupe. Interessant finde ich hier die Kameraperspektive. Es fällt mir aber schwer zu sagen, ob diese aus arbeitstechnischen Gründen oder des Ausdrucks wegen gewählt wurde. Ich denke mal beides trifft zu. Die Beschneidung von Twelve durch den Bildrand hat etwas Bedrückendes. Auch fällt er der Kamera mit dem Gesicht schräg entgegen, das gibt das Gefühl Twelve würde uns entgegen fallen. Und war vielleicht der Kompromiss zur Frontaufnahme von Twelve um Zeichenarbeit zu sparen. Als er landet läuft das Bild wieder in „Echtzeit“ und er verliert jegliche Körperkontrolle.
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Nine kniet nieder und schreit. Auch hier ist wieder insbesondere der Ton interessant. Der Schrei zu der Szene jagt mir noch beim sechsten Schauen Gänsehaut ein. Einmal schreit er nicht Twelves Namen. Ich weiß nicht ob man an das Schreien des Namens einfach schon zu sehr gewöhnt ist. Aber dieser Urschrei bringt ein viel tieferes Entsetzen mit sich. Auch nett zu beobachten, dass Nine nicht wie üblich seine Hände auf dem Boden zu Fäusten ballt, Tränen auf diese fallen, und daraufhin ein Close-up folgt. Nein, er zuckt mit dem Oberkörper, der Aufbau seines inneren Schreis wird gezeigt. Das gibt diesem sehr viel Kraft und Ausdruck. Ein wirklich starker Schrei kommt nun mal aus der Körpermitte.
So, damit will ich nun meine Ausführung erstmal pausieren.
Wie bringt diese Szene uns den tragischen Bildschirmtod nun also nahe? Einmal wird ein guter Spannungsbogen durch angemessene Einführung der Gefahr aufgebaut. Räumlichkeit und Unmenschlichkeit der Gegner vermitteln ein Gefühl der Hilflosigkeit. Und selbst ohne dieses Vorwissen vermag Twelves Tod und Nines Reaktion noch einen Schauer auslösen.
Ich bin jetzt nur auf die für mich interessanten Aufnahmen eingegangen. Die Szene enthält noch viele Hubschrauberaufnahmen, die mir hauptsächlich wie Füller erscheinen, um das Tempo der Szene zu kontrollieren. Ähnliches denke ich bei den Close-ups.
Ich hoffe man konnte ein bisschen neue Eindrücke gewinnen. Was haltet ihr von meinen Beobachtungen? Wo würdet ihr mir widersprechen? Wo ist euch noch mehr aufgefallen?
Hier geht es weiter zu Ep 1.2.