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  1. #121
    Ritter Avatar von Tjordas
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    "Schon gut, schon gut, Komm wieder runter", beschwichtigte er die zurecht völlig aufgebrachte Luceija und unterstützte diese Worte mit einer besänftigendedn Geste der Hände über seinem Schoß, ehe er sich die Schläfen rieb. Ihre Panik und ihre erhobene Stimme stachen wir Nadeln in sein bereits schmerzendes Hirn.
    "Keine Sorge, du hast alles richtig gemacht. Wir können Sie noch brauchen", vereinfachte er seinen Plan in kurze Worte, wohl auch, da er fürchtete, dass Goda bereits wach sein und ihre Gespräche mithören könnte. Dies hätte wohl nur unnötigerweise zu ihrer Nervosität beigetragen.
    Wieder auf dem Dach des Wolkenkratzers angelangt, ließ er ihren gefesselten Körper vorerst im Skycar, stieg ohne sie aber mit Luceija an seiner Seite aus und begab sich zum Treppeneingang auf dem Dach, den die beiden erst wenig vorher schon einmal betreten hatten. Sergio öffnete die bereits entriegelte Tür zunächst nur einen Spalt breit, schielte hindurch und vergewisserte sich, dass ihnen nicht wieder ein Keeper oder jemand anderes im Wege stand. Der Korridor war frei.
    "Hilfst du mir mit dem Gepäck?", murrte Sergio nur kurz und deutete mit dem Kopf in Richtung des Skycars, in dem sich immernoch Goda befand.
    Kaum hatten sie sie herausgehievt - Sergio mit den Händen unter ihren Achseln und Luceija am Fußende die Knöchel anhebend - betätigte der Doktor einige Knöpfe am Bedienfeld des Skycars, welches sich dann selbsttätig schloss und ohne sie abhob. Sie würden später den unauffälligeren Vorderausgang nehmen und konnten so ein verdächtiges Vehikel auf dem Dach vermeiden, das Everett hätte alarmieren können.
    Sie schleppten das Mädchen weiter wie einen nassen Sack. Zwar wog sie für ihre Größe nicht allzu viel, doch wieviel ein Mensch wirklich wog, unterschätzten die meisten schnell, die noch nie einen Körper beseitigen mussten. Mit dem gleichen Code wie einen Tag zuvor öffnete Sergio das Labor. Dass man ihren vorigen Einbruch nicht bemerkt hatte, kam ihnen jetzt zu Gute. Kaum war die Wohnungstür hinter ihnen geschlossen, ließ er Godas Körper einfach im Garderobenbereich fallen und ließ sich dann selbst keuchend an die Wand gelehnt auf dem Fußboden nieder. Mit beiden Handballen drückte er sich gegen die Schläfen, fuchtelte dann aber als Signal zu Luceija, dass sie die Sache übernehmen solle.
    "Zieh Sie zum Sofa. Ich mache gleich den Rest", forderte er sie auf und starrte dabei auf den Boden. Seine Kopfschmerzen waren nicht der einzige Grund, dass er sich hier sammelte. Viel mehr bereitete er sich auch mental auf das vor, was nun zu tun war und hoffte nur, dass Luceija verstand, worum es ging, ohne dass er das unaussprechliche aussprechen musste.
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  2. #122
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Zum Glück war der Weg vom Dacheingang bis zur Wohnung nicht besonders lang - auch, wenn Luceija in diesen Momenten alles so vor kam, als seien sie schon Stunden unterwegs. Der sperrige Menschenkörper, den sie drapiert und unter höchster Anstrengung ins Innere der fremden Wohnung trugen, raubte selbst der Schwarzhaarigen längst nötigen Atem und ließ sie kurz hinterrücks gegen das nahe Sofa lehnen, wo sie sich hielt und das längst angetrocknete Blut auf ihren Fingern unbewusst in winzigen Mengen auf dem Stoff zurückließ. "Kommst du klar?", fragte sie, fing ihren Atem deutlich schneller wieder als Sergio es tat, der noch von den Nachwirkungen der Drogen geschwächt schien. Sie beobachtete ihn genauestens und fluchte schließlich einen sizilianischen Fluch ins Wohnzimmer, den sie zu lange gehalten hatte. Diese Wichser. Was hatten sie ihm da gegeben? War es ein Gift? "Was hat die Schlampe dir gegeben? "Nur" ein Opiat?", wollte sie wissen, wartete aber kaum auf eine Antwort, sondern stieß sich von ihrer Lehne ab und trat kurz und plötzlich und wie aus einem Reflex heraus gegen die schmale Schulter des leicht älteren Mädchens, sodass sie sich wand und einen Schrei ausstieß. Luci verriet zu viel über ihre Medikamentenkenntnisse. Etwas, dass auf andere Vaterfiguren vermutlich abscheulich und abstoßend wirken musste, dem Älteren aber sichtlich nicht missfiel. Die Sizilianerin schnaubte stattdessen mit ihrer Restnervosität, rieb sich mit dem Handrücken ein paar juckende Blutreste aus dem Gesicht und ging ein paar Schritte rückwärts bis sie sich abwandte und sich in die Küche begab. Die war offen und sehr klein, aber so klinisch rein, dass es unwahrscheinlich war, dass hier IRGENDJEMAND kochte. Entsprechend erwartete sie auch kein grosses Equipment im großzügigen Kühlschrank, stellte beim Öffnen dessen aber dennoch fest, dass zumindest etwas Wasser in kleinen Flaschen kalt gestellt war. Sie griff es sich und ging zu Sergio zurück, dem sie die Flasche entgegen hielt, wissend, dass etwas zu Trinken für ihn nun wohl alles andere als ein Fehler war. "Hier.", äußerte sich das Mädchen kurz angebunden, bevor sie mit einem Knurren auf Goda hinab sah, und diese todbringende Blicke sie durchlöcherten ehe sie sie an den Fesseln packte und mit kleinen, angestrengten Schritten zum Sofa zog. So wie angegeben und ohne auch nur eine Sekunde zu hinterfragen, was sie da tat. Oder wozu es unweigerlich führen würde - etwas, was ihr nach Godas Aktion garnicht mehr so sehr missfiel.
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  3. #123
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Schweigend nahm Sergio die Flasche entgegen, die Luceija ihm reichte, nickte dabei zwar zum Dank, aber sah sie nicht an. Sein Blick galt stattdessen der reglosen Goda, die allerdings schon hin und wieder flackernd die Lider öffnete und den Anschein machte, als würde sie bald aus der Bewusstlosigkeit erwachen. Der Doktor verschränkte einen Arm vor der Brust, während er nachdenklich an der Wasserflasche nippte und zusah, wie Luceija die mindestens ebenso schwere, wahrscheinlich sogar schwerere Goda über das Parkett zog und schließlich auf das Sofa hievte. Er unterstützte sie dabei nicht, obwohl es die Sache wohl beschleunigt hätte, doch im Augenblick schien er gänzlich damit beschäftigt zu sein, sich mental auf das vorzubereiten, was er als seine Pflicht ansah.
    "Danke, du kannst rausgehen, wenn du willst. Du musst das nicht ansehen", murmelte er viel mehr als er sprach, nahm dabei aber immernoch keinen Blickkontakt auf. Eine gute, endlose Minute stand er einfach nur da hinter dem Couchtisch und betrachtete die auf dem Sofa liegende junge Frau, die immer wieder die Augen kurz zu öffnen versuchte, dabei aber nur pupillenlose Augäpfel entblößte und dann wieder ins Delirium driftete. Dann endlich regte sich der Italiener wieder, stellte die Wasserflasche auf dem Couchtisch ab und zog seine Jacke aus, die er sorgsam auf den Sessel ablegte. Daraufhin schlug er seine Hemdsärmel nach oben, griff zu seiner Seite nach dem Kabel, das die Steckdose mit dem Holobildschirm verband und zog das Ende aus dem Gerät und dann mit einem Ruck am Kabel, um es auch aus der Steckdose zu ziehen. Langsam ging er mit dem Kabel in der Hand um den Sitzberich herum, schleifte es dabei auf dem Boden hinter sich her, bis er hinter der Rückenlehne des Sofas stand. Die gefesselte Goda griff er unter den Achseln und hob sie in eine schlaff sitzende Position. Diese schien dadurch langsam aus ihrem komatösen Zustand zu erwachen, denn zunehmend gab sie nun unruhige, brabbelnde Laute von sich und zuckte mehrfach unwillkürlich in den Fesseln. Sergio griff nach ihren Haaren und formte sie zu einem improvisierten Zopf, zog ihren Kopf daran in den Nacken, sodass er ihr Gesicht sehen konnte. Er zögerte, als sie ihn aus müden, halboffenen Augen direkt ansah. Doch dann raffte er sich doch zusammen, schlang plötzlich fast schon routiniert das Kabel unterhalb ihres Kieferknochens um ihren Hals, griff es an den Enden mit beiden Fäusten, stemmte einen Fuß auf die Rückenlehne und zog es mit aller Kraft und seinem Körpergewicht nach hinten. Das dünne, aber reißfeste Kabel schnitt sofort in den Hals der jungen Frau, grub sich dort tief in ihr Fleisch und schnitt ihr Luftröhre und Halsadern ab. Sofort riss diese die Augen weit auf, obwohl sie kaum bei Bewusstsein war und begann instinktiv mit den Beinen zu treten und ihren Körper schlängelnd in den Fesseln zu winden, sich gegen das Sofa aufzubäumen, um nur irgendwie dem Griff des Italiener zu entkommen, doch sie hing im Grunde mit ihrem gesamten Körpergewicht an dieser Schnur. Sergio sah sie nicht mehr an. Stattdessen fokussierte er seinen Blick ins Leere, hatte dennoch aber sichtliche Anstrengung dabei, den Griff am Kabel festzuhalten. Es schnitt sich auch in seine Finger, um die er das Kabel an beiden Händen gewickelt hatte. Seine Muskeln brannten von der Anstrengung und das gedämpfte Ächzen des geknebelten Mädchens, das um ihr Leben rang, setzte ihm psychisch zu, obwohl er sie nicht ansah, während ihre weit aufgerissenen Augen fast schon hervortraten. Mit einem Ruck zog er das Kabel noch einmal fester zu, was wohl die letzte Blutzufuhr zu ihrem Hirn abklemmte, denn plötzlich wich ein großer Teil des Widerstandes aus ihrem zappelnden Körper. Nach etwa einer Minute hing sie immer schlaffer am Draht, gab keine Laute mehr von sich und nur hin und wieder versuchten ihre Beine noch einmal auszutreten. Doch erst, als sie fast drei Minuten lang keine Regung von sich gegeben hatte, ließ er das Kabel endlich los. Godas Körper sank zusammen, blieb jedoch aufrecht sitzen. Sergio zeigte ihr zumindest die Würde, ihre weit geöffneten und blutdurchströmten Augen zu schließen und ihren Kopf nach vorne zu neigen. Dann ließ er das Kabel auf den Boden fallen, ging zum Panoramafenster der Wohnung hinüber und sah schweigend hinaus, während er sich die abgeschnürten Finger rieb. Minutenlang stand er dort und sagte oder tat nichts.
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  4. #124
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Naiv wäre es gewesen anzunehmen, Luceija wäre noch nie mit dem Tod konfrontiert worden, abgesehen vom gestrigen Tag. Das wurde sie. Mehrmals und auch ungeschönt hatte sie unmittelbar vor Leichen gestanden und die Berührungsängste weitestgehend verloren. Vielleicht aber auch, weil ihr Bezug zum Tod vielleicht auch ein anderer war, weil sie ganz anders dazu genötigt wurde, auf diesen zuzugehen. Da war der obligatorische Besuch jedes Palermitaners in der halbverfallenen Kapuzinergruft vermutlich die seichteste Konfrontation mit einem Thema wie diesem. Immerhin war die Gruft längst ein Touristenmagnet für nicht nur halb Europa sondern die halbe Erde geworden und die Hemmungen der Besucher vor den seit Jahrtausenden Verstorbenen, von denen nur noch komplett erhalten und präpariert waren, mittlerweile stellenweise sogar mit Eezo-Schilden, quasi nicht mehr vorhanden. Aber ein, wenn man es so nennen wollte, ziemlich organisches Museum war nicht mit der Konfrontation vergleichbar, frische, gerade noch lebende Leichen vor sich zu sehen. Welche, die noch warm waren, deren Tiefrotes Blut noch die Umgebung zierte, die teilweise entstellt waren. Nochmal etwas anderes, quasi der Sprung zur nächsthöhereren Liga, war es, zu sehen, wie eine Person dabei war zu sterben. Ermordet wurde und nicht einfach nur wegen einer Überdosis Pillen friedlich einschlief. Es ließ die junge Sizilianerin stehen bleiben, obwohl die Option seitens Sergio für sie da war, einfach zu gehen. Sie ging nicht. Stand wie angewurzelt in unmittelbarer Nähe des Szenarios und beobachtete mit diesem trübenden, unangenehmen Schauer über ihrem Rücken wie von einem nassen Cape bedeckt, was Sergio hier tat. Und wie er es tat. Sie wusste, dass sie hier lernte und lernen musste. Diese Tatsache hatte sie aus all den Lehren bereits herausziehen können. Aber es schützte sie kaum vor der eigentlichen Realität, in der sie nun leben würde. Der, die sie selbst zur Mörderin werden ließ. Und noch so viele weitere nach sich zog.

    Sie zeigte ganz unbewusste Regungen zu dem, was Sergio mit diesem Flittchen tat. Ihr Atem schien schwerer, ihr Puls stärker, die wenigen Bewegungen träge und zäh, sodass sie nicht voran gekommen wäre, selbst, wenn sie es gewollt hätte. Ein schwerer Schluck folgte, ihre unruhigen Augen zogen sich zusammen und verfolgten die heraustretenden ihrer Gegenspielerin. So lange, bis sie zu ihr sahen, vielleicht als letzten Schub von Hoffnung Luceija fokussierte, aber sich nicht hätte äußern können, selbst, wenn sie es gewollt hätte. Und hätte Luceija sie verschont? Wäre sie auf die junge Frau, die ihrer eigenen Bestimmung so ähnlich war, zu gegangen und hätte ihr geholfen? Sie gerettet und wäre geflohen? Nein. Denn sie stand nicht auf ihrer Seite. Die Schwarzhaarige stand schon längst, schon auf der Schwelle vom Baby zum Kind, unter der erzieherischen Hand von Cerberus. Bis ins Mark geimpft mit jeder Drohung und jeder warnenden Metapher. Doch selbst wenn das Mädchen berührte, wie grausam Goda hier um ihr Leben bangte und wild strampelte bis ihr Körper einfach nur noch leblos an diesem Kabel hing und nach einem letzten Zucken endlich aufgab, konnte sie, im Reinen mit sich selbst, sagen, dass sie es verdient habe. Und in ihren Augen hatte sie das wirklich, denn sie hatte versucht Sergio auszuschalten. Niemand tat Sergio irgendetwas an.

    Luceija schnaubte zittrig, als es vorbei war. Sie sah ihrem Vater nach und sah ihm einige Momente dabei zu, wie er dort stand. Wortlos. Nach draußen sah und sich von der Anstrengung erholte, die der minutenlange Überlebenskampf mit sich gezogen hatte. Ihr war für einen Moment unwohl, die Übelkeit des Vortags kroch zurück und setzte das Mädchen schließlich in Bewegung. Sie lief um das Sofa herum. Sah Godas Kopf und wie er leblos nach oben sah. Von dieser Perspektive war es falsch. Viel zu offensichtlich, dass sie nicht nur eingeschlafen war, sondern nicht mehr lebte. Und sie wollte vermeiden, dass es Everett, wenn er denn zurück kam und nicht bereits wusste, was hier passiert war, so sah. Vermutlich direkt die Lunte roch. Mehrere, kleine Schritte ließen sie auf die Tote zugehen und Luci packte ihren Kopf so, dass er gerade war und als Hilfsmittel diente, den Körper tiefer zu drücken. Zügig ging sie abermals um das Sofa herum bis sie vor ihr stand und sie so ausrichtete, dass von hinten nur der halbe Kopf sichtbar war und es den Eindruck machte, sie sei beim Fernsehen eingeschlafen. "Wenn er sie sieht, wird er es nicht sofort merken.", erklärte sie ihre Tat als sie den Körper zurecht positionierte und die Fesseln mit einem Messer löste. Sie war ebenfalls noch warm. Täuschend warm. Und der Eindruck, sie schlafe, war selbst für Luceija, bis auf die Strangulationsmale, täuschend echt. "Ich hätte es selbst getan.", widmete sie der Leiche ein abschätziges, leises Flüstern und musterte sie aus der Hocke. "Niemand bringt meinen Vater um.", flüsterte sie, aber in der Stille hörte es Sergio vermutlich doch. Und ihr war klar wie wenig ihm gefiel, dass sie ihn als Vater betitelte. "Aber dafür muss deiner dran glauben."
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  5. #125
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    Seine Starre endete erst, als hinter ihm das Schnappen der Gepäckgurte ertönte, die Luceija von der Leiche losschnitt. Er zuckte dabei kurz zusammen, fand aber dann direkt in seine Rolle zurück und ging langsam zurück zum Sitzbereich, wo seine Ziehtochter bereits den leblosen Körper unauffälliger positionierte. Er überließ ihr die Arbeit, half nicht mit, sondern beobachtete nur mit einem zufriedenen Nicken - etwas Ähnliches wäre auch sein Plan gewesen. Wenn Everett nach Hause kommen würde, wäre Goda die erste, nach der er suchte, und die Illusion von ihr auf der Couch würde zumindest in den ersten Momenten genügen, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Als Luceija fertig war, gab es nicht viel zu korrigieren. Lediglich die dunklen Strangulationsmarken an Godas Hals waren auf ihrer hellen Haut selbst von Weitem zu deutlich, weshalb Sergio ihr offenes Haar vorsichtig nach vorne über ihre Schultern legte und so die Wunden verdeckte, zudem noch ihr leichenblasses Gesicht verhängte. Nun wirkte sie tatsächlich, als sei sie einfach vor dem Fernseher eingenickt. Als nächstes hob er seine Mordwaffe wieder auf, ging zum Fernseher hinüber, woher er es genommen hatte und schloss diesen damit wieder an. Mit einem Erfrischungstuch aus seiner Hosentasche wischte er noch einmal der Länge nach darüber, als er Luceija hinter sich murmeln hörte.
    "So sehr ich deine Loyalität schätze, Luci - aber hier geht es nicht um Rache. Sie musste verschwinden, so wie auch Everett. Sowas darf nie zu persönlich werden. Dann beginnt man Fehler zu machen. Man sollte nie zögern, einen Feind umzubringen, wenn es nötig ist, aber man sollte es auch nie leichtfertig oder gar aus Zorn heraus tun. Schlecht fürs Geschäft und einfach nicht professionell. Verstanden?"
    Der recht neutrale Klang seiner Nachfrage ließ offen, ob er sich nach dem Verständnis erkundigte, oder hier vielmehr ein Machtwort sprach.
    "Räum auf", forderte er sie dann trocken auf und deutete auf die zerschnittenen Gurte auf dem Boden und die noch recht aufgewühlt aussehende Sitzecke, "Ich mache mich oben an die Arbeit"
    Im inzwischen altbekannten Labor des Konkurrenten fand sich Sergio schnell zurecht und auch das bereits zugängliche Sicherheitsystem war inzwischen für Sergio leicht zu bedienen. Innerhalb weniger Minuten hatte er nicht nur die letzten Minuten ihrer Ankunft mit Leermaterial überschrieben, sondern auch die laufenden Aufnahmen mit dieser Dauerschleife versehen. Im Anschluss an diesen Stichpunkt auf Sergios Plan, ging er direkt zum nächsten über - auch wenn hier die Improvisation begann. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er nach den Kontrollen im Club in Everetts Wohnung noch einmal eine Waffe brauchen würde. Doch es war klar, dass sein Konkurrent als Mitglied von Cerberus mit Sicherheit nicht nur eine hier lagerte. Er ging zunächst alle Schubladen im Raum durch, fand jedoch nichts. Erst, als er die letzte Schublade schloss und er eigentlich bereits aufgeben wollte, bemerkte er beim Zuschieben, wie der Schubkasten sperrte und ein Klackern zu hören war. Skeptisch wiederholte er die Bewegung, hörte wieder das gleiche Geräusch und zog daher den Kasten aus der Schiene heraus. Unterhalb der untersten Schublade war in deren Fach eine Schraube auf dem Sockelboden des Tisches eingebohrt, die nicht ganz ins Gewinde gedreht war und daher an der Schublade gekratzt hatte. Sie war so lose, dass Sergio sie mit den Fingern herausdrehen konnte. Sie hatte offenbar einen Deckel im Fachboden festgehalten, die die Öffnung zu einem doppelten Boden im Tischsockel bedeckte und die er nun öffnete. Vorsichtig tastend griff Sergio hinein - und nebst einiger Medikamente, die Everett hier wohl für den Eigenbedarf vor seiner 'Mitbewohnerin' versteckte, lag hier tatsächlich auch eine kleinkalibrige Schusswaffe. Er nahm sich dieser an und verschloss das Versteck wieder so, wie er es vorgefunden hatte, ehe er sich wieder zu Luceija in den Wohnbereich begab.
    "Und um zu beweisen, dass du verstanden hast, was ich meine", führte er seine Lektion von vorher weiter aus, während er auf Luci zuging und die Pistole auf seiner Handfläche hielt, "wirst du dem alten Hausherren einen angemessenen Empfang bereiten. Nicht vergessen: Nur drohen, nicht schießen, wenn es nicht sein muss. Er soll an einer Überdosis sterben, klar?", machte er mit erhobenem Zeigefinger deutlich, als er ihr die Waffe überreichte.
    "Du hast die Drogen doch noch?"
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  6. #126
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    In Luceija kochte und brodelte etwas, dass sie nur schwer im Zaum halten konnte. Ihr Mundwinkel zuckte in einer unzufriedenen, vielleicht missmutigen Weise, aber dennoch nickte sie klar ab, dass sie verstanden hatte was er sagte. Es war jedoch keine Neuigkeit. Sie hatte schon oft davon gehört und gelesen, vielleicht gedachte Cerberus auch es sei sinnvoller, bei temperamentvollen Süditalienern wie ihnen sogar zusätzlich deutlich zu machen, wie wichtig es war, Ruhe im richtigen Moment zu bewahren. Dennoch war es unsäglich schwer für das Mädchen sich daran zu halten und biss sich ins Innere ihrer Unterlippe. Sie schnaubte, als er nach hinten verschwunden war und entließ ihre Wut an allem außer der Leiche selbst. Nicht, dass sie der Toten nicht noch gerne zusätzliche Schläge ins blau angelaufene Gesicht mitgegeben hätte, aber es hätte die Illusion, dass sie hier vor dem Fernsehprogramm eingeschlafen war, zerstört und ihren Plan gefährdet. Dementsprechend professionell versuchte sie sich zu verhalten, richtete das Sofa wieder in einen recht unangetasteten Zustand, klopfte den getrockneten Schmutz, der von Sergios Schuhen stammte, von der Rückseite der Couch und sammelte schließlich die Gurte auf, die sie so eng wie möglich zusammenrollte und in ihre kleine Tasche drückte.

    Zum richtigen Moment, wie sie vermutete, als Sergio zurückkehrte und ihr die Waffe unter die Nase hielt um im nächsten Moment nach den Drogen zu fragen. Sie hielt sie auf Grund des Platzmangels bereits in zwei dünnen Spritzen aufgezogen in der linken Faust und wedelte hinweisend damit. Erst dann erlaubte sie es sich die Pistole anzunehmen. Sie sagte es nicht, aber es war ein erschreckend erhabenes Gefühl. Jedes Mal, wenn sie eine Pistole in der Hand halten durfte, damit drohte, gegebenenfalls auch schoss, meist in unwichtigere, nicht lebensnotwendige Gliedmaßen, zumindest bis zuletzt, dann fühlte sie sich so mächtig wie sie sich in ihrem ständig schwächelnden Körper selten fühlte. Denn auf eine Waffe schien immer Verlass. Sie funktionierte unabhängig von Versuchen und Mitteln.
    „Weißt du, wann er zurückkommt? Oder warten wir jetzt einfach..?“, fragte sie und blickte von Sergio ab, durch den Raum, drehte sich langsam, während sie sich umsah und erhaschte dieses Detail noch, welches nicht stimmte. Der Fernseher.

    Ihre bestiefelten Füße drehten sie zu jenem um, bevor sie umständlich die beiden Spritzen längs zwischen ihre Lippen klemmte um eine Hand frei zu haben, an einem Omni-Modul die Flimmerkiste zu verknüpfen und einzuschalten bis er Rahmen das holographische Bild wiedergab und eine Serie zeigte, die der Sizilianerin unbekannt schien. Die Klänge aber durchfluteten in angenehmer, nicht zu hoher Lautstärke die kleine Wohnung und zauberte prompt eine fast wohnliche Kulisse in den leblosen Citadel-Container.
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  7. #127
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Die Frage war nicht ganz unberechtigt. All dies hier war längst nicht mehr Teil des ursprünglichen Plans. Aber dennoch war Sergio zuvor im Nachtclub ein nicht unbedeutendes Detail aufgefallen: An der Decke befangen sich Kameras, die, so hatte er beim Warten auf Luceija festgestellt, einen dauerhaften Livestream der Tanzfläche ins Extranet übertrugen. Was eigentlich als Marketingelement geplant war, konnte sich der Arzt anderweitig zu Nutze machen. Sergio hob kurz den Zeigefinger, um Luceija um Geduld zu bitten, während er die Übertragung auf seinem Omnitool aufrief und auf Luceijas Gerät spiegelte.
    "Achte auf die Treppe im Hintergrund zum VIP Bereich", bat er Luceija, während er die Übertragung schrittweise zurückspulte bis irgendwann tatsächlich Everett im Zeitraffer rückwärts die Treppen hinaufging und Sergio, auf Luceijas Geheiß hin, die Wiedergabe stoppte.
    "Ja, das ist er", bestätigte er mit einem Fingerzeig auf die Holoprojektion Everetts Identität.
    "Um 01:20 Uhr war sein Gespräch beendet und er verließ den Club. Das heißt, wenn er sich nicht allzu sehr beeilt, dürfte er in etwa ... sieben Minuten hier sein", schlussfolgerte er und wirkte dabei gleichzeitig positiv überrascht, wie auch etwas erschrocken. So wenig Zeit, die man warten musste, aber doch so wenig Zeit, sich vorzubereiten.
    "Ich schlage daher vor, dass ich die letzten Spuren beseitigen, falls wir überhaupt noch irgendwas vergessen haben. Du versteckst dich im Putzschrank neben der Eingangstür, und ich mich hier hinter der Trennwand am Eingangsflur", er deutete auf die Stelle, wo die Trennwand des Eingangsbereiches offen im Raum endete, positionierte sich dann an der Tür, um Everett zu verkörpern.
    "Er kommt hinein, geht an deinem Schrank vorbei und sieht Goda von hier aus auf dem Sofa sitzend im Wohnbereich. Wenn er abgelenkt ist, öffnest du deine Schranktür hinter ihm und kommst heraus. Du folgst ihm nah, aber leise mit der Waffe im Anschlag. Wenn er etwa hier ist...", er demonstrierte den Gang bis fast zum Ende der Trennwand, "...komme ich von vorne um die Ecke und greife ihn an. Du überwältigst ihn von hinten und hältst ihm die Waffe an den Kopf. Versuch keine Wunden zu verursachen, aber tu was nötig ist, wenn es nicht anders geht. Sobald er die Hände hoch nimmt oder wir ihn am Boden haben, fessle ich ihm die Hände und du gibst ihm beide Spritzen in die linke Armbeuge. Wir ziehen ihn aufs Sofa, wo er sich selbst einkotzen kann und lassen ihn dort verrecken. Die Frage ist nur, was wir dann mit seiner Laborratte machen.. Aber das entscheiden wir später. Wenn du was hinzufügen willst, ist jetzt der Zeitpunkt, ansonsten ab auf deine Position"
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  8. #128
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Luceija begann zu koordinieren. Sie hörte aufmerksam dem zu, was Sergio ihr sagte und verfolgte nochmals die Überwachungskamera, dessen Loop über ihr Omnitool lief. Der Plan war nicht besonders schwer, aber erschien ihr solide. Bereits jetzt nahm sie langsame Schritte rückwärts, drehte sich im letzten Moment und steuerte auf den besagten Putzschrank zu. Ließ ihn automatisch zur Seite öffnen und fand darin einen Wasserdampfsauger und einen Bodenroboter, der in seiner Befestigung Problemlos und ordentlich an der Seitenwand hing. Für den Moment war es schwer abzuschätzen ob sie wirklich darin Platz fand - ein Sergio mit Sicherheit nicht, deshalb hatte sie es so oder so sein müssen. Und immer noch war sie ungewöhnlich angespannt beim Gedanken, was sie da zu tun hatte. Der letzte, also, ihr erster Mord, hatte ihr sichtlich zugesetzt und ihre Nerven überlastet. Irgendetwas in ihr zerstört, dass nicht recht zu definieren war. Und das war 'nur' ein Verräter gewesen, der längst präpariert worden war. Ausgelaugt. Schon, wie ihr Vater sagte, beinahe froh darum, endlich getötet zu werden. Everett hingegen war alles andere als erpicht darauf, das zeitliche zu segnen. Also war es nichts ungewöhnliches, dass sie Bedenken plagten. Aber sie musste sie abschalten. Jetzt. Auf jeden verdammten Fall.

    Ihr dürrer Körper quetschte sich endlich in den Schrank, nahm die Pistole aus ihrem hinteren Hosenbund und hielt sie zur linken bereit. Längst nicht ungelenk, sondern recht gewohnt. Sergio hatte in der Vergangenheit bereits die ein oder anderen Schießübungen - zum 'Spaß' - mit ihr durchgeführt. Selbstverständlich hatte er dabei das langfristige Ziel schon im Kopf, während Luci sehr unbedarft an die Sache herangegangen war. Sie war eben ein verdammtes Kind gewesen. Und nun vielleicht gerademal ein Teenie, mit tonnenweise Blut an ihren jungen Händen und schwer schluckend, schwer atmend, wartend mit gezückter Waffe, bis der Verräter zurück in seine Wohnung schlich. "...ich glaube mir wird schlecht.", sagte sie, tief atmend, über das Omnitool zu Sergio, der am anderen Ende der Wohnung auf seinen Einsatz wartete.
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  9. #129
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Während sich seine Komplizin bereits positionierte, ging Sergio noch einmal die gesamte von Ihnen betretene Fläche ab, um sich zu vergewissern, dass nichts Everetts Verdacht erwecken würde. Er schloss das Kabel wieder an den Holobildschirm an und schaltete diesen ein, gab Godas leblosem Körper makabererweise sogar noch die Fernbedienung in die Hand, schenkte vor ihr auf dem Couchtisch ein Glas halb voll mit Wasser ein, das dort schon auf der Glasfläche bereit stand. Als sich währendessen Luceija über ihr Unwohlsein äußerte, zögerte er eine Weile mit seiner Antwort, funkte dann aber mit leiser Stimme zurück, während er noch ein paar Dinge drapierte.
    "Du tust das nicht nur für Cerberus", leitete er ein, "Ich weiß nicht, was dich mehr motiviert, aber du tust das für deine Famiglia und für uns beide gleichermaßen. Aber du bist nicht die, die entscheidet. Ob heute bei Everett oder in Zukunft: Wenn du an etwas zweifelst, dass du für Cerberus oder mich tun musst, denk daran, dass du es nicht bist, der die Entscheidung trifft. Sei ein Werkzeug, Luci. Funktioniere. Und sei dir bewusst, dass die Last der Schuld auf den Anderen liegt, nicht auf dir"
    Die Aufnahme seiner Stimme knirschte und klopfte in Luceijas Ohren, als er mit den Lippen direkt am Mikrofon des Omnitools fast flüsterte, was auf diese distanzierte Weise doch ein ganz eigenes Gefühl der Nähe und Fürsorge vermittelte. Derweil positionierte sich Sergio selbst auf der anderen Seite der Trennwand, lehnte sich mit der Schulter dagegen und war somit im Grunde, wenn auch durch den Beton und Stahl getrennt, nur wenige Zentimeter von Luceija entfernt, die in ihrem Versteck kauerte.

    Nur einige Minuten später, sogar ein bis zwei Minuten früher als von Sergio geschätzt, tat sich etwas auf dessen Tool. Die Kameras der Rezeption, in die er sich eingewählt hatte, zeigten, wie der erwartete etwas gebeugte Mann mit der anthrazitgrauen Kleidung durch die Glastüren eintrat und eilig, offenbar fast schon wütend, so verriet seine Körpersprache, den Aufzug betrat.
    "Okay Luci, er kommt. Er fährt gerade den Aufzug hoch. Greif ihn nicht zu früh an, sondern genau an der Stelle, die ich dir gezeigt habe. Ab jetzt kein Wort mehr", befahl er flüsternd, obwohl Everett sie beide jetzt natürlich unmöglich schon hören konnte. Die Wohnung war still, doch die Stimmen der Holoübertragung im Wohnzimmer hallten leise hindurch. Dann, eine weitere Minute später, raschelte es vor der Schiebetür der Wohnung, als Everett seine Keycard herauskramte und über den Scanner zog, zusätzlich dazu dann noch mit einigen piependen Tastendrücken einen Code eingab. Dann glitt die Tür auf. Nicht unweit von Luceijas Wandschrank schlurften knarzende Schuhe vorbei und ein Husten ertönte. Direkt neben der Schranktür hing Everett seine Jacke an den Haken, während er bereits zum Wohnzimmer lugte und von dort Goda auf dem Sofa sitzen sah.
    "Was zum Teufel", keuchte er mit seiner reibeisenartigen Stimme angestrengt.
    "Ich suche dich überall im Club und hier sitzt du vor der Röhre, du faule Nutte?", schimpfte er, als er, jetzt da er sich sicherer fühlte, seine eigene Pistole, die er offenbar immer bei sich hatte, aus dem Gürtel zog und in die Tasche seiner aufgehängten Jacke stopfte.
    "Ich dachte, du hättest Vittore irgendwo gesehen. Hast du mir das nicht noch geschrieben?", ergänzte er, sichtlich etwas verwundert, dass Goda ihm nicht antwortete, nicht bereits um Verzeihung bat. Er drehte sich von den Kleiderhaken weg und ging langsam näher zum Wohnzimmer, war nun fast an dem Punkt, den Sergio für Luceija beschrieben hatte.
    "Sag mal, schläfst du? Was ist denn nun mit Vittore? Ist er im Club gewesen oder was?", bohrte er gröhlend nach, ging aber keinen Schritt mehr voran. Sergio fürchtete das Schlimmste, roch bereits, dass Everett etwas vermutete. Er sah sich kurz nach einer Ablenkungsmöglichkeit um, sah ein Steuerdisplay für die Wohnung neben sich an der Wand und wählte dort die Jalousiesteuerung an. Tatsächlich wollte sich Everett gerade umwenden, als er glaubte, einen Schatten neben sich zu erkennen. Als sich die Fenster milchig umfärbten und sich die Rollos automatisch langsam hinunterzogen, lenkten diese seine Aufmerksamkeit wieder zurück zum Wohnzimmer und er ging noch einen weiteren Schritt nach vorne bis zum abgesprochenen Punkt. "Was zum...", hörte Sergio ihn noch sagen, als dieser auf das erste Anzeichen von Luceijas Zugriff wartete und dann blindlinks um die Trennwand herumwirbelte und ihm die behandschuhte Hand auf den Mund drückte, um den ersten Schrei des Schocks zu unterbinden. Er konnte nur hoffen, dass Luceija schon bereit stand, ihn auch von hinten zu überwältigen.
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  10. #130
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Sie konnte gut spüren wie ihre Hand zitterte, auch dann, als sie die Pistole in eben die andere legte, die zweifelsohne favorisierte Waffenhand. Schwerer Atem presste sich durch die Lungen des Mädchens und machte nur spärlich etwas besser. Mit einem Mal, als sie die Schuhe über den Boden kratzen, die Jacke rascheln und den alten Sack sprechen hörte, spürte sie ihren Herzschlag millionenfach. Dieser Mann würde bald nicht mehr reden. Und nicht mehr atmen. Spritzen mit der Sicherheitskappe nach oben klemmten in ihrer Hosentasche und ragten weit heraus - bereit, sie einzusetzen, nur dieses Mal nicht an sich selbst. Sie geriet in diesen Tunnel den man betrat, wenn Angst die Überhand nahm. Oder Überlebenswillen.

    Die freie Hand der Fünfzehnjährigen setzte sich an den Rand der Schiebetüre und öffnete sie zögerlich und vorsichtig. Sie wollte nicht herausspringen und auch nicht stürmen. Sie wollte die alles verändernde Karte in diesem Spiel sein. Sie wollte erst erkennbar werden, wenn die Sache schon beschlossen war. Dementsprechend langsam setzte sie die dicken Sohlen ihrer Stiefel aus dem Schrank und gab sich grösste Mühe, nirgendwo anzustoßen oder zu rascheln. Vorsichtige Schritte setzte die Italienerin voran, bis sie ihn unweigerlich sah: Everett. Auf den sie diesen Hass massivst projizierte, der plötzlich in ihr hoch kochte wie pure Lava. Er hatte ihrer beider Existenzen bedroht. So massivst, dass es einer Erholung glich das bislang sehr kryptische Gesicht nun tatsächlich vor sich zu haben. Es eben nicht nur Bilder oder Aufnahmen waren mit denen man Everett verband, sondern dem Übeltäter nun tatsächlich in die Augen blicken konnte. In Luceijas Angst griff diese Wut und dieser Hass ein. Mischte sich zu einem unheilvollen Cocktail, gab ihrem Körper die Anweisung den Herzschlag weiter zu maximieren. Luci brauchte keine Aufforderung, die Waffe zu ziehen. Ihren dürren Arm auszustrecken, an dessen Ende sie die Waffe sicher hielt und ihren Zeigefinger über den Abzug setzte. Und so langsam und schrittweise näher kam, dass es noch ein paar quälende Sekunden brauchte, bis Everett schließlich, von unten herauf, den Lauf der Pistole an seinem Hinterkopf würde spüren können.
    "Wehr dich nicht.", sagte sie einzig. Der Daumen glitt über die Sicherung der Waffe. Und diese lud sich mit dem typischen Surren bedrohlich auf.
    Luceija ist offline

  11. #131
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Das Timing war nahezu perfekt gewesen. Kaum hatte Everett die Pistole in seinem Nacken gespürt und Luft zum Aufschrei geholt, als sich im halben Umwenden bereits Sergio von vorne auf ihn stürzte und seinen Laut unterdrückte. Instinktiv schlug das Opfer dennoch um sich, griff hinter sich nach Luci, als er noch nicht begriff, dass das kalte Gefühl an seinem Nacken eine Waffe war. Sergio fing die ungezielten Bewegungen ab, griff mit der freien Hand nach dessen Handgelenk.
    "Ein Mucks und du bist tot", stellte er klar und Everetts weit aufgerissene Augen zeigten, dass er nun verstand, dass er nur eine Fingerbewegung vom Tod entfernt war.
    "Wir wollen nur deine Passwörter für die Datenbanken und dann siehst du uns nie wieder. Also spiel schön mit klar?", sprach er möglichst leise zu ihm, um Mithörer auf dem Flur zu vermeiden, und drehte ihn dann mit dem Gesicht zur Wand. Der verstörte, alte Mann nickte und Sergio wagte es, die Hand von dessen Mund zu nehmen. Er muckste sich nicht, zitterte jedoch am ganzen Körper, als Sergio dessen Hände hinter dem Rücken zusammenhielt und die Ärmel hinaufzog, während Luceija weitherin mit der Waffe spürbar in Everetts Nacken drückte.
    "Wir fesseln dich jetzt und dann sagst du uns die Passwörter. Und schon in einer Minute sind wir wieder weg", sprach er zu Everett, nahm dabei aber Blickkontakt zu Luceija auf und sah zuerst auf die Spritze in ihrer Hand, dann auf die freie Stelle am Arm ihrer Geisel und nickte Luceija bedeutsam zu.
    "Ich kann euch alle sagen, kein Problem... Stehen alle oben auf einem Zettel. Ich hol ihn euch wenn ihr wollt"
    "Nanana, Opachen, bleib erstmal schön hier an der Wand. Mein Komplize hier hat nämlich nicht so gute Laune auf dich, weißt du? Wir geben dir jetzt ein Beruhigungsmittel und dann dann gehen wir gemeinsam ganz langsam nach oben, In Ordnung?"
    Everett schwieg. Widerstandslos ließ er seinen linken Arm von Sergio nach hinten ausstrecken und den Ärmel hochrollen.
    Tjordas ist offline

  12. #132
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Mehrere Male tauschte Luceija die Blicke mit Sergio. Beließ den Arm hartnäckig ausgestreckt am Hinterkopf von Everett und drückte sogar noch etwas mit Nachdruck zu, als wolle sie ihn zu einer Kooperation zwingen, die schon längst begonnen hatte. Ihr Waffenarm zitterte nicht so stark wie ihr anderer, mit dessen Hand sie den Plan in die Tat umsetzen sollte, wo Sergio den Arm des Feindes schon präpariert hielt. Sie zog an einer der dünnen Spritzen, die nebeneinander in ihrer vorderen, linken Hosentasche prangten, aber ihre Hand hatte jede Feinmotorik verloren. Neben der einen Spritze die sie zog, rutschte die Zweite mit heraus, fiel auf den Boden und gab ein leises Plastikklappern von sich. Schleifenförmig rollte es aus ihrer Reichweite und zwischen Everetts Beine hindurch. Hinter ihm erklang ein sizilianisches Fluchen.

    Damit wurde Everetts Angst deutlich geringer. Er witterte offensichtlich seine Chance weil er ziemlich schnell erkannte, dass Vittore so naiv gewesen sein musste, sein Testsubjekt in diesen lächerlichen Angriff einzubinden. Er lachte stokkatoartig und, als sich ihm eine kurze Gelegenheit bot, sich aus dem Griff des Sizilianers zu reißen, bückte er sich und griff den beiden das Mittel ab. Drehte sich um, zog die Kappe des Mittels und hielt sie wie eine Waffe vor sich, nun umgekehrt. Wieder lachte er. In einer verzweifelten, aussichtslosen Weise. Er hatte noch immer keine Ahnung, dass man einer seiner dutzenden Forschungsobjekte bereits den Hahn zugedreht und sie nicht nur betäubt hatte, aber das war im ersten Moment egal, wo er nichts wolle als nur sein eigenes Leben retten. Lucis Waffe zielte weiterhin auf ihn. Everett sah in den Lauf, dann zu Sergio. "Du steckst ziemlich in der Scheiße wenn du glaubst, dir meine Forschungen aneignen zu können!", japste er. "Du steckst in der Scheiße wenn du denkst, wir lassen uns weiter verarschen!" "Seit WANN genau ist es Laborratten erlaubt das Maul aufzureißen, geschweige denn eine Waffe mit sich rum zu tragen?! Was soll der Scheiß, Vittore, bist du wirklich so lächerlich weich und hast sie nicht längst eingestampft? Sie hat noch schlechtere Ergebnisse erzielt als Goda, und die ist bereits, wie du sicher schon herausgefunden hast, eins der schlechtesten der Reihe. Der Alte lässt dich die kleine Ratte persönlich hinrichten wenn er davon erfährt."
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (09.04.2019 um 22:28 Uhr)

  13. #133
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Vor diesem Ausgang der Situation hatte sich Sergio gefürchtet, aber ihn eben auch als Eventualität mit einberechnet. Dass Everett dabei auch noch die Spritze als Druckmittel in der Hand hielt, war ungünstig, aber es schien für Sergio kaum etwas an der Lage zu ändern. Völlig abgebrüht blieb er mit verschränkten Armen vor seinem Widersacher stehen, ließ ihn ausreden und schüttelte dann nur leise lachend den Kopf. Dann wählte er auf seinem Omnitool ein Dateiverzeichnis an und projizierte vor Everetts Augen ein Video. Die Szenerie war für Luceija sicher schnell zu erkennen: Es war der rostige, vergammelte Container-Unterschlupf, in dem man ihr erstes Mordopfer gefoltert hatte. Und nicht nur das, es waren genau die Sekunden, in denen er sein Leben aushauchte. Das Video zeigte, wie Luceija skrupellos auf den gefesselten Mann zuging und ihm scheinbar ohne zu zögern die Kehle mit einem tiefen Schnitt durchtrennte, bei dem nicht mehr viel zur Enthauptung gefehlt hätte. Blut spritzte und das so unscheinbare Mädchen badete nahezu darin. Aus dem entfernten, angehobenen Kamerawinkel, der sie von schräg hinten einfing, wirkte es, als sei sie dabei völlig unberührt. Der Moment wiederholte sich in Endlosschleife, doch Sergio sah an dem Holobild vorbei in Everetts Augen. Nach einigen Wiederholschleifen klappte er das Omnitool wieder ein.
    "Ihr Initiationsmord. Sie ist so stark wie ihre Familie, Ulysses", sprach er ruhig während er eine Hand auf Luceijas Schulter legte, die noch immer auf die Geisel zielte.
    "Goda hat sie auch schon über den Styx geschickt - deine Kleine wollte uns die Passwörter nicht geben. Luci hat mit ihr ohne zu Zögern kurzen Prozess gemacht. Schien ihr sogar richtig Spaß zu machen", fasste er zusammen und deutete mit dem Kopf zu der Sitzecke, in der Everetts Testsubjekt reglos mit dem Kopf nach vorne geneigt auf dem Sofa saß.
    "Dein Projekt haben wir hiermit frühzeitig beendet. Wir wollten urspünglich zwar noch deine Forschungsdaten, bevor wir uns absetzen, aber wenn wir die nicht bekommen und du uns Probleme machst, dann nehme ich gerne eine Leiche mehr in Kauf, bevor wir ohne deine wertlosen Tabellen verschwinden"
    "Das lässt der Alte dir niemals durchgehen! Er wird dich jagen wie eine Hirschkuh", bellte Everett nur als Antwort, fing sich aber wieder, als er dabei in den Waffenlauf blickte. Dennoch fuchtelte er weiter mit der Nadel vor sich herum.
    "Wird er nicht. Aber ich scheiße auf den Alten und auf Cerberus. Wir wollten nur dein Projekt auf Eis legen und dann kehren wir der Familie den Rücken. Als Söldnerin oder Auftragskillerin irgendwo in den Terminus-Systemen hat Luci bessere Chancen und mir bringt es mehr Geld ein. Seien wir ehrlich, die hätten uns beide früher oder später doch ohnehin kaltgestellt. Ich wollte bevor wir verschwinden nur dafür sorgen, dass dein Schoßhund uns dort in ein paar Jahren keine Probleme macht. Aber deine Forschung lässt sich trotzdem gut verkaufen. Und wenn ich dich dabei Leben lasse, wird uns die Familie weniger streng verfolgen. Also mach es uns doch allen einfacher, geh mit uns nach oben und rück die Passwörter raus. Denn glaub mir, ich muss nur einmal mit der Wimper zucken und ich kann dir beweisen, wie willensstark Luceija jetzt schon ist."
    Eine Sekunde durchbohrte Sergio sein Gegenüber noch abwartend mit seinem Blick. Doch als dieser noch zögerte, gab Sergio Luceija per Kopfgeste das Zeichen zu schießen.
    "HALT - Nein!", keifte Everett plötzlich mit unerwartet hoher Stimme. Mit einer kurzen Geste der Hand zügelte der Sizilianer seinen Zögling wieder.
    "Also. Leg die Spritze weg und rück die Passwörter raus, oder ich demonstriere Luci stattdessen, wo man mit Massenbeschleunigern hinschießen muss, damit dein Schädel platzt wie ein überreife Wassermelone"
    Tjordas ist offline

  14. #134
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Erstaunlicherweise, und obwohl der Drang kurz da war, fuhr Luceija Sergio nichts ins Wort. Sie klemmte sich hingegen die andere Spritze zwischen den kleinen Finger und den Ringfinger ihrer linken Hand und führte diese zur Unterstützung ebenfalls an die Pistole. Damit sie ruhiger zielen konnte, die Waffe, auf Kommando, andeutend hob und anstalten machte nun abzudrücken und diese erst wieder minimal locker lies, als Sergio ein zweites Mal ein Zeichen gab. Sie funktionierte wie eben das Werkzeug, dass er angedeutet hatte und ihr schneller Atem und die Scham darüber, den Plan initial versaut zu haben, schwoll kontinuierlich und mit zunehmender Schnelligkeit ab. "Ich bin nicht SIE.", machte sie mit einem Nicken gen Goda klar und verzichtete dem korrupten Forscher gegenüber auf ihr Sizilianisch, obwohl der Akzent unheimlich stark durch ihr Englisch drang, sehr ähnlich zu Sergio, der aber mehr Routine hatte.

    "Schon gut! SCHON GUT!", hob er zumindest eine Hand mit dem Signal, er gebe auf. Die Hand mit der Spritze senkte sich, aber viel langsamer. Immer wieder ging sein Blick zu seinem ehemaligen Testsubjekt. Nur war der Blick etwas, was sie Sergio, wenigstens ihr gegenüber, nie gesehen hatte. Es war der Stapel der Eventualitäten die der Forscher durch ging. Die Summe des Verlustes die ihn überrollte. Nicht, weil er in Godas Fall eine Art Tochter verloren hätte, nein. Weil seine Forschung hiermit über den Jordan ging. Das Potenzial, dass für ihn bei rabiaterer, weiterer Forschung vielleicht einem Ziel hätte Nahe sein können. Oder zumindest ein Stein hätte sein müssen auf diesem langen Weg durch den Sumpf weiterer Experimente und potenziellen Subjekten. "Setzen.", kommandierte das italienische Mädchen in gebrochenem Englisch und fuchtelte entsprechend mit der Waffe zum Sofa. Everett folgte langsam und streckte das Mittel von sich, behielt es jedoch weiterhin in seiner geschlossenen Faust. Langsam und mit Augenkontakt zu Luceija setzte er sich. Neben Goda. Die immer wieder kurz in seinen Fokus geriet und bereits steif war. "Gib ihm die Spritze." Everett tat nichts dergleichen. Er grinste dieses verzweifelte und doch schäbige Lächeln zu Luci. "Glaubst du ernsthaft, was er dir sagt? Er würde mit dir irgendwohin fliehen?! Du bist die nächste Goda, Kleines, stimmt doch, Sergio?", benannte er den Arzt nun ebenfalls bei seinem Vornamen wenn diese Hürde schon gebrochen war. "Oder weshalb genau steht bei dir die übliche Vorbereitung für das sichere 'Beenden' der 'Versuchsreihe' neuerdings so weit oben in deinen Plänen? Ich hatte lange genug Zugriff auf deine Systeme um zu wissen, dass du sie darauf vorbereitet hast."
    War das nun ein üblicher, verzweifelter Versuch sich in letzter Sekunde aus der Scheiße zu ziehen und dem Tod von der Schippe zu springen? Oder nicht? Luci sah zu Sergio. Der Anflug eines Zweifels lag darin, als sie zurück sah. "Er hat deine Dosen nicht aus Creditmangel gekürzt. Er wollte dich austrocknen, Schätzchen."
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  15. #135
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    Sergio folgte den beiden mit weiterhin verschränkten Armen zur Sitzgruppe hinüber und setzte sich im Gegensatz zu seinem Gastgeber zunächst nicht. Als Ulysses es wagte, nun auch noch ein Lügengespinst aus Anschuldigungen zu spinnen, um so Luceija gegen ihn aufzubringen, schwand auch noch das letzte bisschen Respekt vor ihm. gerne hätte er nun Luceija die Waffe aus der Hand gerissen und das Thermomagazin auf den alten Sack leergeballert, doch er wusste, dass er seinen Plan einzuhalten hatte. Er bemerkte den misstrauischen Blick Luceijas zu ihm, sah sie ebenfalls an und verengte die Brauen.
    "Schon dass du mich überhaupt so ansiehst, Luci, ist eine Beleidigung. Du weißt, ich verlange bedingungsloses und absolutes Vertrauen. Gegen solche Spinnereien von einem Angsthasen werde ich mich nicht verteidigen - du kennst die Wahrheit", schloss er die Beweislage ohne eine wirkliche Aussage ab. Für ihn war es, wie er es sagte. Wenn Luceija ihm nicht uneingeschränkt vertraute, so wäre ihr gesamtes Experiment als gescheitert anzusehen. Uneingeschränkte Loyalität und Vertrauen waren seine schon immer klar genannten Grundbedingungen - ohne diese würde er sie ohne zu zögern verstoßen.
    "Also Ulysses. Damit hätten wir geklärt, dass Luci und ich Partner sind. Im Gegensatz zu deiner Haussklavin neben dir. Wir sehen also, welches Verhältnis mehr Früchte trägt. Und langsam reißt mir der Geduldsfaden. Ich sage es nur noch einmal: Leg die Spritze weg und wir verhandeln. Alternativ bläst dir Luci erst deine schrumpligen Eier und dann deine Rübe weg.
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  16. #136
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    Wem der Geduldsfaden riss, war klar Luceija. Sie zögerte nicht länger, sondern setzte um was umgesetzt hatte werden müssen, holte aus, bevor er reagieren konnte und klatschte ihm mit der Waffe gegen die Schläfe. Nichts davon war unermesslich stark - aber es reichte um den alten Mann anzuhalten, nochmal nachzudenken, bevor er etwas weiteres dummes sagte. "Du hast ihn gehört. Mach dein Scheiß Maul zu, alter Sack und leg die Spritze weg."
    Um zu verdeutlichen, WIE ernst sie es meinte, drückte sie Everett den Lauf der Waffe nun äußerst zielgerichtet direkt zwischen seine buschigen und drahtigen Augenbrauen. "Glaubst du ich tus nicht? Denkst du ernsthaft, ich bring am einen Tag einen Typen um und hätte dann nicht die Eier es am nächsten nochmal zu tun? Du beleidigst meine Familie. Meinen V-...Doc UND mich. Ich verspreche dir, das tust du kein zweites Mal."
    Die flache Hand streckte sich ihm auffordernd entgegen. Und viel zu spät, aber endlich, legte er sie auf ihrer ab. "Du bist die nächste. Warts ab.", drohte er nochmals. Dieses Mal jedoch nicht, ohne dass das Mädchen endlich - zu spät aber endlich - handelte. Die Kappe mit dem freien Daumen von der Spritze schnippte und ihn den Arm präsentieren ließ. Er reagierte zu langsam. Aber schnell genug damit Luceija die Spritze an seinen Arm ansetzen konnte. Dazu brauchte sie kaum einen genauen Blick auf den Arm zu richten, als sie seine Haut durchstach und die Vene traf. Den Kolben drückte.
    "DU...bist der nächste."
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  17. #137
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Die Geisel war völlig perplex und angesichts des Alters ohnehin schon nicht reaktionsfreudig genug, mit diesem plötzlichen Angriff umgehen zu können. Der Hieb auf die Schläfe setzte ihn lange genug außer Gefecht, dass bereits eine Nadel in seinem Fleisch steckte, bevor er wieder die Orientierung zurück gewann. Erst als er die Wut in Luceijas Augen sah und sie ihn dann auch noch wissen ließ, dass er die nächste Laborratte sei, erkannte er, dass es sich bei den Spritzen wohl kaum nur um Beruhigungsmittel handelte. Die beiden wollten ihn umbringen. Viel zu spät begann er zu zappeln und sich zu wehren, doch da war Sergio bereits zur Unterstützung herbeigerannt und hielt Everetts linkes Bein mit seinem Knie auf der Sitzfläche und sein Handgelenk am Rückenpolster, während Luci das gleiche auf der rechten Körperhälfte tat. Von zwei Personen fixiert und innert Sekunden bereits unter Drogeneinfluss, dauerte sein Widerstand nur wenige Augenblicke. Sergio hielt ihm den Mund gegen die Schreie und Ächzen zu. Schon nach etwa dreißig Sekunden wurden seine Hilferufe leiser und seine Bewegungen schlaffer, ehe er mit einem sachten Lächeln auf den offenen, trockenen Lippen in ein Delirium abdriftete.
    "Okay", war schließlich alles, was Sergio nach einer weiteren Minute kraftlos herausbrachte, als sich wirklich nichts mehr an Everett rührte außer dessen Atmung und willkürlichen, verdrehten Pupillenbewegungen.
    "Das war die erste. Drapier ihn anders - es muss wie bei einem gewollten Schuss aussehen. Gürtel, Aufkochlöffel... Jetzt sieh mich nicht so an, ich weiß genau, du hast das schonmal irgendwo gesehen. Ich gehe nach oben und installiere den Empfänger. Sobald du ihm die zweite Ladung verpasst, geht er mit Sicherheit den Trip bis zum Ende. Sein Tod löst seinen Notfall-Backup-Upload aus, ich fange es ab und entschlüssle den Kram zu Hause. Also, an die Arbeit, der kann hier erstmal schmoren..." Er stand auf und überließ den reglosen Ulysses und Luceija sich selbst, eilte die Treppen hinauf zum Labor des Widersachers. Der Quantenverschränkungskommunikator, den Everett für seinen Notfallupload nutzte, war für Sergio leicht zu finden, nutzte er und andere Forscher dieser Zelle doch das gleiche Prinzip. In der Nähe des Computers, den Sergio bereits schon einmal durchforstet hatte, stellte er nun ein kleines, unscheinbares Gerät auf, das im Grunde nur aus einer Schaltplatine und einem Kabel bestand und schloss dieses an einen großen, schwarzen Würfel an, hinter dessen Verkleidung sich tatsächlich auch nur diese eine Schnittstelle befand und dessen restliche Technik komplett im Kern verborgen verbaut war. Dann funkte er Luci wieder über sein Omnitool an:
    "Ich bin bereit. Wie sieht's aus, Luci? Bereit dem Bastard den Rest zu geben?"
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  18. #138
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Die Fünfzehnjährige stand über Everett. In dieser Situation, sowie auch in diesem niemals wirklich entfachten Zweikampf. Die Jugend hatte über das Alter gesiegt, war es nicht so? Nicht ganz. Ulysses war für sein Alter noch ziemlich gut beieinander gewesen, obwohl er um einiges älter war als Sergio. Jetzt blickte die Italienerin von oben auf den sabbernden, alten Mann hinunter, verzog dezent angewidert ihren Mund. "Ekelhaft..", knurrte sie leise auf Sizilianisch. "Was?", kam zurück, im selben, gewohnten Dialekt. Es ließ die Schwarzhaarige den Kopf heben. "Nichts..", bestätigte sie. "Ich bin bereit."
    Die Sicherheitskappe der Spritze hob Luci einfach ab und warf sie auf den Boden. Ein leises Geräusch kündigte dessen Weg an, bevor es unter dem Sofa verschwand.
    Luci ging nicht vor ihm in die Knie, sie beugte sich stattdessen zu ihm. Die langen Haare fielen ihr über die linke Schulter, generierten einen Schleier der Intimität als der Atem des dahinsiechenden Arztes an ihr Ohr drang und etwas säuselte, dass sie erst nicht recht verstand. Dann zog sie die Falten auf seinem Arm glatt. Setzte die zweite Spritze an, durchstach dazu die dünne Haut und versenkte die Nadel in einer Vene. Dann drückte sie den Kolben hinunter und injizierte ihm den Stoff.

    Einen Moment lang sah sie zu bei dem, was hier passierte. Wie Everett noch schlapper wurde, nach vorne sackte und ein Speichelfaden über seine Unterlippe hinwegtropfte. Erst dann blickte sie an seinem Körper hinab und setzte ihre schlanken Finger an seinem Gürtel ab, den sie ihm öffnete. "Nicht ganz das was du dir vielleicht zum Ende erhofft hast..", sagte sie zu ihm, unwissend, ob er es noch hören konnte oder sich vielleicht tatsächlich noch ein Abschiedsgeschenk erhoffte? Anstatt sich an der Hose darunter zu vergreifen zog sie nämlich an der Schnalle des alten Mannes, zog das Leder aus den ösen seiner Hose und wickelte diesen dann, unnatürlich stark, um seinen Oberarm, wovon er sicherlich kaum noch etwas merken würde. Sie hakte den Gürtel nicht ein, nahm aber das andere Ende des Leders zur Hand, stopfte ihm dieses in den sabbrigen Mund und ließ es dann, so in etwa in natürlicher Fallrichtung, auf seinen Schoss fallen. Dass er hierauf gebissen haben würde kaufte man ihnen nun ab.
    Der Löffel musste folgen. Dazu begab sie sich kurzerhand in die Küche, nahm einen zufälligen Löffel hervor, den sie am unteren Ende mit dem Feuerzeug auf dem Beistelltisch ankokelte um eine Russ-schicht zu hinterlassen. Oben verteilte sie Schlieren des Mittels, dass noch in der Spritzenkanüle fest hing. Ein paar Momente später lag alles um ihn herum drapiert. Bereit für den Dummen, der das hier finden sollte.

    Sie hatte geglaubt, dass es ihr schwerer fallen würde. Unbändige Angst kurz zuvor gehabt. Aber so erstaunt, wie leicht es dann am Ende doch war.
    Luceija ist offline

  19. #139
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Eine Sekunde lang bereute Sergio, dass er diesen denkwürdigen Moment hier oben im Labor verbringen musste, doch er musste unbedingt sicherstellen, dass dieser Aufbau ansprang und funktionierte - dies war die einzige Chance, die sie hatten, die Daten in dieser Form abzugreifen. Es ging ihm auch nicht darum, dass er Luceija gerne kontrolliert hätte - in ihre Fähigkeiten und ihren Willen hatte er inzwischen vollstes Vertrauen. Er wäre einfach nur gerne dabei gewesen, wenn sein Konkurrent den letzten Atemzug tat.
    Einige Momente später schien alles abzulaufen wie geplant. Der Monitor von Ulysses Rechner schaltete sich selbst ein und zeigte die schneller und unrhythmischer werdende EKG-Kurve seines Besitzers.
    'Lebenszeichen kritisch. Protokoll 989 steht bevor' - blinkte dort in roten Lettern auf. Auf der angebrachten Platine drückte Sergio den einzigen vorhandenen Tastschalter, um den Abfangprozess einzuleiten - dann wartete er, starrte abwechselnd auf das Quaderförmige Objekt vor sich und die immer zittrigere Herzkurve Everetts.
    "Du weißt, dass wir streng genommen gerade die Familie hintergehen oder?", leitete er über Funk ein, wohl wissend, dass Luceija gerade dem alten mann beim Sterben zusah, während Sergio in gewisser Weise mit der EGK-Kurve dasselbe tat.
    "Ich meine - natürlich sind wir im Recht und die Zelle wird das später einsehen... Aber was wenn wir einmal wirklich fliehen müssten? Du und ich nach Omega? Alles was wir getan und geopfert haben, haben wir nur für Cerberus gegeben. Ich habe mein Herzblut in dich und dieses Projekt gesteckt, weil ich mein Herzblut in die Familie stecken wollte. Doch irgendetwas hat über die Jahre eine Eigendynamik entwickelt. Und wenn ich wählen müsste... Ich wüsste inzwischen nicht mehr, ob mir Cerberus wichtiger ist oder... dieses Projekt"
    Er ließ den Comchannel offen, sprach aber trotzdem einige Momente lang nicht, stattdessen war nur Funkrauschen zu vernehmen.
    "Ein Glück dass ich nicht wählen muss"
    Tjordas ist offline

  20. #140
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Luceija lachte ein schwaches Lachen in die Commverbindung. Das Mädchen, der diese gehörte, hatte sich auf den Beistelltisch vor dem Sofa gesetzt und gemächlich, ein weiteres Mal, dabei zugesehen, wie ein Mann Stück für Stück sein Leben aushauchte. Sie genoss den Anblick nur zum Teil, denn es hatte noch immer einen gewissen Schrecken an sich. Zu sehen, wie er manchmal noch zitterte, zu sehen, wie Schaum aus seinem Mund tropfte, er die Augen verdrehte und immer lebloser wurde. "..du würdest dich immer für die Familie entscheiden.", stellte sie fest, ohne es ihm als Vorwurf zu machen. Es war vielmehr eine Tatsache, die sie zu wissen glaubte, weil es Teil ihrer Doktrin, Teil ihres Lernens, ihres Lebens war, dass Cerberus immer und zu jeder Zeit an erster Stelle zu stehen hatte. "Und alles dafür tun, um sie zu schützen.", hängte sie an, im Glauben, dass er auch sie opfern wuerde, wenn es denn sein musste und einen erstaunlichen Frieden mit dieser vermeintlichen Tatsache hatte. "...richtig?", fragte sie nun und es war die Frage einer längst indoktrinierten, die die Liebe ihres Adoptivvaters vielleicht spürte, ja, aber Worte der Zuneigung selbst im Grunde nicht bekam. Nicht auf die übliche Weise.

    Ein tiefer Atemzug verließ Everetts Mund. Und dann wurde es still. Fürchterlich und endgültig still. Und sie bestätigte leise, was Sergio sicher schon wusste: "Er ist tot."
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