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  1. #101
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Ungeduldig wippte der Italiener mit dem Fuß, den er über sein Bein geschwungen hatte, während er auf der zugegebenermaßen äußerst bequemen Couch in einer der VIP-Booths saß. Er beobachtete den Club gelangweilt, und das obwohl der Schuppen sogar gar nicht mal minderwertig war. Ein Lichtspiel unterschiedlichster Farben des Regenbogens zog sich im Rhyhtmus der Musik wellenartig über die durchgehend beleuchteten Decken und Böden, wobei sich die Farben hin und wieder zu abstrakten Formen zusammenfügten und dann wieder in das Chaos aus Lichtern verschwanden. Hologramme, Lichtstrahlen und Stroboskoplichter unterstrichen die klimatischen Momente jedes Songs, ein Dutzend Tänzerinnen und Tänzer jeder Spezies und jedes Typus animierten auf einer leicht erhöhten Bühne um den DJ des Abends herum zum Tanzen, während sich schon jetzt am frühen Abend die Tanzfläche selbst schnell füllte. Ebenfalls leicht erhöht von dieser war die elliptische Tanzfläche umgeben von den surrealen Strukutren, die sich als die VIP-Zellen erwiesen. Dort wo über dem Tanzparkett gläserne Zapfen wie Stalaktiten die Decke zierten, die rhythmisch von den Farbewellen durchzogen wurden, verbanden sich Bündel der filigranen Zapfen am Randbereich mit Stalakmiten aus dem Boden von gleicher Struktur. So ergaben sich organische und doch seltsam geometrische Bündel aus Glas, in deren hohlen Innenräumen sich die halb einsehbaren Sitzbereiche befanden, zu denen jedoch nur reservierte Gäste wie Sergio Zugang hatten. Dabei umgaben ihn die blickverzerrenden Glasstrukutren nicht gänzlich, sondern in unregelmäßigen Streifen wie ein um ihn herum gefrorener Wasserfall, durch den die Lichtwellen waberten. Umso leichter war es, von hier aus unbeobachtet dennoch die gesamte Besucherschaft des Clubs im Auge zu behalten. Wie erwartet war bisher weder der Besitzer des Clubs, noch sein Geschäftspartner Everett eingetroffen und so war Sergio beinahe erleichtert, als ihn wenigstens eine eingehende Nachricht auf seinem Omnitool etwas zerstreute. Sie war von Luceija, die nach dem richtigen Getränk fragte. Sergio bemühte sich gar nicht erst zu antworten - er hatte lange genug herumgesessen und wollte nun nicht weitere zehn Minuten mit einem Wechsel aus vagen Textnachrichten verbringen.

    Es war nicht schwer, Luceija ausfindig zu machen, und dennoch traute Sergio seinen Augen kaum. Natürlich musste es unter den wenigen Gästen des frühen Abends seine Luci sein, die seiner Erwartung entsprechend an der Bar saß, doch mit diesem doch extrem freizügigen Kleid, dem offenen Haar und dem äußerst betörenden Makeup wirkte sie so gar nicht wie die Luci, die er kannte. Nachdem er sie eine Weile aus der Ferne ungläubig angestiert hatte, war er sich jedoch sicher und schüttelte mit einem sich langsam entwickelnden Grinsen den Kopf und achtungsvoller Fassungslosigkeit.
    "Guten Rotwein hat kein Club auf der Citadel", beantwortete er ihre Frage von zuvor nach langer Verzögerung, indem er sich ihr von hinten annäherte und ihr direkt in ihr Ohr sprach. Dann griff er sie sachte an der Schulter, um sie samt dem Drehpolster, auf dem sie saß, zu sich umzudrehen. Er kam nicht umhin sie kurz aber ausgiebig zu mustern und dabei beeindruckt zu lächeln.
    "So sparen sich die Securitys zumindest das Abtasten - man sieht ja ohnehin fast alles von dir", neckte er sie etwas und hob dabei kurz die Brauen. Es fiel ihm schwer die Blicke von ihrer Kleidung und dem was dahinter war zu lassen und so war der neckische Spott wohl nur ein Mittel, von seiner eigenen Unfähigkeit zum Taktgefühl abzulenken. Eine willkommene Ablenkung war daher der Barkeeper, der den bestellten Longdrink neben Luci stellte und den Sergio prompt für sie zahlte, indem er einen Creditchip zum Hüter der Theke schnippte. Nicht nur, weil es sich gehörte, sondern weil er natürlich den Eindruck eines Liebhabers machen wollte, der nur aus niederen Instinkten heraus ein Gespräch mit der vermeintlich fremden Schwarzhaarigen begann.
    "Wie gefällt dir der Laden bisher?", hakte er nach, während er dem Barkeeper mit einer kurzen Geste andeutete, dass er selbst den gleichen Drink bestellte.
    Tjordas ist offline

  2. #102
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    “Das soll wahrscheinlich lustig sein..?”, hob Luceija nicht nur in einem extrem zu ihrer Aufmachung passenden, schnippischen Art die Augenbrauen, sondern auch den Kopf an. Auch, wenn es nur eine übliche Retoure auf Sprüche seinerseits war, lächelte sie dazu nicht. Nicht mal eine halbe Minute später, als er längst versuchte von ihr abzusehen und sich den selben Drink geordert hatte wie sie. Ein Verhalten, welches sie nicht ganz verstand. Was sie bestellt hatte zeugte nicht wirklich von Ahnung im Spirituosensortiment und war viel eher eine pappsüsse Plörre, die sie vor hatte mehr zu halten als zu trinken. Der Barkeeper hatte das Getränk als Illium Sunrise betitelt – und auch wenn es optisch durchaus was hermachte, wie zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte einen feinen Übergang zwischen Blau und Rot bildeten und in der Sanduhrform des Cocktailglases wirklich wie die Sonne eines Alienplaneten anmutete, war das, was sie roch und probierte, alles andere als genüsslich. Dennoch reckte sie den Kopf und saß weiterhin gerade, aber nicht steif, auf dem Barhocker, mit diesem Hauch an Seriosität und perfekt integriert in eine Rolle, die man von diesem Dauerberauschten Teenager nicht erwartete. Es war eine Art, die sie in Sergios Beisein kaum zeigen musste, weil er niemals zuvor gleichzeitig zusammen mit ihr in einem Club war und der Anreiz dazu hatte bislang noch sehr gefehlt. Aber zumindest in diesem Moment schien die apathische Fünfzehnjährige wie ersetzt. Selbstsicher, ja, sogar arrogant und viel zu schnell viel zu erwachsen.
    Sie hob das Cocktailglas, dessen Stiel langsam zwischen die schlanken, behandschuhten Finger geglitten war, an ihre Lippen und lies sich, im stetigen Blickkontakt mit ihrem Ziehvater, nicht anmerken, wie angewidert sie von dem Mix in ihrem Glas war. Stattdessen linste sie einfach wie ein Raubtier über den Rand des Gefäßes hinweg und antwortete nach mehreren Sekunden mit einem kühlen „Könnte besser sein.“. Ihr Akzent schwang distanziert unter ihrem Auftritt wie die Bass Line des Tracks zum Rest. Sie lächelte dann, viele Augenblicke später erst, ganz leicht und halbseitig, als sie von Sergio ab und in die Ferne in Richtung der Tanzfläche sah und den Stil der Leute aufmerksam beobachtete und dabei ihr Getränk schwenkte, als hoffe sie, dass es besser wurde, wenn sie das tat. Das Lächeln verschwand so schnell wie es kam und machte der schieren Ausdruckslosigkeit Platz, wären da nicht ihre mit tiefdunklem Makeup eingefassten, grünen Augen, die bereits wortlos sprachen. „Hast du meinen Stoff dabei?“, fragte sie Sergio ohne ihn anzusehen und flüsterte ihre Frage nicht mal, sondern stellte sie geradewegs heraus. Sicher war, innerhalb eines Clubs wie diesem war das Herumreichen von Drogen ohnehin nichts Geheimes mehr. Schon beim bloßen Überfliegen der Tanzenden waren ihr Leute aufgefallen, die ganz offensichtlich auf einem Trip waren und hatte einen sogar direkt angesehen, als er sich eine Ladung schnupfte. Dass IHR Stoff tatsächlich medizinischen Zwecken diente, zumindest denen von Cerberus, überließ sie Sergio zu schlussfolgern und ihn bis dato hier stehen zu lassen, als sei er nur hier um seinen Stammkunden Drogen zuzuspielen. „Dann gib es mir gleich, ich hab‘ vor Tanzen zu gehen.“
    Ein weiterer Schluck des ‚Sunset‘ folgte den Weg ihrer Kehle nach unten. Dann stellte sie das Glas ab, kramte in ihrer Tasche um, mit einer neuen Zigarette zwischen ihren Lippen und einem Feuerzeug in ihrer Hand, direkt nach dem Anstecken des Glimmstängels ihren Kopf wieder rollengerecht anzuheben und betont von Sergio wegzusehen, als sei sie zu gelangweilt auf jeden ihrer Verehrer einzugehen. Sie zog an der Zigarette, bis das Ende aufglimmte, nahm sie dann zwischen ihren umhüllten Zeige- und Mittelfinger und klopfte mit dem Daumen einschläfernd langsam den abgebrannten Tabak in einen nahen Aschenbecher. Der Rauch, den sie dabei eingesogen hatte, entließ sie, ohne bewusst an Sergio vorbeizielen zu wollen, linksseitig aus ihrem Mundwinkel. Trüb-Weiße Wolken waberten über ihre mit mokkafarbenem Lippenstift bemalten, vollen Lippen.
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  3. #103
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Tatsächlich hatte Sergio sich den Drink etwas wohlschmeckender vorgestellt, bevor er daran nippte. Unmerklich verzog er das Gesicht bei dem widerlich süßen Geschmack, doch im Grunde hatte er den Drink auch nicht zum genuss bestellt, sondern einfach, da nichts auffälliger war als ein Gast, der weder trank noch tanzte. Aus dem selben Grund war er auch froh, dass Luceija das Spiel verstand, dass er hier spielte, sich bewusst abweisend ihm gegenüber gab und ihn im Anschluss sogar nach Drogen fragte. Natürlich meinte sie damit ihre tägliche Medikamentierung, aber es machte die Tarnung der beiden komplett: Sie ein junger, euphorischer Szenegast, er ein alternder Drogendealer. Unauffälliger konnte man sich hier kaum geben. Sergio glaubte sogar aus dem Augenwinkel zu sehen, wie sich bei der zweiten Bar einige Meter entfernt beinahe die gleiche Szene zwischen einer Asari und einem Batarianer abspielte. In betont unauffälliger Auffälligkeit schob Sergio seiner vermeintlichen Kundin daher ein kleines Döschen mit den vorbereiteten Pillen in der richtigen Dosis zu, tauschte dies gewissermaßen gegen die Zigarette in ihrer Hand, die er sich im unachtsamen Moment der Übergabe dreist stahl und ebenfalls einen Zug davon nahm.
    "Mein Abteil ist das da", erklärte er noch beiläufig, während er zu einem der seltsamen Glasgebilde drüben an der Tanzfläche deutete. Damit schien alles gesagt zu sein. Er wollte ihr den Spaß mit Sicherheit nicht verbieten, zumal er zu ihrer Verkleidung beitrug und zudem war er überzeugt, dass seine Luci genau wusste, wann der Moment gekommen war, dem eigentlichen Auftrag nachzugehen. Auch sie würde mit Sicherheit ihre Augen offen halten. Beiläufig gab er Luci ihren Tabak zurück, stieß sich dann von der Theke ab und trottete zum Takt kopfnickend in Richtung seiner Privatzelle. Auf dem Weg dorthin sprach ihn eine Asari an, die er nicht wiedererkannnte. Die Musik war zu laut, um genau zu hören, was sie sagte, aber er war sich sicher, dass sie das Scheingeschäft an der Bar mitbekommen hatte und nun auch ihren Anteil zu erhandeln versuchte. Sergio beachtete sie kaum, winkte mit der Hand nur beiläufig ab und sah sie nicht an. Diese blauen Aliens waren ihm besonders suspekt - da waren ihm sogar die amphibienartigen Salarianer lieber. Ohne ein weiteres Wort zu sprechen wandte er sich von ihr ab und begab sich zu seinem Separee, in dessen kristallenen Zugang er sich stellte und mit einer Schulter seitlich daran gelehnt seinen Drink 'genoss', während er das Geschehen im Club weiter beobachtete.
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  4. #104
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Luceijas Lächeln hatte sich unauffällig geweitet, als der Sizilianer durch die Menge der Clubbesucher hindurch in die Richtung verschwunden war, die er zuvor mit einem Wink angedeutet hatte. Ihre glimmende Zigarette klemmte wieder zwischen den mokkafarbenen Lippen und nahmen die Farbe am Filter auf wie ein Schwamm. Sie schmeckte ihn unbewusst zwischen den einzelnen Zügen im Gemisch ihres Speichels. Er schmeckte künstlich und billig. Stellen ihrer Zunge reagierten mit der Weiterleitung des aufgenommenen Geschmacks, bitter, und sandten den Befehl weiter an ihr Hirn. In derselben Hand, die die Zigarette nun aus ihrem Mund zog um einmal mehr den Rauch ins neblig-feuchte Nichts des Clubs zu blasen, hielt sie nun eine kleine Metalldose, die sie locker mit den schmalen Fingern umschließen konnte. Fragen würde ohnehin keiner stellen. Weder dazu, was man ihr da in die Hand gedrückt hatte, noch, wieviel es gekostet hatte und womit sie die Pillen zu zahlen gedachte. Der Barkeeper warf zwar einen kurzen Blick in ihre Richtung, aber als sie es war die diesen Blick aufgriff, schien er sich erwischt zu fühlen und widmete sich schnell wieder dem zu mixenden Getränk eines anderen Clubbesuchers.

    Luci rutschte nach einer Weile, in der sie sich gemächlich umgesehen hatte, die Atmosphäre des Ladens auf sich wirken lies, von ihrem Hocker, zurück auf die festen, neuen Stiefel, die paradoxerweise ein exzellentes und beinahe wildes Bild einer Person zeichnete, die hier ein und ausging. Sie fiel nicht im Ansatz negativ auf und so war es für sie auch gänzlich egal, wie das gewagte Kleid saß nachdem sie an der Bar Platz genommen hatte. Mit jedem Schritt den sie ging und der leichte Stoff um ihre mit hohen Strümpfen versehenen, dürren Beine glitt und stellenweise nicht mal die Unterwäsche im Geheimen hielt, entwirrte sich das empfindliche Material selbst und umhüllte sie wieder wie zu Beginn, in dem Moment, in dem sie stehen blieb. Es war einer der wenigen Momente dieses Abends, an denen sie stillstand. Jetzt, alleine, gerade verlassen von zwei aufgetakelten Damen, vor dem breit gezogen und mit kühlem, vibrierenden Licht versehenen Spiegel der Damentoilette. Schon jetzt waren Spuren der Clubgänger gut sichtbar: Der Spiegel war stellenweise mit Wasser (oder ähnlichem) bespritzt, Reste von Einwegtüchern klebten in fetzigen Ausläufern in der Suppe des Handwaschwassers und eine Person hatte wohl geschafft sein pudriges Makeup in seiner Gänze im Waschbecken zu versenken. Reste waren über die gesamte Laenge der ersten beiden Waschbecken verteilt. Überall klebten Bronzefarbene Krümel oder verschwammen in helleren und dunkleren Nuancen tröpfchenartig miteinander. Es stank nach mehreren Arten Parfüm die den Geruch der Hinterlassenschaften in den Parzellen hinter ihnen übertünchten. Mehr oder weniger gut. Eine Commnummer war mit weinbeerenfarbenem Lippenstift am östlichsten Winkel des Spiegels notiert worden. Weitere Botschaften, diese allerdings mit herkömmlichen Stiften unterschiedlicher Arten, fanden ringsum an den Wänden Platz. Insgesamt war es ein teures Ambiente und dennoch schreckte das besoffene oder berauschte Publikum nicht vor Vandalismus zurück. Luci, die vor dem Spiegel stand und sich einen Moment lang die Nachrichten ansah anstatt sich selbst, empfand diese Art „Kunst“ nicht als störend, sondern recht sympathisch. Hätte sie einen Stift bei sich gehabt hätte sie dem Haufen Idioten vermutlich noch einen semi-weisen Alighieri-Spruch hinterlassen und sich dabei gleich zehnprozentig überlegener gefühlt. Sie schnaubte leise. Zwischen diversen „(…) was here“ entdeckte sie einen am oberen Rand der Parzellentür. Dort stand: ‚Don’t beam me up Scotty, I’m taking a ShI‘, wobei das eigentliche I nach oben bis zum Ende der Tür gezeichnet wurde. So viel Kreativität hätte sie den Leuten hier kaum zugetraut. Sie sah es mit einem tatsächlichen Lächeln und widmete sich dann dem eigentlich wichtigen zu. Auf dem Waschtisch stellte die Halbitalienerin das erhaltene Döschen in eine der zahlreichen Pfützen. Schraubte es auf. Sah mehrere Pillen im Inneren liegen, inklusive einem kleinen Zettelchen, auf dem nur ein einziges Wort, in Sergios Handschrift, stand: ‚Alle.‘

    Im Nu hatte sie diesen Teil erledigt, insgesamt sieben verschiedenfarbige Pillen gleichzeitig in den Rachen geworfen und im unabgezählten Zweierpacks nacheinander mit etwas Wasser aus dem Hahn geschluckt. Bis in einer halben Stunde würde sie merken was es heute war. Mal wieder hatte sie nicht auf den Plan gesehen, der ihr diese Frage beantwortete, aber die Pillenform verriet ihr bereits, dass es weitere Tabletten sein würden, die kontinuierlich ihr System vergifteten um ganz bestimmte Strukturen ihres Hirns dazu anzuregen sich selbst zu zerstören. Danach kamen all die Bestrahlungen, das Eezo, stundenlanges Kotzen, unruhige Nächte, Nebenwirkungen, Herzstillstände…eben alles, was man für gewöhnlich nicht so leiden konnte. Die Notwendigkeit allerdings allein brachte die Halbitalienerin dazu die Pillen ohne zweiten Gedankengang zu schlucken. Das Vertrauen ebenso. Sie hatte zwar in Wirklichkeit nie eine Wahl gehabt, aber sie traute Sergio schon seit Jahren blind. Genauso, wie sie ihm gestern blind vertraut hatte und selbst die niedersten Instinkte auf seinen Wunsch hin belebt oder begraben hatte. Das bedeutete aber nicht, dass sie generell keinen eigenen Willen mehr zeigte. Das war mit der Grund, weshalb sie bei den Pillen, deren Wirkung sie in der Gänze noch gar nicht kannte und vielleicht auch etwas komplett anderes hätten sein können, nicht stoppte. In ihrer Tasche fand sie ein kleines Tütchen mit weißem, pulvrigen Inhalt. Nur Grob wischte sie mit einem Tuch die Wasserreste von der Theke, um das Tütchen am oberen Rand aufzureißen und einen grob bemessenen Haufen davon auf der Oberfläche zu verteilen. Neue Frauen betraten die Toilette, manche giggelten, eine verschwand direkt in der Parzelle hinter ihnen und quatschte mit der Freundin dennoch weiter über einen ‚Sven‘ oder so, der besonders viel Trinkgeld gegeben hätte. Alle drei Mädels, die zwei die sich neben Luci an den Spiegel stellten und ihre Taschen nach Makeup zum Nachziehen öffneten, waren beide braunhaarig und hatten eine beneidenswert ebenmäßige, dunkle Haut, aus der die bildschönen, dunkelblauen – und bei der anderen braunen – Augen plakativ hervorstanden. Eine davon hatte sich offenbar mit aller Mühe den Afro zu glatten Haaren stylen lassen. Sie zog den Lippenstift nach und grinste sich frech selbst zu, als sie über den Umweg des Spiegels Luci dabei beobachtete, wie sie das Koksähnliche Pulver weiter ungestört und professionell mit ihrem Creditchip in vier, etwa gleich große Lines aufteilte. „Die richtige Party geht also hier ab“, stellte die unbekannte Frau fest und Luci reagierte verzögert und mit nur kurzem Blickkontakt. „Richtig erkannt.“ Die Halbitalienerin warf ihre langen, aalglatten, schwarzen Haare über die Schulter, beugte sich ein wenig nach vorne, nur, um sich ein Nasenloch zuzuhalten und sich ziemlich rasch zwei der Lines in jeweils ein Nasenloch zu schnupfen. Sie atmete mehrere Male kurz stoßweise ein um die letzten Reste von ihrer Nase in Richtung Hirn zu treiben, sah dann zufrieden und mit halbgeöffneten Augen in den Spiegel und richtete einhändig wieder die Frisur, ohne es damit zu ernst zu nehmen. „Gibst du was ab?“, fragte die mit den ungezähmten Haaren, die ihre Klo-Freundin gerade nicht mit Gerüchten versorgte. Luci zuckte gleichgültig mit der Schulter, schmunzelte leicht und nickte in Richtung des Stoffes. „Bedien dich.“ Alles, was sie noch bei sich hatte fand in einem kleinen, Schlüsselanhängergroßen Gefäß Platz, in welchem eine Art Kralle steckte, mit der man problemlos ‚on the go‘ das ein oder andere Näschen nehmen konnte. „Hey, danke Kleines. Vielleicht tanzen wir nachher mal? Ich geb‘ dir nen Drink aus.“, lächelte die Dunkle zuckersüß, Luci erwiderte dieses und gab ein ‚Ich komm drauf zurück.‘ an. „Ist ‚n hübsches Kleid übrigens.“ So ganz wusste die Halbitalienerin mit dem Kompliment nicht umzugehen und lächelte daher nur wieder einseitig. Bedankte sich mit ihrem berauschenden Dialekt in der Stimme und verließ das Bad dann wieder.
    Ihre deutlich ambitionierteren Schritte führten sie zurück nach draußen.
    Unterwegs entsorgte sie Sergios nun leeres Döschen, behielt das kleine Pulvergefäß aber für die restliche Party noch bei sich direkt in der Hand. Zunächst wirkte die junge Frau noch deutlich ziellos, lief nur langsam durch die Menge und schob hier und da das Oberteil ihres Kleides zurecht, wenn es etwas mehr präsentierte, als es der sehr dünne Stoff ohnehin schon tat. Meist immer dann, wenn sie die eindeutigen Blicke bemerkte, wie der des anderen Barkeepers, bei dem sie mit den Drinks nun ein weiteres Mal ihr Glück versuchte, aber hier eher zu etwas stärkerem Griff und sich einige Spritzer mehr Tequila in ihren Tayseri Iced Tea – eine angepasste Version des Long Island Iced Teas – geben. Auch der war nicht besonders gemischt, aber das fluoreszierende, hohe Glas machte zumindest optisch einen guten Eindruck. Damit passte das Getränk nur zu gut zum Rest des Clubs: Alles reduziert auf Äußerlichkeiten. Ein Umstand, den die junge Frau aber noch längst nicht so interessierte wie später und ihr nicht die Gelegenheit entzog, sich mitsamt Drink in die Mitte der bereits tanzenden Menge zu quetschen und mit der Masse im Rhythmus des Basses und der Lichter ihre Bewegungen zu finden. Von Minute zu Minute wurde der Moment berauschender. Ob es an ihrem Koksähnlichen Zeug lag, welches sie mitgeschleppt hatte oder aber an einer der vielen Pillen oder der Kombination allem mit dem Alkohol..war so egal wie wahrscheinlich. Alles was die Italienerin für den Moment noch interessierte war sich inmitten dieser Leute auszuleben. Farben intensiver wahrzunehmen, fitter zu werden. Wacher. Aufmerksamer. Und scheinbar jede Bewegung um sich herum um ein vielfaches intensiver zu empfinden. Jeder Atemzug dieser Menschen und Aliens. Jeden Bass.
    Wie lange sie hier schon feierte, wusste sie nicht. Das Glas war schon lange von einer unbekannten Person wie auf ‚magische Weise‘ ersetzt worden durch irgendein Energydrink-Spirituosen-Gemisch und immer wieder schnupfte sie hier und da noch eine weitere Line aus dem kleinen Behälter, ohne diese Male von der Tanzfläche zu gehen. Ihr gefiel, wie sich die Bilder um sie herum verzerrten. Mochte, wie der Kontrollverlust einzusetzen drohte, sie sich aber glaubhaft versicherte, diese noch immer zu haben. Immer wieder warf sie während dieser langen Zeit Blicke in die Richtung, die Sergio ihr zuvor genannt hatte und wohin er irgendwann verschwunden war. Und irgendwann, nach zahlreichen Blicken in diese Richtung, bemerkte sie andere Blicke. Blicke, die sie verfolgten... .
    Luceija ist offline

  5. #105
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Der 'Dottore' am Rande des Geschehens versuchte die Sache ganz im Gegensatz zu seinem Zögling etwas professioneller zu handhaben. Zwar gönnte auch er sich eine Zigarette, was er sonst eigentlich nur im Beisein seiner Kontaktmänner tat, die allesamt rauchten. Aber abgesehen von einem leichten Kopfnicken zum dröhnend-dumpfen Klang der Musik ließ er sich kaum von der Stimmung des Abends mitreißen, sondern scannte weiterhin die Umgebung. Natürlich ließ er auch seine Luci nie wirklich aus den Augen, so sehr er ihr auch ihre Freude gönnte. Er selbst wusste es eigener Erfahrung, wie sehr man es nötig hatte, außerhalb des Labors ein zwischenmenschliches Ventil zu finden, wenn man eine weitere Woche immer die selben Räumlichkeiten sehen musste. Von dem Trauma des Vortags nicht zu reden. Er würde ihr das Tanzen und trinken nicht verbieten - war es doch sogar ihrer Tarnung nur zuträglich. Doch je länger er sie beim Tanzen beobachtete - anfangs aus Fürsorge, bald aus niedereren Instinkten - desto mehr fiel ihm auf, wie sie immer ausgelassener und wilder wurde und sich gänzlich dem Moment und ihren Sinnen hingab. Es war eindeutig, dass es nicht nur der Einfluss seiner regulären Medikamentierung oder des Alkohols war, der sie enthemmte. Hin und wieder, er war sich nicht sicher, glaubte er sogar zu sehen, wie sie bei dunklerer Beleuchtung und versteckt in der tanzenden Menge hin und wieder etwas schnupfte. Einerseits missfiel es ihm anfangs. Dass sie tanzte und ein wenig trank störte ihn nicht. Doch angesichts der Tatsache, dass sie später noch eine essentielle Rolle in ihrem Plan gegen Everett spielte, war es wenig hilfreich, ihre Zurechnungsfähigkeit weiter zu senken.
    Wahrscheinlich war es ihr Anblick, der Sergio dazu brachte, sich die Sache schönzureden. Sollte sie tatsächlich heute einen weiteren Menschen töten müssen, würde sie dies besser unter Drogeneinfluss verkraften, so dachte er. Und so lange sie nur typische Aufputscher schnupfte und ihr High sich lange genug zog, konnte er sogar mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit ihrerseits rechnen, die sie heute gut gebrauchen konnte. Sich selbst beschwichtigend lehnte er sich daher weiterhin qualmend mit der Schulter an den Eingang seiner Parzelle und sah einfach nur zu, wie sie sich bewegte und der dünne Stoff an ihrem Körper in Wellen mitschwang, gelegentlich ihren Körper für den Bruchteil einer Sekunde fast gänzlich entbößte und dann wieder notdürftig verhüllte. Nach einer Weile fasste etwas in ihm plötzlich einen Entschluss.
    Er drückte die nur halb gerauchte Zigarette in einer Mulde an der Wand aus, die vielleicht kein Aschenbecher war, die er aber spätestens jetzt zu einem erklärte. Dann leerte er seinen Drink in einem Zug, stellte diesen auf seinem Sitzplatz hinter sich ab, zog ein Jackett zurecht und ging selbstbewusst auf die Tanzfläche zu, wo er sich, wie selbstverständlich, einreihte. Nachdem er sich, leicht zum Takt wiegend, irgendwann zu Luceija vorgekämpft hatte, näherte er sich ihr rückwärtig an, legte in der abgedunkelten Masse aus Tanzenden seine Hände auf ihre Oberarme und bewegte sich mit ihr zur Musik. Erst, als sie sich seinen Bewegungen angepasst und die Annäherung somit implizit akzeptiert hatte, drehte er sie zu sich herum und schmunzelte leicht, als sie sich erkannten. Ohne ein Wort zu sprechen führte er den Tanz fort, bei dem er sie immer wieder komplett aber beiläufig musterte.
    Tjordas ist offline

  6. #106
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Das Geheimnis, weshalb dieser lächerlich benannte Club seine Beleuchtung wellenartig über die Einrichtung, sowie die Tanzfläche und die Wände schickte, war Luceija spätestens jetzt offenbart. Die Wahl fiel offensichtlich nicht einfach auf diese Art der Atmosphäre, weil es nur schön aussah. Sondern jede Bewegung, die sie wie automatisiert zur Musik tat, jeder Centimeter ihres schlanken Körpers, der sich zwischen der dutzend anderen, ständig im Rhythmus befindlichen Körpern bewegte, schwitzte und sich verausgabte, nahm diese wellenartigen Bewegung wieder auf.
    Alles hatte sich anfänglich noch ungewohnt und eigenartig angefühlt, sodass sie einen Moment überlegt hatte, ob es nicht sinnvoller war, einfach nur zuzusehen und sich als ‚zu gut‘ für die tanzende Menge zu deklarieren. Aber über diese Schwelle hatten ihr die Pillen und das koksähnliche Pulver geholfen, dass sie sich während flüssiger Tanzbewegungen einmal mehr zuführte, dazu den kleinen Zylinder aufschraubte und den winzigen Spatel hineinführte um das Häufchen des Pulvers an ihre Nase zu führen und schnellstmöglich weg zu schnupfen. Es drängte sie alles regelrecht dazu, sich der forcierenden Bewegungsbeleuchtung anzupassen. Ihre Kleidung schien sich perfekt an diesen Tanz anzugliedern. Unerwartet Perfekt mitzufließen, sich um ihre erhitzte, olive, mediterrane Haut zu spielen, sie einzuhüllen und gleichzeitig zu offenbaren. Ihr Bewegung zu ermöglichen, zu locken und mit Umstehenden und ihren Blicken zu spielen, aber niemals zu viel gleichzeitig zu enthüllen. Es war einer der besten Highs dass sie in letzter Zeit genießen durfte. Es stieg ihr zu Kopf, machte sie leicht und unbeschwerter als die Antidepressiva, die sie schon auf dem Weg hier her gekippt hatte. Mit einem Mal schien die gesamte Schwere der Welt nichtmehr auf ihren Schultern zu lasten. Es schien egal, dass nun Blut an ihren Händen klebte, dass sich nichtmehr abwaschen lies. Nein…sie ging allmählich sogar in dem Gedanken auf, dass sie es selbst verursacht hatte. Dass sie in der Lage war Dinge zu tun die andere nicht konnten. Dass sie nicht nur von einer besseren Zukunft der Menschheit sprach, sondern dass sie es war. Dass SIE alles herbeiführte. Dass sie…zu einer Perfektion geworden war.

    Viele Drogen hatten bereits den Weg durch ihre Blutbahn gefunden. Einige Glaeser Alkohol, die mit ihren Tabletten und dem Koks zu konkurrieren versuchten. Mischungen, an die ihr Körper sich gerade erst gewöhnte und nach ihrer Pubertät zu einer Selbstverständlichkeit wurden. Insgesamt enthemmte sie sich so wie jetzt immer wieder. Sie konnte unbeschwerter Tanzen, klarer Denken, sorgloser Leben und baute so schon seit Jahren auch jegliche Hemmungen ab, die andere in ihrem Alter sicherlich noch hatten. Dazu gehörte, sich nicht nur in einer unwahrscheinlichen Enge zwischen diversen anderen Tanzenden so zu bewegen, sondern auch nicht als weiteren Rausch dabei zu spüren, wenn sie wie jetzt angetanzt oder berührt wurde. Just in dem Moment indem sie spürte, dass sich ihr ein Körper hinterrücks aufdrängte wollte sie gar nicht wissen, wer es war der hinter ihr stand. Es hätte in diesem Moment Everett persönlich sein können (und das hätte ihrem Plan durchaus geholfen), der ihre Oberarme berührte, daran mit den Händen nach unten glitt und sie schließlich an der Hüfte umfasste, bis er sie komplett umgreifen konnte und sich enger an sie zog. Luci bewegte sich weiter zur Musik. Lehnte sich zurück gegen die Person, die sie im ersten Moment kaum identifizieren konnte, aber eine Vertrautheit vermittelte, die sie sehr vermisst hatte. Ihre Stirn berührte das Kinn des Fremden und so war sie dem Hals nah genug um das Aftershave oder Parfum zu erreichen, dass ihr immer bekannter erschien. Unter dem Kopf des Mannes hinweg hatte sie einen Blick auf die etwaige Richtung der Parzelle, die Sergio angemietet hatte. Sie war leer. Und ein zugedröhntes Lächeln ihrerseits ließ sie den Kopf zurück gegen die Brust legen und noch etwas unbeirrter weitertanzen. Ihr war schnell klar, wer das hier war. Und auch, wie stark ihr Herz zum Beat des Clubs schlug. „Vuoi qualcosa? Willst du was..? spielte auf ihre Drogen an und sprach dabei gegen seinen nahen Hals in Richtung des Ohrs.
    Luceija ist offline

  7. #107
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Er wahrte den Schein. Während er in rhythmischen Seitwärtsbewegungen des Beckens weiter zur Musik schwang und dabei Lucis Körper beim Tanzen an seinen hielt, konnte er sich nicht zurückhalten, auch seinen Kopf seitlich an ihren zu drücken und den Geruch ihres Shampoos und Parfums aufzusaugen, zusammen mit der leichten Restnote von Tabak und dem Wasserdampf, der zu Effektzwecken in der Luft waberte. Es dauerte einige Momente nach ihrer Frage, bis er tatsächlich wieder zu sich fand, sich an den Zweck seiner Annäherung erinnerte und endlich auf sie reagierte. Nur zur Täuschung stimmte er tatäschlich ihrem Angebot zu, nahm sich das kleine Gefäßchen von ihr und deutete an, mit der Kralle ein Gramm der Droge zu entnehmen und zu schnupfen - doch tatsächlich blieb die Kralle leer. Dann gab er ihr in betonter Unauffälligkeit die Ampulle zurück und führte seinen Tanz fort
    "In der nächsten halben Stunde sollte Everett spätestens eintreffen", sprach er ihr möglichst leise aber dennoch gegen den Lärm der Musik ins Ohr, während er nach außen hin jedoch durch das Fortführen seines Tanzes die Tarnung aufrechterhielt, Luceija nicht zu kennen, sondern sie nur gerade auf der Tanzfläche 'näher kennenzulernen'. Um diesen Eindruck zu bestärken, zog er sie etwas enger an sich und legte seinen linken Arm diagonal um ihren schmalen Oberkörper, bis er von der linken Körperhälfte aus ihre rechte Schulter fassen konnte, wobei sein Unterarm ihren Brustkorb kreuzte und dort die freiliegenden Stellen ihrer Haut berührte. Ihr Schlüsselbeinknochen fühlte sich unter seinen Fingerkuppen dünn und zerbrechlich an. Für eine Weile driftete er unbewusst in seine Arbeitsmentalität ab und diagnostizierte ihren derzeitigen Ernährungs- und Gesundheitszustand, wie er es sonst tat, wenn sie im Labor bar unter seinen Händen lag. Und doch war etwas an dieser Situation völlig anders als die tägliche Laborroutine - und dazu zählte er nichteinmal die laute, bunt flackernde Umgebung. Vielleicht war der Drink doch stärker gewesen, als er dachte und er war weit weniger zurechnungsfähig, als er sich eingestehen wollte. Beim Gedanken an die eigene mangelnde Professionalität fand er ruckartig zurück zu den Worten, die er Luceija schon vor einer halben Minute zuflüstern wollte.
    "Nicht, dass ich dir den Spaß verderben will - aber halt dich mit deinem Pülverchen zurück... Komm in ein paar Minuten zu meiner Parzelle... Und jetzt stoß mich weg - am besten mit einer Ohrfeige", forderte er sie auf, während seine Griffe um ihren Körper absichtlich grober und einnehmender wurden, um ihre geforderte Abfuhr plausibel zu machen. Dabei besaß er sogar die Dreistigkeit, mit den Fingern der einen Hand ein Stück unter den Taillengürtel und mit der anderen Hand in den tiefen Ausschnitt ihres Kleides zu fahren, stoppte aber bewusst nach einigen Zentimetern, um ihr das Signal zu geben, ihn an dieser Stelle abzuweisen.
    Tjordas ist offline

  8. #108
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    “Mhm…”, war es eine völlig verklärte Antwort auf seine Aussage, ohne umstehenden zu verraten, welche die war. Sie reagierte anders als er sie aufgefordert hatte. Blieb an ihm, eng, und bewegte sich weiter zur Musik, während er das so gut wie gar nicht tat, sondern besonders eindeutig, und eigentlich auch initial nur zum Schein andeutend, seine Hände unter den Stoff ihres ohnehin schon dünnen Kleides stahl. Anstatt sich jedoch zu wehren, lehnte sie sich weiter gegen ihn und seine Schulter zurück und genoss den Klang seiner sizilianischen Worte in ihrem Ohr. Auch das zog sie zurück in ein unbeschreibliches, zufriedenes Heimatgefühl. Dem gesamten Gegenteil dessen, was sie empfand, seitdem sie auf der kühlen Citadel angekommen war, die rein Garnichts für die Halbitalienerin bereitgehalten hatte. Ihr Kopf lag unlängst an seiner linken Schulter, sie legte ihn sogar sanft in den Nacken, sah aber weder ihn an noch in sein Gesicht, sondern hatte die Augen einige Momente lang geschlossen. Sie schien es fast schon zu genießen, was er da tat, ohne recht zu wissen, warum überhaupt. Es mussten die Drogen sein. Solche Reaktionen sprachen doch sonst ausschließlich dann aus ihr, wenn sie Aufträge abarbeiteten, lernten, die Forschungen vorantrieben… . Aber gerade waren diese üblichen, nahezu dienstlichen und Fremden Dinge wie ausgestorben. Er offerierte ihr stattdessen eine Nähe, die sie voneinander nicht gewohnt waren. Sie weder erwartet noch voraussichtlich benötigt hätten und doch – jetzt schien es ihr so, als brauche sie genau das. Genau dieses Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Genau diese Sicherheit, die ihr hier fehlte. Die keine Citadel ihr jemals geben konnte. Und Drogen nur temporär.

    Sie reagierte viel zu verspätet, als dass irgendeine der nachfolgenden Aktionen noch allzu viel Glauben gebracht hätten. Und dennoch legte sie, nach einigen Minuten, in denen quasi nichts geschah, außer, dass sie glaubte, dass sich die Finger winzige Zentimeter weiter nach vorne gearbeitet hatten und diese erfühlen können würden, wie sehr ihr Herz gegen die Brust schlug. Ihr Kopf, dessen lange, glänzenden Haare an ihm entlang hinabhingen, senkte sich wieder und löste sich von ihm, so, wie ihre behandschuhten Finger nun auch nach seinen Handgelenken griffen und ihn den Weg zurück wieder, und etwas widerwillig, von ihrer Haut hob. Sie riss sie gespielt von sich, drehte sich bestimmt um und lies ihre Rückhand ohne irgendwelche Rücksicht gegen seine Wange schlagen und die Handschuhe den Aufprall akustisch dämpften. Weil die Traube um sie ohnehin eng genug war, gab es einige, die den Schlag mitbekamen, sich kurz umdrehten, lachten, oder Sergio sowas wie „Die hat dich ordentlich abblitzen lassen!“ zuriefen. Doch er nahm es fast schon wie ein Gentleman, drehte sich ab, grinste ihr sogar noch zu, und hob die Hände beschwichtigend an, als ein paar Buhrufe folgten und er der Security klarmachte, dass er die Frau nicht weiter belästigen würde. Und so löste sich alles auch sehr schnell wieder auf. Sergio ging zurück in Richtung der Parzelle, Luci hatte auf der Tanzfläche sogar das Mädel von der Toilette wieder getroffen und direkt ihre Hand auf ihrer Schulter, die sie fragte, ob alles okay sei und ob sie Hilfe gegen den Typen brauchte. Luci lachte nur schwach auf, beugte sich zu der hübschen Frau und flüsterte ihr gegen die Musik ins Ohr, dass es ihr Dealer war, sie nicht auf diese Weise ranlassen wollte, er aber ansonsten ziemlich niedlich sei. Im Grunde keine Unwahrheiten, nur ein bisschen modifiziert. Und immer wieder, ab dem Moment an dem sie jetzt mit ihr, Amelia, tanzte, sah sie wieder in Richtung Sergios Parzelle. Aber ihr Blick war nichtmehr derselbe wie vorher. Und der, der permanent zu ihr, durch die Leute hindurch, zurückkam, ebenfalls nicht.
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  9. #109
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Einen Moment lang stand er dort wie angewurzelt und völlig verunsichert. Nicht etwa, dass er nicht genau gewusst hätte, was seine Hände nun gerne tun würden. Nein, es war nur schwierig die Sache nach außen hin plausiblel zu machen, wenn er sie weiter anfasste und sie sich dagegen nicht wehrte, sie sich anschließend aber doch trennen würden. Für endlose Augenblicke wartete er nur wie eingefroren ab, was sie tat und fluchte innerlich bereits über die beobachtenden Blicke einiger anderer auf der Tanzfläche, bis sie endlich seiner Aufforderung Folge leistete und ihm eine keineswegs gestellte Ohrfeige verpasste.
    "Wenn du's dir anders überlegst, weißt du ja wo du mich findest", lächelte er nach einem Zurücktaumeln Luceija noch gespielt zu, während er sich die Wange hielt, und entfernte sich von ihr in Rückwärtsschritten. Die Blicke der Menge beachtete er gar nicht, als er sich unauffällig schmunzelnd zurückzog und mit einem aggressiven "Was glotzt ihr so - kümmert euch um euren Scheiß!" das Image seines Dealer-Alter-Egos komplett machte. Dieses Bild machte es auch umso glaubwürdiger, dass er am Großteil der Party nicht teilnahm, sondern sich in seine Parzelle zurückzog - denn in den Szeneclubs der Citadel war es nicht unüblich, dass sich am Tanzflächenrand irgendwo ein Händler wie ein König einnistete und von dort aus Sonnenschein in Tütchen portioniert ans Volk verteilte.
    Als er sich gerade in seiner Parzelle niedergelassen hatte, wurde klar, dass das Schauspiel beinahe schon zu gut gewirkt hatte. Ein etwas aufgedrehter, sehniger Kerl mit einem durchsichtigen Tanktop streckte plötzlich seinen Kopf zwischen den gläsernen Kristallwänden hindurch und sah sich neugiierig um, ehe er Sergio mit einem kurzen "Hey!", zum umdrehen aufforderte. Dieser hatte inzwischen sein noch kühles Glas von seinem Sitzplatz genommen, um es an seine aufgeplatzte Lippe zu halten und so dem Anschwellen vorzubeugen.
    "Mh?", brummte Sergio mürrisch und ahnte schon, wohin das führte.
    "Ist das die Bar?", fragte der junge Bursche mit einem auffälligen Unterton und schaffte es dabei kaum, Sergios Augen zu fokussieren. Stattdessen blickte er sich schreckhaft wie ein Nagetier bei jedem neuen Instrumentenklang der Musik in alle Richtungen um. Etwas verdattert blickte Sergio selbst im Inneren seines Abteils umher, das nun so gar keine Verwechslungsgefahr mit einem Bartresen barg. Zusammengenommen mit der übermäßig energetischen Art des Fremden erschloss sich dem Doktor schnell, worum es hier wirklich ging. Offenbar war dieser Satz hier so eine Art Codephrase.
    "Was brauchst du. Hab nur die Basics - nichts abgefahrenes", schwadronierte Sergio beinahe schon etwas zu hollywoodartig daher, als er in seine Jacketttasche griff und dort tatsächlich eine kleine Schatulle mit diversen Medikamenten bereit hatte.
    "Vielleicht ein paar Vids?", fragte der Junkie gierig und wagte sich weiter ins Innere des gläsernen Gebildes, um sich die Auswahl näher anzusehen. Sergio folgerte, dass mit Vids wohl kaum Unterhaltungsmedien, sondern Videlicet gemeint war. Die Sucht war hier nicht selten - viele nahmen es anfangs nur als Stim zur besseren Leistungsfähigkeit und drifteten dann schnell in die Abhängigkeit. Auf Parties war es zudem beliebt, um die Musik intensiver zu erleben und ein verlangsamtes Zeitgefühl zu empfinden. Tatsächlich hatte Sergio es bei sich - er selbst nahm es in Ausnahmefällen zur Leistungssteigerung in langen Nächten ein und auch Luceija hatte schon die eine oder andere Dosis eingeflößt bekommen. Der Sizilianer entschied sich, den Handel einzugehen - nichts des Geldes wegen, sondern um erneut seiner Glaubwürdigkeit beizuhelfen.
    "Du warst noch nicht bei mir oder? Neukundenrabatt. Zweihundert Credits für ein Blisterpack", schlug Sergio vor und hielt dem zitternden Hamster von einem Mann die eingeschweißten Pillen entgegen. Der Austausch geschah kommentarlos und ohne Zögern und ohne ein Wort des Abschieds war der Kerl wieder verschwunden. Eine Sekunde blickte Sergio den Creditchip in seiner Hand an und fragte sich, ob er nicht doch in diese Branche hätte wechseln sollen. Dann rückte er seine Kleidung zurecht, verstaute seine Schatulle und das Geld wieder und wartete am Eingang des Abteils auf Luceija, die nicht weit von ihm gerade Bekanntschaft mit gutaussehenden Frauen zu machen schien. Dann sah er auf die Uhr. Wo blieb Everett bloß?
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  10. #110
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Irgendetwas war in ihr vorgegangen. Luci verstand es selbst nicht. Es war ein Rätsel, dass sie nicht in der Lage war zu lösen. Ebenso wenig wie die Blicke der Frau die mit ihr tanzte. Sie war älter als Luci, deutlich, und schien auch zu wissen, dass die Halbitalienerin nicht hierhergehörte. Sie war ausgelassen, frei, wild. Warum sie das war? Ihretwegen. Wegen ein paar Drogen in einer Toilette. Sie war bildschön, hatte jede Note der Musik mit ihren Bewegungen im Griff, was niemandem hier entging. Luci konnte sie riechen, den Schweiß auf ihrer Haut und die Nuancen darin, die das koksähnliche Pulver auslösten. Sie hing an ihren Lippen, daran, wie sie die Italienerin ansah und sie zweifelsohne auf irgendeine Weise bezauberte. Aber Luceijas Gedanken waren nicht hier. Sie waren längst Abseits einer Tanzfläche wie dieser und auch, wenn sie gerade ihre grünen, herausstechenden, mysteriösen Augen auf Amelia richtete, sah sie durch sie hindurch und ihre eigenen Bewegungen, sie selbst noch dieses befreite und leichte an sich hatten, wurden immer weniger. Von wildem Tanz zu ausgelassenen Bewegungen, fließendem, leichten Wiegen und letztlich…stand sie Minutenlang da. Regungslos und leer. Direkt vor der eng an ihr Tanzenden. Alles, was sie in den vergangenen Stunden erlebt hatte kroch unauffällig zu ihr zurück. Zwischen den Lücken, die die Drogen nicht schließen konnten, sondern nur überdeckten. Minutenlang stand sie weiter hier und beobachtete die Ältere, in einer bislang nicht dagewesenen Unsicherheit die sie auseinander brach. Die grünen Augen fanden keinen Halt an den Dunkelblauen ihr Gegenüber, sondern suchten sie ab, als läge hier eine Antwort in denen der Fremden, die ihr erklären würde, was mit ihr passierte. Warum sie so Unsicher war, warum sie sich seit diesem Tag so anders, viel zu verletzlich und leer fühlte, obwohl sie sich sicher gewesen war, auf diese Tat vorbereitet gewesen zu sein. Und auch, warum sie die Wärme seiner Hand noch immer auf sich spürte, als wäre es ein Mal gewesen, dass er dort gesetzt hatte. Sie überlegte lange. Zu lange, als dass das, was sie nun tat, irgendeinen Sinn ergeben hätte. Vielleicht wäre es noch irgendwie zu erklären gewesen, weshalb Luci einen sehr kleinen und beinahe unnötigen Schritt auf die andere Frau zugetan hatte, nur, um ihre behandschuhten Finger in einer einzigen Bewegung an ihre Wange zu legen und sie zu küssen. Auch das war wunderbar auf Drogen zu schieben und zu erklären. Emotionen kochten auf, wenn man so viel einwarf wie sie. Wahrscheinlich war die Hälfte ihrer ohnehin pubertären Gedanken und Gefühle reinste Illusion. Also war dieser Schritt nicht gänzlich unerklärlich. Auch ohne Drogen hätte sie das sicherlich irgendwann einmal gewagt. Aber entgegen der sehr entgegenkommenden Reaktion Amelias, war es nicht die Antwort, die sie gesucht hatte. Alles, was sie mit diesem Kuss feststellte war das, was sie nun flüsterte, als sie ihre Lippen von den Weichen der anderen löste. „Non lo è… Das ist es nicht… . „Was…?“, fragte ihr Gegenüber atemlos, aber eine Antwort erhielt sie ebenfalls nicht…

    Luci lief rückwärts und unbewusst gegen einen tanzenden Salarianer, den sie gekonnt ignoriert hatte. Ihre Hand senkte sich von der Wange der nahezu Fremden und sah von ihr ab. Die Proteste von hinter ihr erdrückte sie so einfach wie die vor ihr. Der Kuss hatte nichts bewirkt und war sinnlos gewesen. Hatte weder eine sexuelle Fantasie entfacht noch ihr irgendeine innere, körperliche oder geistige Genugtuung verschafft, die diese Unsicherheit bekämpfen konnte. Somit war eindeutig, dass Amelia nur eine weitere, gesichtslose Person in einer Suppe aus vielen weiteren, gesichtslosen Gestalten war. Sie wandte sich ab und lief von der Tanzfläche. Nur noch einmal blieb sie stehen, schnupfte ein weiteres Mal weißes Pulver in ihr linkes Nasenloch und war mit etwas zu zittrigen Fingern und einem tauben Gefühl durch die langen Handschuhe nicht so recht in der Lage die Spuren ihres Konsums zu verwischen. Ihre Augen waren durchsetzt von leichtem Rot. Und doch sah sie ihr Ziel genau – besser vor ihrem inneren Auge als den tatsächlichen. Sehr gezielt verließ sie den Tanzflächenbereich komplett. Ihr Herz schlug ihr so heftig gegen die Brust, dass sie sich sicher war, dass das ein nahender Herzinfarkt sein musste. Und dennoch stoppte sie nicht. Nicht mal, als ein hagerer, viel zu aufgedrehter Typ im weißen Tanktop, dass nahezu keinen Halt an dem gemergelten Körper fand, ihr entgegen aus der nur spärlich abgeschirmten Lounge Sergios kam, sie ansprechen wollte und die Halbitalienerin quasi direkt abschirmte und ihm laut zischend mit einem „Verpiss dich!“ aus ihrem Weg verscheuchte. Sie ließ den eindeutigen Junkie hinter sich zurück und war sich für einen Augenblick nicht sicher, ob die vielen Mittel in ihrem Blut diese Person hier nicht hingesetzt hatte wie die Inkarnation ihres zugedröhnten Selbst. Ob es ein Mahnmal dessen war, wozu sie über Jahre langsam wurde. Wozu sie ohne ihn wurde, auf den sie zuschritt. Der dort wartete, zu der Italienerin aufsah, als sie eingetreten war und hier noch einen Moment stand. Verharrte, atmete, Sergio ansah, wie sie Amelia vorhin angesehen hatte, mit dieser Frage in ihrem Blick, der Verzweiflung in ihren Augen. Der Unfähigkeit, sich zu finden. Mit dieser Frage, die sie stumm stellte, und den Sizilianer direkt unterbrach, als seine allzu bekannte, tiefe Stimme sprechen wollte. Everett. Sein Projekt. Der Mord. Irgendetwas zur Sprache kommen musste, was sie im Augenblick weder hören konnte noch wollte. „No. Non ora. Nein. Nicht jetzt., war sie schnell ihm ins Wort zu fallen und verbarg eine wackelige Stimme.
    Einen Sinn hatte diese zweite Tat vermutlich nicht gehabt. Es war nicht zu erklären, weshalb sie das tat und warum es sie dazu trieb. Mit einem Mal schloss sie zu Sergio auf und wartete keinen Protest ab, lies ihn nicht mal zu, als sie vor ihm stand und sich ohne eine erneute Verzögerung umweglos auf seinen Schoss setzte, ihre Hände schneller schienen als ihr Verstand, die sein Gesicht umfassten und ihre Lippen noch viel schneller waren, als sie sich auf seine legten und das endgültige Ende des mokkafarbenen Lippenstiftes besiegelten. Sie würde niemals in Worte fassen können was sie hier tat, was mit ihr geschah und was sie fühlte. Sie war verwirrt und brauchte diesen Halt und diese Nähe. Dieses letzte bisschen Heimat und das letzte bisschen Vertrauen.
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (25.09.2017 um 23:38 Uhr)

  11. #111
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Klopfen. So schnell, dass es den Bass des Clubs um Längen schlug. Es ging nicht unter. War lauter. Reflektierte den Schall seines Krachs von den Wänden. Dirigierte ihren Atem.

    * * *

    Sein Geruch erfüllte die Luft. Erstmalig. War niemals so präsent wie jetzt und doch triumphierte der Geschmack seiner Lippen. Speichel des jeweils anderen klebte auf den eigenen und blieb zurück, als stummer Zeuge moralischer Zerrissenheit.

    * * *

    Atem wurde sichtbar und farbig zwischen ziellos gerichteten Scheinwerfern und Hologrammen unterschiedlichster Nuancen.

    * * *

    „Lo ucciderò per voi. Io ucciderò assolutamente chiunque si vuole morto.. .
    Ich werd ihn für dich töten. Ich werde absolut jeden für dich umlegen, den du tot sehen willst…

    Lippen, verschmierter, mokkafarbener Lippenstift nahe seines Ohrs.

    * * *

    Eine einzelne Hand. Milchglas unter ihr. Jeglicher Versuch, sich Halt zu sichern scheiterte. Kurze Nägel rutschten am halbtransparenten Material ab und hinterließen kaum sichtbare Furchen.

    * * *

    Ein Wimmern? Ein Seufzen? Ein Schrei? Oder der gescheiterte Versuch einer heraufbrodelnden, hitzigen Phrase?

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  12. #112
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Luceija hatte sich längst an den etwas härteren Untergrund der Sitze in jenem Separee gewöhnt. Zumindest genug um hier sitzen zu bleiben, fast schon friedlich an einer von marijuanaähnlichem Stoff getränkten Zigarette zu ziehen, nachdem sie sie sich wieder aus dem Mund ihres Adoptivvaters zurückerobert hatte und sich allmählich an einen entspannteren Atem zu gewöhnen. "Posso gestirlo. Ich krieg das schon hin.", versicherte sie, dass sie den erdachten Plan, hier zu warten bis Sergio sich von ihr entfernt und Everett aufgesucht hatte, verstanden hatte. Sie atmete etwas Rauch aus dem Mundwinkel in die entgegengesetzte Richtung Sergios und wischte sich einhändig schmierige Reste ihres Lippenstiftes weg. "Vuoi il resto? Willst du den Rest?", hielt die Sizilianerin ihm den mittlerweile heruntergerauchten Stummel der Zigarette hin und streckte ihm dafür die Hand hin, zwischen dessen schlanken Finger der Glimmstängel klemmte. Sie wartete kurz ab, als der Ältere jedoch nicht reagierte und stattdessen sein Hemd wieder in Ordnung brachte, zuckte sie mit einer Schulter, klemmte den Stummel in die Schneise des Aschenbechers und durchwühlte im Anschluss daran ihre kleine Tasche. Trotz dem benebelten Geist der dank Euphorie und Adrenalin etwas gemildert und von dem Joint wieder aufgestachelt wurde, beherrschte sie es erschreckend gut, sich den Lippenstift nachzuziehen, der ihr Bild von projizierter Perfektion wieder komplettierte.

    Der Bass kroch zurück in ihre Ohren und endlich schenkte sie diesem auch wieder Aufmerksamkeit. Sie schien das Lied zu erkennen, dass nun abgespielt wurde und lächelte benebelt. Ihre Zehen - blank, nachdem sie einen der Schuhe ausgezogen und neben dem Tisch achtlos zurückgelassen hatte - krallten sich an den Rand des kleinen Tisches, während sie ihre Beine überkreuz überschlug. Sie nickte sacht zum Beat der Musik und fragte sich kurz, ob die Frau von vorhin noch da war oder ob sie sich genervt zurückgezogen hatte oder sie vielleicht schon kotzend über der Schüssel hing. Es war der einzige Gedanke, der abseits des Auftrages, Everett loszuwerden, noch Platz in ihrem Kopf fand. Immer wieder wenn sie es wagte, an Letzteres zu denken und gedanklich abzudriften, kam der Mord vom Vortag zurück vor ihr inneres Auge. Anstatt durch die Leere des kleinen Separees hinweg, durch den kaum verdeckten Eingang hindurch in Richtung Tanzfläche zu starren und weiter Erinnerungen hervorzurufen, die sie womöglich bei der Ausführung ihrer Tätigkeit beeinträchtigt hätten, sah sie zurück zu Sergio.
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  13. #113
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Stroboskopartiges Licht drang durch die kristallinen Wände.


    Die Finger berührten sich am anderen Ende, als sie das zerbrechliche Handgelenk umfassten.

    Riesige, grüne Augen fokussierten ihn fest, doch er wandte seinen Blick nicht ab.

    Die vertraute, junge Stimme erklang in unbekannten, gierigen Klängen.

    Ein Eckzahn vergrub sich in der fülligen, dunkel geschminkten Unterlippe.

    Sein Name hallte in seinem Kopf wieder und übertönte alle Zweifel.


    * * *

    Vor seinen Augen winkte der Rest der Zigarette hin und her. Erst als seine Augen dem Filter folgten, hinab über die Finger, die ihn hielten, und den dünnen Arm hinauf bis sie schließlich bei Luceijas fragendem Blick angelangten, verstand er, dass sie gerade auf seine Reaktion wartete, dann aber ungeduldig die Augen rollte und den Zigarettenstummel ausdrückte. Ihr Blick riss ihn aus seinen Gedanken, doch um sich zu fangen widmete er sich seinem etwas schief in die Hose gestopften Hemd, richtete sein Jackett und stand auf, auch wenn sein Blick noch kurz an ihrem Lippenstift haften blieb. Nicht ohne sich auch einige weitere Male umzudrehen, stellte er sich in den Kabineneingang und beobachtete von dort aus das Geschehen im Club. Und tatsächlich: Nicht einmal zwei Minuten später fiel Sergios Blick mitten auf Everetts Glatze, als dieser eilig mit den Händen in den Taschen und in der Begleitung eines Türstehers auf das andere Ende der Halle zuging. Eine dichte, tanzende Menge bremste sie aus. Es war Sergios Gelegenheit. Noch ein letztes Mal schaute er zu Luceija zurück und deutete ihr mit einer Geste auf sein Ohr an, in Bereitschaft zu bleiben. Dann atmete er tief durch und verließ das Separee.

    Everett kannte natürlich Sergios Gesicht nur zu gut und so sollte er es trotz der anonymisierenden Masse aus Clubbesuchern und des fahlen Lichtes vermeiden, sich in der direkten Blickrichtung seines Konkurrenten zu bewegen. In einem leichten Bogen näherte er sich daher den beiden von hinten an. Der Türsteher war ein Problem, wenn der Plan der überraschenden Sedierung Erfolg haben sollte, doch etwas Derartiges hatte er kommen sehen. Noch etwa fünf Meter von Everett und seinem Begleiter entfernt, von denen der Türsteher gerade versuchte, sich mit Griffen an die Schultern der Besucher den Weg hindurch zu bahnen, suchte Sergio nach irgendjemandem mit einem vollen Getränk in der Hand. Er fand das perfekte Opfer nicht weit von ihnen entfernt: Ein schlaksiger, aber riesiger blonder Kerl balancierte fünf Gläser gleichzeitig in beiden Händen durch die Menge. Zielstrebig bewegte sich Sergio von hinten auf diesen zu und rempelte ihm mit viel Kraft, aber dennoch möglichst unauffällig für die unbeteiligten, in den Rücken. Wie erwartet ließ er die Getränke nicht nur fallen, sondern schleuderte sie nahezu in die Arme eines anderen Clubbesuchers, dessen aus dem Hemd gekämmte Brusthaare daraufhin reichlich von Cocktails gegossen wurden. Die Sache nahm danach schneller als geplant ihren Lauf. Noch bevor der schlaksige Unglücksrabe sich für seinen unverschuldeten Ausrutscher rechtfertigen konnte, bellte er kleinere, aber bullige begossene Pudel zahlreiche Beleidigungen und schlug daraufhin mit der geballten Faust von unten unter das Kinn des blonden Riesen. Dieser taumelte rückwärts, fing sich erst in der mitgerissenen Menge anderer Besucher und schnellte dann wie ein zurückgeprallter Gummiball mit derselben Geschwindigkeit brüllend zurück auf den Angreifer. Ehe sich Sergio versah und noch bevor die Scherben der Getränke auf dem Boden zur Ruhe gekommen waren, waren die beiden bereits in einen Faustkampf verwickelt. Ursprünglich hatte er vorgesehen, die Provokation durch seine Schläge aus dem Hinterhalt weiter anzufachen, um den jeweils anderen glauben zu machen, der jeweilige Kontrahent sei unabbringbar auf einen Kampf aus - aber die beiden hatten bereits das Missgeschick selbst als Anlass genug gesehen, sich gegenseitig grün und blau zu prügeln. Der kleinere, der die Schlägerei begonnen hatte, unterlag zunächst schnell, als der Hühne breitbeinig auf ihm saß, ihn am Kragen packte und immer wieder wie wild auf ihn einschlug. Doch dann endlich zeigte die Ablenkung Wirkung. Der Türsteher, der Everett ursprünglich begleiten wollte, machte diesem mit einer kurzen Daumengeste klar, dass er sich um die Schlichtung des Kampfes kümmern musste, kehrte um und schritt in die Prügelei ein. Everett rollte unter seiner großen Brille nur mit den Augen und scheuchte seinen Bodyguard davon, ehe er sich selbst weiter durch die Menge kämpfte, um zur VIP-Lounge des Clubbesitzers zu gelangen. Sergio nickte zufrieden und schickte mit einer kurzen Bewegung zu seinem Handgelenk das verabredete Signal über sein Omnitool zu Luceija. Ein kurzer Alarmton würde sie an ihrem Ende darauf aufmerksam machen, dass es an der Zeit war, Everett zu folgen und diesen möglichst unauffällig zu sedieren. Erst im Anschluss würde es Sergio wagen, sich diesem auf Sichtweite anzunähern und die Sache zu Ende zu bringen. Zufrieden schmunzelnd sah er zu, wie der Plan seinen Lauf nahm und Everett sich von ihm entfernte, während Luceija in einiger Entfernung die Kabine verließ. Dann tauchte er vorerst unter und begab sich auf Umwegen in Richtung der Toiletten, wo er selbst auf sein Signal warten wollte.

    Auf den Toiletten war es nicht weniger laut, dunkel und voll als im Club selbst, mit dem Unterschied, dass die Musik hier nur noch aus Bässen bestand und das Licht nicht mehr wie ein Gewitter flackerte. Es war nicht schmutzig, dafür sorgten zwei herumirrende Putzdronen auf dem Boden, die geschickt den Schritten der Toilettengänger auswichen und dennoch deren Urin, Schmutz, Müll, Blut und Exkremente beseitigten. Und dennoch waren viele hier dermaßen zugedröhnt oder auf dem sicheren Weg dorthin, dass man sich schon wegen ihnen schmutzig fühlte. Eilig drängte sich Sergio am Getümmel im Waschbeckenraum vorbei, um sich eine der Kabinen für später zu sichern. Da der Plan war, den benebelten Everett später zu einer der Kabinen zu bringen, um ihm dort eine tödliche Drogenüberdosis zu verpassen, wollte Sergio dafür sorgen, dass dann auch eine frei war. Die Kabinen waren keine Ställe, sondern eigenständige, elektronisch abschließbare Räume mit aufwärts schließenden Schiebetüren, doch da sie nicht als schützenswerte Räume zählten, war ihr Schutzmechanismus äußerst rudimentär. Sergio betrat daher eine freie Kabine, die offenbar keiner der anderen, die sich bereits im Vorflur sammelten, gesehen hatte, schloss die Tür und widmete sich direkt der Umprogrammierung des Panels, sodass dieses später, sobald er die Kabine wieder verließ, die Zelle als besetzt anzeigen würde, bis Sergio wiederkommen und diese mit einem einfachen Code wieder öffnen konnte. Das bereits vorbereitete Umschreibprogramm begann direkt zu arbeiten, als er das Omnitool mit dem Panel verband. Ungeduldig beobachtete er den Fortschrittsbalken auf seinem Omnitool, der sich langsam füllte. Dabei gingen ihm tausend Dinge durch den Kopf: Ob Luceija ihren Teil des Plans einhalten konnte. Die Erinnerung an die Geschehnisse der letzten Stunde. Der weitere Verlauf, sollte der Plan erfolgreich sein. Die Alternativen, sollte etwas fehlschlagen. Seine Gedanken endeten abrupt. Er fühlte einen stumpfen Schlag in seinem Nacken, gefolgt von einem weiteren in den Hinterkopf, den er hingegen bereits kaum noch spürte. Er verlor das Gleichgewicht, sank jedoch nicht zu Boden, sondern wurde von zwei schlanken Armen aufgefangen. Er roch Frauenparfüm und spürte Locken auf seiner Nase kitzeln. Dann verlor er das Bewusstsein.
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  14. #114
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Sie sah ihm zu, wie er das Separee verließ. Beobachtete seine Schritte und schmeckte den Rauch auf ihrer Zunge nach. Er war ziemlich schnell in der Masse der Personen untergegangen und Luceija hatte ihn darin verloren. Als sei er Teil eines Matsches aus Lebewesen geworden, diese homogene, breiige Masse, die sie auch vorab schon auf selbige Weise beobachtet hatte. Lichter und Hologramme tanzten stattdessen auf und über den etlichen Köpfen, hüllten sie in Kokons aus rhythmischen Impulsen und anonymisierten jeden einzelnen von ihnen. Sie genoss das Gefühl, dass sich in ihr breit machte. Den Drang, sich in dieser Masse verlieren zu wollen. Wie ein Schlund der sie anzog.

    Leere Minuten vergingen mit dem Rauch der Zigarette - und letztlich ließ sie sich ziehen. Zurück auf die schmalen Füße, zurück in ihre Stiefel, die sie nicht gänzlich schloss, sondern die Senkel mehrmals um den Schaft zog bis sie einigermaßen fest an ihren Fesseln saßen und ihren Körper vor bis zum Eingang des Separees, an die Stelle, an der eben noch Sergio gestanden hatte. Pünktlich gab ihr der kurze Alarmton das erwartete Signal. Gerade als sie den Blick erneut durch den Club gleiten ließ und ihre Aufmerksamkeit jeden Moment einer erneuten Dosis ihres koksartigen Mittels widmen wollte. Sie beeilte sich, angelte aus der metallernen Kuppe nur wenig Pulver, schnupfte es rasch, und wischte die Überreste an ihrem Unterarm ab.

    Es war soweit: Das war ihr Moment Sergio wirklich zu beweisen, dass sie vieles bei ihm gelernt hatte. Everett zu fokussieren war garnicht so schwer wie sie dachte. Von hieraus hatte sie einen guten Überblick über den Club und wenn man den Blick auf die Schlägerei, die weiter hinten ausbrach, fokussierte, war Everett weniger unauffällig als er sich das wohl vorgestellt hatte. Luci erinnerte sich noch gut an sein Bild im Labor und schließlich die wenigen Ausschnitte, die sie aus seinem Terminal entwendet hatten und war sich sicher, dass er es war der gerade durch tanzende und herumstehende Massen in Richtung der Treppe gelangen wollte. Sein Bodyguard war perfekt durch den Tumult der Schlägerei abgelenkt und Luceija wurde bewusst, WIE schnell sie nun reagieren musste – und was für eine gute Arbeit Sergio geleistet hatte.

    Ihre jungen Füße trieben sie zügig durch den Club. Der direkte Weg der Tanzfläche schien nüchtern betrachtet der hinderlichste zu sein, tatsächlich waren ihre rücksichtslose Natur und ihre schmale Statur in diesem Fall ideal: Sie grub sich wie ein Schwimmer durch Wassermassen, schon Leute beiseite und quetschte sich zwischen Körpern hindurch. Durch Licht, Nebel und sich bildende und wieder schließende Lücken erhaschte sie immer wieder einen Blick auf Everett und seine langsamen Bewegungen. Schon jetzt malte sie sich genauenstens aus, wie sie ihn überwältigen würde. Seine pulsierende Ader an seinem Hals die ideale Stelle war um ihn in die düsteren Wolken des Rausches zu ziehen, hinein in ihre Welt, in der sie sich ihm haushoch überlegen glaubte. Doch egal wie detailiert sie sich ausmalte, dass sie ihn ausschaltete und betäubte, egal wie sehr sie glaubte, seiner Herr zu werden: Ihre Vorstellungen endeten abrupt.

    Das hier passte nicht in ihren Plan. Was tut er hier?!, fragte sie sich skeptisch, als sie stehen blieb und sowohl Everetts langsamen Weg durch die Massen verfolgen konnte, als auch genau ihn sah, der in diesen Plan nicht passte: Sergio. Sichtbar und eben nicht wartend auf ihr Signal in den WCs. Er lief langsam. Luci stellte sich auf die Zehen um ihn besser beobachten zu können: Bildete sie sich das nur ein oder wankte er? Unsicher, so viel anders als noch Momente zuvor. Und viel zu früh. Was sie an allem aber wohl am meisten irritierte war, dass er in Begleitung war. Er ging nicht selbst, sondern hielt sich mehr schlecht als recht einseitig an den Wänden und griff primär ins Leere, während seine andere Seite von einer Brünetten, jungen, eher schlacksigen Frau gestützt wurde.

    Die Sizilianerin verharrte Sekunden wie angewurzelt. Auf der einen Seite war es Everett, der den Treppen immer näher kam und damit ihrem Griff eindeutig entglitt. Aber auf der anderen war Sergio, der, ungeachtet jedes Plans, viel zu früh aus seinem Versteck kam, ihr kein weiteres Zeichen oder einen Anruf gegeben hatte und eindeutig nichtmehr alleine laufen konnte. „So viel und so schnell hat er niemals gesoffen…“, war sie sich sehr schnell bewusst. Und somit drängte sich die Frage auf: Ging sie Everett nach und erledigte ihre eigentliche Aufgabe…oder…


    Es gab keine andere Option als diese. Nicht nach heute. Selbst nicht nach Tag 1. Entgegen all ihrer Probleme, entgegen der Startschwierigkeiten, Sergio war ihr verdammter Vater und würde es bleiben. Egal wieviel Emotion sie wirklich bereit waren einander offen zu legen, egal ob ihr Familienverhältnis üblichen Normen entsprach oder nicht: Was sie verband war mehr als jeder toter Everett jemals aufwiegen konnte. So folgte sie beiden und versuchte sie einzuholen. Zu erreichen, bevor sie eine Chance der Flucht hatten und ihr Weg führte sie aus dem Club hinaus: Definitiv kein Weg den Sergio von sich aus gegangen wäre – noch nicht zumindest. Und nicht so.

    Panik begann in ihr aufzukeimen und ließ Blut in ihren Kopf steigen. Bei jeder Person, die sich ihr in den Weg stellte und ihr die Sicht auf Sergio und diese Person nahm, bei jedem Hindernis, dass sie weiter trennte, stieg ihr Puls weiter an. Sie hatte sich nicht ausgemalt was sie tat, wenn sie beide einholen würde, aber ihr Instinkt verbat ihr zu gehen. Sie musste irgendetwas tun, sich wehren, sich auf das besinnen, was man ihr beigebracht hatte. Cerberus ist deine Familie – schütze deine Familie. Sergio ist deine Familie. Schütze deine Familie. Schütze Cerberus. Schütze Sergio.

    Sie liess alles zurück. Den Club. Lautstärke. Lasershows. Hologramme. Security. Und sie zitterte. Vor Panik und blanker Wut, als sie das Skycar sah, auf welches die Brünette mit Sergio zusteuerte. Sie wollte fliehen. Für eine Sekunde fragte Luci sich, ob es niemals einen Plan gab. Ob er sie loswerden wollte, ob er sich einfach eine junge Schlampe angelte und von hier abhaute. Eine zweite Welle Adrenalin schäumte in ihr auf und verdrängte diesen Zweifel, immer mehr, je deutlicher sie sah, dass die Frau Sergio gängelte. Hinfort war auch noch der letzte Zweifel, als sie ihn ins Skycar setzte wie einen Besoffenen.


    Jegliche Überlegung, was sie wie tun sollte erstickte sich im Keim: Luceijas Hände schienen fremdgesteuert und übernahmen die Kontrolle über ihren Geist. Und ehe sie sich versah oder diese sie auch nur realisierte, packte Luci die Brünette, die eben noch die Last Sergios an das Skycar abgegeben hatte, grob an ihren Haaren und schlug ihr im Affekt den Kopf so hart wie es ihr möglich war gegen die metallerne Fahrzeugkanzel. „Pensi che sia stupido! Denkst du ich bin bescheuert?!, schrie sie die Fremde an, die sie ziemlich schnell wiedererkannte: Es war die selbe, die ihnen in dem Laden auflauerte. Die selbe, die bei Everetts Labor mit ihm auftauchte. Everetts Testsubjekt. „Non stai andando da nessuna parte! Du gehst – nirgendwo hin!
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  15. #115
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    Es war bereits schwer genug gewesen, den Mann halbwegs in der Benommenheit zu halten. Der erste Schlag auf seinen Nacken mit dem Griff der Pistole hatte nicht genügt, erst beim zweiten war er zumindest zu Boden gegangen, wenn auch nicht völlig bewusstlos. Doch die Schwierigkeit bestand darin, den Mann möglichst unter eigenem Zutun aus dem Club zu schaffen, damit niemand eine Entführung vermutete, sondern Alkohol oder Drogen für den Zustand des taumelnden Mannes verantwortlich machte. Und dies wiederum würde Goda nur wie eine besorgte Freundin wirken lassen, die den Suffkopf nach Hause begleitete. Doch bevor sie einen Fehler machte, nahm sie per Omnitool Verbindung mit Everett auf.
    "Doktor, ich hab' Vittore erwischt. Ich hab' ihn auf der Toilette abgefangen und ausgeknockt, aber ich glaube, der kommt gleich wieder zu sich. Was jetzt?"
    Es dauerte einen kleinen Moment bis Everett antwortete. Die Geräuschkulisse machte klar, dass dieser wohl noch dabei war, sich durch den Pöbel zu kämpfen. Entsprechend nah ging er deshalb ans Mikrofon und sprach dort so leise es ihm möglich war, sodass niemand den Inhalt mithörte.
    "Tatsächlich? Nun, ich dachte nicht, dass er hier wirklich rumstreunt, aber das bringt die Sache früher als erwartet zu Ende... Das Betäubungsgas sollte reichen. Nicht zu viel, lass ihn nur ein oder zwei Atemzüge nehmen. Führ ihn unauffällig raus, ich bestell dir ein Skycar. Steck ihn da rein und lade ihn bei uns im Labor ab. Ich komme später dazu. Mein Termin heute kann nicht warten... Vittore wird etwas geduldig sein müssen. Ich muss Schluss machen"
    Die Verbindung riss ab. Goda wunderte sich nicht, warum Ulysses die Sache so beiläufig behandelte, denn Vittore war nur einer von vielen Konkurrenten, von denen sie beide bereits einige ausgeschaltet hatten. Die ständige Paranoia, das Fallenstellen und das Wegschaffen wurden fast schon zur Routine. Ohne weiteres Zögern zog sie eine kleine Phiole unter ihrem Gürtel heraus und öffnete sie, hielt sie dann unter Sergios Nase, der in der Ecke der Kabine zusammengefallen war, und ließ ihn zwei Atemzüge daraus nehmen.

    Er war in der Tat gerade wieder dabei, zu sich zu kommen, sah nur verschwommen und verstand nicht, wo er war. Doch noch bevor er die Schnipsel seiner Erinnerung vollständig zusammensetzen konnte, erfasste ihn ein brennender Gestank in seiner Nase. Er fühlte sofort, wie seine Muskeln begannen zu kribbeln und binnen Sekunden fast taub wurden, als wäre das Blut aus ihnen gewichen. Er sah um sich nichts, hatte keinerlei Orientierung und verstand nicht, ob der Arm, der ihn unter den Achseln umschloss und anhob ein fremder oder ein vertrauter war. So gut er konnte versuchte er nur, nicht wieder in sich zusammenzufallen und schlurfte mit dem letzten Gefühl in seinen Beinen einfach mit der Person mit, die ihn führte - denn einen anderen Anhaltspunkt hatte er schlicht nicht.

    Ulysses hatte wie versprochen alles vorbereitet. Goda hatte keine Schwierigkeiten, den Mann, der sogar etwas kleiner war als sie, zügig und glaubwürdig an den Clubbesuchern und Sicherheitsbeauftragten vorbei zu geleiten, aber diese wenigen Minuten über die Tanzfläche auf die Straße vor dem Club waren bereits genug Zeit für das automatisierte Miet-Skycar, um etwa dreißig Meter weiter mit offener Kanzel auf seinen Piloten zu warten. Hier draußen war das seltsame Paar natürlich umso auffälliger und ungeschützter, sodass sich Goda bei dem ein oder anderen Passanten vor dem Club sogar noch um Erklärungsversuche wie "Der hat ganz schön gebechert!" bemühte. Angesichts des erhöhten Risikos zählte sie nahezu schon die Schritte bis zum Ziel, fühlte, wie ihr Herzschlag ihr bei der körperlichen Anstrengung des Mannes auf ihren Armen und der Aufregung bis zu den Ohren pochte. Erst als sie es dann endlich geschafft hatte, den doch recht schweren Mann über den Rand der Karosserie in die Kanzel zu heben, erlaubte sie sich, kurz durchzuatmen und sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Gerade holte sie noch Luft, da zerrte sie plötzlich etwas in den Haaren. Sie griff noch nach den Händen an ihrem Zopf, fühlte, dass es Frauenhände waren und wollte sich wehren, doch ausgelaugt und überrascht wie sie in dieser Sekunde war, konnte sie kaum ernsthafte Gegenwehr leisten. Mit einem Ruck schleuderte man ihre Stirn an die Karosserie und als dies nicht genügte noch ein zweites und ein Drittes Mal, ehe alles gänzlich schwarz wurde.

    Sergio öffnete die Augen wieder und fühlte sich wie nach dem schlimmsten Kater seines Lebens - und das sollte etwas heißen. Alles drehte und neigte sich und Farben verschwommen um ihn. Oder war das gar kein Kater? Die pochenden Schmerzen in seinem Hinterkopf waren echt, keine Frage, doch je mehr seine Sicht sich schärfte, desto mehr bekam er den Eindruck, dass er sich tatsächlich bewegte. Dann nahm die Gestalt neben ihm plötzlich Formen an. Luceija saß bei ihm in einem Skycar-Sitz und bediente den Autopiloten.
    "Fanculo...", brummte er mehrfach und versuchte verzweifelt zwischen den Kopfschmerzen und den flackernden Verkehrslichtern irgendetwas Brauchbares aus der Umgebung zu deduzieren, was geschehen war. Wieder waren die einzigen Bilder, an die er sich erinnerte ganz anderer Natur - von nackter Haut, Schweiß und Schuldgefühlen. Doch sie ergaben keinen Sinn und überhaupt klaffte zwischen diesen und der Gegenwart eine gewaltige Lücke.
    "Waren wir... Tanzen?", fragte er verwirrt, als er Luceija freizügiges Outfit erkannte. Erst dann bemerkte er, dass der bestiefelte Fuß einer weiteren Person zwischen ihren Sitzen lag und erschrak. Auf der Rückbank lag eine junge Frau, um die achtzehn, der man das Gesicht so zugerichtet hatte, dass sich das linke Auge kaum noch öffnen konnte, so angeschwollen war es. Zudem war ihr Gesicht aus einer Platzwunde an der Stirn mit Blut überströmt. Die Arme und Beine waren - und das nicht gerade sparsam - mit Gepäckgurten umwickelt, sodass ihr in ihrem nahezu mumifizierten Zustand keine Bewegung möglich war, selbst wenn sie bei Beuwsstsein gewesen wäre. Einen Moment überlegte Sergio, ob die Frau ihm bekannt vorkam, dann sprang plötzlich ein Funke über und eine Kette von Erinnerungen verfestigte sich wie eine sich auflösende Gleichung zur Klarheit.
    "Fuck - Everett. Das ist Everetts Laborratte. Was ist mit Everett?!", löcherte er nun seine Ziehtochter und hatte Mühe, sich zu zügeln, sie nicht dabei zu schütteln.
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  16. #116
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    Es tat unendlich gut, was sie da getan hatte. Nicht genug, dass sie den Schädel der achtzehnjährigen nur ein einziges Mal gegen die Fahrzeugkanzel des Skycar geschlagen hätte - nein. Es hätte ihr zwar schon gut genug zugesetzt, sie ausgeknockt, wenn auch nur für einige Minuten. Aber in Luceijas Schlag lag mehr als die bloßen Überreste der Kraft in ihren Muskeln. Primär lag darin jedwede Wut, jede Angst und jeden Terror, den sie in den letzten Stunden und den letzten Monaten empfand. Alles hatte sich in diesem Schlag entladen. Und in einem nächsten. Ebenso wie einem dritten und schließlich vierten, als die Blonde schon längst K.O. gegangen war und an der Karosserie entlang zu Boden rutschte. Im Hintergrund umrahmte die Szenerie eine Geräuschkulisse zusammengesetzt aus dem Brüllen des bulligen Security, sowie geschockten, angewiderten oder entsetzten Gästen die am Club anstanden, die selbstverständlich, so ohne Kontext, nicht begreifen konnten was dort gerade geschah und entsprechend akustische Aufforderungen an die Halbitalienerin ausriefen. 'Ruft doch jemand einen Krankenwagen!', forderte da einer auf. Der Security hingegen schien sich nicht im Klaren, ob man die Strasse und der Bordstein nun zu seinem Gebiet gehörte oder eben nur C-Sec Gebiet war und zwar in Angriffsstellung, aber noch nicht auf dem Weg zum Geschehen. Luceija hingegen hörte nicht, was es war was sie riefen, warum oder wer es tat. Für einen kurzen Moment stand sie einfach nur da, atmete schwer aus und besah sich ihrer blutbefleckten Hände.

    * * *

    "Fanculo.. . Waren wir... Tanzen?" Sie erschrak sich, obwohl sie wusste, dass Sergio neben ihr sass und durchaus noch lebte. Dass er allerdings so schnell wieder zu Bewusstsein kommen würde, während Luceija etwas unbeholfen am Steuer des Skycars sass und sich darin versuchte die Autopilotsnavigierung zu regulieren und noch den Verkehr im Auge zu behalten, ließ sie tatsächlich zusammenzucken. "Scheiße - Nein.", antwortete sie, angespannt und aufgekratzt, mit den Fingern so stark um den Lenker, dass ihre Fingerknöchel weißlich hervortraten und sie noch skelettartiger wirken ließen. "Wir waren nicht tanzen. ICH war tanzen. Wir waren-", sie brach ab, gestikulierte willkürlich mit einer Hand und starrte dabei sichtlich überfordert aus der Frontscheibe und beobachtete den Verkehr, in den sie zwar eingereiht war, aber deutlich schneller fuhr als der Rest. Und obwohl die Verunsicherung teil ihrer Gesichtszüge war und es fraglich war, wie sicher sie als Fahrerin eines Skycars ohne Führerschein wirklich war, sah sie sogar noch über die Schulter, an der verpackten Goda vorbei und aus der Heckscheibe, wo der primäre Grund für ihre Geschwindigkeit und die Anspannung war: Ein anderes Shuttle folgte ihnen in einiger Entfernung. Mit Blaulicht und Sirene. "Wir waren..beschäftigt.", knallte sie heraus, aus Mangel treffenderer Beschreibungen, drehte sich wieder nach Vorne, fluchte, und drehte scharf ab und gerade so an einem voranfahrenden Skycar vorbei, auf welches sie beinahe gebrettert wäre. "Und natürlich ist die Automatik aus - das macht alles nur noch einfacher.", warf sie zusammenhangslos ein und bretterte weiter geradeaus durch den Verkehr, von dem sie sich hoffte in der Menge anonymisieren lassen zu können.

    "Fuck - Everett. Das ist Everetts Laborratte." "Verdammt gut erkannt.", antwortete Luceija sarkastisch. "Was ist mit Everett?!" "Der hat sich dazu entschieden unseren scheiß Plan zu versauen! Ich hab ihn gesehen und bin ihm gefolgt - im Club. Wie du gesagt hast. Er war auf dem Weg nach oben in diesen VIP Bereich." Erst jetzt, im Licht des beleuchteten Tunnels durch den sie flogen, erhellte sich das Car stark genug, um Lucis blutige Hände erkennen zu können. "Ich musste mich entscheiden.", gab sie ehrlich zu und ihr Herz schlug heftig gegen die Brust und ihren Hals. Sie war sauer auf sich selbst und darauf, wie diese Mission eskaliert war. Ihre Augen wurden glasig, ohne, dass sie es zugeben wollte, aber sie blieb hart. Da gab es nur eine Aufgabe für die Schwarzhaarige und anstatt den Mord auszuführen und Everetts Kopf präsentieren zu können, rettete sie Sergio. Geblendet von Emotionen.

    Sie brachte Sergio auf den aktuellsten Stand.

    * * *

    "Fick - dich!", schrie sie die am Boden Liegende an (diesmal in Englisch, damit sie es wirklich verstand) und war froh um ihre Magnetsohlenstiefel, als sie wahllos gegen ihren Körper trat, bevor sie verachtend auf sie spuckte und dann ruckartig mit einem Schlag die Seitentüre des Shuttles oeffnete. Dann, als sie die Brünette wieder anpackte und sie an den Haaren auf die Knie zog wie eine Marionette, hörte sie endlich was hinter ihr geschah und Leute zu ihr auf den Weg waren. Schritte schwerer Stiefel klapperten auf dem Citadel-Metall. Jetzt wurde sie, Luceija, zum Täter erhoben. Ohnehin bereits auffällig bei der C-Sec stand ihr Sinn nicht danach den Cops nochmal Futter für ihre Ermittlungen zu geben und musste daher schnell handeln. Sie hievte die Brunette rücksichtslos auf den Rücksitz und rannte im nächsten Moment um den Wagen herum, auf dessen Fahrerseite sie stieg und sehr eilig die Zündung betätigte, durch die auch die Türen automatisch geschlossen wurden. Beinahe hatte der Security, in Kooperation mit einem Clubgast, ihren Wagen erreicht, doch im richtigen Moment hoben die untersten Düsen den Wagen in die Lüfte und ermöglichten einen schnellen Start außerhalb der Reichweite und die beiden Männer mussten zurückweichen um von dem Eezo-Strahl nicht geröstet zu werden.
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  17. #117
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    Noch recht benommen hatte Sergio Schwierigkeiten, den Details des Updates zu folgen und rieb sich daher nur umso kräftiger den Hinterkopf, von dem noch immer ein dröhnender Schmerz ausging. Er sah sich etwas mühsam um, da sein Nacken mindestens ebenso sehr schmerzte, und erkannte, dass ein C-Sec Skycar direkt hinter ihnen die Verfolgung aufgenommen hatte und dass Luceija sichtliche Schwierigkeiten hatte, diese abzuwimmeln. An sich war es schon beeindruckend genug, wie gut sie das Vehikel überhaupt steuern konnte, dürfte sie doch im Grunde keinerlei Erfahrung damit haben. Doch Sergio machte sich keine Illusionen darüber, dass sich sein Zögling in den Abendstunden anderweitig die Zeit vertrieb und dabei sicher auch schon das eine oder andere Mal den Steuerknüppel eines Skycars bedient hatte.
    "Du kriegst das schon hin", brummte er nur wenig aufgebracht und schien, trotz des holprigen Flugs, tatsächlich ganz in ihr Können zu vertrauen, während er sich nach hinten beugte, um den Kopf der bewusstlosen Goda abzusuchen. Unter der lockigen Frisur fand Sergio einen Kopfhörerknopf in ihrem linken Ohr, zog diesen heraus und betrachtete ihn kurz. Offensichtlich hatte Everett bei Goda auf ein Omni-Implantat verzichtet - wohl um eventuellen Konkurrenten oder der C-Sec die Überwachung zu erschweren. Zu diesem Kopfhörer gehörte also ein externes Omnitool. Sergio beugte sich weiter nach hinten über Goda und rollte ihren regungslosen Körper auf die Seite, sodass er ihre hinter dem Rücken zusammengebundenen Arme erreichen konnte und tatsächlich am linken Handgelenk ein Omni-Armband entdeckte.

    Obwohl die Innenkabine bereits stroboskopartig von den bunten Warnlichtern des verfolgenden C-Sec-Wagens beleuchtet wurde, steckte Sergio ohne rechte Nervosität oder Eile den Kopfhörer in sein eigenes Ohr und wählte sich mit Hilfe des Omni-Armbands durch die Commlink-Logs der letzten Stunde. Zielstrebig suchte er die Aufnahme heraus, als Sergio gerade die Toilette des Clubs betreten hatte - das letzte, woran er sich erinnerte. Und tatsächlich fand sich um etwa diese Uhrzeit ein aufgezeichnetes Gespräch. Mit unmerklich durch Zorn verschobenem Ausdruck lauschte er, wie Goda mit Everett über sein Schicksal verhandelte, doch noch im selben Moment formte sich in seinen Gedanken ein Racheplan und die Wut wich dem süßen Gefühl der Vergeltung.

    In derselben Sekunde wurde das bunte Licht der Verfolger heller, erschien direkt Neben Sergios Wagenseite neben dem Fenster, wo sich das C-Sec-Skycar neben sie schob - doch keiner der beiden Insassen blickte zu ihnen hinüber. Das fremde Vehikel beschleunigte, sauste an Luceija und Sergio vorbei und tauchte in den Verkehr ab, offenbar auf der Jagd nach einem anderen Wagen.

    "Ich glaube, die beiden haben plötzlich etwas Wichtigeres zu tun, als Clubschlägereien aufzuklären", bemerkte Sergio trocken und legte dann seine Hand auf die von Luceija, die sich am Steuerknüppel verkrampfte.
    "Luci - ganz ruhig. Wir haben die Sache wieder unter Kontrolle", beruhigte er sie, sank dann aber mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder in seinen Sessel zurück.
    "Flieg zu Ulysses Wohnung", ergänzte er dann während er sich die Nasenwurzel und Augen rieb. "Er bekommt heute unerhofften Besuch"
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  18. #118
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    "Wie komm ich dorthin?", keuchte die Jüngere in angespanntem Sizilianisch. Ihre Hand hatte sich längst so sehr verkrampft, dass sie eine unangenehme Spannung in ihrem Gelenk spürte. Das flimmernde Blaulicht des sie überholenden Skycars war dabei keine große Hilfe. Kurz hatte Luci sogar vermutet, sie müsse sich auf ein gewagtes Manöver seiten der Cops gefasst machen, die ihren Wagen rammen würden wie in einem Actionstreifen. Erst als sie Sergios Hand auf ihrer spürte realisierte sie wirklich, dass da keine Cops mehr waren die sie verfolgten. Sie drosselte die Geschwindigkeit, drückte sich zurück in den weichen Sitz und gönnte ihren Muskeln langsam nach und nach die nötige Entspannung. Der Autopilot, der nun übernahm, justierte die Geschwindigkeit und die Fahrweise des Wagens wieder auf die gesetzlichen Vorschriften herunter und gab der Schwarzhaarigen die kurze Gelegenheit, die Augen für ein paar Sekunden zu schließen und letztlich tonlos zu seufzen.

    Ihr Kopf drehte sich zur Seite und sie sah ihren Adoptivvater lange an, so als sei es nur aus der bloßen Ungeduld heraus, die sie bei der Beantwortung ihrer Frage auf sich nehmen musste. Tatsächlich aber bemerkte sie gerade, wie sie unbewusst tatsächliche Angst bekommen hatte. Vielleicht war es der harte Kontrast zu der zuvor geteilten, äußerst intimen Nähe, in einer Beziehung die aus so viel Nähe nie bestanden hatte und direkte Konfrontation mit der Gefahrensituation gesucht hatte. Aber vermutlich wurde ihr irgendwo in ihrem Inneren einfach bewusst, wie wichtig ihr diese einzige, wirkliche Bezugsperson war, obwohl sie sich in ihrer jungen Sturheit und später auch ihrem Egoismus immer wieder weiß machen wollte, dass sie andere Personen nicht brauchte. Ein Stück weit war das auch ihrer Erziehung geschuldet. Dennoch: Die Frage nach seinem Befinden blieb aus. Stattdessen räusperte sie sich nach einer Weile und wandte sich zum Boardcomputer zurück. "Die Adresse? Der Ward?", hakte sie nochmal nach und sah von ihm ab. Ihr Finger blieb abwartend ausgestreckt, bereit zur Eingabe, und war blutig bis unter den Nagel. Sie rümpfte in gedämpftem Ekel die Nase.
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  19. #119
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    Der Sizilianer musste sich zunächst selbst etwas sammeln und gegen seine Kopfschmerzen und seinen Schwindel ankämpfen, bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte. Die nüchterne Routine, mit der er in den letzten Minuten mit der Situation umgegangen war, war eher der verringerten Denkleistung geschuldet, sodass er bisher noch keinen Gedanken an die Implikationen des ungeplanten Kidnappings verschwendet hatte. Was zu tun war, war für ihn schnell entschieden, doch was dies tatsächlich bedeutete, das keimte erst langsam in ihm auf und hemmte jede strukturierte Planung.
    "Bachjret-Ward", antwortete er knapp nach einem tiefen und langen Stöhnen, mit dem er versuchte, die Benommenheit abzuschütteln. Zum Glück war er bereits wach genug, um sich an die Notreserve zu erinnern, die er sich in ein Täschchen in der Ärmelinnenseite eingenäht hatte. Nach etwas Gefummel zog er aus dem linken Ärmel kurz darauf eine kleine Kapsel, die er sich ohne Zögern in den Mund warf und ohne Wasser schluckte. Es war ein Aufputschmittel. Die Vergangenheit hatte bewiesen, dass er sehr viel öfter in den Bedarf derselben kam, als ihm lieb war.
    "Du weißt schon, so wie wir letztes Mal reinkamen. Peil den Wolkenkratzer an der Wardspitze an und halt dich an der linken Flanke, dann siehst du ihn schon."
    Nach diesen Worten legte Sergio den Kopf in die Nackenlehne und legte die Hand auf den Augen ab, um die noch empfindlichen Sehnerven vor den flackernden Verkehrslichtern zu schützen. Er vertraute seiner Luci, so angespannt sie auch war. Sie hatte in den letzten Tagen mehrfach bewiesen, wie kompetent sie bereits als Partnerin war, sodass Sergio sich erlaubte, zumindest so lange die Kontrolle abzugeben, bis das Aufputschmittel wirkte. Erst, als hinter ihm die bisher reglose Goda merfach zusammenzuckte und dabei unwillkürlich gegen die Innenwand des Skycars trat, erwachte er aus einem Sekundenschlaf und wurde sich auf diese ungemütliche Weise sofort dessen bewusst, welche Aufgabe ihnen noch bevorstand.
    "Du... Hast Sie am Leben gelassen?", stellte er nüchtern fest, auch wenn er es bereits zuvor erkannt aber nicht ausgesprochen hatte.
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  20. #120
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    "Was hätte ich denn tun sollen?!", giftete sie ihn sofort und mit einem längst zu schnell schlagenden Herzen an. Ihr blutiger Finger, der die Eingabe des Zielortes bis jetzt erwartet hatte und nur darauf wartete bis ihr Hirn das signal zum Tippen gab, reagierte nun und weisten einen groben Weg in Richtung des Bachjret-Wards. Sie war ehrlich. Für sie sah hier auf der Citadel bald alles gleich aus. Diese scheiß Wolkenkratzer ohnehin. Die Wohninseln die sich daraus ergaben hatten ein kaum für sie nachvollziehbares System und das dachte sich die Frau, die Jahre später ihr Dasein auf Omega verbrachte und sich dort bei Weitem besser zurecht fand. "Ich hätte ihr den verdammten Schädel natürlich noch ein paar Male mehr gegen das Shuttle schlagen können, aber dann wären wir nicht auf halben Weg zu diesem Wichser sondern ich vermutlich schon bei irgendwelchen C-Secs!" Sie verkrampfte sich weiterhin am Lenkrad. Und bleib einige Zeit still. So lange jedenfalls, bis sie hörbar schnaubte und "Ich hätte sie direkt umlegen müssen. Wird mir nicht nochmal passieren.", gab sie kleinlaut in ihrem Sizilianisch zur Kenntnis. Sie blinzelte unruhig und wischte sich mit dem Handgelenk etwas unsichtbares aus den Augen. Dabei verschmierte sich wieder dieses Blut an ihren Fingern.

    Das Mädchen versuchte sich so gut wie möglich zu konzentrieren, aber dass sie zitterte war kaum vermeidlich. Es war die Anspannung die abfiel und sie dennoch wie bestellt und nicht abgeholt zurückließ. Irgendwann aber, nach einigen Schwenkern, die etwas zu rasch von Statten gingen und ihre Naivität am Steuer belegten, sah sie den Wolkenkratzer und hielt sich an Sergios Anweisung. Und bald schon kamen sie an. Und Luci heilfroh darum, dass diese Shuttles selbst landen konnten..
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