Zitat von
Tjordas
Als sich sein Schützling selbst als Köder anbot, hob der mürrische Wissenschaftler seinen Blick vom Boden und schielte mit einem furchteinflößend analytischen Blick in ihre Augen. Der kühle Augenkontakt konnte vieles bedeuten - vielleicht war es nur ein stummer Blick, der vermitteln sollte, dass die Idee dermaßen abwegig war, dass man die Frage nichteinmal beantworten musste. Vielleicht war es aber auch ein Gedanke, den Sergio ernsthaft im Detail erwog, bis er nach wenigen Sekunden schließlich zu schmunzeln begann und dann seinen Zeigefinger auf Luceijas Haaransatz legte und dreimals auf ihre Stirn tippte. Er ließ Luceija im Unklaren darüber, was diese eigenartige Geste zu bedeuten hatte, stand stattdessen auf und lief zu seiner Holoprojektorfläche an der Wand des Labors, um dort mit einem digitalen Griffel die Namen von Everett, seinem Testsubjekt und allen beteiligten Orten und Personen aufzuschreiben. Grübelnd blickte er dann auf die angeschriebenen Namen und zog deren Hologramme mit den Händen herum an verschiedene Positionen der Tafel, verband sie mit Linien und Symbolen, schrieb unlerserliche Notizen daneben, ehe er dann den Namen des konkurrierenden Testsubjekts umkreiste: Goda.
"Die kleine von Ulysses...", brummte er zur Erklärung und vergewisserte sich durch einen kurzen Blick über seine Schulter, ob Luci ihm noch zuhörte.
"Sie ist der Schlüssel zu der Sache... Denk mal nach. Wie er sie vorhin vermöbelt hat. Die Art, wie er an ihr die letzten Jahre geforscht haben muss. Sie ist nur durch Angst an Everett gefesselt, nicht durch Loyalität. Das mit den beiden ist nicht das selbe wie bei uns, Luci. Wenn man nur ein bisschen Druck von außen auf sie auswirken könnte - sie würde sofort klein bei geben und Everett hinter sich liegen lassen... Wenn man nur an sie herankäme..."
Nachdenklich schabte sich der Italiener am stoppeligen Kinn und entblößte dabei die untere Zahnreihe. Dann wirbelte er herum zu seinem Computer am Schreibtisch am anderen Ende des Laborraums. Es brauchte nicht lange, um zu recherchieren, was er in den Cerberusdatenbanken auf seinem Rechner herausfinden musste, und doch musste es Luceija wohl wie eine Ewigkeit vorkommen, in der sie keine AHnung haben würde, wonach Sergio eigentlich suchte.
"Wusste ich es doch!", rief er dann aus, und klatschte in die Hände, ehe er mit dem Bürostuhl eine galante Drehung machte und den Bildschirminhalt auf die große Projektionsfläche verschob, sodass Luceija die großformatige Version von Godas Personalakte einsehen konnte - doch das abgebildete Gesicht war das eines dreijährigen Kindes.
"Jaja, ich weiß, die ist schon etwas älter. Ich habe zwar keinen Zugriff auf Everetts Testresultate der letzten Jahre, aber die Akte jedes angeworbenen Testsubjekts dieser Zellle ist für jedes höhere Zellenmitglied zugänglich. Die Akte stammt noch aus der Zeit, als man Goda eingeschleust hat. Hör dir das an: '2153: Subjekt geboren von Überlebender der Singapur-Eezo-Katastrophe. 2154: Blutwerte des Subjekts deuten auf biotisches Grundpotenzial hin. Subjekt durch Krankenaktenfilter entdeckt und von Cerberus deportiert. Mutter infiltriert. Offizielle Todesursache: Krebs, tatsächliche Todesursache: Cäsium-137-Vergiftung. 2156: Testsubjekt übertragen an Ulysses Everett im Rahmen der Ascension-Zelle'"
Sergio stieß sich mit den Füßen vom Boden ab, sodass sein Bürostuhl auf dem glatten Laborboden bis zu Lucis Liege hinüberrollte.
"Wenn wir es schaffen würden, dass sie sich mit uns trifft und wir ihr diese Beweise für den Mord an ihren Eltern zukommen lassen könnten, schaffen wir es vielleicht, sie auf Everett zu hetzen. Wir könnten noch den einen oder anderen Fakt fälschen, um Ulysses persönlich als den Mörder ihrer Mutter dastehen zu lassen. Dann versprechen wir ihr, dass sie entweder unverfolgt weiterleben kann, oder bei unsererem Projekt eingeschleust werden kann, wenn sie uns hilft, ihren Dok aus dem Weg zu schaffen. Vielleicht ist das nichteinmal gelogen. Wenn die Leitung die Daten von Everett sieht, wird man uns recht geben und Goda den kleinen Verrat verzeihen. Aber wen kümmert es schon, ob es wahr ist, sie wird es für wahr halten.... Nur wie kriegen wir Goda dazu, alleine mit einem von uns zu sprechen?", seufzte der Arzt angestrengt und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinen Bürostuhl, stützte seinen Schuh dabei neben Luceije auf die Liege auf.
"Mit mir wird sie niemals reden wollen. Ich bin für sie im Moment nur noch so ein kerl wie ihr Peiniger Everett.... Aber vielleicht redet sie mit dir?... Nur wie stellen wir das an, ohne in eine Falle zu tappen?"