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  1. #61
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Sergio hatte mit dem Öffnen der ersten auffälligen Schubladen in einem großen Schreibtisch bereits begonnen, fand darin auch tatsächlich einige Medikamentenflaschen, deren Etiketten er jedoch nach einigen kurzen Blicken ungeachtet wieder zurückstellte. Außer frei verkäuflichen Schmerzmitteln und standardmäßigen Antidepressiva war hier nichts zu entdecken. Doch kaum war er richtig in die Routine der Durchsuchung gekommen, da mussten seine Hände in der Bewegung einfrieren, als er die melancholischen Gedanken seiner Ziehtochter hörte. Zunächst war er geneigt, das Thema mit ein paar beiläufigen Worten abzuschütteln, saß den beiden doch der Zeitdruck im Nacken sowie das unangenehme Gefühl, unerlaubt in einer fremden Umgebung zu sein, so unwahrscheinlich es vielleicht doch sein mochte, dass in den nächsten Minuten jemand hereinkommen würde. Als er jedoch Luceija im Augenwinkel so am Fenster stehen sah, folgte er seinem väterlichen Instinkt und stellte sich zu ihr, berührte sie nicht, sondern stützte nur die Daumen in die Hüfte und blickte mit ihr auf die Tristesse der geschäftigen Raumstation.
    "Ich wäre auch lieber wieder auf Sizilien. Ein angenehmeres Klima. Besseres Essen... Und vor allem nur eine einzige zweibeinige Spezies. Ich kann dir das Heimweh nicht verübeln. Aber du musst an das größere Bild denken. Wir beide sind für größeres bestimmt. Und bisher liefen unsere Versuche doch hervorragend. Immer bessere Ergebnisse, vor allem im letzten Jahr. Wenn die Verlaufskurve so weiter steigt, dann sind wir in spätestens zwei Jahren mit den Versuchen fertig. Vielleicht sogar in einem Jahr. Dann brauchen wir die Maschinen hier nicht mehr und die Zellenleitung auch nicht. Und vielleicht können wir dann ja wieder zurück nach Sizilien."
    Er schluckte leicht nach den letzten Worten, presste seine Lippen aufeinander und entfernte sich wieder von Luceija, um dann das Holopad auf dem Schreibtisch zu durchsuchen. Da es nicht passwortgeschützt war, vermutete er keinerlei brauchbare Informationen, doch lenkten ihn die rhythmischen Wischbewegungen durch die Textblöcke von dem unangenehmen Gesprächsthema ab.
    "Also, je früher wir diese Sache hier geklärt haben, desto früher geht es wieder nach Hause. Vielleicht siehst du dich da hinten mal nach Räumen um, die weniger repräsentativ wirken. Ein Archiv vielleicht oder ein Medikamentenvorrat"
    Tjordas ist offline

  2. #62
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Mangelnde, alternative Möglichkeiten brachten die Halbitalienerin schließlich nach mehreren Sekunden dazu, den Blick von der äußerst vorteilhaft präsentierten Citadel und ihren Wards abzuwenden. Der Glanz, der vom nahen Witwe-Stern auf einen der Wolkenkratzer traf, blendete sie kurz und trieb sie nur noch eher von der Szenerie ab - so als wolle die Raumstation selbst sie von ihrem Anblick vertreiben. "Ist gut."
    Vieler Worte war sie nicht länger mächtig, als sie sich zunehmends in einen Gedankengang hineinstürzte, der sie sehr weit weg von der Citadel wegtrieb und wieder mehr hin an einen immer wiederkehrenden Sandstrand, der einfach nicht aus ihren Erinnerungen zu kratzen war. Genauso wenig wie die dekorative Altstadt der palermischen Gemeinde, knorrige, in sich verdrehte Olivenbäume, die die beste Vorlage waren daran hochzuklettern und aus Langweile Sprüche in ihre Rinde zu schnitzen.. . Während ihrer stummen und in sich gekehrten Suche, zupfte Luceija die Handfeuerwaffe aus der Rückseite ihres Hosenbundes und legte sie auf die Kommode, die der Hausherr auf der massionetteartigen Erhöhung gelagert hatte. Auch hier, in diesem Zwischenstock, hatten sie eine Fassade mit zahlreichen Kunstwerken drapiert, wovon viele Luceija bekannt waren. "Das ist ein Suliére, richtig?", sinnierte sie vor sich hin, so als wäre ihr Vater in greifbarer Nähe. "Ziemlich teures Bild. Und mal ausnahmsweise was wirklich Gutes, nicht ständig diese simplen Quadrate auf weißem Grund die die Spinner "Kunst" nennen..", spuckte sie aus und klang ihrem Alter kaum angemessen. Doch ihre Defizite im Sozialen Bereich wusste Vittore wunderbar mit - für andere Kinder sinnlosem - Wissen von Kunst und Musik aufzufüllen, was beinahe schon ein wenig peinlich war, weil sie mittlerweile mehr Gemälde von Italienischen Malern und mehr Lektüren kannte, als Sergio selbst. Nicht an alle konnte sie sich erinnern..aber der Sizilianer und nicht zuletzt Cerberus hatten dafür gesorgt, dass ihr die wirklich wichtigen nicht aus dem Kopf gingen. Natürlich hatte die Organisation ihre eigenen Mittel und Wege, dafür Sorge zu tragen...

    Sie bedachte das Kunstwerk mit eindringlichem Blick, nagte sich dabei auf den Daumennagel ihrer rechten Hand und lies sich nur viel zu spät davon ablenken, dass es gefühlte zwei Schritte weiter rechts ein kurzer Gang ja noch weiter nach hinten führte. "Ich schätze ich hab das Bad gefunden.", sagte sie lauter um Sergio teilhaben zu lassen und folgte dem Gang. Am Ende dessen begrüßte sie ein kleiner Wandschrank, in dem ein paar Bücher, ein Bügeleisen und eine kleine Kiste mit unauffälligen Nähutensilien stand. Zu ihrer Rechten hingegen war das Badezimmer, dass sie bereits vermutet hatte und recht Prunkvoll über dem Rest der Wohnung zu thronen schien - hier mit einem noch besseren Blick auf die Raumstation. Zu ihrer Linken aber...war eine weitere Türe, die nicht bereits zur Seite eingezogen war, sondern mit einem roten Panel die eher dunkle Ecke ausleuchtete.
    "Doc?", rief sie und bemerkte erst jetzt, dass sie die Waffe nicht wieder zu sich genommen hatte. Also lief sie das Stück zurück um sie sich zu greifen und wandte sich noch einmal an ihren Adoptivvater. "Doc - hier hinten ist ne verschlossene Tür, ich brauch deine App."
    Luceija ist offline

  3. #63
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Die Datensätze des Holopads rauschten weiter an Sergios Augen vorüber, als er versuchte, irgendeine brauchbare Information daraus zu ziehen, doch natürlich war der Besitzer der Wohnung nicht dumm genug gewesen, sensible Informationen auf einem Pad abzuspeichern, das mitten im offenen Wohnzimmer lag. Dennoch kopierte der Doktor noch einige der Cache-Dateien auf sein Omnitool, in der Hoffnung, daraus später einige Spuren extrahieren zu können. Während der Ladebalken sich noch füllte, legte er das Holopad exakt zurück an seine alte Position und in den alten Lagewinkel, ehe er die Treppe zur balkonartigen Erhöhung hinaufstieg, wo sich Luceija gerade mit einem der sündhaft teuren Wandgemälde beschäftigte. Sergio betrachtete es nur kurz, doch der kurze Blick genügte ihm, um es in einen kunsthistorischen Kontext einzuordnen und seiner Tochter zufrieden zuzustimmen - es war tatsächlich der besagte Künstler. Und auch ihre Abneigung gegenüber den veralteten geometrischen Experimenten früherer Künstler konnte er nur nickend bestätigen, während er den Rahmen des besagten Bildes abtastete und dahinterspähte, ob sich hier ein Geheimfach verbarg.
    "Nur dass die 'Spinner', wie du sie nennst, bei den Asari inzwischen eine kleine Renaissance feiern. Der Kubismus des 21. Jahrhunderts scheint das genauso dekadente ach-so-kultivierte Volk der Oberflächlichkeit besonders anzusprechen... Ich sage dir, Luci, lass dich bloß niemals auf diese schuppigen Tentakelköpfe ein. Ein Volk, das für alle anderen Völker attraktiv wirkt, aber bei deren Paarung nur Asari zur Welt kommen? Glaub mir, die sind noch viel bedrohlicher als Kroganer und Batarianer zusammen.", sinnierte er murmelnd zusammen, bevor er die Suche nach einem geheimen Fach aufgab und sich stattdessen das Bad näher betrachtete.
    Er betrachtete sich hier vor allem die Kleinigkeiten des Alltags genauer. Zwei Zahnbürsten, zwei halb geleerte Zahnpastatuben, Frauenhygieneprodukte... Aber kein Make-Up. Zudem nur Duschgel, aber kein Shampoo in der Dusche. Und ein knittriges, scheinbar beiläufig aufgehängtes Handtuch neben der Dusche, an dessen Rückseite jedoch noch ein Preischip befestigt war. Auf den zweiten Blick war es eindeutig, dass hier kein erfolgreiches Business-Ehepaar seine Zweitwohnung hatte, wie sie es offenbar vermitteln wollten. Wahrscheinlich hatte man diese Wohnung sogar nie wirklich als Wohnung benutzt - und wenn, dann nur um zum Schein einige vermeintliche Freunde für eine Stunde in das versnobte Wohnzimmer einzuladen. Entsprechend überraschte es Sergio nicht wirklich, als aus dem angrenzenden Flur Luceija zu ihm hinüberrief und ihn auf einen versperrten Raum aufmerksam machte. Er hätte sein letztes Hemd darauf verwettet, dass hier das wahre Geheimnis dieser Alibi-Räumlichkeiten versteckt gehalten wurde und entsprechend wechselte er nur schweigsame, aber bedeutsame Blicke mit Luceija, während er routiniert zuerst den bekannten Cerberus-Zahlencode eingab. Zu seiner Überraschung funktionierte dieser hier nicht, obwohl er für den Wohnungseingang noch funktioniert hatte. Wollte der Besitzer hier etwa etwas vor der Zelle geheimhalten? Mit skeptisch verengten Brauen ließ der Doktor sein Entschlüsselungsprogramm laufen, dessen Algorithmus er mehrfach modifizieren musste, um endlich eine brauchbare Methode zu finden. Nach etwa einer Minute öffnete sich die Tür und offenbarte einen weiß beleuchteten Raum, der schon auf den ersten Blick für die beiden als Labor erkennbar war.
    Tatsächlich ähnelte es ihrem Labor zu Hause stark, doch wenn man es sich näher betrachtete, zeigten sich immer mehr beunruhigende Details, die es klar von dem der beiden Eindringlinge abgrenzten. Die Wände waren mit Schalldämmmatten beklebt auch ein Fenster suchte man vergeblich. Sergio entdeckte bei seinem ersten vorsichtigen Rundgang zunächst eine Überwachungskamera hinter einigen Plastikgefäßen auf einem Regalbrett und speiste mit wenigen Betätigungen seines Omnitools eine vorbereitete Software in die Kamera ein, sodass diese die ereignislosen Minuten vor dem Eindringen der beiden endlos in Schleife abspielte und damit deren Anwesenheit vertuschte. Erst jetzt betrachtete sich der Mann im weißen Kittel die Objekte im Labor genauer. Der robotische Schwenkarm des Operationstisches war, wie Sergios, mit Injektionsnadeln für die Wirbelsäule des Subjekts ausgestattet, doch waren diese wesentlich zahleicher mit jeweils sechs radial angeordneten Nadeln für jeden Wirbelknorpel - viel zu viele für eine halbwegs schmerzfreie Behandlung. Auch der Medikamentenvorrat in den gläsernen Kühlschränken war beunruhigend umfangreich. Bei einem solchen Repertoire schätzte Sergio, dass man hier mindestens die dreifache Dosis seiner Medikamente verabreichte - ganz zu schweigen von den zahlreichen kaum getesteten Stoffen, von denen er selbst nur namentlich gehört hatte; meist in Kontexten, die von einer Verwendung abrieten. Besonders verwirrend schien ihm jedoch eine Gerätschaft, die bedeutungsschwer im Zentrum einer sonst leeren Metalltischplatte platziert war: Eine Art Kragen, so schlussfolgerte er aus der Form, aus Titanstahl gefertigt und mit vier davon abstehenden Bügeln, die wohl auf den Schulterblättern und unterhalb der Schlüsselbeinknochen aufliegen sollten. Gesteuert von unkontrollierbarer Neugier legte sich Sergios Finger zögerlich auf die Bedienarmatur am vorderen Rand, woraufhin das Sichtfenster eines kleinen, eingelassenen Flüssigkeitstanks mit einer undefinierbaren, dunkellila Substanz darin aufleuchtete. Skeptischen Blickes beugte sich der Italiener nach vorne, um das Ding näher zu betrachten, als er plötzlich mit einem Schrecken vor aus den Bügeln herausschießenden, feinen Nadeln zurückschreckte. Mit einer Mischung aus Anwiderung und Verwirrung schaltete er das Gerät wieder aus. Er brauchte einige Sekunden, um sich aus seinen Überlegungen zu dem Gerät zu befreien und sich wieder auf das Wesentlichste zu konzentrieren.
    "Archive", brummte Sergio, zunächst zu sich selbst, um sein weiteres Vorgehen zu planen, dann an Luceija gerichtet: "Such nach irgendwelchen Aufzeichnungen. Keine Zeit, sie jetzt anzusehen, kopier einfach alles, was wie ein Videolog oder ein brauchbarer Datensatz aussieht und dann nichts wie raus hier... Ich glaube, den Besitzer will ich gar nicht mehr persönlich treffen", spulte er eilig seinen Plan ab und machte sich inzwischen selbst daran, parallel Daten aus den Computern zu kopieren und Fotos vom Laboratorium zu machen. Dabei fiel sein Blick auf einen Notizzettel neben dem Computermonitor, auf den jemand mit schlichter, schwarzer Tinte "Subject Zero Resultat-Daten anfragen" gekritzelt hatte. Der Name löste in seiner Erinnerung nichts aus, doch ergänzte er den Suchfilter im dieses Schlüsselwort, um somit keine Datei zu übersehen, die damit in Verbindung stand.
    Tjordas ist offline

  4. #64
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Viel mehr hätte man sich unter diesem stetig verschlossenen, mysteriös in der letzten Ecke liegenden Raum gar nicht vorstellen können. Luceija hatte bereits die Vermutung gehabt, dass es das sein würde, wonach sie letztlich gesucht hatten - der Rest war zugegebenermaßen aber auch viel zu künstlich, viel zu wenig belebt und wirkte auf seine hochmoderne, 'verpackte' Art einfach nicht echt. Bei den Hinweisen, die die beiden bereits gesammelt hatten, musste sich der Fehler irgendwo versteckt haben. Dieser hier lag dabei dann schon fast offensichtlich hinter der einzigen, verriegelten Türe im gesamten Komplex. Eingepfercht in der hintersten Ecke eines Ganges, der so bereits an einen begehbaren Kleiderschrank erinnern wollte.

    Luci hatte Sergio über die Schulter gesehen, als er das Bad inspiziert hatte. Hatte nach ihm die Zahnbürsten und das Handtuch gesehen, konnte aber keine Feuchtigkeit gespeichert in dem Frottee bemerken, sodass eindeutig war, dass die letzte Dusche lange her war. Spaßeshalber stellte sich Luci in die nicht-aktivierte Duschkabine um - wie ein lächerlicher Ermittler - einen nicht-vorhandenen Mord besser nachvollziehen zu können, wenn man sich in der Opfer hinein versetzte. Aber so blödsinnig der Ansatz auch war, desto interessanter fand es Luceija, dass sie - kaum, dass sie den schwarzen Schopf gen Decke richtete und dabei auch bei einer geschlossenen Duschkabine wunderbar darüber hinweg hätte sehen können - ein Loch zwischen den Deckenfliesen erkannte. Es passte nicht zusammen: Da war eine Wohnung, die so sauber war, dass sie direkt aus der Fabrik hätte geschnitten sein können, so unangetastet und porentief rein. Warum sollte dann gerade diese eine Deckenfliese nicht schon längst ausgetauscht worden sein? Wer würde, so ordnungsliebend und offensichtlich wohlhabend wie diese Hausherren es waren, diesen Fehler so belassen? Luci hatte bereits angesetzt davon zu berichten, da war Sergio schon wieder nach draußen geschritten und öffnete nun den anderen Raum mithilfe eines seiner Tools. Nur wenige Augenblicke später glitt schon mit einem Druckgeräusch die Türe zur Seite hin auf, sodass der Schwarzhaarigen kaum eine andere Wahl blieb, als dem Älteren zu folgen.



    Die junge Frau hatte den Raum einige Moment auf sich wirken lassen. Bei Sergios Vorankündigung, dass es sich um eine Konkurrenz handeln müsse, die eben so wie sie beide an Experimenten arbeiten, war ihr schon bewusst, dass sie auf einen ähnlichen Ort hätte treffen müssen. Vielleicht nicht gerade hier, aber zumindest irgendwo - gegebenenfalls in einem anderen, gemieteten Gebäude. Doch er lag wirklich schon vor ihnen, war sogar recht einfach zu knacken und jetzt hatten sowohl sie als auch Sergio jede Freiheit sich in diesem Raum zu bewegen und alle Details zu untersuchen, die sie interessierte. Würde man auch so schnell in ihre Wohnung eindringen können? Testergebnisse stehlen und Medikamente manipulieren können?
    Die verstärkten Wände jedenfalls, gegen die sie mit einem Finger nun testweise trommelte, verrieten, dass sie eigentlich nicht gefunden werden wollten. Jetzt merkte sie auch, was ihr so unangenehm aufgestoßen war, als sie ins Innere gelaufen war: Der Raum schluckte unheimlich viele Geräusche, sodass sie, wenn auch Sergio neben ihr die Luft angehalten hätte, nur das eigene Rauschen in ihren Ohren gehört hätte. Schall hatte hier kaum eine Chance. Noch ein Faktor, der ihr unnatürlich vorkam. Anders als bei ihnen zu Hause.

    Im nächsten Moment hatte sich Sergio bereits der metallernen Liege zugewandt und interessiert irgendeinen Bügel begutachtet, dessen Zweck nicht zu schwer zu erraten war. Auch wenn sich Luceija ernsthaft fragte, warum man so etwas brauchen sollte. Sie selbst hatte das noch nie genutzt und hätte auch nicht gewusst, was man über so eine Gerätschaft injizieren müsste. Nichts desto trotz setzte sich die Italienerin ihrem Adoptivvater gegenüber auf einen kleinen Hocker, verschränkte die Arme auf dem Metall und sah ihm bei der zweifelnden Betrachtung der Gerätschaft zu.

    "Kommt dir das nicht komisch vor, dass es hier aussieht wie in 'nem Extranet-Fetischfilm?" Fragend hob sie die schwarze Augenbraue und lies das hervorstechende Grün den Älteren taxieren. Wäre man nicht Luceija, hätte man diese Frage schon garnicht gestellt. Denn egal ob da eine metallene Halskrause lag die automatisch dutzende Nadeln mit Medikamenten injizieren konnte oder nicht, sah es bis auf ein paar Details - die für Luceija einen Riiiiesenunterschied machten - nämlich in ihrem "Labor" schon ziemlich ähnlich aus. Auf Sizilien, in ihrem kleinen, urtypischen, idyllisch ruhigen Strandhäuschen mit den veralteten Maschinen, war es natürlich schon anders, wahrscheinlich verfälschten die Erinnerungen an das ältere Labor, dass stellenweise auch im Rest des Hauses verteilt war, auch Luceijas Wahrnehmung enorm... . Aber die Ähnlichkeit ihrer Citadelpraxis mit diesem Raum war für einen Außenstehenden schon prägend. Umso irrwitziger war es, dass sie den Unterschied scheinbar sah. Ihn sogar eher als Fetisch-Zelle bezeichnete als tatsächliches Behandlungszimmer. Wohl oder übel trübte auch ihre Sinne, dass das 'Labor' auf der Citadel und auch auf Sizilien nicht nur ein 'Labor' waren...sondern eben auch ihr Zimmer.
    Fetisch-Filme hatte sie manchmal im Extranet angesehen - mit eigenen Technikaccessoires auch kein Problem - zumindest nicht wenn man zu leichtsinnig war und nicht bedacht hatte, dass Sergio auf allem was sie besaß eine Weiterleitung integriert hatte und er dann eines Abend geglaubt hatte, sein Terminal sei gehackt worden als die äußerst freizügigen Filmchen über die holographischen Oberflächen waberten. Die Diskussion, die Sergio empfohlen wurde irgendwann einmal mit seiner Ziehtochter zu führen, wurde dann ein gutes Stück zu früh fällig. Und die damit verbundenen Diskussionen sizilianisch laut.

    "Dafür spricht einiges. Das hier.", sie deutete auf den Kragen, "Der Lärmschutz. Die 'unauffälligen' Kameras über der Dusche.. . Ganz ehrlich Doc? Die können wohl kaum die selben Experimente machen wie wir. Ich glaub nicht mal dran, dass die von Cerberus sind - dann würde ich dieses Zeug doch als erste kennen."
    Es war ruhig. Die Stacheln des Kragens schlugen heraus und ließen Sergio kurz zurückzucken. "...richtig?"
    Sie hatte keine Antwort zu erwarten, sah stattdessen gegen seinen Rücken und dabei zu, wie er aufstand..

    Dass er ihr nicht antwortete irritierte das sizilianische Mädchen.
    Luceija ist offline

  5. #65
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Der Doktor konnte sich ein leises, spöttisches Lachen nicht verkneifen, als Luceija das Labor mit einem Pornofilmset verglich, doch ein wenig beunruhigte ihn dabei auch, als er sich etwas umsah, wie sehr sie die offensichtlichen Ähnlichkeiten zu ihrem eigenen heimischen Labor ausblendete. Für moralische Bedenken über die eindeutig verzerrten Wahrnehmung seines Zöglings fehlte jetzt jedoch die Zeit, und so glitt er zum nächsten Terminal neben Luceija hinüber, um auch diesen nach brauchbaren Informationen zu durchsuchen. Die zweite Frage des Mädchen ignorierte er zunächst, reagierte erst darauf, als sie noch ein weiteres Mal nachhakte. Ihr Ziehvater blickte sie nicht an, als er endlich reagierte, scrollte stattdessen durch die Datenbanken auf der Holoprojektion.
    "Ist nicht so einfach, dir die ganze Wissenschaft hinter unseren Versuchen zu erklären, Luci", murmelte er zunächst, vergewisserte sich dann mit einem kurzen Blick zur Seite, ob sie dieses Argument zufriedenstellend fand. "Die Forscher bei Cerberus haben nunmal...", er gestikulierte auffällig und nach Worten ringend, "sehr unterschiedliche Forschungsauffassungen. Meine Herangehensweisen haben bei uns die wenigsten verstanden, also überrascht es mich im Nachhinein betrachtet kaum, dass eine andere Zelle ein paar eher... ergebnisorientiertere Methoden anwendet. Sozusagen als Kontrollgruppe, verstehst du? So wie meine Rosenbüsche auf Sizilien, bei denen ich eine Reihe auf saureren Böden gepflanzt habe als die andere, um zu sehen, welche Rosen prächtiger blühen. Dieser Typ hier macht sicher auch nur seine Arbeit... Nur eben schlampiger. Unsere Arbeit ist eindeutig die bessere. Wir helfen der Zelle hiermit nur, das schneller herauszufinden."
    Eine Weile lang fixierte er Luceija noch, um ihre Reaktion zu beobachten, bis er sich offenbar in Rückschau des Gesprächs an ein Detail zurückerinnerte.
    "Warte, sagtest du eben Kamera über der Dusche?", stieß er etwas nervös aus, ehe er den Computer mit noch eiligeren Tastendrücken durchsuchte. Tatsächlich fand er kurz darauf eine Software, die über zahlreiche Kameras die gesamte Wohnung überwachte - und dazu zählte nicht nur diejenige, die er hier im Labor unschädlich gemacht hatte, sondern - das verriet ihm ein schnelles Durchwechseln durch zahlreiche Live-Aufnahmen - mindestens ein Dutzend weitere.
    "Dieser kleine...", leitete er schon ein, als ihm plötzlich der Atem stockte. Der Anblick des Monitors ließ ihn zurückschrecken, als er darauf zwei Gestalten sah, die einen Flur entlang auf die Eingangstür der Wohnung zugingen. Die Aufnahmezeit in der Ecke des Bildschirms machte dabei unmissverständlich klar, dass sich die Besitzer der Wohnung gerade in dieser Sekunde auf dem Weg dorthin befanden und schon fast an der Tür angelangt waren.
    "Fuck!", stieß er nur aus und beeilte sich, die offensichtlichtsen Dateien vom Rechner auf sein Omnitool zu kopieren und die letzten Minuten der Videoaufnahmen mit einer weiteren Endlosschleife zu überspielen. "Sie kommen nach Hause - versteck dich irgendwo! Besenschrank, Bett, igrendwo!", keifte er in einer seltsamen Mischung aus Schrei- und Flüsterton. Etwa eine halbe Minute später konnte er das Terminal wieder abschalten und die Tür hinter sich schließen, bevor er sich selbst auf die Suche nach einem provirsorischen Versteck machte. In seiner Aufregung erinnerte er sich erst nach einigem Herumirren an den Putzschrank direkt neben der Eingangstür, zu der er Luceija nun kommentarlos am Handgelenk zerrte. Gerade so passten Sergios breitere Schultern in die schmale Nische, sodass zwischen ihn und Luceija bei dichtem Körperkontakt nichteinmal ein Blatt Papier passte. Direkt darauf schloss sich die Paneeltür; noch in derselben Sekunde, in der sich die Wohnungstür öffnete.

    "Ich kann ja aber wohl davon ausgehen, dass du irgendeine Spur hast?", erklang eine kratzige, alte Männerstimme dumpf durch die Schranktür. Sie war ein wenig höher als gewöhnlich, aber dennoch kräftig und selbstbewusst. Die Schritte von zwei Personen bewegten sich am Schrank vorbei. Es folgte das Geräusch der zugleitenden Wohnungstür und das Rascheln abgelegter Jacken und Schuhe.
    "Ja, Doktor. Sicher. Ich konnte die beiden nach dem Besuch im Laden zwar nicht weiter verfolgen, aber ich konnte einem der beiden einen Peilsender unterjubeln", fasste eine etwas leisere Frauenstimme zusammen, die unter den Atemgeräuschen der beiden im stickigen Wandschrank kaum zu vernehmen war. Sergio erkannte sofort, von wem die Rede sein musste und blickte im fahlen Licht, das durch die Ritzen der Tür drang, fassungslos in Luceijas Richtung, als wäre sie es gewesen, die es ihm verschweigen hatte, doch war ihr Blick wohl mindestens ebenso von Verwirrung gezeichnet.
    "Mh - unbefriedigend", entgegnete die Männerstimme in grimmigem Tonfall nach einer bedächtigen Pause. Offenbar war er mit diesem Ausgang nicht sonderlich zufrieden, versuchte jedoch das beste darin zu sehen. "Wahrscheinlich die billigen Mikrosender aus dem Illiumpaket neulich, hm? Wir werden Glück haben, wenn wir sie damit auf drei Kilometer anpeilen können - wenn nicht weniger. Es könnte also Tage dauern, bis wir ein Signal auffangen"
    "Tut mir leid, Doktor. Ich wusste ni-"
    "Aach, komm mir nicht damit, das bringt mich auch nicht weiter. Aber keine Sorge. Mit etwas Überzeugungsarbeit beim Alten streichen sie deren Projekt ohnehin soweit zusammen, bis sie ihren Citadel-Standort aufgeben müssen"
    Wieder trafen sich Sergios und Luceijas Blicke mit Entsetzen über das Gesagte, doch natürlich mussten beide ihr südländisches Temperament weiterhin im Zaum halten.
    "Gut... Sehr beruhigend", kommentierte die leisere Stimme knapp und blieb dabei sachlich und wenig erfreut. "Es wäre ohnehin schwer genug, den beiden unentdeckt wieder zu begegnen. Sie könnten mich vielleicht wiedererkennen"
    "Wiedererkennen?", entgegnete der Mann mit einer plötzlich viel leiseren und tieferen Stimme, die ganz offensichtlich nur die Ruhe vor dem Sturm war. "Willst du damit sagen, dass sie dein Gesicht gesehen haben, du lausige Anfängerin?!"
    "Nein, ich... meine, Ja. Aber sie haben mich doch nicht verdächtigt, also werden sie sich sicher nichts eingeprägt haben."
    "So eine Scheiße! Was für ein Amateur bist du eigentlich?!", schrie der Mann wie wild durch die Wohnung, dass es in alle Richtungen wiederhallte. Das Scheppern eines umstürzenden Möbelstücks ertönte, dann, kurz darauf, das unverkennbare, kurz ausgestoßene Aufstöhnen nach einem Schlag, als die Frau eine Faust traf und sie mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel.
    "Los, komm mit ins Labor", forderte der Mann sie nach einer kurzen Beruhigungsphase auf, die jedoch abrupt endete, als die Frau scheinbar nicht unmittelbar reagierte.
    "Ich sagte steh auf! Ins Labor, wird's bald!"
    "Nein, Dok. Ulysses, bitte. Nicht, wenn du so drauf bist. Können wir nicht eine Stunde-"
    "Jetzt!", schrie er, dass es Sergio durch Mark und Bein fuhr. Dann hörte er, wie der Mann sie mit einem weiteren dumpfen Ächzen erneut schlug, sie dann offenbar an Armen oder Beinen über den Boden in den hinteren Teil der Wohnung schleifte. Rhythmisch erklangen metallische Schläge auf den Metallstufen, als er ihren Körper die Wendeltreppe hinaufzerrte und ihre Fersen schlaff gegen jede neue Stufe schlugen. Erst jetzt traute sich Sergio zu reagieren und stieß flüsternd erneut ein leises aber langgezogenes "Fuck" aus, ehe er sofort, aber wie in Zeitlupe, den Schrank wieder öffnete und möglichst lautlos mit Luceija heraus und dann aus der Wohnung trat. Er hielt sich dicht bei der Wand, um nicht in den Winkel der neuentdeckten Überwachungskamera zu treten, die in die andere Richtung des Flurs zeigte. Erst einige Schritte gangabwärts bei dem altbekannten Keeper nahm er sich die Zeit stehenzubleiben und sich völlig entnervt die Haare zu raufen.
    "Was bei den neun Kreisen der Hölle war das denn?"
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (14.03.2016 um 00:15 Uhr)

  6. #66
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "Oh nein! Iulisses! Tu mir das nicht an!", schauspielerte Luceija schlecht nach und kam nicht umhin schadenfroh zu lachen. "Irgendwie hatte ich im Gefühl, dass die komische Blonde nicht ganz normal ist."
    Eigentlich hatte sie gar nicht so viel an ihr bemerkt. Verkäuferinnen waren für Luceija schon immer, genauso wie alle anderen Personen in irgendwelchen Servicebranchen, insbesondere auf der Citadel, quasi Roboter. Sie übte sich in stolzer, überheblicher Missachtung, was ihr den sozialen Aspekt wiederum ersparte, der ihr schon immer nicht besonders leicht fiel. Sie beobachtete die Personen lieber. Gerade auf der Citadel. Auf Sizilien hatte sie zwar auch ihre Mühe, aber alles hatte einen ganz anderen Charme gehabt. Man ging sich offensiver an, man kommunizierte mehr mit Gesten und Mimik und vor allem verstanden sie die ursizilianischen Worte auch ohne irgendwelche Übersetzungstools die eine noch kühlere Atmosphäre schafften. Grundsätzlich hätte sie also eine perfekte Ausgangslage gehabt, die unbekannte Blondine zu taxieren und sich gegebenenfalls irgendwelche Auffälligkeiten zu merken. Stattdessen aber hatte sie bei ganz besonders dieser jungen Frau alles weitere ignoriert, weil sie zu sehr von der Idee der Magnetsohlenstiefel angetan war, die sofort einen gewissen Reiz in der Italienerin ausgelöst hatten. Vor ihrem Adoptivvater wollte sie das aber kaum zugeben.
    Auch jetzt waren sie wieder ganz präsent in ihren Gedanken und damit auch die Situation im Laden, während sie die neuen Treter begutachtete. Dieses Mal brummte sie bei ihrer Observation allerdings leise, setzte sich dann hinter dem Keeper auf den Boden und riss sich möglichst zügig die neuen Stiefel von den Füßen. Bei jedem einzelnen fuhr sie langsam die Außenseite und später auch die Innenseite ab, fand aber zunächst nichts genaueres. Das Leder war noch etwas steif, aber beklebt von Schmutz, der offenbar nicht nur von einem Planeten stammen konnte. Auch, wenn sie ein paar Mal getragen wurden, waren sie nicht ganz so demoliert, wie man hätte erwarten können. Die Innenseite hatte eine Lederstiefel-typische, weiche Beschichtung, die sie angenehm zu tragen machte. Erst weiter unten spürte sie unter ihren Fingern, dass das Material fester und griffiger wurde und konnte genau die verstärkten Stellen ertasten, die hin zu der Magneteinlage führten und wohl ein paar Kabel beherbergten. Den geschützten Kabeln folgend fiel es dem Mädchen bald wie Schuppen von den Augen: Der Regler. Magnetsohlen. Eine fehlende Batterie! Die vermeintliche Verkäuferin, die sich ohnehin nur als weitere Laborratte entpuppte, war wirklich so dumm gewesen, sie auch noch darauf hinzuweisen.. .
    Schnell glitten die schmalen Finger an eine Klappe an der Sohle, die sie mit einem längeren Fingernagel erreichen konnte und sie bei dem Versuch des öffnens kurzerhand für die 'gute Sache' opferte. Eine winzige Klappe, die vom Schmutz einmal eingekrustet war, aber an der offenbar schon herumgewerkelt wurde, öffnete sich sprunghaft und gab frei, wonach Luceija gesucht hatte: Einen kleinen, rötlich blinkenden Sender.

    "Dieses verdammte Miststück..", knurrte sie in sizilianischer Sprache, drehte den Stiefel um und klopfte die Rückseite an ihrer Hand aus, sodass nach nur einem Versuch der Sender hilflos in ihre Hand rutschte und ihr Schuhwerk damit ungefährlich machte. "Keine Ahnung wie die das so schnell hier rein bekommen hat oder ob die geahnt hat, dass ich genau nach denen greife..", grummelte sie unzufrieden mit sich selbst in ihren nicht-vorhandenen Bart und tat das selbe mit dem anderen, rechten, Stiefel um auch hier einen Sender zu finden, bevor sie die Treter wieder 'zusammenbaute'.
    Gerade hielt sie die beiden Sender nach oben zu Sergio und war drauf und dran, sie ihm zu übergeben, da kam ihr eine bessere Idee, wobei sie forschend um die Ecke des Ganges blickte und sich sicherheitshalber informierte, ob doch jemand auf dem Weg hier her war.

    Ohne weiter darauf zu warten, positionierte sich Luci überaus vorsichtig HINTER dem arbeitenden, wegversperrenden Keeper und war wirklich unfassbar achtsam damit, die einzige Lasche an diesem winzigen, irgendwie schon niedlichen Mini-Rucksack auf dessen Rücken zu öffnen um die Sender einfach nur hineinfallen zu lassen, ehe sie sich versuchte mit ihrem Ziehvater aus dem Staub zu machen. Damit musste sie wirklich aufpassen. Sie hatte schon mal versucht einem dieser Drecksinsekten zu Nahe zu kommen und sicherte sich dabei einen weiteren Besuch bei den Idioten der C-Sicherheit. Offenbar, so lernte sie an diesem Tag, standen die Keeper unter ganz besonderem Schutz und durften weder bei ihrer Arbeit gestört, noch anderweitig behindert werden. Wie sie später online herausfand, würden die Biester sich nach kurzer Zeit selbst zersetzen, wenn man sie in irgendeiner Weise verschleppen, untersuchen, wegzerren oder anderes wollen würde - wahrscheinlich wohl im Wissen darüber, dass diese Kenntnis solche kleinkriminellen Kids eher anstacheln als davon abhalten würde, sagte die C-Sec deshalb wohl nichts dazu. Schade. Ihr Plan, damit den Keeper nahe ihres Wohnhauses als Zwischensnack an Aliens zu verkaufen, scheiterte damit.

    "Nichts wie weg hier..."
    Luceija ist offline

  7. #67
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Sergio rümpfte die Nase bei ihrer sarkastischen Imitation des Erlebten. Er teilte Luceijas Spott gegenüber den beiden Fremden nicht, auch wenn er ihnen natürlich ebenso feindlich gesinnt war. Doch für ihn lag nichts Unterhaltsames darin, wie unprofessionell andere Ärzte der Zelle offenbar mit ihren Testsubjekten umgingen. Aber er ließ Luceija gewähren - er kannte ihre zynische Art nur zu gut und hatte dazu vielleicht selbst auch ein Stück zu viel beigetragen.
    Er sah ihr aufmerksam zu, wie sie ihre Kleidung nach Sendern absuchte und schließlich in der Batterieklappe der Stiefel fündig wurde. Für einen Moment war er in seinem südländischen Temperament geneigt, wütend zu reagieren auf Luceijas Unachtsamkeit, doch dann wurde ihm klar, dass er selbst sie in diesem Laden nicht gut genug beaufsichtigt hatte und er seinem Gefühl, verfolgt zu werden, mehr hätte trauen sollen.
    "Was für ein gewieftes Biest", brummte er nur aus der verbleibenden Frustration heraus in seine vorgehaltene Hand. Als er dann sah, wie sie nach dem Rucksack des Keepers griff, wollte er beinahe schon eingreifen und sie aufhalten, denn würde dieser sich belästigt fühlen, wäre die C-Sec nicht weit gewesen. Doch in dem Moment, in dem der Peilsender unter die Lasche rutschte, schmunzelte er gehässig und auch ein wenig stolz auf seinen Zögling. Ein bewegliches Objekt war tatsächlich der beste Weg, den Sender loszuwerden - und dazu noch, da es sich im Idealfall in Gebiete begab, in denen die Verfolger riskieren würden, in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten. Nachdem er diesen Triumph kurz ausgekostet hatte, stimmte er Luceijas Aufbruchsstimmung übereifrig zu und schnippte zum Ansporn mit der rechten Hand zum Abmarsch.
    "Ja, pronto - Nichts wie raus"

    Erst, als sich das Shuttle wieder eine gute Minute im automatischen Flug befand und sich in die endlosen Verkehrsschlangen eingereiht hatte, atmete Sergio endlich auf. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, wie viel er hierbei riskiert hatte. Nicht nur, dass seine Konkurrenten mit Sicherheit mit Waffengewalt reagiert hätten, bevor sie die erste Frage stellten, sondern auch die Videoaufnahmen hätten für Sergio eventuell einen Sabotagevorwurf der Zelle bedeuten können - ein Schicksal, das er sich für sich selbst und vor allem für Luceija kaum ausmalen wollte. Und so konnte er, auch wenn es vorbei war, keine Konversation mehr führen, reagierte auf keine Ansprache und kaute stattdessen nur nervös auf seinen Fingernägeln, bis das Shuttle endlich wieder in der Nähe ihres Blocks landete. Erst die frische Luft machte Sergio wieder gesprächiger.

    "Also gut. Was haben wir? Einen zweiten Forscher in meinem Alter mit einer Testperson, nicht viel älter als du, so würde ich schätzen. Ich habe ihre Testberichte und Videologs und ich habe Namen... Die Frage ist also: Wie überzeugen wir den Alten, dass die beiden schlechtere Ergebnisse liefern als wir?"
    Im Unterton schwang etwas mit, von dem sich der Doktor selbst nicht sicher war, was es bedeuten sollte. Einerseits war er sich sicher, dass er für sich selbst, Luceija und die Organisation das beste tat, wenn er seine Konkurrenten ausschaltete. Doch was, wenn sie tatsächlich bessere Ergebnisse lieferten? Wäre es für seine Vereinigung, für seine Familie, wie er sie oft nannte, nicht das beste gewesen, zurückzutreten und sein Projekt aufzugeben? Man hätte ihm Luceija wohl weggenommen und sie für andere Projekte eingesetzt, das war sicher, doch er konnte nicht so egoistisch sein, in diesem Fall weiter Gelder für seine Sentimentalität zu verpulvern. Er ertappte sich dabei, wie er in Betracht zog, im Ernstfall die Ergebnisse zu fälschen, doch er verdrängte den Gedanken. Unmöglich konnte das andere Projekt seines übertreffen. Das vermeintliche Dilemma - seine Luci behalten oder seine Ideale verfolgen - war überhaupt keines. Er musste schlicht besser sein. Zähneknirschend und gedanklich kaum in der Gegenwart öffnete seine Hand mit der Chipkarte die Eingangstür zur eigenen Wohnung. Ob in seinem Schrank gerade auch jemand lauerte, witzelte sein zynischer Verstand innerlich mit ihm...
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  8. #68
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    Kaum, dass ihr Ziehvater die Türe ihres Apartments geöffnet hatte, lies sich die Halbitalienerin kaum nehmen einfach an ihm vorbei zu rauschen. Sie schritt zielstrebig durch den Eingangsbereich in das Wohnzimmer, in welchem Zentral und sich schräg gegenüber zwei eckige Sofas standen und nichts weiter als einen kleinen Couchtisch einrahmten und passierte auch sie, ohne weiter über das Mobiliar zu staunen. Luceija bog direkt in den Raum ein, der eigentlich und zum größenteils das Labor war, zu einem kleinen Teil ihr eigener, alles andere als privater Rückzugsort. Die Türe, die sich dabei in die Wand zurückschob, beließ sie sogar offen und kümmerte sich auch gar nicht erst um eine intime Umgebung, als sie nach und nach ein Kleidungsstück auszog und penibel nach weiteren, ungeliebten Instrumenten untersuchte und direkt im Anschluss jedes Teil wieder anzog.
    Ihr gefiel das Gefühl nicht, potenziell beobachtet worden zu sein. Kritisch beäugte sie dabei ihre Stiefel, als wolle sie ihnen stumm mitteilen, was sie es denn wagen konnten sie in eventuelle Schwierigkeiten zu bringen. Von sich aus gaben sie keine Antwort und diese Stille überzeugte sie davon, dass solche wundervolle Stücke mit Sicherheit nicht Schuld daran sein konnten ihr Leben zu erschweren. Nein. Es war dieses Blondchen, dass sie in ihrem Blick störte. Und die Stimme einer Person, die sie niemals sah, zu dem sie aber ganz genau ein Gesicht in ihrer Fantasie konstruieren konnte. Sie sah diesen Ulysses als älteren Mann, deutlich älter als Sergio es war, mit lichtem weißem Haar und einer kleinen, neumodischen Brille, die seine Augen noch ein wenig wahnsinniger werden ließen. Wahrscheinlich ein absoluter Trugschluss.


    Luceija hatte sich einen Moment in ihren Gedanken verloren, als ihr aufgefallen war, dass ihr der Name des Forschers noch vertrauter war, als sie ursprünglich geglaubt hatte. Ihre schnellen Schritte hatten Sie schnell hier herein gebracht, als wären ihre Füsse schneller als ihr Denkprozess gewesen oder als hätten sie diesen gänzlich übernommen. Irgendwas dämmerte. Irgendwas wollte ihre Aufmerksamkeit, als sie aus dem Augenwinkel ein in der Wand eingelassenes Bücherregal erkennen konnte, in welchem verschieden dicke Wälzer mit ein und demselben Einband standen. Nahm man eines in die Hand glaubte man erst, alle zu kennen. Denn jeder Einband war schwarz und war mittig mit einem eingeprägten, weiß-grauen Cerberus-Logo versehen. Doch in der Tat waren alle Bücher unterschiedlich, aber alle absolute Klassiker, die entweder zur Allgemeinbildung oder zur erweiterten, höheren Bildung gehörten. Sicherlich aber nicht in das reguläre Bücherregal eines fünfzehnjährigen Mädchens. Und dennoch hatte sie jedes davon gelesen (mehr oder weniger aufmerksam) oder besser lesen müssen, weil sie schlicht zum Hausunterricht gehörten. Einem vollkommen Cerberus-bestimmten Hausunterricht. Und viele, insbesondere Bücher von Dante Alighieri, las sie zudem auch wirklich gerne und exzessiv. Als wie nützlich oder unnütz ihr Wissen sich erweisen sollte, erfuhr sie erst viele, viele Jahre später - und schaffte es selbst bis dahin nicht, das einzige Buch dass sie von Alighieri retten konnte, zu zerstören.

    "Ulysses...", murmelte sie leise und suchte dabei mit ihren Augen die Buchrücken ab, die einheitlich aber nicht ganz gerade, ihr "Zimmer" schmückten. Relativ schnell griff sie nach dem Wälzer, auf dem in einheitlicher Schrift auf dem Cerberus-Einband "Odissea" stand und ging damit, abwesend darin blätternd, zurück ins Wohnzimmer. "Wenn es hiernach geht...und er seinem Namen treu bleibt, ist das, was du bei ihm gefunden hast, NICHTS wert." Damit legte sie das Buch vor Sergio auf die Küchentheke.
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  9. #69
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    An der Kücheninsel sitzend hatte Sergio bereits damit begonnen, einige der Videologs und Datenreihen auf seinem Holopad zu überfliegen - zumindest hatte er ürsprünglich geplant, das Material vorerst nur oberflächlich zu sichten, doch dann hatte ihn Neugier dazu gezwungen, bis zu den Schultern in die Materie einzutauchen. Nach wenigen Augenblicken bereits hochkonzentriert, dauerte es einige Momente, bis er Luceija hinter der Theke überhaupt bemerkte und dann mit verengten, skeptischen Augenbrauen das Buch in die Hand nahm, das er nur viel zu gut kannte. Er hatte diese Werke natürlich mit ausgesucht, als es um die Erziehungsfragen der jungen Luceija ging. Und er wusste genauso gut wie Cerberus, dass dabei nicht nur schöngeistige oder lokalpatriotische Aspekte eine Rolle spielten. Diese oft stark kryptischen Werke der Mythologie hatten nicht selten mehr Realitätsbezug, als sie vielleicht ahnte. Dennoch überraschte es ihn doch, als sie den Zusammenhang zwischen der Odyssee und ihren Konkurrenten herstellte. Andererseits, so fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, war die Namensähnlichkeit zwischen Ulysses und Odysseus tatsächlich ein Marker, der einen stutzig machte. Dass Menschen hinter Zufällen immer so etwas wie Schicksal vermuteten, hatte er stets für puren Aberglauben gehalten. Es war genau das Gegenteil wissenschaftlich-rationalen Denkens jeden auffälligen oder ironischen Zufall sofort zum Beweis höherer Mächte zu erklären, aber die tausend zuvor eingetretenen unerwünschten Kausalfolgen als triviale Zufälle zu bezeichnen. An ein Schicksal glaubte Sergio nicht und daher auch nicht daran, dass der Name seines Konkurrenten Ulysses irgendeine Relation zu Odysseus haben müsse. Doch zumindest machte ihn der Zufall auf eine Eventualität aufmerksam, die er nicht bedacht hatte. War sein Antagonist Dr. Ulysses Everett vielleicht genauso ein Lügner und Täuscher wie Odysseus? Was wenn alle Ergebnisse in seiner Hand gefälscht waren und Everett nur bezwecken wollte, Sergio auf eine falsche Fährte zu locken?

    "Danke, Luci... Daran hatte ich nicht gedacht", entgegnete er nur leise murmelnd wie aus einer Hypnose heraus und griff sie dabei kurz lobend an der Schulter, sah dabei jedoch nicht sie, sondern das Buch in seiner Hand an, dem er diesen Einfall verdankte. Dann versank er wieder in seine Meditation über den erbeuteten Datensätzen, die plötzlich allesamt den Geruch der Lüge an sich hatten. Die Daten waren hervorragend katalogisiert und geordnet, absolut lückenlos und kohärent. Und die Ergebnisse waren überwältigend gut, obwohl die Behandlungsmethoden und Medikamente denen von Sergios Projekt überraschend ähnlich waren. Es schien fast so, als würden Sergios Konkurrenten mit den selben Wegen höhere Ziele erreichen - etwas, das beinahe noch demütigender war, als wenn sie einfach einen völlig anderen Weg eingeschlagen und damit weiter gelangt wären. Doch seit seinem Verdacht begann der Italiener an der Sache zu zweifeln. Die Videologs waren allesamt Frontalaufnahmen von Everett, doch so gut wie nie sah man sein Testsubjekt und sogar kein einziges Mal eine seiner Behandlungen. Dabei würde man doch für eine vollständige und wissenschaftliche Dokumentation einer Experimentenreihe doch gerade die Aufnahme der Experimente erwarten statt nur eine mündliche Nacherzählung der Reaktionen. Auch bemerkte Sergio, dass in den Unterlagen stets von einem Experimentenbeginn vor rund 15 Jahren die Rede war, doch obwohl die Anzahl der Dokumente dies bekräftigte, schien Everett in den verschiedenen Videos kaum zu altern, wechselte sogar nie seine Brille, seinen Haarschnitt oder auch nur die Raumaufteilung seines Labors.

    Einige Stunden später - während seiner Durchsicht war der Doktor von der Küche über das Wohnzimmer zu seinem Arbeitszimmer gewandert und lag dort nun recht krumm zurückgelehnt in seinem Bürosessel - hatte er die Analyse der Daten beendet und war mehr und mehr zu einem eindeutigen Schluss darüber gekommen.
    "Der Scheiß ist ungefähr so echt wie das Drehbuch von Blasto", resümierte er zwischen Spott und Resignation, als er sich mit dem Ellenbogen in den Türrahmen zum Labor lehnte, in dem Luceija gerade auf der Bahndlungsliege entspannte - die bedrohlichen Geräte wie ein Mobile über ihr schwebend, ohne, dass sie ihnen große Beachtung schenkte.
    "Everett hat gefälschte Daten abgespeichert. Keine Ahnung wieso. Entweder gibt er unwahre Testberichte ab, um die Zellenleitung zu täuschen, oder er hat diesen ganzen Kram aufgesetzt, um Spione zu täuschen. Vielleicht sogar gezielt für uns." Während er sprach betrat er das Labor mit einer Hand am Kinn und nahm beiläufig ein Medikamentendöschen aus einem der gekühlten Medizinschränke. Er setzte sich neben Luceija auf die Bahre, drückte ihr drei bläuliche Tabletten in die Hand, sah dann in das fast leere Röhrchen und schüttete sich die die übrigen vier Tabletten selbst in den Hals, um sie dann alle auf einmal zu schlucken.
    "Aber jeder ernstzunehmende Forscher führt irgendwo auch Buch über seine Versuche. Er muss irgendwo die echten Ergebnisse verstecken... Die Frage ist nur wo"
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  10. #70
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    Luceijas Blick fror auf der Oberfläche der kleinen, blauen Tabletten ein. Ihr Kopf hing nahezu kraftlos in dieser Position, die Schultern hatten jegliche Anspannung verloren und waren zu ebenso lockeren Anhängseln ihres Körpers geworden, die sie gar nicht mehr aktiv benutzen wollte. Sie war gänzlich in ihren Gedanken verloren. War Momente lang in einem Ereignis aus der nahen Vergangenheit verwoben, in welchem sie geglaubt hatte, nicht aufmerksam genug aufgepasst zu haben - doch jetzt offenbarte sich, dass sie wenigstens unterbewusst dennoch das ein oder andere aufgeschnappt und verarbeitet hatte. Doch innerlich schüttelte sie den Verdacht ab. Es schien im Moment zu weit hergeholt.
    Erst, als sie einmal kurz für eine Sekunde die Augen geschlossen hielt, sah sie es für richtig an den Kopf wieder anzuheben und Sergio, der neben ihr Platz genommen hatte, zu betrachten. Er strahlte eine gewisse Wärme aus, die sie über die zufällige Berührung ihrer beider Beine auf dem beschränkten Platz in sich aufnahm und die junge Sizilianerin von einer gewissen väterlichen Zuneigung überzeugen wollte, die in ihrem Kopf die richtige Dosierung fand. Es waren kleine, sehr unscheinbare Momente, die das Mädchen in ihrem Alter als alles andere als hochwichtig betrachtete, aber an die sie viele Jahre später mit einer furchtbar schweren Wehmut zurückblicken würde. Ihrer fünfzehnjährigen Version hier war die Nähe bald schon zu viel, obwohl es im Grunde nichts war, und ohne ein Wort zu verlieren, nahm sie jenes Bein, dass an Sergios anlag, zu sich nach oben auf die Liege und stützte ihr Kinn auf dem eigenen Knie ab. Ihr schwarzes Haar floss neben ihrem Bein einem Vorhang gleich hinab als sie den Kopf weiter in die Richtung ihres Vaters drehte. Sie sah ihm lange nachdenklich von ihrer Seite in die braunen Augen und schob sich noch während sie in der Nachdenklichkeit ihres Nebensitzers mit reingezogen wurde, die Tabletten in den Mund und schluckte sie ohne einen Tropfen Wasser.
    "Ich habs dir gesagt.", seufzte Luci leise und wirkte in ihrer jugendlichen Art unbewusst schnippisch. "Wären wir auf Palermo geblieben, hätten wir unsere Ruhe gehabt." Natürlich sah die fünfzehnjährige nicht, dass es eine absolute Notwendigkeit gewesen war, Palermo zu verlassen und auf die Citadel zu ziehen. Sie hatten, und mit einer solchen Antwort, die sicherlich schon das tausendste Mal kam, rechnete sie bereits fest, einfach keinen Platz in ihrem kleinen Haus für noch mehr Geräte, die sie unweigerlich brauchen würden. Nicht nur, dass die, die sie auf Sizilien stehen hatten unterdessen schon antik waren. Mit zunehmendem Alter und noch komplizierteren Verfahren, die mit Lucis beginnender Pubertät einhergingen, kamen sie nicht umhin anderes Equipment anzunehmen. Dabei war es Cerberus deutlich einfacher den beiden einen Umzug nahe zu legen, als unnötige Kosten aufzubringen um jede Gerätschaft auf die Insel zu schiffen. Abgesehen davon, welche Skepsis das bei den Nachbarn auslösen hätte können.
    "Und was ist, wenn wir einfach wieder zu dem Typen hin gehen? Wir wissen doch jetzt, wo er wohnt. Er soll uns die Wahrheit sagen oder bekommt ein paar Schüsse zwischen die Augen. Und sollte die Blonde noch leben, hat sie vielleicht die Infos, die wir brauchen. Zwingen Sie, bei der Zellenleitung die Wahrheit zu sagen und das Problem wäre aus der Welt." Ihre Naivität berücksichtigte keine empfindlichen Details, die diesen Plan wieder aushebeln würde. Sie sprach einfach aus, was ihr zuerst in den Sinn kam, ganz gleich ob es ihren Vater verärgern würde oder nicht, und schob sich einhändig die Haare nach hinten, um gut genug zu dem älteren Sizilianer aufsehen zu können.
    "Ich meine:", versuchte sie sich um eine Erklärung, "die gehen uns beide auf die Nerven. Wir werden sie einfach los und haben unsere Credits wieder." Genug Erziehungsarbeit seitens Sergio hatte dazu geführt wie halt- und pietätlos sie über das Ermorden realer Personen sprach, wie sie keine Miene des Ekels verzog. Und das, obwohl sie selbst bis dato niemanden selbst ermordet hatte und ihr daher jedwedes Gefühl dafür fehlte, wie es sein musste damit umzugehen. Auch wenn der Verdacht nahe lag, dass im Zuge ihrer Erziehung schon klar war, dass ein Mord von Konkurrenten kein wirklicher Mord oder gar eine Straftat war, sondern eher einer "Säuberung" gleich kam, die es nicht wert war zu betrauern oder zu bereuen. Im Gegenteil. Feinde von Cerberus waren auch persönliche Feinde. sie hatten sich ihr Schicksal selbst ausgesucht. Entweder sie schwammen mit dem Gedanken der Organisation, oder sie schwammen gar nicht mehr. "Dio, ich weiß es auch nicht."

    Auf einer kleinen, holografischen Uhr, die auf dem metallernen Tisch neben dem Krankenbett-Behandlungsgerät lag, startete das Piepen eines sanftem aber vehementen Alarms.
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  11. #71
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    Ein Stück weit war Sergio als Luceijas Erzieher hin- und hergerissen zwischen dem Drang, sie dafür zu loben, dass sie verstand, wie man mit Rivalen bei Cerberus umzugehen hatte, und sie dafür zu tadeln, als erstes an Mord zu denken. Schließlich war es bisher nur sein, wenn auch berechtigter, Verdacht gewesen, dass sein Konkurrenzprojekt Cerberus von innen heraus schaden würde, wenn man sie nicht aufhielt. Doch streng genommen hatten er und Luceija bereits zahlreiche Vergehen der Organisationspolitik begangen, als sie sich gegen ein genehmigtes Projekt richteten. Streng genommen waren er und seine Tochter die Saboteure, bis die Unfähigkeit der anderen bewiesen war.
    "So einfach wird das leider nicht funktionieren", resümierte Sergio schließlich und umging dabei den moralischen Zwiespalt. "Sie suchen bereits nach uns und wären dumm zu glauben, dass wir nicht auch nach ihnen suchen. Sie sind auf uns vorbereitet. Außerdem riskieren wir Kopf und Kragen, wenn wir ohne Beweise ihrer Unfähigkeit Konkurrenten verschwinden lassen." Er rieb sich das stoppelige Kinn unter hörbarem Scharren. Obwohl er eben eindeutig widersprochen hatte, liebäugelte er doch mit dem Gedanken, die beiden einfach auf irgendeine Weise verschwinden zu lassen, ohne, dass jemand je etwas von den Beweggründen erfuhr. Es wäre die simpelste Lösung gewesen, aber das Risiko war hoch, dass die Sache der Zellenleitung bekannt würde. Einige Beweise in der Hinterhand würden nicht schaden - und seien sie noch so zweideutig.
    "Es sei denn natürlich, wir finden doch noch seine richtigen Laborberichte.", verbalisierte er nun doch murmelnd seinen Gedanken. Und wie ein Blitz traf ihn kurz darauf die Umkehrung dieser Denkweise: Was, wenn Ulysses genau das gleiche plante? Unmöglich konnte er Sergio und Luceija ohne dieselbe Furcht vor der Zellenleitung ausschalten. Auch er müsste Beweise der Unfähigkeit oder gar der Infiltrationsversuche gegen Sergio vorbringen können, wenn er ihnen schaden wollte. Und da Sergio wusste, dass er sich nichts dergleichen zu Schulden kommen ließ, war es unvermeidlich, dass Dr. Everett die Testberichte Sergios erst fälschen musste, um sich die Lizenz zum Töten zu verdienen. Und für eine authentische Fälschung benötigte er erst Sergios Originale. Er sprang wieder von der Liege auf und begann unruhig zu werden, hielt die Hände hinter seinem Kopf verschränkt, während er rastlos im Zimmer umherging und versuchte, all die Ideen zu bündeln, die auf ihn einprasselten.
    "Okay, Luci, pass auf...", leitete er ein, doch blickte er nur gen Boden oder Decke um sich besser konzentrieren zu können.
    "Everett wird versuchen, an unsere Berichte zu kommen. Der Großteil davon ist absolut unzugänglich, sogar für mich selbst, auf einem verschlüsselten Datenträger gespeichert. Ich muss jeden Tag mehrere Codewörter eingeben und meine Retina scannen, sonst lädt sich der gesamte Dateninhalt über einen verschlüsselten Quantenverknüpfungskommunikator zu meinem Backup an einem geheimen Serverort hoch und überschreibt sich selbst auf dem Originaldatenträger. Natürlich kann ich das Backup auch bewusst selbst auslösen. Das ist Teil meines Notfallprotokolls, falls unser Projekt auffliegt, mir etwas zustößt oder irgendetwas anderes unsere Forschung kritisch gefährdet. Everett hat auch ein solches Notfallprotokoll. Er wäre ein Idiot, wenn er keines hätte. Wir müssen herausfinden, wie seines abläuft und wie wir die Originaldaten abfangen können, die er im Ernstfall in sein Backup hochlädt. Die Sache ist also ganz einfach: Er will an unsere Daten, wir wollen an seine Daten. Wir ködern ihn mit einer falschen Fährte zu einer Falle. Wenn ihm dort etwas zustößt oder er dort zu lange festgehalten wird, löst das wahrscheinlich sein Notfallprotokoll aus. Wir versuchen seinen Quantenkommunikator, oder was auch immer er für den Upload benutzt, in seiner Wohnung zu finden und warten darauf, dass sich das Backup auslöst, fangen es direkt an der Quelle ab und entschlüsseln es in den nächsten Wochen in aller Ruhe. Somit verhindern wir, dass sich irgendwelche Daten an seinen Terminals selbst zerstören, sobald wir versuchen, sie dort selbst direkt zu kopieren oder zu entschlüsseln. Sobald wir die Beweise gegen ihn schließlich entschlüsselt haben, vielleicht auch schon vorher, legen wir ihn um und verscharren ihn auf irgendeinem Eiswüstenplaneten. Sobald die Zellenleitung sich über sein Verschwinden wundert, präsentieren wir seine schlechten Originaldaten und waschen uns damit rein."
    Zum Abschluss seiner Erklärung schlug er die Hand mit einem widerhallenden Klatschen zusammen und streckte sie dann in einer 'et voilà'-Geste aus.
    "Zwei Plagegeister weniger - Und die Forschungsgelder wieder in den richtigen Taschen"
    Tjordas ist offline

  12. #72
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    Sie beobachtete die Digitaluhr, die zu ihrer Rechten über dem Bett die Zeit präsentierte und sekündlich, in einem einschläfernden, tonlosen Takt, den stilisierten Doppelpunkt blinken lies. Ungewollt aber viel zu oft zählte sie die Zeit von Termin zu Termin rückwärts. Wusste, wann welcher Alarm auf eine Behandlung hinweisen würde und wusste in den meisten Fällen sogar, welche es waren ohne eine Ahnung davon zu haben, für welchen Zweck sie eigentlich waren. Und auch unabhängig davon, dass dieser Plan nicht in Stein gemeißelt war sondern stetig wechselte, von Jahr zu Jahr, Saison zu Saison angepasst wurde, um Luceijas Alter, dem Gewicht und ihrer Größe, sowie den hormonellen Veränderungen gerecht zu werden. Dabei hatte sie ebenfalls nicht mal die leiseste Ahnung, was für eine unwahrscheinlich gigantische Aufgabe es war, ein solches Projekt zu organisieren und zu planen. Wann welches Mittel das beste war, wann welche Therapie, wann Schlaf oder Regeneration sinnvoll war und welche Nahrung wann dafür sorgte, dass die Minderjährige zurück zu Kräften kam. Und all das, ohne sie einfach nur festzuketten wie einen Hund, sondern sie gleichzeitig noch zu einer brauchbaren, manipulierten Person zu machen, die Cerberus willen- und widerstandslos aus der Hand fraß. Ein bisschen musste man dafür wohl alles auf einmal sein, was Sergio den Einstieg in diese ganze Sache vor etwas mehr als zehn Jahren überaus schwer gemacht hatte. Wenn nun doch nur alles so gut laufen würde wie das, was sie bislang zusammen aufgebaut hatten..
    "Ich hab kein gutes Gefühl dabei..", gab sie ehrlich zu und sah erst dann wieder zu Sergio zurück, der während seiner Erläuterung längst nicht mehr neben ihr sass, sondern unlängst vor ihr im Raum zum stehen kam. "Du willst nochmal in deren Wohnung? Nachdem wir mit Sicherheit schon die ein oder andere Spur da hinterlassen haben?" Sie schnaubte hörbar und lies beide Beine locker von der Liege herunter hängen, wo sie sie baumeln lies. Ihr wurde warm.

    Einmal mehr besah sie sich den Raum - IHREN Raum - genauer und zuckte dabei leicht mit den Achseln. Die Theorie des Back-Up-Plans war genau die, die ihr selbst durch den Kopf geschwirrt war, sie aber schnell verworfen hatte. Man hatte sie dahingehend unterrichtet, alles noch in den regelrechten Kinderschuhen, aber es reichte, um in etwa den Sinn dieser Schutzmechanismen zu verstehen - auch wenn sie so vielfältig waren, dass es schwer bis unmöglich war, alles anhand exakter Beispiele zu erklären. "Der ganze Scheiß ist ziemlich durcheinander. Was ist, wenn die schon hier waren? Oder sie genau darauf warten, dass du denen hinterher gehst, wenn die genau WISSEN, was wir vor haben - schon mal nach Wanzen in der Wohnung gesehen? - was, wenn die uns nur einen Schritt voraus sind?!" Noch einmal verschränkte sie die Arme locker vor der Brust und besah sich Sergio dabei schon fast wieder von oben herab. Sie realisierte es nicht und war sich daher auch nicht bewusst, ob es nicht Beispielweise von der aufkeimenden Hitze in ihrem Inneren kam, die den Pillen geschuldet war. Aber je mehr sie über die Idee nachdachte, die er so herausposaunte, desto aufmüpfiger wurde die kleine Italienerin. "Hast du überhaupt 'ne vernünftige Idee, wie du die zwei Idioten ködern willst?! Mit mir?!"
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  13. #73
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Als sich sein Schützling selbst als Köder anbot, hob der mürrische Wissenschaftler seinen Blick vom Boden und schielte mit einem furchteinflößend analytischen Blick in ihre Augen. Der kühle Augenkontakt konnte vieles bedeuten - vielleicht war es nur ein stummer Blick, der vermitteln sollte, dass die Idee dermaßen abwegig war, dass man die Frage nichteinmal beantworten musste. Vielleicht war es aber auch ein Gedanke, den Sergio ernsthaft im Detail erwog, bis er nach wenigen Sekunden schließlich zu schmunzeln begann und dann seinen Zeigefinger auf Luceijas Haaransatz legte und dreimals auf ihre Stirn tippte. Er ließ Luceija im Unklaren darüber, was diese eigenartige Geste zu bedeuten hatte, stand stattdessen auf und lief zu seiner Holoprojektorfläche an der Wand des Labors, um dort mit einem digitalen Griffel die Namen von Everett, seinem Testsubjekt und allen beteiligten Orten und Personen aufzuschreiben. Grübelnd blickte er dann auf die angeschriebenen Namen und zog deren Hologramme mit den Händen herum an verschiedene Positionen der Tafel, verband sie mit Linien und Symbolen, schrieb unlerserliche Notizen daneben, ehe er dann den Namen des konkurrierenden Testsubjekts umkreiste: Goda.
    "Die kleine von Ulysses...", brummte er zur Erklärung und vergewisserte sich durch einen kurzen Blick über seine Schulter, ob Luci ihm noch zuhörte.
    "Sie ist der Schlüssel zu der Sache... Denk mal nach. Wie er sie vorhin vermöbelt hat. Die Art, wie er an ihr die letzten Jahre geforscht haben muss. Sie ist nur durch Angst an Everett gefesselt, nicht durch Loyalität. Das mit den beiden ist nicht das selbe wie bei uns, Luci. Wenn man nur ein bisschen Druck von außen auf sie auswirken könnte - sie würde sofort klein bei geben und Everett hinter sich liegen lassen... Wenn man nur an sie herankäme..."
    Nachdenklich schabte sich der Italiener am stoppeligen Kinn und entblößte dabei die untere Zahnreihe. Dann wirbelte er herum zu seinem Computer am Schreibtisch am anderen Ende des Laborraums. Es brauchte nicht lange, um zu recherchieren, was er in den Cerberusdatenbanken auf seinem Rechner herausfinden musste, und doch musste es Luceija wohl wie eine Ewigkeit vorkommen, in der sie keine AHnung haben würde, wonach Sergio eigentlich suchte.
    "Wusste ich es doch!", rief er dann aus, und klatschte in die Hände, ehe er mit dem Bürostuhl eine galante Drehung machte und den Bildschirminhalt auf die große Projektionsfläche verschob, sodass Luceija die großformatige Version von Godas Personalakte einsehen konnte - doch das abgebildete Gesicht war das eines dreijährigen Kindes.
    "Jaja, ich weiß, die ist schon etwas älter. Ich habe zwar keinen Zugriff auf Everetts Testresultate der letzten Jahre, aber die Akte jedes angeworbenen Testsubjekts dieser Zellle ist für jedes höhere Zellenmitglied zugänglich. Die Akte stammt noch aus der Zeit, als man Goda eingeschleust hat. Hör dir das an: '2153: Subjekt geboren von Überlebender der Singapur-Eezo-Katastrophe. 2154: Blutwerte des Subjekts deuten auf biotisches Grundpotenzial hin. Subjekt durch Krankenaktenfilter entdeckt und von Cerberus deportiert. Mutter infiltriert. Offizielle Todesursache: Krebs, tatsächliche Todesursache: Cäsium-137-Vergiftung. 2156: Testsubjekt übertragen an Ulysses Everett im Rahmen der Ascension-Zelle'"
    Sergio stieß sich mit den Füßen vom Boden ab, sodass sein Bürostuhl auf dem glatten Laborboden bis zu Lucis Liege hinüberrollte.
    "Wenn wir es schaffen würden, dass sie sich mit uns trifft und wir ihr diese Beweise für den Mord an ihren Eltern zukommen lassen könnten, schaffen wir es vielleicht, sie auf Everett zu hetzen. Wir könnten noch den einen oder anderen Fakt fälschen, um Ulysses persönlich als den Mörder ihrer Mutter dastehen zu lassen. Dann versprechen wir ihr, dass sie entweder unverfolgt weiterleben kann, oder bei unsererem Projekt eingeschleust werden kann, wenn sie uns hilft, ihren Dok aus dem Weg zu schaffen. Vielleicht ist das nichteinmal gelogen. Wenn die Leitung die Daten von Everett sieht, wird man uns recht geben und Goda den kleinen Verrat verzeihen. Aber wen kümmert es schon, ob es wahr ist, sie wird es für wahr halten.... Nur wie kriegen wir Goda dazu, alleine mit einem von uns zu sprechen?", seufzte der Arzt angestrengt und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinen Bürostuhl, stützte seinen Schuh dabei neben Luceije auf die Liege auf.
    "Mit mir wird sie niemals reden wollen. Ich bin für sie im Moment nur noch so ein kerl wie ihr Peiniger Everett.... Aber vielleicht redet sie mit dir?... Nur wie stellen wir das an, ohne in eine Falle zu tappen?"
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (12.01.2017 um 00:17 Uhr)

  14. #74
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    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Zitat Zitat von Tjordas Beitrag anzeigen
    Als sich sein Schützling selbst als Köder anbot, hob der mürrische Wissenschaftler seinen Blick vom Boden und schielte mit einem furchteinflößend analytischen Blick in ihre Augen. Der kühle Augenkontakt konnte vieles bedeuten - vielleicht war es nur ein stummer Blick, der vermitteln sollte, dass die Idee dermaßen abwegig war, dass man die Frage nichteinmal beantworten musste. Vielleicht war es aber auch ein Gedanke, den Sergio ernsthaft im Detail erwog, bis er nach wenigen Sekunden schließlich zu schmunzeln begann und dann seinen Zeigefinger auf Luceijas Haaransatz legte und dreimals auf ihre Stirn tippte. Er ließ Luceija im Unklaren darüber, was diese eigenartige Geste zu bedeuten hatte, stand stattdessen auf und lief zu seiner Holoprojektorfläche an der Wand des Labors, um dort mit einem digitalen Griffel die Namen von Everett, seinem Testsubjekt und allen beteiligten Orten und Personen aufzuschreiben. Grübelnd blickte er dann auf die angeschriebenen Namen und zog deren Hologramme mit den Händen herum an verschiedene Positionen der Tafel, verband sie mit Linien und Symbolen, schrieb unlerserliche Notizen daneben, ehe er dann den Namen des konkurrierenden Testsubjekts umkreiste: Goda.
    "Die kleine von Ulysses...", brummte er zur Erklärung und vergewisserte sich durch einen kurzen Blick über seine Schulter, ob Luci ihm noch zuhörte.
    "Sie ist der Schlüssel zu der Sache... Denk mal nach. Wie er sie vorhin vermöbelt hat. Die Art, wie er an ihr die letzten Jahre geforscht haben muss. Sie ist nur durch Angst an Everett gefesselt, nicht durch Loyalität. Das mit den beiden ist nicht das selbe wie bei uns, Luci. Wenn man nur ein bisschen Druck von außen auf sie auswirken könnte - sie würde sofort klein bei geben und Everett hinter sich liegen lassen... Wenn man nur an sie herankäme..."
    Nachdenklich schabte sich der Italiener am stoppeligen Kinn und entblößte dabei die untere Zahnreihe. Dann wirbelte er herum zu seinem Computer am Schreibtisch am anderen Ende des Laborraums. Es brauchte nicht lange, um zu recherchieren, was er in den Cerberusdatenbanken auf seinem Rechner herausfinden musste, und doch musste es Luceija wohl wie eine Ewigkeit vorkommen, in der sie keine AHnung haben würde, wonach Sergio eigentlich suchte.
    "Wusste ich es doch!", rief er dann aus, und klatschte in die Hände, ehe er mit dem Bürostuhl eine galante Drehung machte und den Bildschirminhalt auf die große Projektionsfläche verschob, sodass Luceija die großformatige Version von Godas Personalakte einsehen konnte - doch das abgebildete Gesicht war das eines dreijährigen Kindes.
    "Jaja, ich weiß, die ist schon etwas älter. Ich habe zwar keinen Zugriff auf Everetts Testresultate der letzten Jahre, aber die Akte jedes angeworbenen Testsubjekts dieser Zellle ist für jedes höhere Zellenmitglied zugänglich. Die Akte stammt noch aus der Zeit, als man Goda eingeschleust hat. Hör dir das an: '2153: Subjekt geboren von Überlebender der Singapur-Eezo-Katastrophe. 2154: Blutwerte des Subjekts deuten auf biotisches Grundpotenzial hin. Subjekt durch Krankenaktenfilter entdeckt und von Cerberus deportiert. Mutter infiltriert. Offizielle Todesursache: Krebs, tatsächliche Todesursache: Cäsium-137-Vergiftung. 2156: Testsubjekt übertragen an Ulysses Everett im Rahmen der Ascension-Zelle'"
    Sergio stieß sich mit den Füßen vom Boden ab, sodass sein Bürostuhl auf dem glatten Laborboden bis zu Lucis Liege hinüberrollte.
    "Wenn wir es schaffen würden, dass sie sich mit uns trifft und wir ihr diese Beweise für den Mord an ihren Eltern zukommen lassen könnten, schaffen wir es vielleicht, sie auf Everett zu hetzen. Wir könnten noch den einen oder anderen Fakt fälschen, um Ulysses persönlich als den Mörder ihrer Mutter dastehen zu lassen. Dann versprechen wir ihr, dass sie entweder unverfolgt weiterleben kann, oder bei unsererem Projekt eingeschleust werden kann, wenn sie uns hilft, ihren Dok aus dem Weg zu schaffen. Vielleicht ist das nichteinmal gelogen. Wenn die Leitung die Daten von Everett sieht, wird man uns recht geben und Goda den kleinen Verrat verzeihen. Aber wen kümmert es schon, ob es wahr ist, sie wird es für wahr halten.... Nur wie kriegen wir Goda dazu, alleine mit einem von uns zu sprechen?", seufzte der Arzt angestrengt und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinen Bürostuhl, stützte seinen Schuh dabei neben Luceije auf die Liege auf.
    "Mit mir wird sie niemals reden wollen. Ich bin für sie im Moment nur noch so ein kerl wie ihr Peiniger Everett.... Aber vielleicht redet sie mit dir?... Nur wie stellen wir das an, ohne in eine Falle zu tappen?"



    Nach langer, stummer Beobachtung von Sergios Aufschrieben und seinen Thesen, die er auf Grund des recherchierten Materials zusammentrug und versuchte zu verbinden, hatte Luceija einige Fragen. Es war der Bruchteil eines Momentes indem sie ausdruckslos ihren Ziehvater verfolgte, in der sie abwesender wirkte als sonst, ehe sie zurückkam und ihm dann ins Wort fiel, noch ehe er "Falle" überhaupt mit seinen Lippen formen konnte. Luci schien emotional nicht getroffen zu sein, als sie aussprach, was sie dachte.
    "Sie wird sich einen Scheiss für ihre Mutter interessieren."
    Die Worte schienen einen Hall in einem Raum zu entwickeln, der keinen Hall zulies. Der für ein Labor nichtmal sonderlich kühl oder absonderlich schien. Und dennoch hatte ihre Aussage einen scheinbar eisigen Windzug in ihre vier Wände getrieben.
    Luci sah Sergio lange an. Sah ihn direkt an, was sie viel zu selten tat. Verlor sich regelrecht in seinen braunen Augen und stellte eine stumme Frage, die sie niemals ausformulierte. Es war die Frage danach, woher sie eigentlich kam. Eine Frage, die sie zwar wirklich nicht sonderlich beschäftigte, weil die Tatsache, dass sie bei Sergio aufgewachsen war und ihn als Vater sah, keinen Schmerz an eine Vergangenheit zuliess. Noch nicht jedenfalls. Auch, weil sie sich nicht an ihre Zeit vor Sergio erinnern konnte. Warum, so fragte sie sich, hatte man ihr dann überhaupt gesagt dass Sergio nicht ihr leiblicher Vater war? Für die nötige Distanz? Und hätte sie sich eigentlich an irgendetwas erinnern müssen? Hätte sie die Chance gehabt, oder trieb man sie ihr aus? Und wenn ja, wie?
    Aber keine Frage stellte sie ihm. Nicht eine einzige. Sie schüttelte nach einigen Sekunden nur langsam den Kopf.
    "Weder für eine Mutter, noch einen leiblichen Vater. Man kann niemanden mit etwas ködern, dass man nicht kennt." Ein Teil von ihr wollte dennoch wissen, was in ihrer eigenen Akte stand. Doch die Loyalität zu Cerberus und ihrem Vater Sergio waren grösser, ebenso wie die Ehrfurcht vor beiden, sodass sie Neugier niemals siegen konnte. Zumindest nicht, bis sie, viele, viele Jahre später, auf Vigilio traf - der genau in diesem Moment in einer Studentenbude in London sass, sein Mitbewohner Enrico in Clubs unterwegs, und auf einem Holomodul durch die unscheinbare Keramikvase, die sie von Palermo hierher mitgenommen hatten, eben jenen Moment beobachtete wie ein perverser Voyeur.
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  15. #75
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Das Thema wurde Sergio sichtlich unangenehm. Auch wenn er es zu verbergen suchte: Seine Pupillen schwirrten unfixiert um Luceijas Blick herum, als sie ihn so direkt ansah. In leichter Nervosität knetete er dabei seine eigenen Finger. Tatsächlich war es nicht mehr allzu häufig, dass er sich daran erinnerte, mit welcher Vergangenheit und unter welchen Umständen Luci damals bei ihm zum ersten Mal in seinem Labor gelandet war. Er hatte sonst stete Mühe, unter raffiniert durchdachten Formulierungen einen Ton zu finden, der es glaubhaft erklärte, wie Luceijas Eltern sie damals im Stich lassen und Sergio übergeben konnten, um damit Cerberus zu dienen. Natürlich war er selbst von der Richtigkeit dieser Entscheidung inzwischen überzeugt, was die Sache aber nicht weniger schwer zu rechtfertigen machte. Umso erleichterter war er, als Luceija selbst ihren Blick wieder abkehrte und sich somit ohne eine weitere Diskussion auf die Grundwerte der Organisation besann. Sergio war es recht. Der nervöse Mann wäre andernfalls wohl gerade nicht auf einen solchen Disput vorbereitet gewesen - zu viele andere Gedanken blockierten seinen Verstand. Doch sie hatte wahrscheinlich recht, was Everetts Zögling anging. Luceija konnte deren Psyche sicher besser nachvollziehen, als er selbst.
    "Schön", resümierte er pragmatisch Luceijas ablehnende Haltung, wenn er danach auch leicht enttäuscht schnaubte, "dann also keine Psychospielchen mit seiner Laborratte..."
    Wieder folgte das schabende Geräusch, mit dem sich Sergio an seinem Stoppelkinn kratzte und auf seinem Holobildschirm die Notizen verwischte. Stattdessen versuchte er, anhand von mobilen Extranet-Einwahlen, die Everetts Omnitool in der Vergangenheit auf der Citadel verteilt getätigt hatte, ein Bewegungsprofil zu erstellen. Die meisten Bewegungen waren willkürlich oder schlicht banal, stellte der Wissenschaftler bald fest, während sein Gesichtsausdruck darüber immer grimmiger wurde. Everett hatte es bisher offenbar bewusst vermieden, mit dem selben Omnitool den immer gleichen Besorgungen nachzugehen - eine sinnvolle Maßnahme, um der C-Sec durch die Lappen zu gehen, doch umso ärgerlicher für Sergio - den Spion aus den eigenen Reihen.
    Erst kurz bevor er die Sache wieder hinwerfen wollte, fiel ihm eine Besonderheit auf. Alle zwei Wochen, exakt wie ein Uhrwerk, hatte Everett den Silversun Strip besucht. Und Casinos, Spielhallen und Clubs waren eine unübliche Location für einen Wissenschaftler fortgeschrittenen Alters, der nicht auffallen wollte. Noch bevor er Luceija, die immernoch bei ihm saß, über seinen Gedanken aufklärte, durchforstete er das Extranet nach einer Veranstaltung, die zu den Bewegungsdaten Everetts passend stattgefunden hatte. Und tatsächlich wurde er fündig. Auf der großen Projektionsfläche öffnete sich der flimmernde und audiovisuell überfordernde Auftritt eines Clubs namens 'Nightwind'. Und obwohl dieser High-Society Club mit seinem Namen offensichtlich auf irgendeine Asari-Mythologie anspielte, war der Besitzer ein Mensch. Eine Besonderheit, die man schon deshalb kaum übersehen konnte, da das schmierige Verführerlächeln dieses dunkelhaarigen und gut gekleideten Latinos einen aus jeder Rubrik des Extranet-Eintrags angrinste.
    "Du hast doch sicher Lust, deinen Freitagabend morgen mal in einem Nobelschuppen zu verbringen, hm?", schmunzelte Sergio schließlich, während er sich in seinem Bürostuhl zu Luceija drehte und sich mit den Händen hinter dem Kopf nach hinten lehnte.
    "Denn ich glaube, Ulysses ist ein größerer Partywolf als wir beide dachten. Könnte was mit unserem Projekt zu tun haben. Interessiert?"
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  16. #76
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Ungewollt deutlich musste die Sizilianerin schmunzeln und sah im Zuge dessen in Sergios Augen, die unweigerlich auf die gerichtet waren und eine Antwort forderten. Vorsichtig, die Antwort noch schuldig, folgte sie seiner körperlichen Ausrichtung auf dem Bürostuhl in die Richtung der Tafel, auf welcher die Extranetberichte projiziert wurden und von Sergios Handschrift teilweise verdeckt wurden. "Nightwind", prustete die Fünfzehnjährige übertrieben dramatisch. "Wieso wirkt bei dem Typen alles extra-schmierig?"

    "Ich will nicht sagen, dass wirs nicht versuchen sollen", holte sie aus, hielt einen Moment die Luft und sah nochmal zwischen der Projektion und Sergio hin und her, zuckte dann aber mit der lebendigeren der beiden Schultern. "aber das sieht aus wie ein Hardcore-Nobelschuppen. Wird schwer da rein zu kommen ohne aufzufallen. Mal abgesehen von der Security und..", sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, zog noch einmal die Beine zu sich nach oben auf die Liege, umschlang sie mit ihren dürren Ärmchen und legte den Kopf in jenem Nest ab. Sie glaubte nicht, dass das reinkommen das grösste Problem war. Eher die Konfrontation könnte Schwierigkeiten bereiten. Oder auf Grund der Menge an Personen vielleicht sogar helfen?
    "hm. Was machen wir, wenn wir ihn finden?"
    Aufmerksam blickte die Schwarzhaarige über ihre Unterarme hinweg zu Sergio. Ihre Wirbelsäule schmerze noch immer.
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  17. #77
    Ritter Avatar von Tjordas
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    "Keine Sorge", winkte Sergio die Bedenken seiner Ziehtochter direkt ab, schlenderte mit den Händen hinter seinem Rücken zu ihr an die Patientenliege und stützte sich dann nach vorne gebeugt und mit den Beinen nach hinten gestemmt auf das Liegepolster, sah von dort aus einem leichten Winkel von unten zu ihr hinauf und warf dabei unwillkürlich seine Stirn in Falten, als er sie etwas nachdenklich von oben bis unten musterte.
    "Einen alten Mann, der gut angezogen ist, halten die hier auf der Citadel sofort für einen erfolgreichen Geschäftsmann. Zur Not noch etwas Großzügigkeit vortäuschen und das Lebemann-Image öffnet mir die Türen... Und was dich betrifft...", er musterte sie nun noch eindringlicher, "Vielleicht sollten wir nicht gemeinsam dort auftauchen. Wirkt unglaubwürdig, wenn ich als vermeintlicher Investor mit blutjunger Begleitung dort aufschlage. Aber ansonsten kriegen wir dich sicher sogar noch leichter in den Club als mich. Wir verpassen dir etwas mehr Make-up, lassen deine Haare lang und offen und verpassen dir ein aufreizendes Outfit. Ich besorg dir da einfach was aus dem Extranet. Und ein gefälschtes Alter für deine ID ist für mich ebenfalls kein Problem"
    Irritierenderweise schien es Sergio wenig auszumachen, offen damit umzugehen, dass er sein Mündel so freizügig und aufgetakelt wie möglich in eine Partyhölle schicken wollte. Er sah es in seiner pragmatischen Art als einen nützlichen Vorteil an, dass Luceija in ihrem Alter einer erwachsenen Frau immer mehr zu ähneln begann.
    "Sobald wir dann getrennt voneinander im Club sind, müssen wir nur Ulysses finden, ihn im Gedränge unauffällig sedieren und zur Toilette lotsen, wo wir ihm dann eine Überdosis einer gängigen Partydroge verpassen... Vielleicht gehen wir auch auf Nummer sicher und täuschen einen Selbstmord wegen eines Horrortrips vor. Überdosis und aufgeschlitzte Pulsadern - effektiv und die C-Sec sieht sowas sicher jede Woche."
    Noch immer grübelnd, während die Details dieses Plans reiften, erhob er sich aus seiner aufstützenden Position, trat dann direkt vor Luceija, die mit angezogenen Beinen auf dem Polster saß und stützte sich dann mit den Händen rechts und links neben ihr auf die Liege, sodass er ihr unausweichlich nahe kam und ihr den Fluchtweg abschnitt und sogar nur die ihre Vermeidung seines Blickes verhinderte, als er sie mit den unangenehmeren Implikationen dieses Plans konfrontierte:
    "Und ich glaube, das wirst du erledigen"
    Er sah sie eindringend und ohne Lächeln an und beobachtete kurz ihre Reaktion, ehe er fortfuhr.
    "Es wird Zeit, dass wir auch die schwierigeren Dinge üben, die du dennoch ohne Zögern für Cerberus tun musst. Und da wir nur bis morgen Abend Zeit haben, fangen wir mit der Lektion schon heute an"
    Wieder starrte er sie an und prüfte, ob sie eine Ahnung davon hatte, wovon Sergio gerade sprach, doch als er nur weitere Verwirrung in ihren Augen sah, fragte er sie mit weiterhin festem Blickkontakt: "Stell dir vor, du müsstest mich hier und jetzt töten, Luci. Du hättest keine Wahl. Was würdest du tun? Wie würdest du das anstellen?"
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  18. #78
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    Die Halbitalienerin hob den Kopf zögerlich an, als Sergio ihr den Blick auf ihre unmittelbare Umgebung vor ihr versperrte. Sie reckte das Kinn, blickte dem Älteren in die Augen und wirkte durchaus skeptisch, als sie in das Haselnussbraun ihres Gegenübers blickte und zuerst, ja, lachte. „Umbringen? Dich?!“ Das Mädchen ging erst noch von einem Scherz aus, wollte dem Doc aber den Spaß nicht verderben, der es ohne Zweifel auch sein musste, und driftete von seinen Pupillen ab und warf suchende Blicke um sich. Viel war hier nicht zu sehen. Zu ihrer Rechten nicht viel mehr als ihre persönlichen Utensilien, wie diverse Bücher, ein paar Datapads, ein Glas oder der Wecker. Diverse Armaturen hingen über ihren Köpfen, waren aber für einen direkten, filmreifen Mord eines Mannes im mittleren Alter nicht wirklich geeignet. „Keine Ahnung.“, zuckte sie mit den Schultern, wollte aber nicht ideenlos hervorgehen und antwortete schließlich salopp: „Ich könnte dir Alighieri über die Rübe ziehen wenns das ist was du willst.“
    Als wäre es die Parodie auf die er gewartet hatte, nahm sie eines der benannten Bücher aus dem Regal, in dass sie problemlos greifen konnte und klopfte es spielerisch sanft gegen Sergios Kopf.
    Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie dieser Aufforderung Sergios keine große Glaubwürdigkeit schenkte. Er war zwar um einiges älter als sie, aber mit dem ein oder anderen Giftcocktail oder einem präzisen Schuss aus einer seiner vielen Pistolen wäre es doch selbst für ihn ein leichtes, irgendwelche alten Säcke über den Haufen zu schießen.
    „Aber keine schlechte Idee mit dem Eintritt, Doc. Du kannst dann den lästigen alten Sack loswerden, die Sache bei uns ist wieder im Lot und ich kann dann währenddessen ein paar anderen Scheintoten die Credits aus der Tasche leiern. Mit ein paar Drinks und Schlampenoutfits haben wir am Ende des Abends wenigstens keine Geldprobleme mehr. ‚Investoren‘ ist es scheiß egal wie jung man auf der ID ist.“
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  19. #79
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    Es folgte ein leichtes Kopfschütteln, als die Reaktion seines Zöglings eher albern als ernst ausfiel. Im Grunde hatte er damit gerechnet, warf er sie doch gerade völlig ins kalte Wasser, doch einen etwas respektvolleren Umgang mit der Thematik hatte er sich dann doch erhofft.
    "Hör zu, Luci, ich weiß das klingt alles nach einem reibungslos funktionierenden Plan, bei dem nichts schiefgehen kann. Aber du solltest nicht vergessen, dass es in der Theorie viel leichter ist, jemanden Angesicht zu Angesicht umzubringen, als in der Praxis. Selbst wenn man ganz genau weiß, was man tun soll, zögert man doch in letzter Sekunde. Und zögert man zu lange, ändert sich die Lage und man braucht eine neue Methode. Du magst vielleicht glauben, dass du gewissenlos sein kannst, wenn man es von dir verlangt, aber ein sauber ausgeführter Mord ohne Zögern erfordert bei den meisten viel Willensstärke"
    Kurz ließ er diese Worte sinken, obwohl er wusste, dass diese Weisheiten ohne Demonstration nur leere Floskeln waren. Kurz rieb er sich nachdenklich die Schläfe, tätschelte Luceija dann zweimals das angezogene Knie, als ihm offensichtlich ein Einfall kam und er mit wehendem Arztkittel aus dem Zimmer marschierte.
    "Lass mich kurz etwas abklären", war dabei seine gemurmelte Erklärung, bevor seine Stimme wenig später hallend aus dem Wohnzimmer tönte. Er sprach Englisch mit irgendjemandem am anderen Ende seines Commlink, das er auf dem Couchtisch platziert hatte. Doch so nah wie Sergio davor kniete und die Worte nur leise aussprach, war der Inhalt für Luceija kaum verständlich. Auf Nachfragen reagierte ihr Ziehvater nicht, streckte ihr stattdessen eine geöffnete Hand entgegen, mit der er sie wie mit einem Bannzauber von sich hielt und sie zum Schweigen brachte.
    "Zögert die Sache noch etwas heraus", forderte er nun mit etwas lauterer Stimme seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Verbindung auf, "Eine Stunde mehr oder weniger, was macht das schon. Und es ist ja für einen guten Zweck", bat er die gesichtslose Männerstimme eindringlich. Sie stimmte widerwillig zu, forderte Sergio nur unter viel Murren dazu auf sich "gefälligst zu beeilen". Er nickte und legte wortlos auf.
    "Zieh dich wieder an Luci", winkte er dann sein Mädchen zu sich, während er bereits den Kittel abwarf und sich eine unauffälligere schwarze Jacke anzog.
    "Wir machen einen Ausflug"
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  20. #80
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    Sie war ihm mehr oder minder unauffällig gefolgt, kurz nachdem er einfach aus der Praxis – ihrem Zimmer – geschritten war. Der Sizilianer schien nicht gescherzt zu haben in dem was er gesagt hatte. Das waren keine inhaltslosen Floskeln gewesen, die er da an sie gerichtet hatte, es war sein verdammter ernst gewesen. Ihr von Skepsis verzerrtes Gesicht passte sich nur noch weiter dieser Gemütslage an. Sie stand im Türrahmen, beobachtete Sergio von Weitem beim Telefonieren mit einem Unbekannten am anderen Ende der Leitung und genau jetzt, wo sie ihn so ansah, überlegte sie, welche Antwort für ihn wohl die Richtige auf seine Frage gewesen wäre. Mit einem Buch? Wohl kaum. Sie drehte sich noch einmal um, sah in ihren Raum hinein und überblickte kurz die Utensilien, die bereitwillig auf den Oberflächen lagen und machte sich für einen Augenblick tatsächlich Gedanken, welches Instrument alles für einen Mord hinhalten konnte. Viele Jahre später wäre die richtige Antwort gewesen: Jedes verdammte Utensil war potenziell für einen Mord geeignet. Man würde nur wissen müssen, wie man sie anwendet. Im Hier und Jetzt war sie sich allerdings noch reichlich unschlüssig und tendierte primär zu den Spritzen als ideale Mordwaffe – im Nachhinein gesehen eine bittere Ironie, wo Sergio doch selbst durch eine solche umkommen sollte.

    "Zieh dich wieder an Luci", forderte er sie auf und sie hob stumm fragend beide Arme – dabei bemerkte sie, dass ihr Rechter, bislang tauber, allmählich wieder zu sich kam. „Wohin?“, wollte sie wissen, doch der Sizilianer antwortete ihr nicht, zog sich stattdessen seine schwarze Jacke an und warf ihr ihre eigene zu, die sie zögerlich anzog. Ihre darauffolgenden Schritte aus der Wohnung waren dann doch energischer, vor allem aber, weil sie mit Sergio schritthalten wollte und überaus neugierig über diesen plötzlichen Ausflug war. „Doc, ich weiß du stehst nicht besonders drauf mich in deine Pläne einzuweihen, aber es wär wirklich ganz interessant zu wissen, seit wann du so scharf auf so späte Ausflüge bist – und ob ich was für unterwegs hätte mitnehmen sollen.“ Luci bemerkte schnell wie dumm diese Aussage war – wirklich Dunkel wurde es auf dieser Station nicht. Zwar wurden zu gewissen Zeiten der Galactic Standard Time die Wards abgedunkelt, aber den Tag-und-Nacht-Rhythmus hatte sie noch immer von Palermo behalten. „Vergiss es. Is‘ ja nicht so als gäbs hier sowas wie Nacht.“

    Sergio lief den sich windenden Gang nach unten, streifte dabei die künstlich angelegten Grünflächen der Wohnanlagen und folgte dem Weg, der in eine Art Balkon mündete und somit zum Shuttleplatz führte, der dieses Viertel mit den nahegelegenen Reisemöglichkeiten versorgte. Wie immer wartete das grau-schwarze Modell ebenfalls hier, welches Sergio sich zusammen zum Apartment gekauft hatte, als sie hier eingezogen waren. Schon während er auf es zuging öffnete sich die gesamte, vordere Klappe und wartete auf die sich nährenden Fahrgäste. Ebenso wortlos wie sie den Fußweg hinter sich gebracht hatten, war auch das Einsteigen von Statten gegangen und Luci war es schnell auch zu dumm, weiter nachzufragen was er denn vor hatte. So wie es aussah…würde sie das wohl schneller herausfinden, als ihr lieb war.
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