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  1. #41
    Ritter Avatar von Tjordas
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    In seiner Gedankenverlorenheit fiel Sergio offenbar gar nicht auf, wie Luceija sich neben ihm in typischer Manier die nächste Dosis verabreichte und wie dann später ihr melancholischer Blick auf ihm haftete. Stattdessen schien er gedanklich die Planung für das weitere Vorgehen gegen seine unverhofften Konkurrenten durchzugehen. So fokussiert war er zumeist selten auf eine einzige Sache, verlangte ihm doch sein Beruf oft eher einen Rundumblick und optimale Multitaskingfähigkeit ab. Doch in diesem Moment blendete er absichtlich alle Gedanken abseits der unmittelbaren Pläne aus, um somit seine eigene Wut im Zaum zu halten. Es machte ihn rasend, wieviel ungeahnte Mühen er in seine geliebte Organisation investiert hatte, nur damit inkompetente Mittelsmänner, die nichts von ihrem Handwerk verstanden, ihm dazwischenpfuschten.
    "..was ist, wenn ich für Cerberus einfach nicht gut genug bin?", unterbrach seine Beifahrerin dann seine Gedankenstrom. Zunächst schien Sergio die Frage gar nicht recht zu verstehen, drehte seinen Blick nur überrascht zu Luceija und blickte ihr mit skeptischem Ausdruck in die grünen Augen, die selbst in diesem fahlen Licht einen Teil ihrer ungewöhnlichen Farbe entfalteten. Er erkannte nach kurzem Zögern die Melancholie darin und konnte nicht anders, als für einen Moment mitfühlend die Lippen aufeinanderzupressen.
    "Unsinn", brummte er etwas zaghaft, als er noch darüber rätselte, was er hierauf antworten sollte.
    "Was ist, wenn...wir alles richtig gemacht haben, aber ich einfach nicht richtig bin? Wenn Cerberus so entscheidet, kann es doch nicht falsch sein..? Sind wir dann nicht die Idioten, wenn wir sie angreifen?"
    "Was redest du denn da für einen Mist?!", wiederholte er dann energischer und fuhr von Rührung in Wut um. "Natürlich bist du 'richtig' für das Projekt. Ich habe mein halbes Leben in diese Sache investiert. Ich weiß ganz genau was ich tue, und Cerberus weiß das auch, sonst hätten sie mich niemals mit solch einer Verantwortung betraut. Und glaub mir, Luci, du bist perfekt für das Projekt. Deine genetische Disposition, das frühe Einstiegsalter, das Durchhaltevermögen - dich als Testperson für die Experimente zu haben ist ein wahrer Glücksgriff. Die Typen aus dem anderen Projekt müssen irgendwelche Werte gefälscht haben. Vielleicht hat uns jemand schlechtgeredet, vielleicht will man uns auch nur hin und wieder zeigen, dass wir die Gelder nicht geschenkt bekommen, sondern weiterhin gute Ergebnisse liefern müssen. Ich habe ja auch keine Ahnung, Luci... Aber wenn es tatsächlich stimmt und Cerberus das andere Projekt für ausgereifter hält, dann muss man sie hinters Licht geführt haben. Sie wissen nicht, dass sie ihre Finanzen in einen Betrug stecken. Und irgendein gieriger Fettsack stopft sich jetzt seine unverdienten Kitteltaschen damit voll - auf Kosten der Menschheit!"
    Nachdem sich Sergio so immer mehr in Rage geredet hatte, blickte er nun wieder still aus dem Fenster und kaute dabei an seinen Nägeln. Für einen Moment, verborgen unter dem Dunkel des Tunnels und grimmigen Augenbrauen, schien jetzt aber doch ein leiser Zweifel hindurchzublitzen.
    "Es gibt keine Fehler bei uns. Wenn diese Sache zu schaffen ist, dann nur in unserem Projekt", murmelte er das Mantra der Verdrängung in seine vorgehaltene Hand und folgte dabei mit den Pupillen den vorbeisausenden Lichtern. Erst dabei, und auch nur nach einer halben Minute des leeren Dahinstarrens, stellte sich sein Blick auf die Holoprojektion der Heckkamera scharf, wobei ihm auffiel, dass seit ihres Starts ein und dasselbe Skycar hinter ihnen herflog - ein gold-weiß akzentuiertes, modernes Vehikel der neueren Baureihe, das nur zu sehr aus der Masse der anderen herausstach.
    "Ich glaube, jemand folgt uns...", murmelte er leise, als er plötzlich fürchtete, dass die Fahrerkabine vielleicht sogar die ganze Zeit über verwanzt gewesen sein könnte. Eilig speiste er bei diesem Verdacht den Computer mit neuen Zieldaten in Richtung einer Einkaufsmeile ganz in ihrer Nähe. Das Shuttle wechselte den Kurs, nahm eine Kurve zur linken und reihte sich in eine andere Flugschneise ein. Sergio wagte es in seiner Anspannung kaum zu sprechen, beobachtete stattdessen nur die Heckkamera, bis er schließlich das fremde Vehikel nicht mehr ausmachen konnte. Doch noch konnte er sich nicht sicher sein, dass ihnen wirklich niemand mehr folgte.
    "Du... brauchst doch neue Stiefel, richtig?", erfand er eilig einen Vorwand für eventuelle Mithörer und sah bei diesen Worten Luceija mit unmissverständlicher Aufforderung an, seinem Spiel zu folgen. "Wir besorgen dir hier noch ein Paar auf dem Weg."
    Schon wenig später setzte ihr Shuttle auf dem Landeparkplatz eines Einkaufsdecks auf und die Cockpitfenster entriegelten sich. Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, stieg er aus dem Cockpit aus und sah sich aufmerksam in diesem Dschungel aus Fahrzeugen um, versuchte aber, dabei möglichst nicht auffällig zu wirken.
    "Siehst du jemanden?", brummte er dezent zu ihr, als er sich neben sie stellte und wie einer Tochter locker einen Arm um ihre schmalen Schultern legte, und mit ihr zum Eingang der Einkaufsmeile trottete.
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  2. #42
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Es würde Luci schwer fallen zu beschreiben, wie sie sich fühlte, als der Arm um ihre Schultern drapiert wurde wie ein schwerer Mantel und die Halbitalienerin mit sanfter Bestimmtheit in Richtung der Einkaufsmeile getrieben worden war. Denn eigentlich prasselten gerade zwei ganz verschiedene, aber gleichsam unangenehme und ungewohnte Gefühle auf die junge Frau ein.
    Zum einen war da diese Einkaufsmeile. Davon gab es dutzende, nein unzählige auf der prunkvollen Citadel und egal wo man versuchte hinzugehen, warben kleinere wie größere Geschäfte, Ketten und Restaurants um die Aufmerksamkeit der potenziellen Kundschaft. Grelle, bunte, teils auch absolut ausgefallene Werbemöglichkeiten wurden genutzt, technische Höchstleistungen aufgefahren um zum Beispiel ein neues Skycar mit einer niemals-endenden, spiralförmigen Glitterwelle von Decke bis Boden zu präsentieren. Es gab kaum einen Ort, der so vielfältig war und sich so oft veränderte wie Einkaufs- und Flaniermeilen auf dieser Raumstation. Wahrscheinlich lag es unter anderem an den horrenden Mietpreisen, die man verlangte, um auch nur so etwas winziges wie eine Ramen-Bar zwischen Raumhafen C-23 und dem Surima-Square an eine Ecke zu integrieren und das immer unter der Prämisse zu wissen, dass man die Kosten für den Kredit erst in 100 Jahren abbezahlt haben würde. Nahezu jedes Geschäft war eher in eine Einbuchtung eingelassen, alsdass es - ähnlich auf der Erde - wirkliche Häuser gewesen wären, die die Promenaden zieren. Ein ganz einfaches, marketingbezogenes Kalkül um den Promotern, die häufig den Weg der vorbeiflanierenden kreuzten, leichteres Spiel zu machen und offensichtlich hatten sie damit in jeglicher Hinsicht Erfolg. Das war nur einer der vielen, unzähligen Punkte, weshalb Luceija dieses 'Shoppen' hasste. Weshalb sie sich zunehmend sträubte solche ohnehin schon furchtbar seltenen Dinge zu tun, die eigentlich für ein Mädchen in ihrem Alter mehr als normal gewesen wären. Tatsächlich aber war es sogar so selten und so "normal", dass es eine beinahe abstoßende Wirkung auf die junge Frau hatte. Es war ganz einfach ZU normal. Zu generisch, zu sehr das, was alle taten. Alle - eine Gruppe, zu der sie nicht gehörte. Es fühlte sich grausam und eigenartig an solche Stätten aufzusuchen, sie fühlte sich beobachtet und verurteilt und wollte alles einfach nur schnell hinter sich bringen. Vielleicht war sie so, weil Sergio sich ähnlich verhielt. Oder vielleicht war es auch nur eine von vielen, psychischen Störungen die ihre unkonventionelle Erziehung mit sich brachte.

    Egal was es war, sie wusste, sie wollte das nicht. Deshalb wohl auch der Druck ihres Ziehvaters gegen den Rücken. Stiefel, wozu würde sie Stiefel brauchen, dachte sie sich. Eine absolut unnötige Anschaffung, beschloss sie. Wenn sie sich ihre aktuellen Schuhe ansehen würde, wäre sie vermutlich nicht so leichtfertig dieser Ansicht gewesen, denn so, wie sie unterdessen abgelaufen und irgendwie auch ranzig wirkten, mochte sie sie zwar lieber, spürte aber bald jeden Stein auf dem unebenen Untergrund. Aber auch hier war es nicht so, dass es ihnen an Geld gemangelt hätte. Es war einfach nur eine Seltenheit gewesen, dass sie zum Einkaufen anderswo hin als in Palermos Innenstadt gegangen waren. Lebensmittel wurde ihnen geliefert. Kleidung auf Bestellung auch. Cerberus übernahm dank großzügigem Lohn alle Kosten, daran scheiterte es somit also nicht. Aber wenn sie zusammen in die Stadt gingen (früher selbstverständlich häufiger als später), waren es viel mehr Restaurantbesuche, Kulturevents, oder aber die reichhaltigen Wochenmärkte, die sie lockte. Es war ein viel traditionelleres Leben als das, was einen auf der Citadel regelrecht überwältigte. Klar wusste man davon...aber niemals würde man einen Vergleich haben, wenn man beides nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Und dennoch war beiden Italienern klar: Nichts konnte mit dem Strand und dem weiter, wundervollen Meer konkurrieren.

    Und so wirkte es eher beklemmend, wie Sergio den Arm um seine Tochter schlang. Als zweiten Punkt für ihr Unwohlsein musste man hinzufügen, dass Sergio normal nicht nach dieser Nähe suchte. Sie beide waren nie diese Art Vater und Tochter, die ständig miteinander kuschelten, die heile Familienwelt bespielten und gemeinsame Lacher zelebrierten. Immer herrschte eine - wenn auch immer schmaler werdende - kühle Distanz zwischen beiden Parteien, die zu ihrem jeweiligen, eigenen Schutz diente. Ein ganz automatischer Mechanismus, der nicht entkräften konnte dass auf der Hand lag, dass Luceija ihren - wenn auch nicht leiblichen - Vater liebte und zu ihm auf sah. Doch Worte waren es nicht, die das bekräftigen konnten. Ein 'ich liebe dich' oder 'hab dich lieb' hörte man im Hause Vittore/Ascaiath nicht auf die Weise, die man von anderen Haushalten erwartet hätte. Es waren mehr die kleinen, von Außen unscheinbaren Dinge, die die gegenseitige Zuneigung zeigten. Das Frühstück am Morgen, das Zudecken nach einem Rausch, der Wein auf der Terrasse, unweit des Strandes oder die allgegenwärtige Zuneigung, die jeder einzelnen, genetisch veränderten, blau-violetten Rose zu Teil wurde, die in ihrem privaten Areal spross. Es steckte Symbolik hinter ihrer wirklich innigen Beziehung. Und für manches brauchte es auch einfach keine Worte.

    Wahrscheinlich wusste er um ihr Denken in dieser Sache, was erklären würde, weshalb er selbst nichts dazu sagte und stattdessen fragte, ob Luceija jemanden sah. "Nein", antwortete sie knapp und sah etwas unsicher aus, so, wie sie hager neben ihrem Ziehvater her lief und vermittelte ungewollt wieder dieses kränkliche, verstörte Bild, dass ihr in der Öffentlichkeit ein Alibi für die ausbleichende Haut und die kränklichen Augenringe, - nicht zuletzt aber auch die Mittel, falls sie jemand beobachten würde - bot. "Aber irgendwas ist da."

    Ohne, dass sie im Moment weiter darüber sprachen, verließen sie das zwischen dutzenden Etagen eingequetschte Parkareal und fanden sich sehr schnell und nur zwei Sicherheitsschleusen später im chaotischen Innenleben des Wards wieder, was - wie Luci in den nächsten Jahren lernen würde - kein wirkliches Chaos war, wenn man Omega betrachtete. Ohne zu warten orientierten sie sich an den durchtickernden Buchstaben einer Banderole, die den Weg nach links wies. Es wäre beinahe schon eine angenehme Atmosphäre, wenn man nicht mit sozialen Phobien umherlief. Leicht abgedunkelt stachen so die Werbeflächen nur noch mehr hervor. Überall bekam man irgendwas, die großen Marken verdrängten die ohnehin schon raren, kleinen Händler und in einem konstanten Fluss kamen den beiden Wesen entgegen - der Großteil latent gestresst.

    "Hey!", unterbrach ihren Weg eine Asari, "Schön Sie hier zu sehen!" Luci verstand bis heute nicht, warum die immernoch glaubten, man würde auf den Trick reinfallen, wenn Promoter auf gut-Freund machten. "Wie wär es mit einer neuen Frisur für die Kleine?!", war es offenbar ein Friseur, der zumindest das Mädchen in den Laden treiben wollte. Dabei schreckte die Asari nicht davor zurück, demonstrativ mit den Fingern in Lucis Haaren herumzuwedeln - offenbar im Ansatz, etwas daran zu kritisieren zu finden. "Finger - weg!", raunte Luci deutlich zu der deutlich hochgewachsenen Außerirdischen. Dabei erkannte man ein leichtes Beben an ihren Nasenflügeln, die den aufkeimenden Zorn perfekt deutlich machten.
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  3. #43
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Demonstrativ versuchte Sergio inzwischen den Trott beizubehalten, während sich die Asari mit ihnen mitbewegte und zu allem Überfluss nun auch noch in Luceijas Haaren hermpfuschte. Wo er zunächst noch versucht hatte, durch stummes Ignorieren den unangemeldeten Fremdling loszuwerden, sprudelte nun doch plötzlich sein südländisches Temperament über und er bellte ihr unvermittelt entgegen "Und wie wäre es, wenn ich Ihnen Ihre Kopftentakel ein bisschen kürzen würde? Vielleicht kommt dann endlich wieder Frischluft an Ihr schimmelndes Alienhirn"
    Die Asari war völlig empört, atmete zunächst tief ein, um eine gesalzene Antwort zu geben, doch entschied sie sich, um nicht mitten auf dem Boulevard eine Szene zu machen und somit dem Image ihres Ladens zu schaden, stattdessen ihr falsches Lächeln wieder aufzusetzen und das nächste Opfer einige Meter weiter anzusprechen.
    "Widerliches Pack", murmelte er noch kurz in seinen Bart, wollte mit seinem Zorn vielleicht nur überspielen, dass er gerade seine Unauffälligkeit riskiert hatte, nur um Luceija in Schutz zu nehmen.
    "Ich mag das hier genausowenig wie du, Luci. Wir hängen hier nur eventuelle Verfolger ab und dann nichts wie weg, also such dir schnell ein paar Schuhe aus. Irgendwelche", sprach er in leisem Tonfall zu ihr, während seiner Pupillen unauffällig seine nähere Umgebung beobachteten und nach etwas verdächtigem suchten. Für einen Augenblick glaubte er auch tatsächlich, von einer Person eine Etage höher beobachtet zu werden; eine junge, dunkelblonde Frau, die sich unbeteiligt über ein Geländer lehnte und zu den beiden hinuntersah. Doch als sich ihr Kopf nicht mit der Bewegung der beiden mitdrehte, verwarf er den Verdacht. Dennoch war ihm genauso unwohl in dieser Atmosphäre wie seiner Ziehtochter; nichteinmal so sehr, weil es eine Einkaufsmeile war - an die Dekadenz dieser Orte und die zahlreichen Aliens hatte er sich inzwischen fast schon gewöhnt. Doch Luceija so offensichtlich in seinem Arm zu halten, war eine Scharade, die er tatsächlich nur ungern spielte. Er wusste, dass seine Luci körperliche Nähe nicht unbedingt genoss - und wahrscheinlich war er sogar derjenige, von dem sie es sich abgeschaut hatte.
    "Wie wär's zum Beispiel dort", schlug er deshalb recht wahllos vor, nur um schnell von diesem Ort zu entkommen, und deutete auf einen Laden, der offenbar Gebrauchtes und Restposten von so gut wie Allem verkaufte: von mit Einschusslöchern versehenen Rüstungsteilen bis zu fehlerhaften Küchenutensielien für jederlei fremdartige Nahrung - aber auch ein paar Kleidungsstücke verirrten sich dazwischen. Als die beiden näher an die Kleiderstange traten, bereute Sergio aber beinahe seinen Vorschlag. Bei ein paar der abgetragenen Anzüge fragte er sich sogar, ob vielleicht sogar jemand darin gestorben sein könnte. Um seine Tarnung trotzdem weiter aufrecht zu erhalten, mimte er weiterhin den interessierten Käufer und wühlte sich mit etwas angewidertem Blick durch die Bestände.
    "Und schau vorher nach, ob keine Parasiteneier oder sowas drin sind...", warnte er Luceija daher nur halb im Scherz.
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  4. #44
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    Diese resolute Art mochte sie an Sergio wohl fast an meisten. Zumindest war es einer der Eigenschaften, die sie am meisten an dem Sizilianer schätzte, weil sie solche Zustände, wie eben noch mit der Friseuralientante, ganz schnell aus der Welt geschafft wurden und er - wenn auch unbewusst - Luci damit ein Gefühl gab, dass sie selbst nicht realisierte. Es war einer von wirklich seltenen Momenten, in denen man die Zugehörigkeit regelrecht erfühlen konnte, als wäre sie zu etwas physischem geworden. Einen Bruchteil war es, als sei sie für mehr wichtig als nur die Hülle des Testsubjektes, auf die so manche Mediziner scharf waren. Zur damaligen Zeit war ihr die Tragweite dieses anderen, eigenartigen Gefühles nicht klar. Es war nur kurz, nur wie ein Funke, der in ihr unentdeckt sprießen konnte. Doch viele, viele Jahre nach diesem einen Moment würde er ihr auffallen, würde sich aus tausenden, anderen Begebenheiten herausstechen und ihr eindeutig signalisieren: Das war Liebe.

    Zu jenem Moment regierte jedoch primär der Rest des Unwohlseins, der sich durch das enge Schlendern ergab. Erst als sie in die Nähe des Ladens gekommen waren, den Sergio spontan favorisierte, lies sie sich ablenken. Sie waren ganz am Ende der länglichen Passage angekommen und ließen sich, nach dem skeptischen Blick ihres Ziehvaters nach oben, von dem blendend grellen An- und Verkauf-Holo ins Innere der vollgestopften paar Quadratmeter locken. "...also such dir schnell ein paar Schuhe aus." war hier fast schon eine irrwitzige Aufforderung. Denn erstmal musste man in diesem Kleiderstangen-Labyrinth voller Mode der letzten drei Jahrhunderte Schuhe überhaupt finden. Während in den meisten Geschäften alles Style oder Typtechnisch sortiert und präsentiert wurde, wurde hier offenbar jeder Gegenstand einfach irgendwo hingestellt, ganz egal wo es war, ob auf anderen Dingen, ob unter der Decke, auf der Kleiderstange, darunter, in einem der vielen, vollgestopften Fächer eines Regales oder doch einfach im hintersten Eck auf dem Boden. Da waren Kleidungsstücke aller möglichen Ratsrassen die man kannte - ein Haufen verschiedenster Beutel, Harnischen und Striemen, die wahrscheinlich mal von einem Vorcha getragen wurden und Anzüge und Kleider aus dem letzten Mittelalter, die kein Mensch, der halbwegs bei Sinnen war, auch nur noch als Putzlappen benutzen würde. Wahrscheinlich hatte es sogar mal das ein oder andere, schöne Teil hier gegeben - vielleicht das Outfit einer Asari, dessen Proportionen auch den Menschen und zumindest als zweite Schicht einem Quarianer dienen würden. Aber all diese wurden wohl schon eine Sekunde nach dem Aufhängen wieder verkauft. Perlen suchte man hier also schlussendlich vergebens, es sei denn man hatte eine Schwäche für Mottenzerfressene Sommerhüte, turianische, lange Unterhosen oder Rüstungsteilen, die nichtmal mehr komplett aus dem Erstkontaktkrieg gekommen waren. Vermutlich sogar von einer Leiche gezerrt, so, wie Luci ihrer Ersteinschätzung nach die Einschusslöcher auf Herzhöhe bewertete und dabei mit dem Zeigefinger die tiefen Mulden abfuhr, unter denen ein Herz wohl in tausend Stücke zersprengt worden war. 'Präziser Schuss', dachte sich die Jugendliche. Bewusst hatte sie sich einige Schritt von Sergio abgesetzt, MIT dem dieses Shoppingerlebnis noch unangenehmer und schwer erträglicher gewesen wäre. Sie nahm sich etwas Zeit - dachte sich, dass es vermutlich ganz gut wäre etwaige Verfolger so auch im Glauben zu lassen, sie seien wirklich nur an einem Einkauf interessiert.
    Kühl musterte die junge Frau aus den grünen Augen heraus einen großen Aktionskorb, in dem dutzende, unterschiedliche Winterhandschuhe lagen. Sie spielte Interesse vor und lies die eigenen Finger durch den Synthetik- und Baumwollstoff gleiten, fischte immer wieder eines heraus um es etwas genauer zu betrachten und stellte dabei nicht nur fest, dass jeder Handschuh nachdem sie griff nicht etwa fünffingrig war wie ihre menschliche Hand sondern fast ausschließlich alle dreifingrig waren - sondern bemerkte sie auch durch einen unweit platzierten Spiegel, dass ein Schatten sich irgendwo in absehbarer Nähe hinter sie begeben hatte. Doch als sie sich umwandte - der dreifingrige Handschuh dabei zurück in den Korb fiel - war er verschwunden.
    "Sergio?", fragte sie in normaler Lautstärke und sah sich um, bekam aber nicht direkt eine Antwort. Wahrscheinlich war er noch immer in einem anderen Gang und wahrscheinlich war es so auch besser in ihrer Lage. Dennoch kam ihr irgendetwas eigenartig vor. Wie ein sechster Sinn, der ihr sagen wollte, dass etwas nicht stimmte, obwohl sie noch nicht genau fassen konnte, was es war. Nach wie vor etwas benebelt, wollte sie sich auf die Schattengestalten die sie sah nicht so recht verlassen und lenkte ihren Blick stattdessen in die gegensätzliche Richtung, wo sie etwas, durch mehrere unaufgeräumte Reihen Bekleidung hindurch, erkannte, dass sie sofort interessierte und sie beinahe anzog wie eine Motte das Licht..
    Luceija ist offline

  5. #45
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Aus dieser sicheren Distanz zu Luceija beäugte er sie hin und wieder über den Rand der Regale hinweg und sah ihr beim Durchwühlen der Kleidung zu. Ohne dass er das Gefühl hätte zuordnen können, beschlich ihn ein Anflug von Melancholie. Es war das erste Mal seit langem gewesen, dass er Luceija ohne ein definitives Ziel irgendwohin mitgenommen hatte. Selbst am Tag zuvor, als sie die botanischen Gärten besuchten, hatte er in irgendeiner Weise geplant, was er ihr beibringen und zeigen, was sie lernen und verstehen sollte. Sie war in doppelter Hinsicht sein Langzeitprojekt, denn erst im Laufe der Jahre hatte er verstanden, dass man ihm nicht einfach nur ein Testsubjekt, sondern eine viel größere Verantwortung anvertraut hatte, als er eines Tages der offizielle Adoptivvater eines kleinen Mädchens wurde. Jetzt hingen die Testergebnisse nicht nur von seinen medizinischen Kenntnissen, sondern auch von seinen sozialen Eigenschaften ab. Eine biotisch begabte Kampfmaschine ohne ein Verständnis von Loyalität wäre für Cerberus genauso nutzlos gewesen wie eine hochgebildete und treue Verbündete, deren Versuchsreihe fehlgeschlagen war. Zudem war er davon überzeugt, dass sich die zwei Seiten dieser Medaille gegenseitig beeinflussten und Luceijas Biotik sich nie richtig entwickeln würde, wenn sie nicht selbst vom Sinn der Experimente für ein höheres Ziel überzeugt war. Es war im letzten Jahrzehnt nicht immer leicht für den Arzt gewesen, zwischen diesen zwei Fronten zu kämpfen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, doch der Erfolg hatte ihm bisher stets recht gegeben. Jetzt aber zweifelte seine Organisation an ihm und er zweifelte daher an sich selbst. Hatte er wirklich das beste aus Luceija herausgeholt? Hätte er fürsorglicher sein sollen? Strikter bei ihren Ausgangszeiten oder ihren dubiosen Freizeitaktivitäten? Vielleicht hätte er sie ja wirklich einfach halten sollen wie einen Hund, so wie es ein paar seiner Kollegen taten. Wo blieb denn schließlich die Objektivität der wissenschaft, wenn man alles mit Fürsorge korrumpierte? Er grübelte mit einer gewissen Wut über sich selbst, schob den Gedanken aber erst beiseite, als die grellgrünen Augen des Mädchens sich wieder zu ihm wandten und die Verwunderung über sein Starren deutlich machten. Unkommentiert drehte er sich um.

    Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich Sergios Ziehtochter bereits in die Untiefen des Ladens zurückgezogen und suchte dort nach irgendetwas Brauchbarem. Im Nachhinein betrachtet war es durchaus klug gewesen, sich ausgerechnet in diesen unaufgeräumten Stand zu begeben, denn zwischen den schwer einsehbaren Regalen voller Krempel gab es genug Grund, sich lange aufzuhalten, ohne dabei einen Verdacht zu erregen. Angesichts dieser Erkenntnis entspannten sich die Schultern des Arztes etwas und er stopfte die Hände locker in seinen obligatorischen Kittel, während er nun selbst etwas weiter abseits von Luceija ein paar Dinge durchwühlte. Im Grunde brauchte er nichts und oft genug griff er eher aus Verwirrung nach den Artikeln, beäugte sie kurz und warf sie dann in der immergleichen Weise wieder zurück auf ihren staubigen Platz. Die ausgediente Maske eines Volus-Druckanzugs erregte seine besondere Aufmerksamkeit, da er sich schon immer gefragt hatte, wie diese seltsam tollpatschigen Wesen wohl unter ihren Rüsselmasken aussahen. Hatten sie überhaupt Rüssel, oder war es nur ein Filterschlauch der Maske? Waren sie überhaupt so kugelrund wie ihre Anzüge, oder waren diese eher aus technischen Gründen so geformt und die Volus selbst waren schlanke, drahtige Wesen? Unglücklicherweise gab das Innere der Maske kaum Aufschluss darüber, da die Polsterung bereits entfernt worden war und so legte Sergio das Stück Metall etwas enttäuscht zurück. Er hoffte stattdessen, irgendwann einmal in eine Kampfsituation zu geraten, nach der er einen erschossenen Volus demaskieren oder sogar sezieren durfte.

    Ein paar Minuten lang hielt sich der Italiener daraufhin mit einer Pistolengürtung auf, die er unter seinen Kittel schnürte, um zu prüfen, ob sie tatsächlich auf den ersten Blick unsichtbar blieb. Er selbst verstand nicht wirklich, warum er plötzlich das Bedürfnis hatte, seine Pistole, die er zu Hause hinter der Wandverkleidung versteckte, verdeckt mit sich zu führen, würde er damit doch im Falle einer Durchsuchung nur unnötiges Misstrauen bei der C-Sec erzeugen. Doch seit das unbekannte Skycar ihnen vermutlich hierher gefolgt war und er sich der Unterstützung seiner Organisation nicht mehr uneingeschränkt sicher sein konnte, erschien ihm ein gewaltsamer Plan B plötzlich viel sinnvoller. Skeptisch stellte sich Sergio für einen der schmierigen Spiegel, um die Unauffälligkeit des versteckten Waffengurt von vorne zu überprüfen, als sich plötzlich hinter dem Spiegelbild seiner rechten Schulter eine Frauengestalt von Sergio abwandte und dann wieder aus seinerm Blickfeld verschwand. Konfus sah Sergio kurz hinter sich, doch sah er niemanden außer Luceija, die gerade etwas abseits knieend in einer Kiste voller Schuhe wühlte. Mit einem nachdenklichen Brummen vernachlässigte Sergio daher sein Spiegelbild und ging in seinem typisch aufrechten aber gemütlichen Trott zurück in Luceijas Richtung, als sich ihm plötzlich ein Salarianer in die Quere stellte.
    "Sie da", setzte er in der typisch hochfrequenten Stimme an, "Wollten Sie gerade gehen? Der Gurt unter ihrem Kittel - den müssen Sie noch bezahlen"
    "Ich? Nein, ich wollte-", stammelte Sergio zunächst etwas perplex, noch bevor sich seine Wut über diese Unhöflichkeit wirklich einstellen konnte.
    "Fünfundvierzig Credits", unterbrach ihn das Alien in seiner Erklärung. Bevor er darauf weiter reagierte, schaute er zunächst um sich und stellte fest, dass Luceija plötzlich nicht mehr an der Stelle kniete, wo er sie gerade noch gesehen hatte.
    "Jaja, Fünfundvierzig, verstanden", knurrte er und wählte an seinem Omnitool die Transaktionssoftware an, schaute dabei aber immer wieder um sich auf der Suche nach Luceija. Nur durch eine Kleiderstange mit zahlreichen Jumpsuits unterschiedlichster Körperformen daran konnte er die Silhouetten zweier Personen erahnen, die circa zehn Meter von ihm entfernt standen.

    "Willkommen in Seldoks Gebrauchtartikeln", erklang hinter Luceija plötzlich eine etwas heisere Frauenstimme. Sie entpuppte sich als die einer offenbar noch nicht lange volljährigen Menschenfrau, in deren blassen Gesicht sofort von Adern gerötete Augen und leichte Augenringe auffielen. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie in einem Flechtzopf streng nach hinten gebunden, doch von diesen Details abgesehen wirkte ihr Ausdruck freundlich - zumindest auf die Weise, die man von einer Verkäuferin erwartete. "Wir haben hier schon länger nicht mehr aufgeräumt, ich weiß, aber das hat alles System. Suchst du was bestimmtes?", fuhr sie in freundlichem, aber nicht zu aufgesetztem Tonfall fort, während sie den Kopf leicht zur Seite neigte, um zu erkennen, was Luceija gerade in den Händen hielt, nahm dabei selbst eine lockere Haltung ein, indem sie eine Hand in die Hüfte stemmte, das Körpergewicht auf Stand- und Spielbein verteilt.
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (27.11.2015 um 00:30 Uhr)

  6. #46
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "Wir haben hier schon länger nicht mehr aufgeräumt, ich weiß, aber das hat alles System. Suchst du was bestimmtes?" Gerade eben erst hatte Luci sich hinunter gekniet und eine auffällig unauffällige Kiste in Augenschein genommen, die man vorher noch vor den Augen gieriger Kundschaft unter einem kleinen Hocker - dieser ebenfalls vollgestellt mit einem kitschigen Blumenkleid und einem Satz salarianischer Ankle-Boots - verstecken wollte gewühlt und wirkte dabei tatsächlich ziemlich präzise auf der Suche. Stattdessen lenkte sie sich nur ab, belächelte beinahe sogar schon das willkürliche Sortiment und fand auf eigenartige Weise gefallen daran, dass es hier so unordentlich war und nichts an die schnöden Kenzo-Stores mit schillernden Plastikdiamanten in der Auslage und einem blankgeputzten Boden erinnerte. Irgendwie hatte Luceija nie das Gefühl gehabt dort aufgehoben zu sein oder sich wohler zu fühlen, wie es eigentlich die Absicht eines Ladens mit gehobenem Standard sein sollte. Sie mochte dieses unkontrollierbare, dieses Wirrwarr aus kleinen und großen Dingen, die Möglichkeit, darin unter zu gehen und mit der Masse an Schnickschnack im Schatten zu verschmelzen...und vielleicht war es genau deshalb so, dass sie nur zu gerne in den siffigsten Kneipen unterkam. In Clubs, die den Prunk und Ruhm schon lange vergessen hatten, die übertrieben stark befüllt oder an unausstehlichen Orten voller Gestank und Ekel regelrecht hingekotzt wurden. Dabei war es nicht mal so, dass sich Luceija selbst als siffig bezeichnet hätte. Zumindest nicht auf die Art eines Obdachlosen oder vollkommen Verwahrlosten. Sie war chaotisch, liebte den Schmerz des Chaos, gleichermaßen wie die Kontrolle über das Unkontrollierbare. Im Grunde war und blieb es aber einfach die fehlende Zugehörigkeit, die sie in den Untergrund trieb. Die...und die Tatsache, dass dort das beste Zeug an- und verkauft wurde. Drogen, wie sich verstand. Keine eigenartigen, irgendwie absolut abgelatschten und klobigen, tiefschwarzen Lederstiefel, die - so wurde ihr schnell klar, als sie eine entsprechende Vertiefung bemerkte - offenbar aus einem ehemaligen Set einer Militäruniform stammten.. .

    "Hmm...", grummelte die Sizilianerin im Anschein der Nachdenklichkeit und hielt den Griff um den Schaft des einzelnen Stiefels fest. Er war schwerer als sie auf den ersten Blick geglaubt hatte. 'Schwer genug um ihn einfach nach hinten zu werfen', überlegte sie kurz, hielt es dann jedoch für eine Verschwendung der augenscheinlichen Verkäuferin ein paar derartige Goldstücke einfach so in die Fresse zu klatschen. Ueber ihre linke Schulter hinweg warf Luceija einen kurzen Blick durch das bereits jetzt schon ziemlich lange, tiefschwarze Haar wie durch einen Vorhang hindurch und machte die lockere, schmale Silhouette der jungen Frau nur für einen kurzen Moment aus. Lange genug um sich sicher zu sein, dieser Person keinen weiteren Blickes zu würdigen. Auf der Suche nach dem zweiten Stiefel also, der das Paar vervollständigen und Luceija zur glücklichen Besitzerin eines wirklich bildschönen aber uralten Schuhwerks machen sollte, entschied sich die Südländerin zu einer knappen und eindeutigen Antwort, die der Blonden wohl hoffentlich eindeutig genug sein würde.

    "Nach dem Aus-Schalter für deine furchtbar penetrante Stimme.", fasste Luci sich kurz. Da war er: Stiefel Nummer Zwei! Noch weiter hinten vergraben als schon die Kiste es war, angelte sie sich Magnetsohlenstiefel Zwei, hielt ihn sich nur kurz abwägend vor die grünen Augen und stand dann, langsam aber sicher, auf. Ja. Das waren ein paar wunderbare, schön eingelatschte Treter...
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  7. #47
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Angesichts dieser forschen Reaktion verengten sich die Augen der jungen Frau für den Bruchteil einer Sekunde zu schmalen Schlitzen, doch dann setzte sie wieder ein kleines Lächeln auf, wenn auch viel weniger freundlich als zuvor. "Schon verstanden", murmelte sie als Antwort und räusperte sich anschließend, offenbar selbst etwas verunsichert über den Klang ihrer Stimme. Kurz sah sie Luceija noch zu, wie sie das getrennte Paar Stiefel wiedervereinte, bemerkte dabei jedoch schnell, dass einem der Stiefel der Schnürsenkel fehlte. Mit einer kleinen Geste des Fingers gab sie ihrer Kundin zu verstehen, dass sie einen Moment warten solle, kramte dann in einer Kunststoffschublade etwas weiter abseits, zog einen sehr langen Schnürsenkel daraus hervor und entknotete diesen noch eilig, ehe sie ihn Luceija reichte. Zuerst öffnete sie noch die blassen Lippen, um es zu kommentieren, erinnnerte sich dann jedoch an den unbeliebten Klang ihrer Stimme und ersetzte den Kommentar durch ein kurzes Schmunzeln.
    "Mit Magnetsohlen und dünnen Stahlkappen", fasste sie sich kurz, während sie Luceija beim Anprobieren und Schnüren der Stiefel zusah. "Die Elektromagnete aktiviert man mit einem Schalter am Schaftende. Die Batterien sind allerdings defekt und müssen ausgetauscht werden. Sagen wir... 80 Credits?", schlug die junge Dame vor, während sie die Hände hinter dem Rücken verschränkte und auf ihren eigenen Stiefelsohlen etwas ungeduldig vor und zurück wippte.

    Zehn Meter davon entfernt hatte der Ladenbesitzer gerade die Bezahlung von Sergios Kauf abgewickelt und schien angesichts der neuverdienten Credits plötzlich viel freundlicher, ließ es sich nichteinmal verbieten, den Halt des Waffengurtes erneut zu prüfen und einige Riemen nachzuziehen oder zu lockern und dazu Erklärungen zur Qualität des Produktes anzuhängen, die Sergio nur mit einem desinteressierten Nicken und Brummen quittierte. Der Italiener wurde das Gefühl nicht los, dass er hierfür einen zu hohen Preis bezahlt hatte, wenn er sich ansah, wie zuvorkommend ihn der Salarianer plötzlich behandelte, aber für eine nachträgliche Verhandlung war es jetzt sowieso zu spät. Und so ließ sich der Arzt erneut in seinen Kittel helfen, während er sich weiter nach Luceija umsah, die nun plötzlich wieder hinter der Kleiderstange verschwunden war und wohl irgendwo in der Ladenecke saß. Gerade wollte er sich abwenden, um zu ihr zu gehen, als der Salarianer sich quer vor ihn stellte.
    "Vielleicht wollen sie ja auch eine günstige... Ergänzung zu dem Gurt erwerben?", fragte dieser händereibend, während er sich auffällig räusperte. Sergio wusste sehr wohl, was damit gemeint war.
    "Brauchen Sie dafür nicht eine Verkaufslizenz?", brummte er nur unbeeindruckt, spielte dann aber tatsächlich mit dem Gedanken, sich für den Heimweg eine kleinkalibrige Waffe mitgeben zu lassen.
    "Wer sagt, dass ich keine habe? Oder dass Sie keinen Waffenschein haben", wich der Verkäufer der Frage aus und nutzte das leichte Interesse direkt, um Sergio zu sich hinter die Ladentheke zu winken. "Ich habe da ein paar echte Schnäppchen im Angebot, die genau zu ihrem Gurt passen - folgen sie mir"
    Kurz sah er noch hinter sich, um sich zu vergewissern, dass er seine Ziehtochter nicht aus den Augen verlor, doch da wurde er bereits in die Abstellkammer hinter der Theke gezerrt.
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  8. #48
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    Schwer baumelten die Magnetsohlenstiefel in Lucis vollständig nutzbarer Hand - gerade so, der Schaft eingeklemmt zwischen ihren schmalen Fingern. Beinahe wäre es zu viel Gewicht gewesen, beinahe zu viel um sie länger in dieser Position zu halten, während die Halbitalienerin aufgestanden war und mit einer lässigen, filmreifen Geste das lange Haar über die Schulter warf. Eine gewisse, verfängliche Arroganz strahlte sie selbst mit ihren bescheidenen, jungen Jahren aus, wie sie die etwas Größere von unten herauf musterte und dabei kritisch ihren geräderten Auftritt musterte. Sie war sich sicher, dass die Blonde 'ganz schön kaputt' aussah und 'verdammt unausgeschlafen für eine Promoterin' wirkte, äußerte sich aber mit einem halbseitigen Schmunzeln, als der lange, etwas angekaute Schnürsenkel vor ihrer Sicht baumelte. "Bei der Tonlage hätte ich 'ne Asari erwartet.", gab sich die junge Frau besonders unnahbar und zwirbelte dann, als sie die Stiefel einfach auf den Boden fallen lies, auch nach dem angebotenen Zubehör, welches sie anschließend in eine Öse einzog.
    Um die Schmuckstücke anzuprobieren - dabei bekam sie eigenartig leuchtende Augen - war nicht der geringste Aufwand nötig. Die Tatsache, dass sie wohl schon eine Weile beim Militär eingetragen wurden (ja, so rochen sie auch), hatte das Leder unterdessen schon schön weich gemacht und ihr die Möglichkeit gegeben, schon von Weitem in das Schuhwerk zu hüpfen. Bei der Schnürung entschied sich Luci für eine eher unordentliche und schnelle Variante, die darin endete, dass sie den Schuh etwas auf Knöchelhöhe zwei Mal umschlang und dann eine schlampige Doppelschlaufe knotete und festzog. So weitete sich der Schaft der Stiefel etwas und sah deutlich lockerer aus. Kein Militärs hätte die Schuhe so getragen, soviel war klar. Auch, dass sie wohl noch etwas in die neuen Treter reinwachsen musste. Aber genauso klar war, dass sie solche Teile wohl kein zweites Mal finden würde. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich schlagartig und lebenslänglich in diese Schuhe verliebt. Wie die Zukunft zeigen würde, würde diese Liebe auch noch viele, viele Jahre nicht versiegen.

    "Doc?", erkundigte sie sich etwas lauter. Ein zweites Mal dann mit mehr Nachdruck. "Wir können weiter. Doc..?"
    "Warte", warf sie nur kurz der Blondine zu, hob dazu in auffordernder Manier den Zeigefinger wie einem Hund und machte Anstalten, an ihr vorbei zu wollen (IN ihren neuen Schuhen) um nach Sergio zu suchen.. .
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  9. #49
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    Geduldig sah die Verkaufsangestellte Luceija beim Anziehen der Stiefel zu und schüttelte dabei mit verzogener Miene den Kopf über die unorthodoxe Schnürmethode, ohne jedoch ein Wort darüber zu verlieren. Als ihre Kundin dann aufstand, um nach ihrer offensichtlichen Begleitperson zu rufen, blickte die Frau etwas verwirrt hinter sich in Richtung des Ladentresens, machte aber keine Anstalten, ihrer Kundin auszuweichen, als diese an ihr mit einer gebieterischen Geste vorübergehen wollte. Sie selbst hob ihre Handfläche stattdessen, um Luceija anzuhalten, blockierte ihr den Weg und ging vor ihr in die Hocke, um den Stiefelrand mit dem Daumen abzutasten und so den richtigen Sitz des Schuhwerks zu überprüfen.
    "Noch etwas zu viel Luft - Du solltest sie besser enger schnüren oder dickere Socken tragen, sonst gibt es vielleicht Blasen", empfahl sie während dieser routinierten Tastbewegungen und erhob sich schließlich wieder, um Luceija endlich zu ihrer Begleitung durchzulassen.
    "Du kannst den Preis gerne noch mit Seldok runterhandeln. Ich glaube, er ist gerade mit deinem... 'Doc' ... im Lager", merkte sie an und trat dann einen Schritt zurück, um nicht weiter im Weg zu stehen.

    Derweil war Sergio mit besagtem Ladenbesitzer bereits in die Verhandlungen über eine recht schlichte Handfeuerwaffe vertieft, die allem Anschein nach noch den Erstkontaktkrieg miterlebt hatte, aber natürlich war die ID bereits weggefeilt und der Zugehörigkeitschip entfernt worden. Sergio bemühte sich, nicht weiter nachzufragen, wem diese Waffe wohl einmal gehört hatte und wie ein Salarianer daran kam: Sie war klein und handlich mit großer Durchschlagskraft, auch wenn sie auf Grund der geringen Kühlleistung nicht für längere Gefechte geeignet war, doch für Notfallzwecke schien sie dem Italiener sehr geeignet, weshalb er sich auf einen Preis von 1400 Credits einließ - eine Stange Geld, wenn man bedachte, dass man ihm gerade alle Mittel gestrichen hatte. Im Hinterkopf fragte er sich bereits, welche Entzugserscheinungen er zur Kompensation dieses Kaufs Luceija wohl zumuten konnte, als diese sich plötzlich wie gerufen in den Türrahmen stellte. Zufrieden nickte er nach kurzem Mustern über die Stiefel an ihren Füßen, die sie zwar schlampig gebunden hatte, die ihm aber zumindest stabil und brauchbar erschienen.
    "Danke vielmals", beendete er den Waffenkauf und zwang sich dabei, höflich zu bleiben, was ihm bei diesem seltsamen Alien aber sichtlich schwerfiel. "Die Stiefel hier zahle ich auch", brummte er widerwillig und deutete dabei zu Luceija. Dem Salarianer hingegen schien es zunächst nicht schnell genug zu gehen, die beiden erst einmal aus dem Lager zu verscheuchen und das Licht abzuschalten. Wahrscheinlich gab es noch ein paar andere viel illegalere Dinge darin, die die beiden nicht ungefragt sehen durften, und so begann er erst vor der Lagertür wieder mit dem Verkaufsgespräch, während er die Stiefel kinnreibend beäugte.
    "Was schwebt Ihnen denn vor? Machen Sie mir ein Angebot", richtete er an Luceija, die ertrotz ihres jungen Alters bereits siezte. Für ihn war es wohl schwer zu entscheiden, wie alt der junge Mensch war, weshalb er sicherheitshalber die höflichere Variante wählte.
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  10. #50
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    Neutraler Miene beobachtete das Mädchen die Goldfischglas-großen Augen des Salarianers mit der allem Zwang. Auf hypnotische Art versuchte sie mit einer Menge Ausgleich den stummen Blickkontaktswettstreit zu gewinnen und antwortete erst, nachdem sie eine Weile gut überlegt hatte, was zu sagen notwendig war. Dabei sah sie nicht von dem Salarianer ab, richtete ihre Wortwahl zunächst aber, auf urigstem Sizilianisch, an Sergio. "Was meinst du? Wie weit krieg ich ihn runter? Um die Hälfte? Was hast du für die Waffe bezahlt..?", wollte sie einen Gegenvergleich haben um letztlich seinen, wahrscheinlich zu hohen, Kaufpreis wieder zu relativieren. Es war Lucis unwahrscheinlicher Vorteil, dass Aliens ihr Alter nicht einschätzen konnten und ihr somit gleichauf mit ihrem Adoptivvater in eine direkte Verhandlung treten konnte, wobei sie oftmals etwas..ZU dreist wurde. In Italien weniger drastisch war das auf der Citadel eine derartig temperamentvolle Umgangsart, mit der die meisten Außerirdischen nicht umgehen konnten. Für einen Moment blieb die Schwarzhaarige dabei sehnsüchtig an ihren Erinnerungen an ihre vermisste Heimat hängen, biss aber die Zähne zusammen und entging dem drogenverzerrten Ansatz eines Gefühlsausbruches mit Bravour. In Zukunft besuchten sie diesen Laden besser nicht mehr, entschied sie für sich.

    Das blonde Mädchen sah Luceija gerade nicht mehr, was sie ein wenig verwunderte. Doch ohne feste Ahnung vom seriösen Handel schrieb sie der Tüchtigen, die eben noch ungefragt an ihren neuen Schuhen gezupft hatte, zu, wahrscheinlich Waren zu verräumen oder sonstigen Unsinn zu treiben, über den sie weder nachdenken konnte noch wollte. Es war auch schlicht egal.
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  11. #51
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    Einen Moment lang hatte sich Sergio bereits darauf gefreut, seinem nicht mehr so kleinen Mädchen bei ihren Verhandlungsversuchen zuzusehen und die Show zu genießen, bis ihm selbst wieder einfiel, dass es sein Geld war, mit dem sie hier spielen würde. Umso glücklicher war er daher darüber, dass sie sich zuvor in sizilianisch an ihn wandte, um die Preisvorstellungen abzuklären. Er selbst konnte dabei nur hoffen, dass das Sprachmodul des Salarianers nicht jeden Erdendialekt übersetzen konnte - doch angesichts der Tatsache, dass manche der Alien-Module nichteinmal Englisch verstanden, sondern sich aufgrund des marginalen Status der Menschen im Rat auf Handelssprache beschränkten, hielt er es kaum für nötig, seine Stimme zu weit zu senken.
    "1400 Credits. Ich habe schon einen guten Preis hierfür bezahlt. Wird Zeit, dass wir für die Stiefel einen Stammkundenrabatt kassieren"
    Etwas verwirrt über die Sprache starrte der Ladenbesitzer die beiden abwartend an, doch als ihm zu viel Zeit verstrich, entschied er sich, stattdessen doch selbst ein Angebot zu machen.
    "Die Schuhe sind gut in Schuss. Magnetsohlen funktionieren noch immer, Stahlkappen halten sogar einem Elcorfuß stand. Sagen wir... 200 Credits?"
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  12. #52
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    Luci fiel dem Salarianer ins Wort: "50 Credits. Und kein einziges mehr." Noch immer durchbohrte sie das Alien mit bloßen Blicken und versuchte diese ebenso hartnäckig zu halten wie die Führung der Verhandlung. "Wenn du einem alten Mann schon 1400 Credits für eine schlecht kalibrierte Waffe aus der künstlichen Hüfte leierst, solltest du ein paar abgelatschte Treter eigentlich kostenlos drauflegen. Die hast du womöglich eh genauso einer Leiche von den Füßen gezogen wie die Waffe aus den Händen. Oder besser: Du hast dir den Scheiß bestellt ohne nachzufragen, woher das kam."
    Ihre Tirade wirkte gewiefter, als sie eigentlich schon war. Zwar hatte man der jungen Italienerin schon ein gewisses Sprachtalent in die Wiege gelegt, sie versucht regelmäßig und stark literarisch zu bilden, aber schlussendlich war sie noch immer erst fünfzehn. Sergio hingegen war der Ansicht gewesen, dass ihr gewisse Druckmittel im Leben weiterhelfen würden und lies sie Sätze kreieren, die ihr nicht nur bei einem solchen Verkaufsgespräch zu Gute kamen sondern auch, wenn sie sie ihren Stoff auf der Straße für den ein oder anderen Credit verhökerte. Letzteres war zwar nicht Sergios Absicht gewesen - gewiss nicht - aber wenn man ein Talent erstmal förderte, war es kaum aufzuhalten.
    "Ich glaube, der Allianz gefällt nicht, was du hier verkaufst. Oder..?", wandte sie sich einen Moment ab, nahm eine lockerere Haltung ein und prüfte das Sortiment, dass um sie herum an Wänden und Garderoben hing. "...schließt du deshalb bald..?"
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  13. #53
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    Luceijas Verhandlungsgegner versuchte an mehreren Stellen ihren Redeschwall mit Ausflüchten und Beschönigungen zu unterbrechen, doch da wurde er bereits von einem weiteren Argument ihrerseits überrumpelt, sodass er wiederholt innehalten musste, um sich neue Begründungen zurechtzulegen. Stattdessen starrte der Ladenbesitzer das Menschenmädchen nur wie eingefroren an, regelmäßig unterbrochen von dem typisch salarianischen 'Aufwärtsblinzeln'. Etwas, das einem Naserümpfen ähnlich sah, verzerrte die fremdartigen Gesichtszüge des Händlers, ehe er leise "Frechheit" murmelte. Doch je länger er sich nach Luceijas Aufforderung in seinem eigenen Laden umsah, desto mehr lockerte sich seine abwehrende Körperhaltung und er ließ sich wieder auf die Verhandlungen ein. Er spürte wohl die subtile Drohung, die in der Forumulierung des Mädchens lag.
    "Aufbereitete und herkunftsregistrierte Gebrauchtwaren gibt es im Extranet zur Genüge. Mein Laden lebt davon, dass meine Kunden nicht zu viele Fragen stellen, und ich genausowenig nach dem Zweck des Kaufes frage. Woher die Stiefel? Weiß es nicht, kamen wohl mit irgendeiner Großlieferung. Wusste nichtmal, dass ich sie im Inventar habe. Würde sie daher nicht missen. Menschen kaufen ohnehin selten hier... 50 Credits klingt fair", plapperte er stakkatoartig herunter und streckte dann als abschließende Geste seine Hand noch vorn, wie es bei Menschen offenbar zum Vertragsabschluss üblich war.

    Sergio nickte zufieden und schlug, wenn auch mit etwas Ekel, in die dreigliedrige Hand ein, wischte seine Handfläche dann an der Hose ab und tätigte mit einigen Fingergesten auf seinem Omnitool die Transaktion. Dabei schielte er immer wieder grinsend zu Luceija hinüber. Jemanden auf ein Viertel des Verhandlungspreises zu drücken - das war die stolze Frucht seiner Erziehung.
    "Wo haben Sie die überhaupt gefunden?", fragte der Salarianer anschließend, als er wusste, dass diese inkompetente Frage seinen Verhandlungspreis nicht mehr drücken konnte.
    "Ich nehme Schuhwerk üblicherweise direkt aus dem Sortiment - zu viele verschiedene Größen und Speziestypen"
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  14. #54
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    Lucis leichtes Lächeln betonte ihre Lippen wie ein Kunstwerk. Es wurde komplett, etwas besonders, einzigartiges und schönes durch diese winzige, aber feuerentfachende, tödliche Essenz Temperament und Boshaftigkeit, die irgendwo irgendwie in der jungen Frau steckten und sie zwielichtiger wirken lies, als sie sich selbst vorkam. Ihr linkes Auge kniff sich etwas weiter zusammen als das Rechte und beobachtete den Salarianer auf seine Frage hin scharf und genau - dabei lies sie Revue passieren, wo genau sie die Schuhe gefunden hatte und hatte die kleine Nische, kaum zehn Schritte entfernt von ihr und übersäht von einer kleinen Lawine an Wollmäusen, die die Filteranlage nicht erwischt hatte, exakt vor Augen. "Dort hinten.", nickte sie in die Nähe des Fundortes. "Bei der Blonden." Dabei sah sie, beim Blick auf den Händler, aus den Augenwinkeln etwas, dass sie irritierte - und es war nicht das Fehlen eben jener Blondine. Es war ein gefälliges, zufriedenes und nur all zu seltenes, halbseitiges Grinsen auf den Lippen ihres Ziehvaters, auf dessen Entdecken hin sie unwillkürlich den Kopf senkte, dabei ein paar ihrer langen Strähnen über das Ohr in ihr Gesicht fielen und sie alle wieder versuchte mit dem Zeigefinger einzufangen.

    Es war durchaus eine gute Portion Stolz den auch Luceija in diesem Moment empfand, aber so in dieser Form auch niemals geäußert hätte. Nur ein paar Sekunden hielt dieses 'Tänzchen' an, sonst beinahe unsichtbar für Außenstehende aber präsent genug, um dem Salarianer ein lachhaftes Schnauben zu entlocken. "Was gibts da so dumm zu grinsen?", warf Luci ein und erwachte aus ihrer Peinlichkeitsstarre innerhalb von wenigen Millisekunden als wäre sie ein Kampfroboter der Gefahr gewittert hatte. Dabei war 'grinsen' bei einem Alien schon fast zu weit hergeholt. Ob dieser überhaupt verstand? "Hab ich irgendwas lustiges gesagt?!", stellte sie die rhetorische Frage, wobei sie damit eigenartig zu dem Glubschäugigen nach oben starrte.
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  15. #55
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    "Keineswegs", antwortete das Alien, das in der Tat offenbar wenig von Humor verstand. Und noch weniger von den Emotionsregungen der Menschen, weshalb die Blicke der beiden Kunden ihn im Grunde nur weiter verwirrten.
    "Ich bin nur irritiert. Habe hier keine weiteren Kunden gesehen. Aber lassen Sie sich dadurch nicht weiter aufhalten. Danke für ihre Geschäfstreue", beendete die Amphibie ihre Interaktion floskelhaft. Sergio nickte nur noch zu diesen Worten und drehte sich dann sofort um, die Hand auf Luceijas Rücken aufgelegt, um ihr anzudeuten, dass es Zeit war zu gehen.

    Vor dem Laden angelangt steckte er schließlich wieder seine Hände in die Kitteltaschen und beäugte kurz das neue Schuhwerk an Luceijas Füßen mit einer Mischung aus Skepsis und Zufriedenheit. Er selbst hatte seine neue Waffe bereits unter dem weiten Apothekermantel geholstert. Noch fühlte sie sich ungewohnt an, doch sie schien seine Paranoia etwas zu besänftigen.
    "Die Kaulquappe hast du ganz schön vernichtet", brummte er mit einem dezenten Schmunzeln auf den Lippen. "Und jetzt hast du wenigstens Schuhe, denen der Dreck der tieferen Wards nicht so viel anhaben kann", spöttelte er etwas über ihren derzeitigen Umgang mit der Unterschicht der Citadel, doch andererseits schien es ihn auch nicht so sehr zu stören, wie es für einen Vater üblich gewesen wäre. Auf dem Weg zurück zu ihrem Shuttle war Sergio in einem seltsamen Zustand zwsichen dem guten Gefühl, mit seiner Ziehtochter Zeit zu verbringen, und der noch immer nicht ganz verflogenen Angst, verfolgt zu werden. Doch so sehr er sich auch umsah, niemand in dieser Einkaufsmeile schien ihm ernsthaft verdächtig. Und es beruhigte ihn daher zumindest, dass sein Verfolgungswahn offenbar kein Symptom von Chemikalien war, die er zum Selbstversuch zu sich genommen hatte, sondern er tatsächlich einen begründeten Verdacht gehabt haben musste. Vielleicht hatte er die Verfolger mit diesem vorgetäuschten Einkaufsumweg ja tatsächlich abgehängt.
    "Vielleicht sollten wir wirklich ersteinmal zurück zum Apartment. Unter Medikamenteneinfluss will ich mich mit dir ungern zu einer unbekannten Adresse schleichen. Wir sollten uns zu Hause lieber das weitere Vorgehen überlegen", beschloss er, während er die Scheibe des Skycars öffnete.
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  16. #56
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    "Wieso Zeit verlieren?!", knurrte die Halbitalienerin mit einer Ungeduld, die sie kaum besser in Worte fassen konnte. "Wir können direkt los - du bist bewaffnet und ich - du weisst das - bin mit dem Stoff besser konditioniert als ohne. Willst du das lieber mit Entzugssymptomen durchziehen?", wollte sie wissen. Immer wieder wenn es sich ergab, bei ihrem schlendernden Gang durch die Einkaufsmeile, sah sie nach unten zu ihren Schuhen und schmunzelte zufriedengestellt. Vielleicht, so überlegte sie, wäre es sinnvoll gewesen, Sergio hätte ihr ebenfalls eine Waffe gekauft - man wusste ja nie, wie diese Sache noch weiter verlaufen würde. "Du solltest mir übrigens auch eine geben.", plapperte sie dann viel zu schnell heraus und missachtete einmal wieder die Tatsache, dass ihr Arm noch ziemlich nutzlos einfach so da hing. Gerade unter Sizilianern war es wichtig, dass man sich verteidigte. Nicht, dass sie Palermo als ein furchtbar kriminelles Pflaster betiteln würde, aber man sollte sich jeder Zeit bewusst sein, dass "Temperament" nicht nur in positiver Art auftauchen konnte.
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  17. #57
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    Einen Moment lang verharrte Sergio still an Ort und Stelle, um Luceija skeptisch zu beäugen. Dann nickte er schließlich und stieg in das Vehikel. Dennoch schien er nicht wirklich überzeugt davon zu sein, dass es eine gute Idee war, das erst kürzlich behandelte Mädchen mit sich zu einem potentiell gefährlichen Agenten zu nehmen. Doch insgeheim hatte sie recht: Je länger die beiden warteten, desto höher waren die Chancen, dass man sie bereits erwartete. Die Glaskanzel schloss sich über den beiden und bereits kurz darauf nahm das Skycar den Flug in Richtung Bachjret-Ward auf - mit dem Umweg über den Ring der Citadel waren das mindestens zwanzig Minuten Flug.
    "Du solltest mir übrigens auch eine geben.", hörte er dann seine Begleiterin große Töne spucken und drehte daher nur mit angezogenen Brauen langsam den Kopf zu ihr, um sie ungläubig anzusehen.
    "Ja, sicher. Vielleicht sobald du ohne zu schwanken gehen, deine Arme heben und wieder scharf sehen kannst", spöttelte er kopfschüttelnd und sah dann wieder aus der Frontscheibe vor sich.
    "Außerdem könnte es deiner Tarnung abträglich sein, wenn das angheblich herz- und nervenkranke Mädchen eine Kampfpistole im Holster trägt. Lass uns das ganze erstmal subtil angehen. Wir werden die Waffe wahrscheinlich sowieso nicht brauchen... Fühlt sich nur einfach sicherer an, vorbereitet zu sein"

    Inzwischen rasten die höheren Wolkenkratzer unter den beiden ungeachtet vorbei, als sich das Gefährt in die sich kreuzenden, leuchtenden Bänder aus anderen Shuttles einreihte. In der Ferne war der Präsidiumsring bereits als Silhouette sichtbar, wobei der Witwe-Stern unangenehm von der Seite blendete. Sergio selbst war derweil offenbar in die Projektionen seines Omnitools vertieft, als er versuchte, über den unbekannten Besteller der Medikamente mehr in Erfahrung zu bringen, doch wie man an den regelmäßig rot aufblinkenden Warnfeldern erkennen konnte, führten alle seine Bemühungen in eine Sicherheitsblockade.
    "Also entweder, der Kerl ist tatsächlich einer von uns und man deckt ihm von der Zellenleitung aus den Rücken... Oder wir fliegen gerade zum Apartment eines Toten", brummte er nachdenklich, während er sich das inzwischen etwas stoppelige, graue Kinn rieb.
    "Sein Apartment ist in den obersten zwei Stockwerken einer der Wolkenkratzer im Bachjret-Ward. Wir könnten entweder über die Rezeption reingehen und hoffen, dass er nichts mitbekommt, oder illegal auf dem Dach landen und dann hoffen, dass die C-Sec nicht in der Nähe patroulliert. In beiden Fällen müssen wir also schnell rein und wieder raus", fasste er zusammen und trommelte dabei mit drei Fingern ungeduldig auf dem Armaturenbrett, während das Skycar gerade durch einen Tunnel in den Präsidiumsring einflog. Die angespannte Stimmung im Shuttle milderte sich leicht beim Anblick des Parks, doch Sergio ließ sich von der Aussicht nur kurz ablenken, drehte seinen Kopf stattdessem wieder mit leicht besorgtem Blick zu Luceija.
    "Bist du sicher, dass du dafür jetzt schon bereit bist?", fragte er sie mit etwas nervösem Tonfall und wusste dabei doch längst, was die Antwort sein würde.
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  18. #58
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Um es sich in dem engen Gefährt und unter Betrachtung des noch einige Zeit andauernden Fluges in den Bachjret-Ward gemütlicher zu machen, stemmte Luceija ganz unkonventionell die Füße gegen das Armaturenbrett und stieß somit umweglos durch das helle, orangefarbene Interface der Bediensteuerung, die - besonders auf Autopilot - aber so lange funktionslos blieb, bis man sich dazu entschied sie zu entsperren. Während ihr Adoptivvater damit beschäftigt gewesen war, Informationen über die potenzielle Gefahrenquelle innerhalb ihrer eigenen Reihen einzuholen, war die Tochter dabei sich mit gelangweilten Fingerbewegungen ihrer uneingeschränkt funktionstüchtigen Hand durch den Inhalt einer Website auf einem Holopad zu scrollen, die ganz und gar keine Informationen zum aktuellen Problem beinhalteten, sondern viel eher eine Liste der anstehenden Partys in abgefuckten und überlaufenen Clubs auf ihrem Heimatward. Sie interessierte sich wenig bis garnicht für die high society-Szeneclubs und das auch, wenn es abgesehen vom aktuellen Defizit nicht an den nötigen Credits gescheitert wäre, sich dort unter die Leute zu mischen. Die 'Assis' waren ihr meist einfach lieber. Da hatte es mehr Stil sich mit einem geklauten Treibstoffdepot-Sixpack und ein paar ehemaligen Schachtratten neben den Abzugsfilterausgang der illegalen Red-Sand-Küche in der vierten Ebene zu setzen. Andererseits hatte sie sich aber auch klar von diesem Personenkreis abgehoben, wann immer die Gelegenheit sich für die junge Frau bot. Vermutlich war sie selbst unsicher darüber, wo sie sich am heimischsten fühlen sollte, jetzt, wo man ihr die eigentliche Heimat aus den Händen gerissen hatte.

    Spätestens als Sergio sie direkt angesprochen hatte, blickte die Halbitalienerin kurz über das Holopad hinweg auf und fing seinen Blick ein, der wiederum nur erneute Skepsis einfing. Ob sie für etwas bereit war oder nicht, hörte sie ansonsten nie von ihm. Grund genug, den Doc nochmals eindringlicher zu begutachten und dabei klar zu signalisieren, dass DAS wirklich komisch für sie war. Vielleicht käme er selbst schnell genug auf den Trichter und würde sie einfach dort hin fahren, ihr endlich eine Waffe in die schlaffe Hand drücken und sie dann auch mal in ernsthafter Weise abdrücken lassen, anstatt immer nur damit zu drohen. "Jaah..", schob sie nochmals eindrücklicher nach und hob sichtlich irritiert eine Augenbraue. Er würde jetzt hoffentlich nicht auch noch sentimental werden - so bat sie im Inneren. "Sterb ich bald oder so?"
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  19. #59
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    Zuerst behielt er noch den Blick der Besorgnis bei, doch als er sah, wie überrascht, ja beinahe empört Luceija über seine Nachfrage war, hob er bereits die Hände in einer beschwichtigenden, abwehrenden Geste und seine Mimik erklärte seine eigene Frage für überflüssig. Manchmal vergaß er, dass er dieses Mädchen fast ihr ganzes Leben lang auf die rauen Seiten ihrer Umwelt vorbereitet hatte. Er fühlte sich zwischen all den Injektionen und Bestrahlungen, die er an ihr vornahm, beinahe wie ein Künstler. Und wenn er bei den regelmäßigen Gewebeanalysen dann die sehr langsame, aber stetige Veränderung hin zu einem Nervensystem beobachtete, das die E-Zero-Moleküle in immer mehr Axone integrierte; das zunehmend mutierte, jedoch auf kontrollierte Weise und ohne auch nur eine einzige dauerhaft lebensfähige Krebszelle zu bilden - dann wandelte sich sein Wesen zu dem eines Bildhauers, der sich mit Luceija das beste Stück Marmor gebrochen hatte und das es nun nur noch zu formen galt. So sehr ihn diese Selbstanschauung aber motivierte, so sehr hielt sie ihn auch oft von wichtigen Entscheidungen ab. Wo sollte er seinen Meißel besser nicht ansetzen, um die Risse im Stein nicht zu weiten? Wann würde er vom Mineral zu viele Splitter abschlagen und es verunstalten? Wieviel Schlagkraft und Spannung ertrug das Kernmaterial tatsächlich, wenn er die Oberfläche zu vehement formte? So sehr er sein Lebenswerk beherrschte, so sehr beherrschte es wiederum sein Leben. Und so schmunzelte er gleichermaßen mit Stolz und mit Skepsis, als sein Zögling seine übertriebene Obhut abwies.
    "Wir gehen also über das Dach rein", brummte er dann amüsiert.
    "Die zweite Pistole ist unter deinem Sitz - glaubst du wirklich, ich würde ohne Waffe das Haus verlassen? Hat allerdings ein kleineres Kaliber und durchschlägt keine Rüstungen" Während dieser Worte bückte er sich bereits über Luceijas Schoß, um an die Waffe zu gelangen und hob sie dann demonstrativ vor sie, den Lauf selbstverständlich abgewandt.
    "Abzug, Sicherungshebel, Kühlaggregat, Kimme, Korn. Zwei Hände an der Waffe, Korn scharf sehen, Ziel scharf sehen und abdrücken. Das Zielsystem macht ohnehin die halbe Arbeit für dich", fasste er knapp die Bestandteile und Bedienung der kleinkalibrigen Pistole zusammen, während er mit dem Zeigefinger darauf herumdeutete und die Verwendung demonstrierte.
    "Aber irgendetwas sagt mir, dass du das alles schon wusstest", grinste er sie so gar nicht vorwurfsvoll, sondern eher stolz an, bevor er den Griff der Waffe in ihre Hand drückte.

    Wenig später geriet der Bachjret-Ward und anschließend der besagte Wolkenkratzer ins Blickfeld des Skycars, sodass Sergio den Autopiloten deaktivierte und mit einigen Tastenbetätigungen das Dach des Gebäudes manuell ansteuerte. Das Vehikel setzte butterweich auf, die Motoren wurden leiser und tieffrequenter, bis sich die Kanzel mit einem Zischen öffnete und die beiden entließ. Kurz prüfte er, ob seine Pistole auch unsichtbar genug verborgen war, dann zupfte er sich selbstbewusst das Kittelrevers zurecht und marschierte zügig auf den Dacheingang zu - das Cerberus-Entschlüsselungsprogramm auf seinem Omnitool erledigte den Rest. Locker und relativ gemütlich schritt er mit Luceija die Gänge des Gebäudes entlang. Sie waren teuer eingerichtet und mit Gemälden und exotischen Pflanzen dekoriert, dabei aber doch in ihrem grellen Weiß der durchgehenden Deckenbeleuchtung sehr schlicht gehalten. Ein Keeper versperrte auf halber Strecke den Flur mit seinem breiten, vierbeinigen Stand, als er gerade ein Wandpanel abnahm, um an die Schaltkreise dahinter zu gelangen. Sergio ignorierte ihn, obschon er sich immernoch nicht so recht an diese Arachnoiden gewöhnt hatte, und zog an ihm vorbei. Zum Glück interessierte diese Wesen ein Eindringling so wenig wie alles andere, das zumindest deren Arbeitsablauf nicht unterbrach.
    Dann standen beide schließlich vor der Apartmenttür, die sich Sergio notiert hatte - Nummer 19/12. An dieser Tür war kein Hacking nötig. Wie erwartet reagierte das Türschloss sofort auf den zwanzigstelligen Code, den diese Cerberus-Zelle einheitlich verwendete. Der Bewohner war also tatsächlich in der selben Zelle organisiert wie Luceija und Sergio. Von dieser Erkenntnis beunruhigt blickte er Luceija neben sich stumm an, deutete dann mit einer seitlichen Kopfbewegung in die noch dunkle Wohnung, die dann automatisch ihre Beleuchtung aufdimmte.
    "Kein Geschmack, der Kerl", brummte Sergio mürrisch, als sich die Tür hinter ihm wieder schloss und er die Waffe aus dem Holster unter seinem Kittel zog. Das Mobiliar war eine seltsame Mischung aus knallbunten Designermöbeln in abstrusen Formen und aus extrem schlichten und funktionalen Wohnelementen aus fremdartigen Hölzern und Kunststoffen. Es wirkte wie eine ganz normale Wohnung für zwei Personen. Doch gerade deshalb wirkte sie verdächtig - welche Wohnung war schon tatsächlich durchschnittlich?
    "Wartungsdienst! Jemand zu Hause?", rief er nur um sicherzugehen in die Wohnung, doch wie erwartet folgte keine Antwort. Der Italiener behielt die Waffe trotzdem in den Händen. Eine Geste der Hand deutete an, dass sie sich aufteilen sollten, um die Wohnung schnell nach etwas Brauchbarem zu durchsuchen - optimalerweise nach etwas Belastendem, das das Konkurrenzprojekt schlecht dastehen lassen würde.
    "Nur ein paar Minuten - wenn jemand kommt, werden wir ihn erschießen müssen, oder er schießt zuerst. Und auf den Papierkram mit der Zellenleitung habe ich wirklich keine Lust"
    Tjordas ist offline

  20. #60
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Die Schwarzhaarige Adoptivtochter versah den Sizilianer nicht noch einmal mit einem bissigen Kommentar. Sie blieb ruhig und setzte stattdessen ein sich langsam entwickelndes und dabei immer herzlicher werdendes Lächeln auf, dass so kristallklar aus ihrem dumpfen Drogenzustand herausstach, dass man klar erkennen konnte, dass es sich bei diesem liebevollen Ausdruck um eine absolute Seltenheit handelte. Leider, so würde man meinen, besah sie Sergio mit ungenügender Aufmerksamkeit und stieg stattdessen aus dem Gefährt aus, womit ihm der sensible Moment entging.

    Statt sich jedoch dieser Tatsache bewusst zu sein, betrachtete sie mit dem selben, herzerfüllenden Lächeln die zu große Waffe in ihrer Hand und drehte sie begutachtend zu allen Seiten. Selbstverständlich wusste sie, wie sie das Schusswerkzeug zu verwenden hatte und er ging richtig in der Annahme wenn er glaubte, dass sie nicht das erste Mal geschossen hatte. Aber bisher war das alles nicht mit einer Ernsthaftigkeit verbunden. Einmal diente eine geliehene Waffe nur dazu, einen kleinen Laden um die Ecke um ein Sixpack Importbier und eine Stange Zigaretten zu erleichtern. Ein andernmal hielt sie die Waffe einem Alien ins Gesicht und drohte, ihn zu erschießen. Alles also nicht, um irgendwelchen, ernsthaften Straftaten zu begehen, sondern nur zum Spaß. Und alles ging auch so schnell, dass sie die Situationen beinahe vergessen hätte.

    Sie dachte auch nicht mehr lange darüber nach, wie und wann sie eine Waffe in der Hand gehalten hatte, sondern folgte in einem Schlendergang ihrem Vater, mit dem sie sich Zugang zum Gebäude verschafften und schließlich einem Gang folgten, die zu beiden Seiten mit Apartments besetzt waren.
    Der Bachjret-Ward war ein komischer Ort - Luci war nicht besonders oft hier, aber die Apartmentgebäude wurden immer experimenteller, je öfter sie hier her kam. Dieses Mal war es ein Gang, der zunehmend an einen Bürokorridor erinnerte. Man erkannte genau, wo links und rechts das eine Apartment begann und wieder endete, aber auch nur daran, dass die bodentiefe Fensterfassade bei einigen Apartments einen Einblick ins Innere zuließen.
    Die Italienerin verstand nicht genau, was die exzentrischen Idioten in diesem Viertel dazu trieb, sich so exhibitionistisch nieder zu lassen - hatte doch jeder von ihnen genug Geld, damit es sich lohnen würde hier mehrere Male einzubrechen.. . Aber schätzungsweise war die Präsentation dessen, was man besaß genau das, was sie hier bezweckten. Der Keeper, den sie passierten und auf den Luceija mit ausgestrecktem Arm beim Vorbeigehen testweise zielte, bevor sie gelangweilt den Waffenarm wieder senkte, interessierte sich für den Prunk wohl garnicht. Er reparierte, wie diese Viecher es immer taten. Sergios Kommentare aber konnte sie nur allzu gut nachvollziehen und vermutete, selbst den selben Spruch gebracht zu haben. Eines aber wunderte sie am meisten, als sie in die leicht aufdimmende Wohnung schritten: "Ziemlich...öffentlicher Ort für das, was wir sonst machen."

    Allem voran, als sie hereinschritt, war das eigenartige Gefühl der Fremde präsent, dass die junge Frau überkam wie ein Schleier einer nicht diagnostizierten Depression. Man wurde sich bewusst, dass man noch immer auf der Citadel war, das erkannte man an jeder Bausubstanz, an der ganzen, verbauten Technik, an der Einrichtung, die nicht nur modern, sondern hochmodern war, an dem kühlen, distanzierten Charme einer Raumstation. Etwas, dass sie schätzte, wenn sie in dieser Emotionslage verharren wollte. Aber auch etwas, dass sie hasste, wenn sie in einer anderen verweilen wollte. Als sei der Raumgigant ein anonymes Schlupfloch in eine andere Dimension. Eine Bleibe, wenn man weder in der Gosse wie auf Omega, noch in der heimatlichen Normalität der Ursprungswelt verweilen wollte oder konnte. Sie wurde aus diesem Gefühlschaos nicht schlau - wurde sogar regelrecht genervt davon, jedes Mal, wenn sie sich selbst damit konfrontierte.
    Vielleicht veranlasste sie genau dieses trübe, eingezwängte Gefühl dazu, nicht sofort die Schreibtische und Schränke nach Hinweisen zu durchsuchen, sondern an die Fensterfront zu treten, die einen Blick hinaus in die Weite des Alls und der vor ihr präsentierten Wards lieferte, wo sie ihre Waffe, gesichert, hinten in den Hosenbund klemmte und sich dann mit beiden Armen auf das Geländer lehnte, dass vor jenem Panoramabereich auf Hüfthöhe angesetzt wurde. "Wann können wir wieder unsere Sachen packen und von der Citadel runter? Nach Hause? Die Station kotzt mich jeden Tag mehr an." Womit sie klar und deutlich nicht ihr gemeinsames Apartment auf der Citadel meinte, sondern ihre tatsächliche Heimat Sizilien. Dessen terrane Häuserfassaden mit den Säulen, dem Relief und gelegentlichem Stuck, mit altertümlichen, eisenschmiedernen, kleinen Balkonen an aufgeplatztem Putz der kleinen Wohnanlagen. Dem rustikalen Charme, der sprühenden Leichtigkeit überall, unterstützt von der brennenden Sonne und einem unendlich klaren, rauschenden Wasser.
    "Schau dir die scheiße an", fuhr sie fort und damit das erste Mal um, um auf die umliegende Dekoration zu deuten, die eindeutig eher zu einem ausgeflippten Künstlerpärchen gepasst hätte. "die beschissenen Bilder, die Möbel -..niemand der auch nur halbwegs Geschmack hat, stellt sich SO nen unnötigen Kram in die Wohnung." Letztlich spielte sie unter anderem auf eine Figur an, die aus einem sehr schlank drapierten Drahtgestell zusammengebastelt wurde. An allen möglichen Stellen wurde sie mit quietschpinken Puscheln und anderem, gleichfarbigen Stoff verziert, sodass sie an eine überaus groteske Darstellung eines auf der Erde lebenden Flamingos erinnerte, die sie mit nur einem Zeigefinger hochheben konnte und dann angewidert fallen lies. "Es ist so furchtbar scheiße hier und jeden Tag wirds unerträglicher."
    Luceija ist offline

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