"WEN INTERESSIERTS DENN was sich bei UNS in der Wohnung abspielt?!", erwiderte die Jugendliche verhältnismäßig lautstark und echauffierte sich zusehends über die für sie unerklärliche Problematik des Ganzen und das deutlich energischer als man von jemandem erwarten würde, der derartig mit Mitteln zugepumpt war, dass es einen Kroganer hätte alle Viere gen Himmel strecken lassen können. Doch so sehr sie sich in Rage begeben und Sergio dabei das Wort abgeschnitten hatte, so schnell kam sie auch wieder auf dem Boden der Tatsachen an. Sie kräuselte ihre Augenbrauen zu einem skeptischen und gleichzeitig zornigen Blick und hatte eben jenen urplötzlich nicht mehr für die schillernden Pflanzenfarben um sie herum, die wie Kristalle in ihren verklärten Augen reflektierten.
Luci hatte der Sinn für die Ästhetik der Pflanzenwelt nicht gefehlt, aber so erstaunt, wie sie die prächtigen Farben beim Eintritt in die Kuppel angestarrt hatte, hatte sie wohl noch keine angesehen. Sie waren nicht das, was sie wirklich als schön bezeichnet hätte - nichts ging über die Faszination des L'Orto botanico di Palermo, das wusste Sergio so gut wie sie - aber sie waren so fremd, so exotisch, dass man zweimal hinsehen MUSSTE. Und die Farben ließen etwas anderes auch fast nicht zu. Wäre da nicht dieses Thema gewesen, dass ihr Ziehvater immer wieder auf den Tisch brachte und einfach nicht damit abschließen konnte, obwohl ihre Rückkehr vom Präsidium jetzt schon eine gute Weile zurücklag. Fuer sie war die Sache eigentlich gegessen gewesen. Wortwörtlich. Sobald etwas Gras über alles gewachsen war, würde sie ohnehin wieder irgendwas mitgehen lassen und auf der Strasse zu Schleuderpreisen verhökern - einfach nur aus dem Thrill heraus, einfach nur aus Trotz und Spaß und aus Langeweile und-...warum auch immer. Aber Sergio...konnte einfach nicht ruhig sein. Einfach nicht aufhören damit sie zu maßregeln, was ihrem pubertierenden Selbst sowas von gegen den Strich ging, dass sie hätte die nächstbeste Liane als Strick nutzen wollen.
Ihr war klar, dass es gefährlich war. Dass man die Zelle nicht zu verärgern hatte. Das war Tageslehrstoff Nummer 1 - neben Fächern wie Mathematik, Italienisch, Englisch, Galaktischer Geschichte, Terranischer Literatur oder den Mnemotechnik-Kursen - ebenso wie Nachtlektüre. Handle stehts im Sinne der Zelle. Deine Zelle ist deine Familie..all das. Und hinter jeder Doktrin stand sie mit vollem Herzen. Vielleicht sogar zu sehr, wenn man bedachte, wie wenig sie die regelmäßigen Behandlungen und die höchst eigenwillige Erziehung störte - oder besser, wie normal diese für andere Leute so abartige Behandlung der Kleinen war. Genau aus diesem Grund verstand sie Sergios Sorge nur halb so gut wie sie. Ja, es gab Risiken. Ja, es gab Leute, die nicht nachvollziehen konnten wie wichtig das alles war aber andere Familien hatten doch auch mit Kritiken zu kämpfen, oder nicht?