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  1. #21
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt ging Sergio in einem nicht allzu angestrengten Tempo hinter Luceija her, auch wenn sein Blick weniger Gemütsruhe ausstrahlte, wenn er sich beinahe schon nervös nach eventuellen Beobachtern umblickte. Doch bisher waren die meisten Gaffer Turianer oder Salarianer gewesen, die den Menschen zu dieser frühen Stunde des gegenseitigen Kontaktes noch so skeptisch gegenüber standen, dass es kaum verwunderlich war, wenn ihre seltsamen Augen einem Menschen misstrauisch folgten. Erst Lucis Selbstbeweihräucherung riss ihn etwas aus seiner Paranoia und ließ ihn schmunzeln.
    "Oh, wenn wir einmal davon absehen, dass das Zeug unsere Auftraggeber sicher mehrere Tausend Credits gekostet hat, dann könnte man das so sehen. Wir sollten das in Zukunft weiter so machen: Wir bekommen hochwertigen Nachschub von oben, den wir dann, statt ihn zu verwenden, für einen Bruchteil des Wertes verhökern. Klingt nach einem erholsamen Lebensabend für uns, hm?", alberte er herum, während er dem recht schmalen Weg, den sie nun eingeschlagen hatten, um eine Kurve folgte. Natürlich wusste er, dass es über die Sache im Grunde gar nichts zu spaßen gab: Einer korrupten, gewaltbereiten Großorganisation Gelder abzuzweigen, und sei es nur dieses eine Mal gewesen, war wie Dynamitstangen neben einem Feuer zu jonglieren. Und wahrscheinlich ahnte Luceija gerade das und empfand dadurch nur einen umso belebenderen Nervenkitzel.

    Wenige Minuten später war das ungleiche Paar bereits am Eingang der enormen Klimakuppel angelangt, die sich aus dem Tayseri-Ward aufbäumte. Die Größe der Citadel wurde einem erst jetzt bewusst, wenn man vor einem der Gebäude stand, das so enorm wirkte, und dabei doch nicht einmal ein Zweihundertstel der Fläche einer der fünf Wards einnahm. Selbst ein Zyniker wie Sergio konnte sich eines Moments der Ehrfurcht nicht erwehren, bevor er dann aus seinem Staunen auftaute und mit den Händen in den Hosentaschen gemeinsam mit Luceija die Kuppel betrat. Die Erbauer der Kuppel verstanden durchaus etwas davon, wie man einen faszinierenden ersten Eindruck erzielte: Eine Art tiefblauer Palmenwald erstreckte sich über die nächsten 100 Meter vor den beiden, wobei die Blätter der palmenartigen Gewächse circa sieben Meter hoch eher wie seltsame Drahtgeflechte hin und her wiegten. Dieses Meer aus Marineblau war zudem kontrastreich besprenkelt von den orange glühenden Farbfunken kleinster Blüten, die sich oft an den Stämmen der Bäume und Sträucher verteilten. Und immer wieder zwischen dieser schieren Masse aus Farbe präsentierte sich an einem Weg durch das Dickicht eine Vielzahl an floralen Kuriositäten, die besonders skurril gewachsen waren und denen man noch seltsamere Namen auf kleinen Holoschildchen gegeben hatte. Sergio schlenderte langsam diesen Weg entlang, bevorzugte, wie immer, dann aber eine Abzweigung vom Weg und schritt mit Luceija gemeinsam zu einer anderen Sektion der Gartenkuppel. Sein Staunen über die Pflanzenwelt versuchte er nicht allzu stark zu zeigen, um sich vor Luceija nicht als zu exzentrisch zu präsentieren.
    "Also, Luci", setzte er dann plötzlich mit ernstem Ton an, als sie abseits von den meisten Besuchern im Schatten der Pflanzen abgetaucht waren.
    "Ich mische mich wirklich nicht gern in deine privaten Dinge ein. Was du außerhalb des Labors tust ist deine Sache. Aber wir beide müssen uns trotzdem an Regeln halten, damit die uns nicht an irgendwelche Dreschschlünde auf einem abgelegenen Wüstenplaneten verfüttern, verstehst du?", fiel es ihm sichtlich schwer, die Sache ernsthaft anzusprechen und dabei den Blickkontakt zu dem Teenager zu halten.
    "Und dazu zählt eben auch, dass wir dem Gesetz nicht auffallen dürfen. Und, dass wir unsere Zelle nicht hintergehen dürfen. Und indem du unsere Mittel verkauft hast, hast du gleich beide Regeln gebrochen. Was noch, hast du etwa irgendeinem von unserem Projekt erzählt? Ein junger Spund vielleicht, der längst weiß, was sich bei uns in der Wohnung abspielt?", redete er sich jetzt doch allmählich in Rage und begann dabei charakteristisch ausladend zu gestikulieren.
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (01.09.2015 um 11:27 Uhr)

  2. #22
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "WEN INTERESSIERTS DENN was sich bei UNS in der Wohnung abspielt?!", erwiderte die Jugendliche verhältnismäßig lautstark und echauffierte sich zusehends über die für sie unerklärliche Problematik des Ganzen und das deutlich energischer als man von jemandem erwarten würde, der derartig mit Mitteln zugepumpt war, dass es einen Kroganer hätte alle Viere gen Himmel strecken lassen können. Doch so sehr sie sich in Rage begeben und Sergio dabei das Wort abgeschnitten hatte, so schnell kam sie auch wieder auf dem Boden der Tatsachen an. Sie kräuselte ihre Augenbrauen zu einem skeptischen und gleichzeitig zornigen Blick und hatte eben jenen urplötzlich nicht mehr für die schillernden Pflanzenfarben um sie herum, die wie Kristalle in ihren verklärten Augen reflektierten.

    Luci hatte der Sinn für die Ästhetik der Pflanzenwelt nicht gefehlt, aber so erstaunt, wie sie die prächtigen Farben beim Eintritt in die Kuppel angestarrt hatte, hatte sie wohl noch keine angesehen. Sie waren nicht das, was sie wirklich als schön bezeichnet hätte - nichts ging über die Faszination des L'Orto botanico di Palermo, das wusste Sergio so gut wie sie - aber sie waren so fremd, so exotisch, dass man zweimal hinsehen MUSSTE. Und die Farben ließen etwas anderes auch fast nicht zu. Wäre da nicht dieses Thema gewesen, dass ihr Ziehvater immer wieder auf den Tisch brachte und einfach nicht damit abschließen konnte, obwohl ihre Rückkehr vom Präsidium jetzt schon eine gute Weile zurücklag. Fuer sie war die Sache eigentlich gegessen gewesen. Wortwörtlich. Sobald etwas Gras über alles gewachsen war, würde sie ohnehin wieder irgendwas mitgehen lassen und auf der Strasse zu Schleuderpreisen verhökern - einfach nur aus dem Thrill heraus, einfach nur aus Trotz und Spaß und aus Langeweile und-...warum auch immer. Aber Sergio...konnte einfach nicht ruhig sein. Einfach nicht aufhören damit sie zu maßregeln, was ihrem pubertierenden Selbst sowas von gegen den Strich ging, dass sie hätte die nächstbeste Liane als Strick nutzen wollen.
    Ihr war klar, dass es gefährlich war. Dass man die Zelle nicht zu verärgern hatte. Das war Tageslehrstoff Nummer 1 - neben Fächern wie Mathematik, Italienisch, Englisch, Galaktischer Geschichte, Terranischer Literatur oder den Mnemotechnik-Kursen - ebenso wie Nachtlektüre. Handle stehts im Sinne der Zelle. Deine Zelle ist deine Familie..all das. Und hinter jeder Doktrin stand sie mit vollem Herzen. Vielleicht sogar zu sehr, wenn man bedachte, wie wenig sie die regelmäßigen Behandlungen und die höchst eigenwillige Erziehung störte - oder besser, wie normal diese für andere Leute so abartige Behandlung der Kleinen war. Genau aus diesem Grund verstand sie Sergios Sorge nur halb so gut wie sie. Ja, es gab Risiken. Ja, es gab Leute, die nicht nachvollziehen konnten wie wichtig das alles war aber andere Familien hatten doch auch mit Kritiken zu kämpfen, oder nicht?
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  3. #23
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    "Wen es interessiert? Sieh dich doch einmal um!", bellte Sergio unmittelbar nach dieser Unterbrechung zurück und machte eine ausladende Geste zur Decke der Kuppel, wo man die Lichter des gegenüberliegenden Wards sehen konnte.
    "Die ganze Station hier besteht zu 90% aus Aliens, die jede Gelgeneheit dankbar wahrnehmen, uns und jeden anderen Menschen in das Sonnensystem zurückzujagen, aus dem sie gekommen sind. Und hypnotisiert wie die Minderheit der Menschen hier sind, wollen sicher selbst die meisten von denen uns für jede Kleinigkeit am Kragen packen, die wir uns zum Wohle der Menschheit zu Schulden kommen lassen. Die wollen unsere Zelle ausradieren, Luci. Und am besten jede Zelle der gesamten Organisation. Und du hilfst ihnen noch dabei. Und wofür? Wofür setzt du deine Familie aufs Spiel, Luci? Für ein paar lausige Creditchips und einen Adrenalinkick? Zu Hause liegt eine Spritze Adrenalin, das Zeug kannst du auch ohne alberne Risiken haben. Und Geld haben wir mehr, als du jemals ausgeben könntest. Willst du alles mit Füßen treten, was unsere Familie für dich getan hat? Was ich für dich getan habe? Habe ich dir denn gar nichts beigebracht"
    So sehr er sich auch hin und wieder bemühte, seinen immer lauter werdenden Tonfall zu senken, um nicht doch ungewollte Zuhörer anzulocken, konnte er sich doch nicht vollends zügeln und fuchtelte dabei zudem wild vor Luceijas Gesicht herum. Erst, als er nach diesen Worten sprachlos wurde, wandte er sich nach einem Moment des eindringenden Blicks seiner nervös zitternden Pupillen von ihr ab, spuckte zur Seite als Ausdruck seiner Verachtung über dieses Verhalten.
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (01.09.2015 um 11:27 Uhr)

  4. #24
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    "Ich setze einen Scheiß damit aufs Spiel!", muckte die kleine Italienerin weiter auf und lies Sergio das auch körperlich spüren indem sie scheinbar unbeeindruckt aufrückte, dabei giftige Blicke die kurze Distanz nach oben werfend. Sah man ihr in diese Gift- und Gallespuckenden Augen, war einem ziemlich schnell klar, dass sie im Falle des Falles keine große Kraft gehabt hätte es jetzt auf Gerangel ankommen zu lassen, wo sie doch gerade froh war halbwegs sicher auf beiden Beinen stehen zu können. "Die Station besteht aus nichts als dummen Aliens?", ahmte sie jetzt wieder schlecht-theatralisch nach. "Glaubst du jetzt, ich wär blind und wüsste das nicht? DU hast doch keine Ahnung, wies hier wirklich abgeht. DU hast keine Ahnung wie SCHEIß schwierig es ist hier klar zu kommen. Jeden verdammten Meter kriecht dir so ein verfluchter Cop nach und glaubt wahrscheinlich, du hast vor den ganzen Schrotthaufen abzufackeln und - verdammt - manchmal würd' ich das nur ZU gerne tun, dann wären wir nämlich wenigstens wieder zu Hause!"

    Manchmal war es von Vorteil in einer langsam aussterbenden Erdensprache Streiten zu können. Wirklich viel mehr als das typische 'Bibedi-Babedi' verstanden sie nämlich einfach nicht. Nicht nur, weil Menschen für gewöhnlich nicht alle Italienisch verstanden, sondern auch, weil jedes Übersetzungstool bei der Sprachgeschwindigkeit und diesem markanten, sizilianischen Dialekt darin entweder ins absolute Wanken geriet, oder viele Wörter einfach überspringen musste, weil sie nicht richtig registriert werden konnten. Normalerweise gebot es daher der Höflichkeit unter normalen Gesprächen eine langsamere Geschwindigkeit zu wählen. Höflichkeit war aber gerade das kleinste Interesse der beiden Südländer. Besonders für Luci, die allmählich von dem In-Rage-Reden ein wenig aus dem Konzept gebracht schien und nicht mehr ganz so stabil stand (was sie allerdings gut zu kaschieren wusste). Die rechte Hand hatte inzwischen den Löwenanteil jeglichen Gefühls verloren. Dennoch schaffte sie, damit irgendwie rumzufuchteln.

    "Und selbst WENN, was glaubst du schon was Ascension DESWEGEN mit mir macht, huh? Garnichts - die sperren vielleicht DICH weg. ICH bleibe aber ihr kleines, perfektes Projekt."
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (19.07.2015 um 01:38 Uhr)

  5. #25
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    Sergio geriet mehr und mehr in einen Zustand, in dem er sich kaum noch unter Kontrolle hatte und das sah man seinen leicht gebleckten Zähnen und seiner angespannten Haltung nur zu sehr an. Erst als plötzlich die Worte 'zu Hause' fielen, geriet er selbst für den Bruchteil einer Sekunde in unterbewusstes Heimweh, zweifelte vielleicht sogar für diesen kurzen Moment an der Sinnhaftigkeit der ganzen Sache, wenn er dafür seine Identität, seine Heimat aufgeben musste. Seine Lippen schlossen sich wieder und sein Blick wurde beinahe schon weich und mitfühlend, als er die tobende Luceija ansah und nur zu gut verstand, was in ihr diese Wut auslöste; den Drang, einfach nur für den Moment der Erlösung alles hinzuwerfen, was sie jahrelang aufgebaut hatten.
    Doch als ihre Sehnsucht urplötzlich in Arroganz umschlug und sie ihren eigenen Wert so hoch betitelte, es sogar wagte, Sergio schon fast zu bedrohen, er sei nur ein austauschbares Zahnrad im Gegensatz zu ihr, da kehrte alle so kurzfristig verflogene Wut umso intensiver zurück. Unwillkürlich, noch bevor er es selbst bemerkte, hob sich seine Hand vor ihr weit in die Höhe, um dann mit einer Wucht auf ihr Gesicht herunterzusausen, dass es sie beim Aufschlag wohl fast schon aus dem Stand schleudern würde.
    "WAGE es nicht, so mit mir zu reden, undankbares Balg", bellte er dabei heraus, dass ihm den Geifer von den Lippen schleuderte, und erhob vor Wut zitternd seinen ausgestreckten Zeigefinger gegen sie, "oder, ich schwöre dir, ich mache dich zu genau dem geschundenen, freiheitsberaubten und weggedröhnten Tier, das die Zelle so gern aus dir machen würde, wenn ich nicht für dich da wäre!"
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (01.09.2015 um 11:27 Uhr)

  6. #26
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    Nur im Bruchteil eines Momentes - nicht zuletzt wegen des sich langsam ausbreitenden Schmerzes an ihrer Wange - realisierte die fünfzehnjährige, was gerade geschehen war und hielt sich instinktiv das Gesicht. Ihre großen Augen hatten dabei nichts als Anklage für den deutlich älteren Italiener übrig und suchten in weiteren, stummgeschaltenen Sekunden nach einer Antwort für diese Tat. Sie bekam ihre weitere Erklärung, in welcher sich das satte grün selbstständig und unkontrollierbar verwässerte, bis sie froh darum sein konnte, dass die langen Strähnen ihrer schwarzen Haare verdeckten, dass ihr die eigentlich triviale Handgreiflichkeit naher ging als Sergio wohl gedacht hatte. Ihre große Klappe schloss sich jedenfalls auch im selben Moment.

    Luceijas linke Hand hatte sich in einer Mischung aus Trauer und Wut zu einer kleinen Faust zusammengezogen - die rechte hätte das ebenfalls gerne getan, allerdings scheiterte sie beim Versuch und war zu taub um noch irgendwie nützlich zu sein, abseits überaus grober Gesten. Sie wollte ihr Unwohlsein so wohl kompensieren, hoffte, dass sich durch möglichst starkes zusammenpressen ihrer Finger bis zum weissen hervortreten der Fingerknöchel einige Probleme, die nun wortlos im Raum standen, gelöst hätten weil sie es hasste über solcherlei Dinge zu sprechen, aber es löste sich nichts. Sie fühlte sich nur unwohler und erwischte sich dann sogar dabei, wie sie nervös an ihrer Unterlippe nagte um Tränen in ihrer Entstehung und das dazugehörige, drängende Gefühl in ihrem Inneren auszublenden.

    "Fick dich, Sergio!", knurrte sie im Versuch gefährlich zu wirken, war dabei dann aber nur noch weinerlicher. Komplettieren konnte sie das dann damit, dass sie umgehend auf dem Fleck kehrt machte und sie einigermaßen hurtig in einer Richtung und ohne weitere Sicherheitsumwege zu machen, einfach nur aus der Nähe ihres Ziehvaters verschwand.
    Genau zum richtigen Augenblick hatte sich die junge Halbitalienerin weggedreht, da musste sie schon den Ärmel ihres Oberteiles nutzen um die überaus lästigen Tränen zu entfernen, die einfach so ungefragt über ihre deutlich zu blass gewordene Haut gerollt waren.

    Alles, woran sie denken konnte war, wie sehr sie es hier gerade hasste. Wie gerne sie einfach verschwunden wäre, ihre Sachen gepackt und zurück nach Italien gegangen wäre... . Aber komplett alleine? Hatte sie selbst hier kaum eine Chance in ihrem Alter. Geschweige denn alleinigen Zugriff auf das benötigte Konto, auf welchem genug Credits gelegen hätten um einen Platz im nächsten Schiff zu buchen. Alleine saß sie hier fest und das wusste sie genau. Dass sie wahrscheinlich auch nicht besonders lang am Leben wäre, wenn sie sich von ihrem Ziehvater und behandelnden Arzt für immer entfernen würde, dachte sie in ihrer Naivität nicht einmal. Nichts desto trotz verliefen sich ihre Fluchtversuche bald schon im Sand aber auch, wenn ihre Tränen schnell festgetrocknet waren und die errötete Wange langsam aber sicher keine flächigen Schmerzen mehr hinterlies, dachte sie garnicht erst darüber nach nach Hause zurück zu gehen. Noch nicht.

    So kam es, dass sie ihren Abend eben nicht wie eigentlich geplant im botanischen Garten mit Sergio verbrachte, sondern im Helios - einem kleinen Eckclub, in welchen sie sich problemlos hatte einschleichen können - nicht zuletzt, weil sie da so eine Person kannte, die wiederum eine andere kannte. Mit fünfzehn Jahren war ein Clubbesuch noch etwas spezielles, aber auch deutlich anders als die unzähligen Male, die die Schwarzhaarige heute hinter sich brachte. Sie trank deutlich zielloser und durcheinander. Mit weniger Kontrolle. Und die Konsequenzen daraus folgten ebenfalls - allein auf Grund ihrer Mittel - in einem deutlich rapideren Tempo. Ebenso schnell und deutlich wackeliger überwand sie auch die unerträgliche Scham und die beissende Schuld die sie davon abhielten direkt nach Hause zu gehen und bog gerade um die Ecke, die sie von ihrer Unterkunft trennte. Von hier aus sah sie, dass noch Licht brannte und ihr missfiel der Gedanke bei jedem Schritt mehr, jetzt von dem alten Mann verhört zu werden. Dennoch zückte sie mit der Linken ihre Keycard und verschaffte sich möglichst leise Zugang zum eigenen Quartier. Die Alternativen - wie auf der Straße zu schlafen - vergleichsweise nicht besonders verlockend. Dazu kam, dass ihre Rechte im Moment wirklich nutzlos schien und leblos keine Hilfe beim Öffnen der Haustüre bot, die nun sogar mit einer angenehmen Stimme die Türöffnung bestätigte - nicht nur ihr, sondern auch dem Rest der Bewohner innerhalb der Wohnung...
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  7. #27
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    In seiner momentanen blinden Wut über diese Respektlosigkeiten empfand Sergio nur sehr gedämpftes Mitgefühl für sein kleines Mädchen, als diesem halb aus Zorn, halb aus Enttäuschung die Tränen an den Wangen hinunterrollten. Wieder wagte sie es, ihn zu beleidigen, weshalb sich, ohne dass er es selbst bemerkte, seine Faust erneut zusammballte und er trotz ihrer Tränen beinahe wieder ausgeholt hätte, wäre Luceija nicht bereits an ihm vorbeigestürmt. Er griff nach ihrem Ärmel, um sie bei sich zu behalten, wollte seine Genugtuung einfordern, doch der Ärmel entglitt seinem Griff und Luceija stürmte in das bizarre, femdartige Dickicht aus seinem Blickfeld. Nur einige Schritte weit lief er ihr hinterher, hätte er sie doch sicher am einzigen Ausgang wieder abfangen können, da die Medikamente ihr genug zugesetzt hatten, um ihren jugendlichen Agilitätsvorteil wieder auszugleichen. Doch in dieser Sekunde bereits war er die gesamte Diskussion leid. Ein Gefühl von Trotz stellte sich in ihm ein und seine restliche Wut entlud sich in einem Tritt nach einem der palmenartigen Baumstämme, sodass etwas Rinde davon absplitterte.
    "Sieh doch selbst, wo du damit landest", brummte er noch unverständlich zu sich selbst, stopfte sich die Hände in seine weiten Kitteltaschen und stapfte aufgebracht in die Gegenrichtung, nur um Luceija auch nicht zufällig begegnen zu müssen.
    Erst in den folgenden Stunden, in denen er gedankenverloren durch die verschiedenen Abteile des Gartens wanderte und die teils wunderschönen Kuriositäten zu seinen Seiten völlig außer Acht ließ, wuchsen die ersten Gewissensbisse in ihm. Sicher war es notwendig gewesen, seiner Ziehtochter die notwendigste aller Grenzen aufzuzeigen, denn hätte er ihren Übermut und ihre Arroganz ungestraft gelassen, wäre ihr eine Zukunft als skrupellose und womöglich auch kriminelle Biotik-Expertin vorbestimmt gewesen, statt dass sie Cerberus und der Menschheit von irgendeinem Nutzen hätte sein können. Ganz zu schweigen von all den Risiken, in die sie sich selbst und nicht zuletzt Sergio hätte bringen können, wenn man ihr diese Charakterzüge nicht rechtzeitig austrieb. Sergio war sich also sicher, richtig gehandelt zu haben - und doch bereute er es, seinem Ärger so sehr Luft gemacht zu haben, denn es war kaum abzustreiten, dass er Luceija einiges abverlangte und sie mit einer Lebenssituation konfrontierte, die sie notwendigerweise von anderen Menschen isolierte. War es da wirklich verwunderlich, dass Sergio hin und wieder dieses Aufbäumen ihrerseits erfahren musste?
    Durch diese etwas differenziertere Betrachtungsweise beruhigt, hatte sich der Doktor nach einigen Stunden unter der Kuppel daher wieder auf den Nachhauseweg gemacht. Ein Tee aus Kräutern, die ausnahmsweise nicht von der Erde, sondern von der Elcor-Kolonie Thunawanuro stammten, besänftigte weiter sein Gemüt, als er im Wohnbereich quer auf der Couch lag und die neusten Informationen aus dem Extranet verfolgte. Eine synthetische Stimme aus dem Eingangsflur, die mit einem "Willkommen zu Hause" Luceija begrüßte, riss ihn aus seiner Beschäftigung und er erhob sich leicht aus der liegenden Haltung, um über den Sofarand hinweg zum Eingang zu spähen, wo er die eindeutig recht ausgelaugte Luceija erblickte. Er hielt den Blickkontakt nur kurz aufrecht, sank dann wieder in die Sofakissen zurück und tippte beiläufig auf einem Holopad herum, bevor er dann endlich brummte:
    "Schon zurück? Ist doch erst 2 Uhr?", spöttelte er etwas ironisch, schien allerdings in keiner Weise wütend darüber zu sein.
    "Reste sind noch im Kühlschrank", brummte er und fuchtelte dabei mit seiner Hand so locker und beiläufig zur Küche, als hätte es an diesem Tag nie einen Streit gegeben.
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (01.09.2015 um 11:28 Uhr)

  8. #28
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    Die Wand war gerade ihr bester Freund: Er half ihr, ins innere der Wohnung zu kommen ohne direkt auf den dürftigen Teppich zu fallen, der sich über die plastik-metallenen Bodenplatten des Eingangsbereiches erstreckte und harmonisches Wohlsein vermitteln wollte. Er glich ihren leichten rechtsdrall konsequent aus und geleitete sie wie an einem roten Faden in das ebenerdig gelegene Badezimmer, dessen Türe sie nicht einmal gedachte zu schließen. Ohnehin wäre nichts in diesem Raum geschehen, was Sergio nicht schon gesehen hätte - regelmäßig hing die Halbitalienerin nach einer Nacht in diversen Bars (für die sie auf der Erde noch deutlich zu jung gewesen wäre) über der Porzellanschüssel und lehnte sich mit der Stirn gegen den hinteren Teil der Brille. Diesmal bohrten sich ihre kurzen Nägel sogar regelrecht in das harte Material, als Geifer gemischt mit alkoholgetränkter Säure von ihrer Unterlippe in das frisch aufbereitete Wasser tropfte. Unlängst kniete sie auf dem Boden und verfrachtete sich wie automatisch in die höchstmöglich angenehme Position. Sergios Aufruf nach Essensresten im Kühlschrank beantwortete sie mit einem eindeutigen Würgeklang, der wenig später in Spülgeräuschen über ging.
    Nach weiteren zehn Minuten und dem sporadischen Waschen ihrer Hände, war sie sich sicher sich nicht auf dem Weg ins Wohnzimmer nochmal übergeben zu müssen und lies sich stattdessen vollkommen ausgelaugt ins Sofa fallen, welches gegenüber dem ihres Ziehvaters stand. Mit dem Versuch eine Konversation zu ignorieren drehte sie sich jedoch der Lehne entgegen und atmete den künstlichen Geruch von synthetischem Stoff ein.
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  9. #29
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Der ohnehin oft grimmig wirkende alte Mann verzog sein Gesicht leicht bei dem würgenden Geräusch seines Sprösslings im Badezimmer. Dabei war es aber weniger das Mitleid oder die Anwiderung, die ihm diese Grimasse bereitete, sondern die Empörung darüber, wie Luceija ihm sein Angebot auf Selbstgekochtes dankte. Und es war nicht das erste Mal, dass seine mühsam gekochten Speisen ihren undankbaren Magen wieder durch den Mund verließen. Andererseits war er sich sicher, dass jedem anderen, durchschnittlicheren Koch Luceija längst verhungert wäre. Gewöhnt an diese Szenerie, wenn auch diesmal offensichtlich durch Alkohol provoziert, sah er nichteinmal von der Lektüre auf seinem Holopad auf, als sich das dürre Mädchen völlig entkräftet neben ihm auf das zweite Sofa fallen ließ. Ihre Körpersprache, seinerseits nur beiläufig aus dem Augenwinkel betrachtet, zeigte ihm eindeutig, dass sie nicht fähig war, irgendwelche Worte der Kritik prdouktiv aufzunehmen, und so unterdrückte er den väterlichen Drang, ihr etwas über ihr respektloses Verhalten oder ihren zu exzessiven Alkoholkonsum gemischt mit Medikamenten vorzupredigen. Stattdessen schmunzelte er leicht schadenfreudig, als er sicher war, dass sie ihn nicht mehr ansah, erhob sich dann, um ihr die schweren Schuhe von den Füßen zu ziehen, die vom Sofarand hinabbaumelten, und ihr eine dünne Mikrofaserdecke überzuwerfen. Sie zuzudecken schien ihm wohl doch etwas zu kitschig, sodass er ihr die Decke vielmehr zur 'Selbstbedienung' zuwarf, und dennoch hatte die Geste angesichts ihres vorigen Streits etwas Fürsorgliches.
    Gerade hatte Sergio die Lichter auf ein Minimum hinuntergedimmt und die Lautstärke des Extranetmonitors heruntergeregelt, da las er aus dem Augenwinkel einige Worte eines Newstickers am Bildschirmrand: "Drogenhandel unter 'duct rats' nimmt zu - experimentelle Drogen tauchen in den Straßen der Citadel auf"
    Kurz ließ er diese Worte mit einem leicht besorgten Blick auf sich wirken, winkte dann aber ab und wandte sich um in Richtung Schlafzimmer und ließ Luceija somit in der ruhigen Atmosphäre des Wohnbereichs zurück...

    Die 'Nacht', wenn man die durchweg beleuchtete Phase vor den Fenstern überhaupt also solche bezeichnen wollte, fiel für beide Bewohner des Apartments relativ kurz aus. Schon einige Stunden später wurde Sergio vom kontinuierlichen Alarmsignal seines blinkenden Holopads geweckt, als eine Nachricht von höherer Priorität unbedingt verlangte, gelesen zu werden. Der Sizilianer hatte sich in seiner Erschöpfung des Vorabends nichteinmal die Zeit genommen, sich umzukleiden, sondern war mit aufgeknöpftem Hemd, aber noch angezogener Hose bäuchlings auf die Matratze gefallen. Entsprechend zerknittert und geschwollen fühlte sich sein Gesicht daher an, als das nervtötende Geräusch ihn irgendwann doch dazu brachte, seinen Kopf knurrend aus dem Kissen zu drehen und mit ungezielten Handbewegungen nach dem Holopad zu tasten. Es war eine Textnachricht, sodass Sergio nichts anderes übrig blieb, als den Schlaf aus seinen Augen zu reiben und blinzelnd zu versuchen, die Schrift auf dem Pad zu entschlüsseln. Schon jetzt ahnte er, dass es nichts Gutes sein konnte, was er gleich lesen würde, denn niemand schickte noch Textnachrichten außer seinem Zellenleiter, wenn es eine schlechte Nachricht war, bei der er zu feige oder zu beschäftigt war, sie selbst zu überbringen und sich mit einem Streit herumzuplagen.
    Der Text war wie immer mehr als uneindeutig formuliert, um eventuelle ungewollte Mitleser nicht misstrauisch zu machen, doch Sergio begriff den Inhalt dennoch unmissverständlich bereits anhand der Betreffzeile: "Kürzung der Mittel". So oft er die folgenden Worte auch noch mit immer skeptischerem Blick las, er wurde nicht schlauer daraus. In mehr als kurzatmigen und vagen Worten vermittelte ihm die Zellenleitung, dass man die finanziellen Mittel umleite, um effizienter Forschungsergebnisse zu erzielen. Sergios Projekt werde deshalb nun nur noch mit minimalen Mitteln unterstützt. Doch einen Grund dafür lieferte man nicht.
    In den folgenden Minuten wurde das italienische Temperament in Sergio wach, sodass er erst begann zu sich selbst zu fluchen, dann im Zimmer auf und ab zu gehen, hin und wieder die Nachricht erneut lesend, nur um das Holopad dann doch wieder auf das Bett zurückzuwerfen. Schon bald darauf stürmte er schließlich aus dem Schlafzimmer in den Wohnbereich und ärgerte sich dabei beiläufig darüber, dass man die modernen Schiebtüren nicht wütend zuschlagen konnte. In seiner Unruhe nahm er sich keine Zeit für Rücksicht auf die noch immer schlafende Luceija, die sich wie ein Kokon in die dünne Decke eingerollt hatte und sich vor den heller werdenden Tageslichtlampen der Wohnung zu verbergen versuchte. Stattdessen ging er eilig an ihr vorbei und riss ihr dabei die Decke schlichtweg vom Körper. Bereits routiniert genug im Umgang mit der rebellischen Heranwachsenden wusste er, dass dies zum Aufwecken nicht genügen würde und schmetterte ihr deshalb recht kräftig eines der Sofakissen auf die Schulter.
    "Wach Auf, Luci", brummte er dann aufgebracht, "Wir müssen reden"
    Trotz seiner Unruhe nahm er sich daraufhin dennoch Zeit für eines seiner Morgenrituale und beruhigte die nervösen Hände, indem er seine Espressokanne mit Pulver und Wasser füllte und sie auf der modernen Heizfläche abstellte. Dann setzte er sich an den minimalistischen Küchentisch, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und starrte verzweifelt nachdenkend auf die Arbeitsplatte, die Finger ins ergrauende, ungekämmte Haar gekrallt.
    Tjordas ist offline Geändert von Luceija (29.10.2015 um 00:05 Uhr)

  10. #30
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Luci hatte sich die Decke, die Sergio ihr zu und halbwegs auf sie geworfen hatte, größtenteils mit einem umständlichen, trägen Sofa-tanz nach oben gearbeitet und dabei den wohlig-weichen Stoff irgendwie geschafft über sich zu werfen, ohne sich wieder vollständig aufsetzen zu müssen. Mit der selben Trägheit dauerte es daher nicht lange, bis sich die Schwarzhaarige vollständig in den Überwurf eingedreht hatte wie eine kubanische Zigarre und lediglich Nase und Augen noch als letzter, erkennbarer Teil eines Kopfes aus dem Wohlfühl-Burrito herausragte. Dann war und blieb sie ruhig, die aufgebrachte Atmung verlangsamte sich in einen viel gemächlicheren Rhythmus und nur wenig später hörte man das leise Atmen nur noch, als es zwischen ihren Lippen gegen den Bezug der Couch prallte.

    Beinahe und ziemlich plötzlich wach war sie allerdings schon am überaus frühen Morgen geworden. Ächzend hatte sie sich von der Schlafgelegenheit gerade weit genug aufgelehnt um mit noch immer umwickelter Decke auf die noch wackeligeren Beine zu kommen und dann wenig später den Kühlschrank inspizieren zu können. Einer der unscheinbaren, selbstangerührten Vitamindrinks, in dessen trübem Wasser man am Boden ein wenig Fruchtfleisch erkennen konnte, sollte ihren Kater ein wenig dämmen. Wirklich gerne trank sie das Zeug zwar nicht, aber das lag weniger am Geschmack als daran, dass sie sich beinahe schon an die abgepackten Soda-Behälter gewöhnt hatte. Nichts desto trotz waren die Drinks, die zum grössten Teil aus eigens ausgepressten Limetten bestanden - ein wahres Wunder wenn es um Kopfschmerzen und migräneartige Beschwerden ging. Wahrscheinlich wusste das auch Sergio, denn kurz nachdem sie die Schwelle von Kind zu Teenager überschritten hatte und ihr Ziehvater zwangsläufig auch mit einigen sehr weiblichen Problemen konfrontiert wurde (über die sie nie wieder sprachen nachdem alles wesentliche geklärt war), wagte er wohl zu behaupten, dass die Drinks für wirklich JEDES Problem eine Art Ideallösung waren. Vielleicht war Luci auch ganz recht, dass sie nicht genau wusste was alles eingemischt war. Die Schmerzmittel konnte sie allerdings schmecken.
    Nachdem Sergios Vitamin-Pillencocktail tatsächlich besagte Wirkung erzielte und seine Tochter sich sicher war, dass es noch deutlich zu früh war um wach zu sein, lies sie sich einfach wieder - so wie sie war - zurück aufs Sofa fallen und schlief umgehend wieder ein.

    So lange, bis am tatsächlichen Morgen irgendjemand die Dreistigkeit besessen hatte, sie mit einem Kissen wachzudreschen. "Geht's noch?!", brummte sie unzufrieden und krümmte sich noch ein bisschen mehr in die Fötenlage. "Es is viel zu früh, wieso fangen wir - IMMER - früher an!?"
    Demonstrativ legte sie ihren linken Arm komplett auf die Ohren und versuchte den Italiener zu ignorieren. Als der Verlust der Decke allerdings für übermäßige Gänsehaut sorgte, rang sie sich verschlafen dazu auf, sich doch in die sitzende Lage zurückzuarbeiten, die Beine dafür allerdings fest an sich zu ziehen. Sie knurrte unzufrieden. Interessierte sich nur wenig für die Kleidung, die sie bereits am Vortag getragen hatte und jetzt mit etwas Schweiß an ihrer Haut klebte. Momentan hätte sie am liebsten einfach durchgeschlafen bis zum nächsten Morgen. Oder den Morgen danach.. .
    Luceija ist offline

  11. #31
    Ritter Avatar von Tjordas
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    "Wenn dein einziges Problem ist, dass du früh aufstehen musst, dann wird dich sicher freuen, was man mir eben mitgeteilt hat. Womöglich musst du jetzt nämlich nie wieder früh für eine Behandlung aufstehen - weil es vielleicht auch nie wieder eine Behandlung geben wird", brummte er sarkastisch und starrte währenddessen auf die marmorierte Tischplatte, hob seine Augen zu ihr erst dann, als er sich sicher war, dass die Dringlichkeit der Sache bei ihr angekommen war. Er selbst bemühte sich, Ruhe zu bewahren, doch die stetig auf die Arbeitsfläche trommelnden Fingerkuppen zeigten deutlich, wieviel Nervosität unter der Fassade verborgen war. Daher umso ungeduldiger zeigte er keine Rücksicht auf Luceijas angeschlagenen Zustand und deutete daher fordernd mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das Sitzmöbel ihm gegenüber. Nur wenn sie sich tatsächlich zu ihm begab, konnte er sich sicher sein, dass sie auch wach genug war, ihm zuzuhören.
    "Es sieht ganz so aus, als wäre deine Aufmüpfigkeit von gestern der Leitung mehr aufs Gemüt geschlagen als vermutet. Ich habe heute Nacht eine... beunruhigende Nachricht bekommen", leitete er ein, als sich Luceija endlich zu ihm an den Tisch bewegte.
    "Der Alte streicht uns die Mittel", brachte er es dann auf den Punkt, als sie vor ihm zum Sitzen kam, fokussierte ihre Augen kurz, um ihre Reaktion zu beobachten, doch wandte er seinen Blick gleich wieder ab, bevor er fortfuhr.
    "Wir bekommen nur noch das Nötigste: Miete, akuter Personenschutz bei Bedarf und ein paar billige, frei zugängliche Medikamente. Aber alle für unsere Forschungen wichtigen Substanzen werden wegrationiert... Und das ärgerlichste an der ganzen Sache ist, dass dieser verdammte", er verlor kurz seine Fassung und schlug mit der Faust auf den Tisch, "stinkfaule Bürostuhlfurzer sich nichtmal die Mühe gemacht hat, mir eine Begründung zu liefern! Keine schlechten Quartalsanalysen, keine Sparkurspolitik bei Cerberus, keine Ankündigung von Disziplinarverfahren - einfach nichts. Nur eine große, fette Null auf unserem Konto"
    So wie die Worte bis eben aus ihm herausgesprudelt waren, so verstummte Sergio jetzt plötzlich, rieb sich mit der kopfstützenden Hand die Nasenwurzel und seufzte fassungslos. Erst die Kochgeräusche seiner Espressokanne erlösten ihn von der unangenehmen Stille und er stand erleichtert auf, um sich zur Ablenkung zumindest mit dem Servieren zweier Espressotassen beschäftigen zu können.
    Tjordas ist offline Geändert von Tjordas (01.09.2015 um 11:29 Uhr)

  12. #32
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "Moment...", leitete sie ein und rieb sich mit dem Handballen den Teil der Stirn, der beinahe unangenehm pochte. Dabei war sie sich fast sicher, dass es nicht an den Auswirkungen ihres vorangegangenen, eher mauen Besäufnisses war, sondern die tatsächliche Konfrontation mit dieser Neuigkeit, die ihr wahrscheinlich genauso wenig schmeckte wie Sergio. "WAS?!", schien sie wacher, lies die Hand nonchalant in den Schoss fallen und beugte sich ungläubig vor. Es schien als hoffe sie, den zugegeben ziemlich dummen Witz von Sergios erkalteten Gesichtszügen ablesen zu können. "Welcher kleinkarierte Vollidiot kam denn auf DIE Idee?!"
    Wie mit Aufputschmitteln versorgt stand sie rasant auf, hatte in einer nahezu theatralischen Weise direkt eine Hand in ihrem Haar, dass sie sich so zurück über den Kopf kämmte und dabei in einem gedämpften Ton mindestens dreißig verschiedene Flüche in eine unbekannte Richtung aussprach. Dabei war dann SIE es, die abermals regelrechte Furchen ins Parkett zog und nicht länger still sass, denn was das bedeutete lag auf der Hand: Keine Mittel mehr? Das hieß, sie säße bald auf dem Trockenen. Im schlimmsten Fall wäre SIE diejenige, die bald auf der Strasse nach irgendwelchen leichten, gepanschten Drogen betteln musste, weil sie ihren nächsten Schuss nicht pünktlich bekam. Allein der Gedanke bereitete ihr Kopfschmerzen. Aus nächster Nähe hatte sie ja gesehen, was für Zombies sie angebettelt hatten, irgendwelche Tütchen raus zu geben. So wie die wollte sie nie werden. Das waren niedere Kreaturen. Dumme Aasfresser, die den Dreck unter ihren Schuhen nicht wert waren.
    "Und jetzt willst du MIR die Sache in die Schuhe schieben? Wegen ein bisschen dealen?!", wandte sie sich Sergio direkt zu und versuchte dem langsam ansteigenden Pulsieren ihrer Schläfe zu entkommen.
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  13. #33
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    "Ich schiebe dir überhaupt nichts in die Schuhe, Luci", sprach er mit erzwungen ruhigem Ton, während er seinen Kaffee in hohem Strahl in die winzigen Tassen eingoss. Erst, als er beide Tässchen zum Tisch hinüber getragen und Luci ihre Tasse zugeschoben hatte, fuhr er fort.
    "Ich sagte nur, dass der Alte irgendeinen Grund haben muss, den ich nicht kenne. Schuldzuweisungen haben hier keinen Sinn. Die Sache mit der Verhaftung gestern kann nur ein Anlass gewesen sein, kein alleiniger Grund", verfiel Sergio immer mehr in ein Murmeln, bei dem er seine große Nase in das Tässchen hängte und grübelnd in die Leere starrte.
    "Wenn man uns den Geldhahn zudreht, dann kann es nicht nur an unseren Ergebnissen allein liegen. Wir haben jahrelang Gelder verbraucht, das bricht man nicht einfach ungenutzt ab, wenn man keine Alternative hat. Es muss noch irgendein anderes Projekt geben, das eher den Vorstellungen der Zelle entspricht. Irgendetwas mit besseren oder zumindest billigeren Ergebnissen... Ein Projekt, von dem wir beide nichts wissen sollen", brummte der Italiener weiter mit tiefer Stimme vor sich hin, während er das Porzellan in seinen Fingern sachte schwenkte und dann schlürfend einen Schluck daraus nahm.
    Die Zellenstruktur von Cerberus ließ nur zu, dass es sich bei diesem Konkurrenzprojekt um etwas sehr Ähnliches handelte, was Sergio mit Luceija betrieb. Irgendeine Form der postnatalen induzierten biotischen Mutation, nur wahrscheinlich mit anderen Methoden. Aber zumindest die Medikamente müssten doch wohl die gleichen sein?
    Sergio leerte seinen Kaffee in einem Zug und sprang von seinem Hocker auf, um an einem der Wandterminals in der Küche das Extranet anzuwählen.
    "Wir müssen zum Lager unseres Pharmalieferanten", erklärte er dann eilig über seine Schulter, während er bereits die Adressdaten ausfindig machte und ein Skycar zu diesen Koordinaten orderte.
    "Wenn wir diejenigen finden, die die selben Präparate erhalten wie wir, wissen wir sicher bald mehr"
    Schon Sekunden später stand Sergio in der Garderobe und warf sich eine dünne Jacke über, doch bemerkte er, dass Luceija in ihrem Kater wohl weniger Motivation hierfür aufbrachte.
    "Mach schneller, Luci. Ein Lager voller Drogen - wenn dich das nicht aufweckt, ist dir wohl nicht mehr zu helfen", spöttelte er, bevor er, erst halb in seinen Schuhen, aus der Haustür stürzte.
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  14. #34
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Ein glatter Durchbiss würde es sein, wenn sich Luci weiter auf das Kauen auf ihrer Unterlippe konzentrieren würde. Die Halbitalienerin kam sich vor, als stünde sie unter Schock und schien nach und nach mehr zu realisieren, was das Streichen der Gelder wirklich für sie bedeutete. Schnell, und tief in ihren Gedanken versunken, versuchte sie abzuzählen, wie viele Mittel sie noch hatte Abzweigen und in ihr geheimes Lager hatte bringen können. Sie zählte, begann nochmal von neuem, aber in ihrer schieren Panik, komplett aufzulaufen, gelang es dem schwarzhaarigen Mädchen nicht, sich an alle einzelnen, abgepackten Dosen zu erinnern. Das Zählen mittels ihrer Finger nutze dabei auch nichts - noch immer war das Gefühl in ihrem rechten Arm noch nicht gänzlich zurückgekehrt - ein weiterer Punkt, der sie beunruhigte. Was, wenn die Mittel fehlen würden um DAS zu korrigieren? Einfach so in eine normale Klinik konnten sie nicht fahren - man würde Fragen stellen und ganz davon ab traute sie in medizinischen Dingen ohnehin nur Sergio. "Was-", kam sie fast nicht hinterher und wandte sich rasch um, wo sie entsetzt feststellen musste, dass er schon aus der Türe verschwunden war. "Verdammt..", knurrte sie gerade rechtzeitig um zu ihren Schuhen zu rennen, die sie erst noch mit einer ebenso großen Hektik suchen musste. Gerade so erreichte sie das wohl in der Vergangenheit oft benutzte Schuhwerk, schlüpfte umständlich in einen und rief dem Älteren direkt und ohne zu lange überlegen hinterher.
    Nichtmal dran gedacht die Schnürsenkel zu binden, schlenderte sie hinterher und hämmerte mit der Faust auf das Panel, dass an der im Winkel zur Tür liegenden Wand angebracht war, bis es tiefrot leuchtete und signalisierte, dass der Zugang nun verriegelt war. Ohne eine entsprechende Keycard und den Code war ein Eintritt damit zumindest verhindert. Auch hierbei wusste weil sah sie zwar, dass sie auf das Panel einschlug, aber sie spürte keinen Widerstand, was ihr am nächsten Tag wohl zum Verhängnis werden und in einer noch lädierteren Hand enden würde.
    "Wo genau willst du da halten?", sprintete sie nach und holte den Italiener ein, als er gerade um die Ecke bog und einen Wagen anpeilte, den er wohl eben erst vor ihre gemeinsame Wohnung beordert hatte. Luci erinnerte sich noch an das Gebäude, an dessen Rezeption sie einmal gesessen und gewartet hatte. Mit einer deutlichen Ungeduld. "Die lassen uns doch noch nie da rein wenn sie sehen, dass wir in 'nem öffentlichen Shuttle dort auftauchen." Noch einmal verfrachtete das Mädchen ihre langen Haare mit der Hand zurück und schmeckte noch immer die Überreste des Alkohols von letzter Nacht auf ihrer Zunge, die sich unterdessen anfühlte, als wäre sie pelzig. Ob es zu spät war unterwegs noch kurz zu halten um eine Flasche Hochprozentiges zum Spülen zu besorgen?
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (29.10.2015 um 00:04 Uhr)

  15. #35
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Etwas ungeduldig wartete Sergio neben der Tür, während Luceija begann, die Türverriegelung zu programmieren. Er selbst wäre wahrscheinlich erneut ohne sie auch nur zu schließen nach draußen gestürmt. Er war es einfach sein Leben lang gewohnt gewesen, dass in seinem Haus alle Türen zu seinen Gärten hin offen standen und so eine sanfte Meerbise durch die Flure strömen konnte. Es hatte genug freies Gelände um sein Grundstück herum gegeben, sodass ihm sowieso jeder neugierige Blick erpart geblieben war. Doch hier auf der Citadel war es ein Risiko, den Nachbarn auch nur einen kurzen Blick durch den Türspalt zu gewähren. Umso ungeduldiger betrachtete Sergio Luceijas Finger, die auffällig grobmotorisch die holografischen Felder eher wie Trommeln spielten, obwohl schon ein zarter Wink aus dem Handgelenk zur Betätigung genügt hätte.
    "Immernoch taub?", brummte er mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis, obwohl er die Antwort wohl schon kannte.
    "Wir kümmern uns später darum - wenn die Hand bis dahin nicht schon abgefault ist", spöttelte er mit einer Ernsthaftigkeit, die seinen ohnehin makaberen Witz noch unangebrachter wirken ließ. Er wusste, dass ihre Symptome nichts Ernstes waren. Doch insgeheim versuchte er mit seinem schwarzen Humor wohl nur zu kaschieren, dass sie schon sehr bald zu etwas Ernstem werden konnten, wenn der Nachschub ausblieb. Er zögerte daher nicht lange, sondern stürmte bereits, die Hände noch in den Kitteltaschen, mit klackenden Schuhen die Treppe hinunter, und den Ausgang hinaus, wo bereits ein Skycar schwebte und einladend die Fahrerkabine automatisiert öffnete.
    "Oh, sie werden uns mit Sicherheit zumindest anhören, immerhin gehören wir zu deren besten Kunden. Der Kunde ist König - vor allem, wenn dieser Kunde zehntausende Credits im Monat einbringt", murmelte er zur Antwort etwas undeutlich vor sich hin, als er sich in den Sitz pflanzte.
    "Also, mach beim Einsteigen keine Kratzer in deinen vergoldeten Arsch", schmunzelte er ihr frech zu und gab dann die Zielkoordinaten ein.

    Die Eingangshalle von Kenotam Biosolutions sah genau so aus, wie man sich die Lobby einer Pharmafirma vorstellte: grell beleuchtet, klinisch rein und strahlend weiß mit nur sehr minimalistischer Einrichtung. Wo man sonst einen dekadenten Springbrunnen als Zierde erwartete, gab es hier eine Art Kraftfeld, das mehrere pastellfarbene Flüssigkeiten in wabernden Kugeln langsam in Spiralen schweben ließ, sodass sie ein hypnotisches Farbenspiel ergaben. Dahinter, an einem komplett gläsernen Tresen, saß in ebenfalls weißer, langer Kleidung eine Asari - offenbar die Rezeptionistin - und erhob sich sofort zum Stand, als sie Sergio und Luceija den Raum betreten sah. Sanft lächelnd sah sie beiden entgegen und begrüßte sie freundlich, als sie in Hörreichweite kamen.
    "Doktor Vittore!", jauchzte sie übertieben fröhlich auf, nachdem sie kurz auf den Monitor neben sich geschielt hatte, wohl um den Namen ihres Gegenübers abzulesen.
    "Willkommen bei Kenotam Bio Solutions. Was verschafft mir die Ehre, eines persönlichen Besuchs?"
    Sergio hasste diese elends langen Begrüßungsfloskeln und überstand sie nur, da seine Finger unterdessen zur Beruhigung auf die Glasplatte trommeln konnten.
    "Jaja", winkte er dann ab ohne die Begrüßung auch nur irgendwie zu erwidern, "ich habe nicht viel Zeit. Sehen Sie, das hier ist meine Tochter, die ich mit der Hilfe Ihrer Medikamente seit Jahren wegen eines seltenen Gendefekts behandle"
    Die Asari musterte Luceija einen Moment und hob dann den Kopf leicht zum Zeichen des Verständnisses, doch betonte sie dies so übermäßig, dass die Scharade dahinter klar war. Die Firma war längst nicht so blütenrein, wie es die Dekoration im Eingangsbereich zu suggerieren versuchte. Kenotam war eine gut verheimlichte Tochterfirma von Binary Helix, die wegen des schlechten Rufes bezüglich illegaler Forschungen und Produkte als unschuldiges Verkaufsgesicht ihres korrupten Mutterkonzerns diente. Jedoch wussten beinahe alle Kunden stillschweigend, mit wem sie hier wirklich Geschäfte machten und waren meist selbst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Doch Kenotam war wiederum bekannt für seine Kundendiskretion - und ließ sich diese zudem gut bezahlen. Der Asari hinter dem Tresen schien daher klar zu sein, dass sich hinter Luceija wohl kaum jemand mit einem seltenen Gendefekt verbarg, auch wenn sie über die wahren Verwendungszwecke der Medikamente nur rätseln konnte.
    "Ich verst-"
    "Sie müssen gar nichts verstehen, hören Sie einfach zu", unterbrach sie der Italiener und konnte dabei nur gerade so sein Temperament abfangen.
    "Irgendetwas scheint mit der letzten Charge der Apoptosebeschleuniger und Schmerzmittel nicht in Ordnung gewesen zu sein. Seit der letzten Injektion kommt es bei ihr zu Bindehautentzündungen und Taubheit der Gliedmaßen. Sehen Sie?"
    Er deutete auf Luceijas Augen, die vom morgendlichen Kater noch immer rot unterlaufen wirkten, zog dann seine Nagelfeile aus der Kitteltasche, um mit der Spitze sachte in das Fleisch ihrer Handfläche zu stechen.
    "Völlig taub!", ergänzte er zur Erklärung, als Luceija die Hand weiter völlig ruhig hielt.
    "Das ist unmöglich, Mr. Vitto-"
    "Doktor", unterbrach er die Asari wieder, um sie weiter zu verunsichern.
    "Doktor Vittore. Die Nebenwirkungen müssen eine andere Ursache haben"
    "Und doch sind sie eindeutig da, Verehrteste. Und ich bin sicher, dass es von den Apoptosehmmern kommen muss, denn ich habe eine chemische Analyse des Wirkstoffes vorgenommen und dabei erhebliche Quecksilberverunreingungen gemessen. Bei Ihrem Fertigungsvorgang wird eindeutig gepfuscht und ich bin hier, um meinen Liefervertrag aufzulösen."
    "Aber ich bitte Sie, Doktor, ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Kommen Sie, ich lade Sie ein, eine unserer Fuhren zu untersuchen. Eine zufällige Stichprobe, wenn Sie möchten. Es kann sich nur um einen unglücklichen Zufall gehandelt haben. Unsere Qualität ist weiterhin hervorragend"
    "Unsinn. Die restliche Ladung ist sicher genauso schlecht verarbeitet wie meine. Ich will sofort Beweise sehen, oder sie sehen keinen müden Credit mehr von mir auf Ihrer nächsten Monatsabrechnung", zeterte er lauthals, während er bereits in Richtung des Personaleingangs strebte und die Rezeptionistin somit nahezu zwang, ihm zu folgen.
    "Und du fasst derweil nichts an, Luci, hörst du. Vorallem nicht den Terminal!", konnte er noch rufen, ehe er hinter der Tür am anderen Ende der Halle verschwand und die Asari mit sich zog. Wie stark er seine Bitte an Luceija betont hatte, sprach wohl Bände davon, was er tatsächlich von ihr verlangte.
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  16. #36
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Im selben Moment, indem die Nagelfeile in das Fleisch der fünfzehnjährigen gestochen wurde - wenn auch nur sachte - zuckte unbemerkt ihr linkes Bein, dass hinter dem Tresen und bei ihrer geringen Größe kaum auffiel. Auch nicht, weil Sergio keine langen Phrasen um diese Tat knüpfte und so ziemlich rasch ihre Taubheit präsentieren wollte, wobei ein minimales Zucken nicht aufgefallen wäre. Vielleicht wäre sie vor Schreck zusammengezuckt, würde die Asari womöglich denken. Stattdessen hatte ihr Vater einfach in spontaner Präsentationswut vergessen um welche Hand es sich handelte und die vollkommen Gesunde mit dem Stich traktiert. Jetzt, da er um die Ecke war und sie ihr Pokerface nicht mehr aufrecht erhalten musste, stieß sie einen gebrochenen Fluch aus und begutachtete die Einstichwunde, aus der nur der minimale Tropfen Blut quellte. "Ouch!", keuchte sie und rieb den Blutfleck knurrend an ihrer Hose ab.

    "..nicht das Terminal anfassen..", wiederholte sie flüsternd und kam dabei nicht umhin verschmitzt zu schmunzeln. "ist klar, Doc."
    Kaum, dass sie nochmals einen Sicherheitsblick um die Ecke geworfen hatte, schwang sie ihre schmale Hüfte um den gläsernen Eingangstresen und den Hintern auf den hochmodernen Bürostuhl, der offenbar für alles designt war aber nicht für Komfort über mehrere Stunden. Wie die Blaue das aushielt war Luci Schleierhaft. Schon jetzt beim Versuch es sich hier mehr oder weniger bequem zu machen, scheiterte sie kläglich und musste mangels Lehne und dank sehr bewegungsfreudiger Teleskop-Bodenbefestigung aufpassen, nicht rücklings auf den Boden zu fallen. Diese Hürde allerdings rasch bewältigt nutzte sie ihre geringe Zeitspanne aus um den Monitor zwischen den beiden metallenen Fassungen aufleuchten zu lassen und mit einer Gestensteuerung die Kundenunterlagen durch zu sehen.
    Zugegeben hatte die Halbitalienerin keine überschwänglich hohen Kenntnisse im Terminal-Hacking. Aber Cerberus legte großen Wert darauf, dass mitunter auch diese Basics problemlos erlernt werden konnten, weil in DIESER Welt absolut nichts mehr ohne aktuelle Technologien ging. In ihrem Alter diese Basics anzutrainieren war natürlich verhältnismäßig leicht, deshalb glich dem was sie brauchte größtenteils ohnehin keinem Hacking sondern dem simplen, effektiven Handling besagter Technologien. Bald schon war ihr klar, welches Tab sie zu den Kundeneinträgen bringen würde und noch schneller wurde ihr bewusst, dass es ab hier einem kleinen Glücksspiel glich, den Zugang zu bekommen - hätte sie da nicht das praktische Modul, dass sie an die Seite des PCs klemmte und ein Programm startete, welches den Löwenanteil der Arbeit erledigen würde.
    "Schneller...komm schon..", motivierte sie die Technik leise und warf immer wieder einen routinierten Blick über die eigene Schulter. Sie hörte Stimmen. Was genau Sergio mit der Asari tat um sie abzulenken konnte sie sich nur ausdenken. Aber Ewigkeiten durfte die Schwarzhaarige nicht aufwenden. Deshalb reagierte sie schnell und versuchte ins Backup-System des hauseigenen Programmes einzudringen. Gerade noch rechtzeitig wandte sie den simpelsten aller Tricks an und kopierte einfach die Datenbank auf das ohnehin schon mitgeführte Modul. Jetzt war es eine Frage der Zeit...
    17 Sekunden...14 Sekunden...
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  17. #37
    Ritter Avatar von Tjordas
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    Mit einer gewissen Befriedigung konnte er um den Rahmen der Tür herum noch erspähen, wie sich Luceija in unbeteiligtem Gang auf das Terminal zubewegte und somit wohl seine Botschaft verstanden hatte. Dann löschte er eilig den freudigen Ausdruck aus seiner Miene, denn sein Schauspiel verlangte, weiterhin das südländische Temperament wirken zu lassen. Die Asari führte ihn inzwischen durch einige Gänge zur Lager- und Abfertigungshalle der Firma, oder vielmehr führte Sergio sie dorthin und ließ sich nur hin und wieder an Kreuzungen in die richtige Richtung weisen.
    "Ich muss Sie allerdings bitten, den Ablauf nicht unnötig zu stören. Wir sind heute eigentlich nicht auf Besucher eingestellt, also bitte fassen Sie nichts ohne meine ausdrückliche Erlaubnis an", mahnte die blau-lila gefärbte Rezeptionistin hinter einem zarten Lächeln versteckt, während ihre Hüften rhythmisch durch eine der größeren Türen hindurch wiegten und sie mit einer fließenden Bewegung der Hand Sergio einlud, in die Halle einzutreten.
    Der Anblick war tatsächlich beeindruckend: Eine circa zwanzig Meter hohe Decke überdachte ein Lager, das komplett aus Edelstahl bestand und daher einen beinahe unheimlichen, reinlichen Glanz ausstrahlte. Gang für Gang reihten sich turmhohe Schubladenregale hinauf, sodass deren oberes Ende nur dank einer gedimmten, bläulichen Deckenbeleuchtung zu erkennen war. Etwa zwei dutzend Dronenroboter schwirrten derweil wie Insekten zwischen den Schubladen des Lagers hin und her, um wie ein Bienenschwarm den pharmazeutischen Pollenstaub zu den Transportfahrzeugen zu tragen. Ein wenig einschüchternd wirkten hingegen die Mechs, die sich vor jeder Regalreihe stramm aufreihten und ihre Gewehre im Anschlag hielten. Offenbar kamen tatsächlich hin und wieder einige Banden auf die absurde Idee, einen multinationalen Konzern an ihrer Hauptschlagader berauben zu können.
    Nach diesem kurzen Moment der beeindruckten Musterung der Halle sammelte sich Sergio dann wieder und stieß zu seinem eigentlichen Vorhaben vor.
    "Schön und gut - Jetzt führen Sie mich bitte zu diesen Medikamenten auf meiner Liste, damit ich eine Stichprobe nehmen kann", forderte der Italiener und klopfte dabei zweimals auf das Holopad in seiner Hand.
    "Das wird nicht nötig sein", lächelte die Asari und machte dabei eine beschwichtigende Geste, die Sergio an intergalaktische Ritter aus einer frühmodernen Science-Fiction-Reihe erinnerte, auf die er kürzlich zufällig im Extranet gestoßen war, "Unsere Dronen bringen Ihnen einfach die Stoffe auf Ihrer Liste und-"
    "Nichts da", unterbrach Sergio sie erneut energisch, "Ich will selbst eine Packung aus dem entsprechenden Fach nehmen. Ihre Dronen bringen mir doch sicher nur die Vorzeigeprodukte, so einfach lasse ich mich nicht verarschen", forderte der Doktor mit dem obligatorischen Gefuchtel beider Hände, um seiner Wut Audruck zu verleihen. Die Asari schien ganz und gar nicht erfreut darüber zu sein, nun auch noch selbst diese Handarbeit verrichten zu müssen, doch ohne irgendwelche Widerworte nickte sie schließlich mit zusammengepressten Lippen.
    "Folgen Sie mir", lud die Asari ein und Sergio ahnte trotz ihres höflichen Tonfalls, dass sie davor war, ihre Geduld zu verlieren, denn sie begann, ihre Höflichkeitssignale allmählich auf das Nötigste zusammenzukürzen. Die Rezeptionistin führte Sergio in weiterhin elegantem Schritt auf eine mit einem Geländer gesicherten Hebebühne, die sie mit einem kleinen Joystick zu den entsprechenden Schubladen in schwindelerregenden Höhen im oberen Teil der Regale steuerte. Bei jeder der Schubladen, die sich etwa zwei Meter herausziehen ließen, nahm sich der Doktor alle Zeit der Welt, in Ruhe das für ihn richtige Paket der Medikamente auszuwählen, es langsam auszufalten und einige Pillen oder Ampullen in entsprechende Teströhrchen aus seinen Kitteltaschen umzufüllen. In dem einen oder anderen unbeobachteten Moment konnte er schhmunzelnd beobachten, wie die Asari unterdessen die Augen rollte oder die Arme frustriert vor der Brust verschränkte.
    Die Odyssee hatte sicher gute zehn Minuten in Anspruch genommen, sodass sich Sergio nun sicher sein konnte, dass Luceija genug Zeit für ihre Aufgabe hatte. Unter weiteren Flüchen und Androhungen rechtlicher Klagen kehrten die beiden nach dieser Frist lauthals aus dem Seitenflur der Eingangshalle zurück, um ihre Ankunft für Luceija überdeutlich anzukündigen. Ohne weitere Verabschiedungen trennte sich Sergio jetzt direkt von der Asari und ging dicht an Luceija vorüber, mit einer kurzen Geste zum Ausgang winkend.
    "Sie hören von uns!", bellte er noch hinter sich, ehe er gemeinsam mit Luceija aus dem Gebäude trat.
    "Du hast doch aber nichts angefasst, oder?", fragte er sie dann mit einem kurzen Zwinkern, noch immer getarnt, für die Eventualität ungewollter Zuhörer. Zügig begab er sich derweil zurück zum Skycar und schwang sich in die Fahrerkabine, um hier unegstört mit Luceija sprechen zu können.
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  18. #38
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    "Fast nicht", war die Italienerin sich sicher und stieg mit einem fragwürdigen Schmunzeln zurück in das bereits wartende Skycar. Dass die beiden ein eingespieltes Team waren, wenn es um solcherlei Methoden der Informationsbeschaffung ging, wurde selbst dem eingeschränktesten schnell klar. Offenbar waren solche Aktionen nicht nur einmal abgelaufen - vielleicht nicht unbedingt in exakter Form, aber zumindest ähnlich genug. Und auch wenn Luci kein absolutes Ass im Hacken war, waren ihr die Handgriffe, die sie getan hatte, durchaus einfach gefallen - auch, wenn man die paar Gestensteuerungen nicht wirklich als Handgriffe bezeichnen konnte. "Da die aber mit Sicherheit keinen Test durchführen werden, wie und warum der arschförmige Abdruck auf dem Sitz etwas kleiner geworden ist, kannst du mal davon ausgehen, dass das unser kleines Geheimnis bleibt."
    Luci hatte einen beinahe ungesunden Faible für illegale Tätigkeiten entwickelt, das würde Sergio schnell klar werden. Wahrscheinlich lag diese Tatsache darin begründet, dass die Hemmschwelle bei dem ohnehin sehr kriminellen Lebensstil der Beiden derartig tief war, dass ihre Moralvorstellungen irreversibel verkorkst waren. Nicht, dass Sergio behauptet hätte sie wären das. Das war nichts weiter als ein Blick von Außen - eine Prognose der bürgerlichen Schmarotzer und Langweiler. Die, die einem Mädchen wie Luci nichts zugemutet hätten, nein, die auf Sizilien selbst sogar der Ansicht waren, man müsse das Mädchen mit einer Art ehrfurcht begegnen die man hatte, wenn man einem Rollstuhlfahrer oder anderweitig Behinderten zu nahe kam. Ob man es wollte oder nicht, die Fassade ihrer Krankheit verleitete nahezu ausnahmslos jeden dazu, sie mit dem sprichwörtlichen Samthandschuh anzupacken. Ein Fehler dererseits, den Luci nur zu gerne ausnutzen würde, wenn die Leute derartig dumm und naiv waren. Und eine fehlende Eigenschaft, die sie bei Sergio unheimlich genoss (wenn auch nicht zugeben würde).

    Jetzt, angekommen auf dem Beifahrersitz, präsentierte sie in ihrer funktionstüchtigen Hand den beinahe winzigen Stick, den sie eben noch mit den Daten gefüttert hatte und kicherte bei deren Anblick wie eine Angetrunkene (die sie allein der betäubenden Mittel wegen und dem prägenden Schlafmangel vielleicht sogar etwas zu perfekt imitieren konnte). "Könnten wirs uns nicht einfacher machen..", offenbarte sie Teil eins ihres Planes, unterbrach sich dann aber für einen tiefen Luftzug, als habe sie gerade ein paar Treppen zu schnell genommen, "...und einfach deren Konten räumen? Damit sollte das doch gehen." Mit fragendem Blick bedachte sie den Fahrer und war für eine Sekunde heilfroh, dass sich die Türen des Shuttles automatisch schließen konnten - mangels Gefühl im Arm wäre alleine diese Tätigkeit ein Spaß für die nächsten, folgenden Stunden gewesen.
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  19. #39
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    Mit einem zufriedenen Grinsen fokussierten sich Sergios Augen auf den kleinen Datenträger zwischen Lucis Fingern. So ungeduldig griff er danach, dass er beinahe vergessen hätte zu würdigen, wie gut Luceija inzwischen mit ihm zusammenarbeitete. Doch für mehr als ein anerkennendes Nicken in ihre Richtung trieb ihn dann doch zu sehr die Neugier. Kaum hatte er den Bordcomputer angwiesen, die beiden zu ihrer Wohnung zurückzumanövrieren, zog er den Stick aus ihren dünnen Fingern und ließ ihn direkt in seiner äußeren Kitteltasche verschwinden. Direkt danach wählte er an seinem Omnitoolimplantat das externe Speichermedium an und übertrug die Daten drahtlos auf die Holoprojektion über seinem Unterarm. Luceijas Anstiftungen zum schweren Diebstahl quittierte er in seiner Konzentration nur mit einem kurzen Schmunzeln, während vorbeirauschende Datensätze sein Gesicht von unten in leichtem Orange beleuchteten.
    "Du glaubst doch nicht, dass alle wichtigen Transaktionsschlüssel der Firmenkonten auf einem Computer an der Rezeption gespeichert sind, oder?", brummte er dann und wählte sich dabei einige Menüpunkte weiter, "Das hier sind offiziell vertrauliche, aber schlecht geschützte Datensätze über Kundenbestellungen. Es gibt keinen Grund für die Firma, diese mit mehr als dem Nötigsten zu schützen. Aber wenn du einen größeren Coup planst, bei dem wir uns in weniger als einer Minute durch zahlreiche Sicherheitsebenen hacken, Unsummen auf zahlreiche anonyme Konten quer über die Terminus-Systeme überweisen und uns für die nächsten zwanzig Jahre auf einem Strandplaneten verstecken: Ich bin ganz Ohr", witzelte er spöttisch, auch wenn er dabei sichtlich zumindest für eine Sekunde selbst von dem utopischen Gedanken angetan war, all die moralisch zweifelhaften Experimente für militante Organisationen hinter sich zu lassen und seinen Lebensabend lieber mit karibischen Cocktails als mit kriminellen Kindesausbeutungen im Namen der Wissenschaft zu verbringen. Doch als er seine Suchanfrage nach dem Medikamentennamen abschickte und direkt eine Trefferzeile rot markiert aufleuchtete, zog es Sergio wieder in die Realität zurück.
    "Okay, ich habe hier was...", klärte er dann nach längerem Schweigen Luceija auf, der er nun auch einen Blick auf die Bildfläche gewährte.
    "Ein Kerl aus dem Bachjret-Ward bestellt seit zwei Jahren in ähnlichen Zeitabständen die gleichen Medikamente wie wir. Das Geld dafür kommt von einem Kontoinhaber, dessen Name für mich eindeutig nach einem typischen Cerberus-Decknamen aussieht. Und jetzt das beste: Seit einem Monat erhält er von unserem Lieferanten die doppelte Menge. Sieht ganz so aus, als würde man jemandem die Bestände aufstocken, während man sie uns streicht", fasste Sergio ihr in geduldigen Worten zusammen, während er selbst bereits überlegte, was die Konsequenz aus dieser neuen Erkenntnis war.
    "Seine Adresse steht hier... Ich weiß nur nicht, ob wir so plump sein sollten, ihm tatsächlich einfach einen Besuch abzustatten"
    Inzwischen durchflog das Shuttle nach einer scharfen Kurve einen schwach beleuchteten Korridor zwischen einer Reihe von Wolkenkratzern und überdacht von deren freischwebenden Querverbindungen. Schon einige Sekunden später wurde es innerhalb der Passagierkabine so dunkel, dass nur die in sekündlichem Rhythmus vorbeiziehenden quadratischen Lichtflächen der blauen Korridorlampen Sergios Gesicht immer wieder in einer Reihe unzusammenhängender Einzeleindrücke aus den Schatten hervortreten ließen.
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  20. #40
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    Luceija zeigte wenig Respekt. Nicht nur gegenüber älteren, gleichaltrigen, geschweige denn jüngeren...sie zeigte auch keinen gegenüber dem Eigentum anderer. Vielleicht war dies auch nur ein weiterer Abklatsch von vielen Ticks seitens ihres Adoptivvaters. Vielleicht aber auch nur ein aus der Pubertät heraus entwickelter Dreh in ihrem Oberstübchen, dass sie mit dieser 'Leckt mich, Leute'-Haltung durch die Welt stiefelte. Aber auch, wenn es wirklich nur das war, dass sie die Füße überkreuz ein weiteres Mal auf die Konsole des Wagens legen lies und den Sitz weit genug zurück fahren lies, bis sie noch immer einen Blick aus der Windschutzscheibe hatte aber es deutlich bequemer für das Mädchen wurde, war eines sicher: Am wenigsten Respekt hatte die Schwarzhaarige vor sich selbst. Dabei war es nicht mal Selbsthass, der sie durchzog sondern einfach nur kühle Gleichgültigkeit. Bereits in ihrem zarten Alter war ihr - sofern man die Ausrede des Gendefekts nicht glauben wollte - die Drogenabhängigkeit ins Gesicht geschrieben und trotzdem erschrak sie nicht, wenn sie morgens in den Spiegel sah. Interessiere sich weder für ihre viel zu blass gewordene Haut, die nicht länger von Siziliens Sonne beschienen und wenigstens über dieses Symptom hinweg getäuscht hätte, noch für das bald permanente Rot in ihren Augäpfeln. Den schläfrigen oder deutlich zu wachen Blick. Oder auch nicht für das Gefühl der Nadel, die sie sich - wie sie es jetzt tat - regelmäßig ohne mit der Wimper zu zucken aufgezogen in die Hüfte rammte und beinahe jegliches Gefühl für Sanftheit dabei verlor. Man könnte meinen, dass sie darauf bestand den Einstich zu spüren, so, wie sie die Augen verdrehte, ein leichtes Seufzen zwischen den jugendlichen Lippen hervorquoll und sich ihre Glieder just in dem Moment entspannten, in dem sie den Kolben vollständig entleert hatte und die leere Hülle zurück ins Handschuhfach warf.

    Für Sergio wäre der Anblick wohl der normalste überhaupt, für andere hingegen eine unaussprechliche Untat. Luci zuckte jedoch nur mit der lebendigeren Schulter von beiden und kuschelte sich regelrecht mit dem Kopf in den Sitz, während sie ihren Blick auf ihren Vater richtete. "Also..ich hätte schon irgendwie Lust mal wieder bei ein paar Idioten einzusteigen. Aber mit dem hier", sie hob ihren tauben Arm gerade so an, damit es als Andeutung genügte, "komm ich nich' weit."

    Sie lächelte verklärt, warf dann aber lange Blicke auf die Umrisse des Älteren, die nur hin und wieder in der sachten Beleuchtung des Tunnels aufflackerten wie in einem Kerzenschein und sogleich wieder verschwanden. Sie betrachtete ihn wie ein teures Ausstellungsstück - mit Ehrfurcht und einem gewissen Stolz. Viel zu lange, als dass ihr Gedankengang nicht derartig melancholisch enden konnte. "Und was ist...", beendete sie die Stille, da waren sie noch lange in den Tunnelbereichen unterwegs. "..was ist, wenn ich für Cerberus einfach nicht gut genug bin?"
    Die Worte waren ungewohnt klar für eine zugedröhnte, pubertäre Fünfzehnjährige und sprachen mit der selben Ehrfurcht wie ihre Blicke es schon taten. Nein, Respekt vor sich selbst oder 'anderen' kannte sie nicht. Aber da war diese Götzenfigur. Dieses Idealbild, diese Perfektion 'Cerberus' - diese unbeschreiblich stolze, liebende aber auch strenge Familie, die sie regelrecht anbetete. Dessen Lektüre sie las, von dessen Teller sie aß, in deren Räume sie wohnte, nach dessen Doktrin sie lebte und in dessen Arzt sie erst einen Vater fand. Für die sie lebte und bereits jetzt, mit der gleichen Rücksichtslosigkeit des Nadelstichs in ihr Fleisch ihr junges Leben lassen würde, wenn es nötig war. Auch, wenn sie Angst vor dem Unbekannten hatte, dass danach folgen würde - oder dem Nichts, dass dort auf sie wartete.
    "Was ist, wenn...wir alles richtig gemacht haben, aber ich einfach nicht richtig bin? Wenn Cerberus so entscheidet, kann es doch nicht falsch sein..? Sind wir dann nicht die Idioten, wenn wir sie angreifen?"
    Luceija ist offline

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