Zitat von
AeiaCarol
Er hörte sie nicht. Luceija verschwand voll und ganz von seinem Radar, als das Licht auf ihn herabrieselte. Wie ein leichter Sommerregen, der mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen genossen werden musste. Und wahrlich-...Stand er eine Sekunde so auf der Bühne und erhob sich über allen anderen. Bis da dieser Mann war, der ihm dezent gereizt am Ärmel zupfte und sich räusperte.
"Mister, ich glaube Sie sind hier falsch. Völlig falsch.", meinte er und musste sich zeitgleich wohl oder übel von Leif taxieren lassen. Dessen Missbilligung war kaum zu übersehen, als er die Nase rümpfte, seinen Arm der Geste des Mannes - Ohja, er wusste wer dieser Kerl war - entzog und sich demonstrativ abklopfte.
"Ich glaube ich bin hier sehr richtig, Herr Direktor.", pfiff er in jungenhaftem Ton und fuhr mit der Hand durch sein zerzaustes Haar. Es fiel Leif schwer, die Gedanken darunter noch schnell genug in die richtige Reihenfolge zu bringen, aber das Bild vor ihm half und gab rasch preis, wo er wirklich war. Auf seinem Abschlussball in diesem viel zu großen Anzug. Samt der Fliege, die wahrscheinlich sogar sein Vater irgendwann einmal getragen hatte. Ednas Geschmack war nicht gerade das, worauf Teenager von Welt sich verlassen sollte. Zumal sie ihm geraten hatte, diese vermeintlich peinliche Abschlussrede Zuhause zu lassen. Die Tasche des Sakkos in die er griff, war nämlich leer.
"Fein-...", sagte er sich selbst und atmete tief durch. Dann würde er es eben so machen. Was hatte er zu verlieren? Seine Würde hatte man an dieser Schule inmitten schwedischer Idylle ohnehin in den letzten Jahren wieder und wieder in Stücke gerissen. So sicherte er sich wenigstens einen unvergesslichen Abgang. Von wegen, Skandinavier waren das nette und unvoreingenommene Völkchen.
"Tzeh!", blaffte er ungewollt laut in das bereitgestellte Mikro und alles im Saal erschrak. Ja... Mit ihm hatte keiner gerechnet. Allein die Elfmeter lange Enttäuschung der Gesichtsbremsen in der ersten Reihe machte ihn glücklich. Über alle Maßen sogar. Wäre die Laune seiner Mitschüler jeden Tag so sichtbar schlecht, dann würde er glatt noch eine Weile bleiben. Aber so... Sprach er lieber. Etwas zu laut, wie alle fanden. Außer Leif.
"Also... Mein Name ist Leif Svensson und ich bin nicht sehr froh hier zu sein, aber trotzdem nehme ich die Wahl zum Ballkönig natürlich an.", seine Stimme war noch etwas wackelig, aber die Zuversicht baute auch sie langsam auf.
"Ich habe meine Rede leider Zuhause vergessen und-... Naja, eigentlich ist es komisch dass ich überhaupt eine habe, weil eine Menge von euch mir ja ausgeredet haben mich zur Wahl zu stellen, aber wie ihr seht-...", er zuckte unschuldig mit den Schultern. "Habe ich mich am Ende doch noch dazu entschieden sie zu manipulieren. Irgendjemand Konfetti?", Leif steckte seine Hand zurück in die Tasche, die eigentlich einer eher wenig festlichen Lederkutte glich als dem, was er glaubte zu tragen. Als niemand auf seine Frage reagierte, sondern es nur weiter lange Gesichter waren, die ihn verständnislos ansahen, warf er die beschrifteten Papierzettel eben ungefragt in die Luft.
"So.", kommentierte er trocken die Fetzen, die überall in hochdrapierten Vogelnestern landeten und verschränkte die Hände professorenhaft hinter dem Rücken, bevor er begann zu dozieren.
"Jetzt bin ich Ballkönig und habe mich immer noch nicht geoutet-...Nils Nilsson.", pampte er einen Jungen an, der ihn aus der dritten Reihe vollkommen entgeistert ansah. "Als ich gesagt habe dass Lilebrors Dingeldong so lang ist dass er damit freihändig Golf spielen kann...", er verschränkte prompt die Arme hinter dem Kopf, streckte die Hüfte vor und machte eine unangenehm eindeutige Bewegung damit, "Da war das KEIN Hinweis darauf dass ich schwul bin. Oh nein! Ganz im Gegenteil. Ich hab an diesem Dienstag lediglich meine Tvål im Duschraum vergessen."
Wieder herrschte Stille. Eigentlich war es die erste RICHTIGE Stille, bei der sich alle gegenseitig ansahen, anstatt das Spektakel auf der Bühne zu beobachteten.
"Und ja: Haha! Jeder darf sich die Witze jetzt in seinen eigenen Hintern stecken. Im Ernst... Wieso ich als einziger Kerl der Oberstufe nicht scharf auf Freja Björnsdotter bin?", fragte er alle, da zupfte etwas an seinem Arm.
"Lejeeef...?", säuselte die Stimme von irgendwoher. Es war die Gegenwart, aus der ihn die Drogen vollkommen herausgerissen hatten.
"Sie ist meine Nachbarin!", verkündete er und schwenkte die Arme wie Harry Houdini. "Ich hab sie ohne ihre Schminke im Gesicht gesehen UND-.. Selbst damit sieht sie fürchterlich aus. Kunterbunt. Wie eine garnierte Pizza, der das Fleisch fehlt. Wer noch nicht nachgesehen hat... Da...", sein Finger peilte ein unschuldiges, wenngleich dürres, Mädchen inmitten der Menge an. Sie war wirklich etwas ZU overdressed, aber zweifelsfrei nicht Freja. Zumindest nicht für alle, die noch Teil der Realität waren.
"Jeder kann sie sich in buchstäblicher Farbe ansehen. Aber bitte erst nach den Glückwünschen an meine Wenigkeit."