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    General Avatar von Yared
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija, Korsar unter myrtanäischer Flagge, etwa ein halbes Etmal vor Thorniara

    Es stimmte Yared nachdenklich, als Ornlu auf ihre einzelnen Weggefährten zu sprechen kam. Er hatte Jarvo und Dekker schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Dabei dachte er auch daran, dass Dekker einer der wenigen war, denen er auch von Taviks Tod noch würde berichten müssen. Dagegen, dass ihn diese Erinnerung kurz traurig stimmte, half auch nicht, dass ihn kurz zuvor das Bild, das Ornlu so treffend von Ryu gezeichnet hatte, zum grinsen gebracht hatte. Daher war er zunächst recht nachdenklich, als er zu einer Antwort ansetzte.
    "Ich habe noch Kontakt. Zunächst über ihre Handelsgesellschaft in Trelis, an der ich noch immer Anteile habe - auch wenn ich zwischenzeitlich schon darüber nachgedacht habe, mich auszahlen zu lassen. Ansonsten über meine Mannschaft. Fast alle meine Offiziere sind Angehörige der Rattensippe." Mit einem kurzen Kopfnicken wies er hinter sie Richtung Achterdeck, wo Goya gerade die Wache führte.
    "Wenn ich es recht betrachte, habe ich wohl nie die Verbindung verloren. Ich weiß nicht, wie viel von den Geschehnissen, während meiner Auseinandersetzung mit der Ratte, an dein Ohr gedrungen ist, aber als das vorbei war, dachte ich, ein klarer Schnitt wäre unvermeidlich. Erst vor einem halben Jahr ist mir klar geworden, dass ich nicht einfach aufgehört habe, ein Waldläufer zu sein. Vermutlich kann ich damit gar nicht aufhören. Genauso wenig, wie ich aufgehört habe, ein Soldat zu sein, als ich damals nach Silden kam." Yareds Blick wanderte zum Horizont, wo gerade das Grau der Wolken dem widerspiegelnden Grau des Meeres begegnete.
    "Klar, von meiner mystischen Verbindung mit der Ratte ist nichts mehr übrig, außer den Narben, die ich davongetragen habe." Er schob mit der Rechten den Hemdsärmel seinen linken Unterarm hoch, auch wenn er nicht davon ausging, dass Ornlu im gelben Schein der Schiffslaternen viel von den sich nur schwach auf seiner Haut abzeichnenden Symbolen erkennen konnte. "Aber das war nur der zwar offensichtlichste, aber auch unwichtigste Teil meiner Verbindung zur 'Natur'. Die Rattensippe hat trotz meiner Entscheidung zu mir gestanden und sie tun es immer noch. Vielleicht ändert sich das irgendwann, wenn jemand auftaucht, der den Rattenstein annimmt. Aber selbst dann werde ich immer noch Teil des Waldvolkes und das Waldvolk ein Teil von mir sein. Das auch ganz unabhängig davon, dass ich mich neuerdings Sir Yared schimpfen darf und unter roter Flagge die myrtanische See befahre. Das Waldvolk ist mir immer noch ein Stück weit Familie und Heimat, wie es sonst nur die wenigen Blutsverwandten sind, die ich noch habe. Auch deshalb tut es gut, zu hören, dass sie alle noch irgendwo da draußen sind - einem in jedem Augenblick über den Weg laufen könnten."
    Einen Augenblick lang starrte Yared schweigend auf die Wogen, die der Bug der Santorija unter ihnen durchpflügte. Dann wandte er sich wieder seinem Gesprächspartner zu. "Hast du dir jemals überlegt, ob die Naturgeister in den Menschen mehr sehen, als willkommene Schachfiguren?"

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    Waschweiber-Verführer Avatar von Ornlu
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija

    "Natürlich...", entgegnete Ornlu und dachte nach wie oft er das schon getan hatte.
    "...so wie Menschen sind sie. So wie Menschen hassen sie, lieben sie, ignorieren sie, sorgen sie sich. Hungern nach Macht und hungern nach Frieden. Verdursten an ihrer Ohnmacht und ersaufen an der Fülle des Lebens der Ihren. - Es kommt drauf an welche Naturgeist du triffst. Manche halfen mir, einer gab mir und manche wollten meinen Tod.
    Das Spiel der Geister der Natur...ist der ewige Kreis des Lebens. Ein Kommen und Gehen. Jene die sie erwählen oder ihre Gunst erweisen, sind ein Teil dessen. Keine Frage. Wir Menschen sind uns manchmal der Konsequenz dahinter nicht bewusst, aber sie kann fataler sein, als ein gewaltiger Sturm auf dem Meer oder ein Drache in dieser Welt. Aber weil wir Menschen sind, weil wir loyal sind oder auch fallen und wieder aufstehen. Deswegen sehen sie uns mit diesen Augen. Deswegen erwählen sie uns oder jagen uns, weil wir eine Gefahr darstellen. Wir können Dinge bewegen oder bewahren, die sie trotz ihrer Macht nicht können. Die ihre Kinder nicht können. So wie wir sie brauchen, diese Welt sie braucht - brauchen die Geister der Natur auch uns. Wenige für wahr...aber ohne die Menschen würde die Welt stillstehen. Wölfe blieben Wölfe. Ratten blieben Ratten. Löwen blieben Löwen. Es gäbe keinen Raum zur Entfaltung, weil ein starres Gleichgewicht herrschen würde. Weder Beliars Chaos, noch Innos' schaffende Ordnung würden in einem Wechselspiel Raum um Raum füllen und ein neues Gleichgewicht annehmen. - Meine Worte klingen nicht überzeugend, wenn man das alles auf ein Menschenleben betrachtet. Aber was ist schon ein Menschenleben? Eine Generation in den Augen der Natur und der Naturgeister? Meister Runak ist Zeuge von über 400 Menschengenerationen. Er war auf Argaan, da gab es Tooshoo noch gar nicht. Er sah Beria die Löwin. Er sah Rhobars Reich aufsteigen und das einstige Reich von Argaan untergehen. Was er sah und was ist...dies alles sah er kommen. Wenn du auf dem Festland bist und Fragen hast - besuche ihn.", riet der Druide.
    "Bring ihm etwas Pfeifentabak mit. Irgend eine besondere Sorte, dann wird er gesprächiger. Aber ja, Yared. Die Naturgeister geben es nicht zu, aber sie brauchen die Menschen. Nicht jene die blind, taub und geruchlos geworden sind. Aber jene die sehen, die hören und riechen. Ich denke das tat oder tut selbst die Ratte?", meinte Ornlu und überlegte selbst wieviele Naturgeister er schon sah und meinte gesehen zu haben. Selbst hier auf Argaan.

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    General Avatar von Yared
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija, Korsar unter myrtanäischer Flagge, etwa ein halbes Etmal vor Thorniara

    Yared brauchte einen Moment. Er musste erst seine Gedanken sortieren, ehe er die zumindest halb rhetorische Frage des Druiden beantwortete.
    Der Kapitän dachte daran, wie er Galen auf Kolters, seinen damaligen Kompaniesergeant angesetzt hatte, nur um Tavik zu schützen. Es war einfach so grundlegend falsch gewesen, es ging gar nicht falscher. Er hatte genau dasselbe getan wie die Ratte. Natürlich, I nadhor hatte nicht nur sein eigenes Leben oder das Leben eines Freundes höher gestellt, als das eines übellaunigen, treulosen Zeitgenossen. Vielmehr hatte er nur, um einen vorübergehenden Machtverlust zu vermeiden, getötet. Aber das machte es nicht besser. Sie beide, I nadhor und Yared hatten sich mit einem Problem konfrontiert gesehen, hatten die Nerven verloren und hatten den einfachen, den grausamsten aller Wege gewählt. Vielleicht war er damals der Ratte doch ähnlicher gewesen, als er es sich eigentlich eingestehen wollte.
    "Vielleicht war ich in jenen Tagen blind, taub und gänzlich von Sinnen. Sicher ist, ich habe mich von ihr gehörig manipulieren lassen. Und, dass sie sich mit der ganzen Angelegenheit am Ende selbst ganz schön verschätzt hat."
    Es wäre I nadhor durchaus zuzutrauen gewesen, genau dieses Ende einzufädeln. Aber Yared, so benebelt er damals vom Blutrausch auch gewesen sein mochte, hatte ihr Gesicht gesehen, als sie starb. Das Erschrecken in ihren Augen war echt gewesen.
    "Die Frage ist nur, ob das für mich oder gegen die Ratte spricht." Er lächelte grimmig bei dem Gedanken. "Ich glaube, nicht mal sie selbst könnte uns darauf eine Antwort geben."
    Vermutlich gab es gar keine Antwort auf diese Frage. Aber das war nicht weiter tragisch. Der Korsar war sich recht sicher, dass er auch keine benötigte.
    "Jedenfalls Danke für den Rat mit Runak. Ich werde ihn bei Gelegenheit aufsuchen, wenn ich mal wieder in Silden bin. Zuvor muss ich jedoch erst Ihre Eminenz in Thorniara abliefern. Wie sieht es eigentlich mit Cecilia, dir und eurem Begleiter aus? Wollt ihr auch in Thorniara das Schiff verlassen?"
    Geändert von Yared (18.08.2020 um 09:20 Uhr)

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    Waschweiber-Verführer Avatar von Ornlu
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    An Bord der Santorija

    Was Yared da erzählte, deutete an, dass die Ratte ihr Spiel mit ihm gespielt hatte und es nicht das beste Spiel für beide gewesen war. Aber gut - es war nicht Ornlus Angelegenheit da näher nachzuforschen oder sich in die Dinge der Ratte einzumischen. Ging auch nicht. Die Ratten waren Wesen im Verborgenen. Sie waren nicht wie Wölfe die völlig anders lebten und wahrgenommen wurden.

    "Thorniara wäre wohl recht. Francois wird schon dazu sorgen, dass ich dort nicht im Kerker lande. Vielleicht gibt es ja auch noch eine Flasche Wein als Dank oder ein paar Novizinnen mit Wein...", überlegte Ornlu mit einem dreckigen Grinsen. Natürlich war ihm bewusst, dass sowas in Thorniara niemals geschehen würde.
    "...nein, ich hoffe es gibt dort keinen pompösen Empfang und nach ein paar warmen Worten kann jeder seiner Wege gehen. Gerne können die Feuer- und Wassermagier den Ruhm einstecken. Mir liegt nichts daran, dass jemand fragt wer denn die Druiden waren und was das ist. Die Feuermagier haben mich schon die ganze Reise über zu neugierig angeschaut, als wäre ich eine Abnormalität. Etwas was nicht so existieren kann in ihrer Welt. Oder aber die Eminnz hat sich in mich so ziemlich verguckt und die anderen sind neidisch. Ja, so wird es sein. Schau mich an. Ein sumpfkrautrauchender, bärtiger, ungepflegter, etwas gefährlich aussehender Kerl der nach tausenden Nächten über freien Himmel riecht. Das ist ein gehöriges Gegenprogramm zu all diesen steifen Herren die Angst haben ihr zu widersprechen oder ihr wirklich in die Augen zu blicken. Naja dies oder sie träumt wohl davon auch einfach umherzuziehen, die Natur um einen zu haben und sich über andere Dinge Gedanken zu machen, als wie eng ist der goldenen Käfig denn heute. Vielleicht merken das ihre Begleiter. Merken, dass ich sie rauben könnte für ein paar Wochen um ihr das echte Argaan zu zeigen. Oder ich habe zu viel geraucht und bilde es mir alles ein. Wie dem auch sei...ich denke wir brauchen keinen Abstecher sonst wo hin noch zu machen. Das Festland würde mich reizen, um die Frau zu finden an die ich wahrlich jeden Abend denke. Aber zuerst die Pflicht. Thorniara genügt, Yared. - Und du? Bleibst du dort oder geht es gen Festland?"

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    General Avatar von Yared
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    An Bord der Santorija, Korsar unter myrtanäischer Flagge, etwa ein halbes Etmal vor Thorniara

    Yared schnaubte amüsiert über die Vorstellungen, die Ornlu ihm da darbot, bevor es wieder gänzlich ernst wurde.
    "Ich werde meinen Auftrag erfüllen, das heißt schauen, dass Ihre Eminenz wohlbehalten dort ankommt, wo sie anzukommen wünscht. Danach steht das Ziel der Santorija noch nicht fest. Allerdings werde ich sicher nicht allzu lange in Thorniara bleiben. Die ständigen Scherereien mit den kleinen und großen Katastrophen, die Probleme der unterbesetzten Garnison, die Lage in den Griff zu bekommen, aber auch der stetig wachsende Einfluss der rivellonischen Händlergilde machen die Stadt nicht gerade zu einem begehrten Ziel meiner Anwesenheit, um es mal vorsichtig auszudrücken. Zumal ich derzeit auch keinen Weg sehe, auch nur auf einem dieser Problemfelder eine Verbesserung von zumindest einigem Bestand herbeiführen zu können. Thorniara ist in diesen Tagen ungemütlicher, undankbarer und abweisender als je zuvor - kein Ort um sich auf längere Dauer niederzulassen. Deswegen geht es vermutlich erstmal zurück nach Trelis und dann werden wir sehen, wo es mich und die Santorija als nächstes hin verschlägt. Aber wahrscheinlich werde ich wohl eher früher als später wieder einen Abstecher nach Argaan machen dürfen - und sei es nur, um den unregelmäßigen Nachschub für die Garnison vom Festland herzubringen oder, weil mal wieder die Kacke am Dampfen ist und ausnahmsweise jemand in Vengard hysterisch nach Abhilfe schreit. Ansonsten steht mein bislang noch nicht ausgesprochenes Angebot. Solltest du eine Passage brauchen, schick einfach eine Botschaft direkt oder über Beria nach Trelis. Dort wird man schon wissen, wie man mich innerhalb von eine paar Wochen erreichen kann."

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    Ritter Avatar von Turang
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    Kurs Argaan

    Ein milchig weißer Nebel ließ die Männer an Bord der Aquamarin kaum noch die eigene Hand vor Augen erkennen. Es war kalt wie zu der Zeit der Herbststürme und ein scharfer Wind ließ die Seeleute frösteln. Manche glaubten gar, dass ein weißer Geist über das Deck wandere. Längst hatte sich das Gerücht gestreut, dass Adanos' Strafe sie ereilt hätte und auf unbekannte Irrwege gebracht hätte. Die See hatte sich gegen sie gewandt. Und der Mann in der blauen Robe sprach nicht mit ihnen, er regte sich nicht, stand nur dort am Bug und starrte mit trüben Augen in den Nebel. Das ist ein Verfluchter, der uns Unglück bringt, munkelten sie, den hat das kalte Grab wieder ausgespuckt.
    Der Mann in der Robe hörte nicht, was die Männer über ihn flüsterten, sah nicht den weißen Nebel, den er ihnen bescherte, er spürte nicht das Misstrauen, das sie ihm entgegenbrachten. Er sah, hörte und spürte gar nichts. Sein Geist wanderte in seinem ganz eigenen Reich. Er war zerfasert, jagte durch die Böen weit über dem Mast, schwamm durch die Wellen, tauchte auf den Grund des Meeres, wanderte schweigend durch den Nebel. Er suchte nach etwas, das er nicht kannte und jemanden, dem er nie begegnet war. Und er lauschte, ob da nicht ein leises Wispern am Rande seiner Welt war, ein dunkler Schatten im letzten Winkel seiner Sicht. Er irrte rufend zwischen Himmel und Erde umher und er tanzte in anderer Leute Träumen. Sein Geist war weit, weit weg und wäre vielleicht nicht einmal zurückgekommen, wenn die Matrosen den Mann mit der Robe über Bord geworfen hätten, um von dem Nebel und dem Geist erlöst zu werden. Sie arbeiteten stumm und beteten leise, dass das nicht ihre letzte Fahrt sein möge ...

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Feshyrs felsige Südküste

    Manchmal ist es erschreckend und faszinierend zugleich, wie schnell eine Situation umschlagen kann. Vor wenigen Sekunden noch waren freundliche, scherzhafte Worte gewechselt worden, dann, Augenblicke später, zog man blank, funkelte sich über Klingen hasserfüllt an. Unter Schmugglern - Verbrechern - kommt sowas öfter vor. Ein Nebeneffekt der allgemeinen Gier. Man will immer mehr haben. Die Seiten waren etwa gleichstark. Auf der 'guten' Seite waren fünf Schwerter, zwei Äxte, ein Knüppel und eine Armbrust. Auf der 'bösen' hingegen drei Schwerter, zwei Entermesser und eine unklare Zahl an Messern. Weyland, Schmuggler und glücklicher Knüppelbesitzer, hob beschwichtigend die Hände, zeigte ein schiefes, etwas unsicheres Grinsen auf den groben, kampfhundartigen Zügen. Es kam nicht gut an, man nahm es ihm nicht ab. Selbst bei den eigenen Leuten war der Schmuggler nicht unbedingt für seinen Humor, seine Geduld oder seine Freundlichkeit bekannt. Ganz im Gegenteil. Bei Partnern wie Konkurrenten besaß Weyland einen finsteren Ruf. Nicht selten verlor er die Fassung, nicht selten ging dabei etwas - oder jemand - zu Bruch. Die 'Guten' verstärkten den Griff um ihre Waffen, denn gleich würde der Tanz beginnen. Denn dafür waren sie von ihrem Boss, Weyland, angestellt worden. Zum Tanzen, Verletzen und Morden. Er kämpfte nicht mehr, einige Jahre schon. Dafür hatten zum einen die verräterischen Söldner unter Hauptmann Thorus in Trelis gesorgt, zum anderen die Erkenntnis, dass es einfacher war, andere für sich kämpfen zu lassen. Der Geschichte mit Thorus hatte ihm ein leichtes Humpeln im Bein eingebracht und ein Ziehen in den Knochen des rechten Arms, gerade wenn es kalt wurde. Im Stillen hoffte er immer noch darauf, diesen Söldner irgendwo zu treffen, um sich zu revanchieren. Aber nun, wahrscheinlicher war, dass es Thorus wie einen Großteil der Söldner bei irgendeiner Schlacht erwischt hatte. Weyland schüttelte den Kopf, versetzte sich ins waffenstarrende Hier und Jetzt zurück.

    »Du verkaufst Scheiße, Hund. Scheiße in Kisten und Körben. Die korgaanischen Stoffe? Mottenzerfressen. Die torgaanischen Früchte? Verdorben! Mein Gold? Im Rachen einer Schlange, deren Kopf ich zu gerne abschneiden will, um es mir zurück zu holen!«

    Ein hochgewachsener Mann spie die Worte hasserfüllt aus. Rotz und Spucke verteilte er dabei großzügig, packte den Säbel fester und wollte fast schon zuhauen. Nur das sanfte Nicht doch ... des Armbrustschützen auf Weylands Seite hielt ihn davon ab. Der Schmuggler seufzte, lächelte erneut erfolglos beschwichtigend und deutete mit der Linken ausholend über die Waren. Er wurde dennoch wütender.

    »Das? Nicht die Waren, die ich dir vor Tagen zugesandt habe. In Sendar habe ich die Qualität noch persönlich geprüft. Hochwertig! An Torgaans Küste? Früchte, kurz vor der Reifung. Was du mir hier vorwirfst, Leif, ist scheiße. Was da aus deinem dämlichen Nordmannsmaul kommt, ist Scheiße! Und weißt du wo Scheiße hingehört, wenn kein Abort in der Nähe ist? Mit 'nem Spaten unter die Erde! Verstehst du?«

    Der Nordmann lief rot an. »Ich brech dir jeden Knochen! Scheißefresser, dämlicher!«

    Es wurden weitere Beleidigungen hin und her geworfen. Alle einfallslos, größtenteils auf menschliche Ausscheidungen bedacht. Es ging bis zu einem Punkt, da Weyland abwinkte. Wie auf ein Zeichen hin fiel Leif um, einen Bolzen im Schädel. Aus einem Dickicht war er gekommen, vom zweiten Schützen der Crew. Weyland hatte gerne noch ein zusätzliches Eisen im Feuer. Gerade bei Menschen wie Leif und seiner Bande. Der offene Schütze schoss ebenfalls, fällte einen weiteren Schurken. Die Schwert- und Axtkämpfer erledigten den Rest. Alles in allem eine Sache von zwei Minuten. Weyland sah sich das Gemetzel an, nickte zufrieden. Er nahm einen Flachmann vom Gurt, schraubte ihn auf und trank. Zischte. Nordmarer Nebelgeist, Scheißzeug! Achtlos ließ er ihn fallen, schritt zu Leif, seufzte. Im einen Moment noch ruhig, im nächsten ein Wirbelsturm. Mit dem Knüppel prügelte er auf die Leiche ein, bis sich sein Gemüt einigermaßen abgekühlt hatte.

    »Hätte dich schon viel früher kalt machen sollen. Oh, Vater hat mit euch Nordmännern immer Recht gehabt: Ein feiger Haufen Aufschneider, die zweimal eine Horde von Höhlenaffen nicht aufhalten konnten. Zwei verfluchte Male!«

    »Hey Boss, das ist schon etwas, na ja, gemein«, grunzte der herantretende Schütze aus dem Unterholz. Ein Nordmann. Dabei grinste er jedoch.

    »Ich mein doch nicht so anständige Kerle wie dich. Sondern so eingebildete Angeber wie, nun ja, die Reste von Leif da.«

    Rodrik, der Schreiber in Weylands Bande und Schütze Nummer zwei, trat näher, durchsuchte Leifs Taschen und fand, was er suchte. Eine Rolle. Er reichte sie an Weyland weiter, der sie entrollte, die Unmengen hochgestochener Wörter las und leise fluchte. Rodrik grinste hämisch, nahm sie seinem Boss ab und las leise und grunzte am Ende.

    »Wie erwartet. Von der Krähe unterschrieben, diesem eingebildeten Drecksack. Es war wohl geplant, dass Leifs Bande uns hier auf Feshyr kalt machen sollte. Nur ... steht hier, dass er Verstärkung versprochen hat. Nun, ich sehe mich um, sehe tote Mistkerle und die sind nicht wir. Ergo herrscht Zwietracht und Uneinigkeit unter den Leuten der Krähe.«

    »Weniger hohle Worte, Rod, mehr klare Erkenntnisse. Was schließt du daraus?«


    »Wir sollten untertauchen, etwas kürzer treten. Zwar lieben sich die Männer der Krähe nicht unbedingt, doch haben sie in dir, Boss, ein gemeinsames Ziel. Viele ehemalige Söldner und Varantiner, Assassinenpack, die deine Hilfe für die Rebellen nicht vergessen haben. Die Unterwelt des Festlands vergisst nicht. Und die Kontrolle der Krähe über diese Hundesöhne ist eisern, zieht sich von Nord bis Süd.«

    Weyland nickte langsam. »Also teilen wir uns auf. Rod, du segelst mit allen außer Rag nach Sendar. Zum Unterschlupf. Kleine Geschäfte, haltet euch bedeckt. Ich ... gehe mit Rag nach Argaan. Wahrscheinlich. Haben hier noch etwas zu erledigen, sollte aber nicht lange dauern. Ihr kennt die Parole, wenn ich euch zurück befehle. Und tötet jeden Krähenfreund, der euch übern Weg läuft. Kapiert? Gut. Macht es gut, passt auf euch auf.«

    Sie segelten rasch fort mit der großen Kogge. Zurück blieb ein kleines Segelboot. Rag trat neben seinen Boss, der seufzend seinen Männern nachschaute.

    »Rodrik, blöder Hund. Kommt sich wichtig vor, weil er ach so gut lesen und schreiben kann. Irgendwann, das schwör ich dir, Rag, spalt ich ihm den hässlichen Schädel. Na los, wir bereiten hier noch etwas nach, sichern den Unterschlupf und machen ihn schon mal winterfest. Danach geht's nach Argaan. Unseren Mann in Stewark besuchen. Ha, meinst du er wird sich freuen? Ausgestattet mit unserem Gold ... aber ohne seinen Auftrag zu erfüllen. Wird das ein Spaß!«
    Geändert von Weyland (05.07.2017 um 04:02 Uhr)

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Feshyrs felsige Südküste

    Der Wind trieb die Wellen gegen die felsige Küste, die Gischt spritzte meterhoch empor. Weyland fluchte, während er mit Hammer und Nägeln die Tür zum Verschlag verschloss, der seinerseits den Eingang zur Höhle barg, in der ihr Schmugglerversteck lag. Rag kümmerte sich um die Leichen. Blutiges Handwerk, aber dafür war der Nordmann da. Die schlechten Waren hatten sie irgendwo im Wald nahe des Dorfes verscharrt. Der Schmuggler schnaubte verächtlich. Was für ein Kaff, was für ein verfluchter Flecken Erde. Am Arsch der Südlichen Inseln, nicht mehr als ein Haufen baumbewachsener Felsen, gerade gut genug für etwas Wild, eine Herde Schafe und gut hundert Einwohnern. In einer sendarischen Hafenkneipe hatte er mal gehört, dass das Eiland nach irgendeinem Prinz benannt war, einem Bastard aus Setarrif, dieser angeblich unglaublich tollen Stadt auf Argaan, die, wenn er anderen Gerüchten und den eigenen Augen trauen durfte, nicht mehr ganz so wohnhaft und schön war. Drachenfeuer war kein Pappenstiel.

    »Können wir, Boss?«, riss ihn Rag aus den Gedanken. Er bemerkte Weylands fragenden Blick und grinste. »Hab mich um alles gekümmert. Sind weg. Wenn hier nicht unbedingt jemand gezielt mit 'nem Bluthund die Gegend durchkämmt, wird die niemand jemals finden.« Er hob die Schultern. »Nun, wenn dann erst, wenn wir selber auch schon alt und faltig sind.«

    »Gut. Das Versteck ist auch gesichert. Wir können also aufbrechen. Hab das Boot geprüft. Segel in Ordnung, Ruder haben wir dabei ... ich sehe nichts, was uns daran hindern sollte, nach Argaan überzusetzen.«, entschied Weyland und wandte sich zum Meer um, roch die salzige Luft, schmeckte sie auf den Lippen. Vielleicht wäre in anderen Zeiten ein wunderbarer Marinesoldat aus ihm geworden, ein Seesoldat im Dienste der Königlichen Flotte. Er grinste schief. Blutige Schlachten gegen Orkpiraten auf einem rutschigen, wankenden Deck. Nein, er war schon immer eine Landratte gewesen, trotz der Schmugglertätigkeit, die er seit einigen Jahren ausübte.

    Gerade als sie sich auf den Weg zum Boot machen wollten, hörten sie Stimmen. Jemand rief ihnen zu, dass sie stehenbleiben sollten. Rag seufzte halblaut, lud seelenruhig die Armbrust. Weyland legte ihm die Hand auf die Waffe, bedeutete ihm, sie zu verstecken.

    »Halt, ihr Herren. Auf ein Wort!«

    »Ah, sieh an, der Herr Kalmit. Was treibt Euch raus aus Eurem schönen Dorf? Fernweh?«, antwortete Weyland.

    »Ich komme vom Herrn Dorfvorsteher. Er schickt mich mit einer Nachricht. Ihr, nun, sollt Euch verziehen. Und zwar plötzlich. Land gewinnen. Euer illegales Handwerk anderenorts ausüben. Eure Waren, die sich hier noch irgendwo auf der Insel befinden, sind natürlich konfisziert.«

    Weyland merkte, dass die Ader an seinem Hals anschwoll. Er wurde wütend, richtig wütend. Mit gefletschten Zähnen trat er zu dem Boten hin. Seine beiden Begleiter, irgendwelche Knechte mit Knüppeln, murrten, packten ihre Schläger. Rag hatte nun doch die Armbrust in der Hand, schnalzte mit der Zunge.

    »Pass auf, Kalmit, du Wicht!«, knurrte der Schmuggler hasserfüllt, »Steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen, kapiert? Sonst ist sie ab, und zwar auf die blutigste Art die es gibt. Ich werde irgendwann wieder hier vorbeischauen, wahrscheinlich zur Winterzeit. Wenn ich dann sehe, dass etwas fehlt, wenn ich Spuren eines Eindringens sehe, töte ich dich. Und dann tanzt der rote Hahn auf euren Dächern, verstanden? Ich rede von Feuer und Mord!«

    Kalmit war kalkweiß geworden. Er stammelte etwas, nickte dann jedoch hastig, als er die Spitze des Bolzens in seine Richtung schwenken sah. »Ja ... ja, Herr Weyland. Ich werde ... es so, äh, weitergeben.«

    Damit verschwanden sie. Schnell, dass es staubte. Weyland atmete tief durch, beruhigte sich. Rag trat lachend näher.

    »Landeier.«


    »Sollen froh sein, wenn ich meine Drohung nicht wahr mache. Verfluchtes Kuhkaff. Los, Rag, wir verschwinden.«

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    Neuling Avatar von Horatius
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    Horatius ist offline

    An Bord der Meerlöwe mit Kurs auf Argan, kurz vor Thorniara

    Er war froh wieder festen Boden in Aussicht zu haben. Nach all den Tagen und Wochen auf See hatte Horatius nichts Sehnlichere vermisst, als dass dieses elendige Schwanken endlich aufhören möge. Der Sohn eines Kleinkrämers aus Montera hatte in den letzten Tagen schmerzlich lernen müssen,dass er von Natur aus nicht zum Seemann taugte. Zwar hatte er die schlimmen ersten Tage hinter sich gelassen, dennoch konnte er sich nie sowirklich an die unruhigen Bewegungen der See gewöhnen, so dass ihm seine erste Seereise wohl nie als ein besonders angenehmes Erlebnis in Erinnerung bleiben würde.
    Nun hielt der junge Bader sein Hut fest und zog sich mit der Rechten seinen Umhang fester um den Leib. Der Wind pfiff ihm scharf entgegen und die Gischt benetzte sein Gesicht, als er an Backbord des trägen Lastenseglers stand und zu der so friedlich daliegenden Stadt schaute, in deren Richtung sich das Schiff nun schon seit gefühlt Stunden zu kreuzen abmühte. „Thorniara– Was werde ich dort wohl erleben?“ dachte Horatius zu sich. „Ich hoffe ich werde dort erstmal ein trockenes Plätzchen finden. Zu teuer darf es aber nicht sein, nach der Passage hat mir dieser Halsabschneider von Schiffsführer kaum etwas gelassen. Ich hoffe, ich finde schnell einige Kunden. Ist auch egal wenn sie nicht viel haben, Hauptsache sie bezahlen nicht in Rüben.“ Bei dem Gedanken an seine früheren Honorare wurde es ihm auf einmal wieder ganz elend im Magen – vielleicht kam es aber auch von der See. Egal, Horatio beute sich nach vor und opferte sein karges Mittagsmal der See. Doch jenes entzog sich der See, indem es sich sogleich verzweifelt wieder an die Bordwand klammerte. Starr blickte Horatious hinaus auf die See.

    Hart schlug Horatius eine Pranke auf die Schulter. Als er sich um drehte Blickte er in die wütenden Augen des Schiffshauptmanns. „Was habe ich Dir gesagt? NIE IN DEN WIND KÜBELN! Den Dreck putzt Du Landratte mir schön wieder weg!“

    „Das kann ja auf Argan nur besser werden“, dachte Horatius als er sich mit der Linke über den Mund wischte und über einem Eimer nachdenkend wegschlurfte.
    Geändert von Horatius (13.07.2017 um 23:59 Uhr)

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    Auserwählter Avatar von Joe Black
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    Auf Ruffalos Schiff, kurz vor Argaan

    Wie viele Tage waren sie nun schon auf diesem Schiff?
    Das stete Schaukeln machte dem ehemaligen Assassinen zu schaffen. Anfangs war es nur eine kleine Unstimmigkeit die sich in seiner Magengegend breit gemacht hatte. Doch nun war die Übelkeit so stark, dass er sich nur beidhändig irgendwo festhaltend über das Deck bewegen konnte.
    Seinem Gefährten schien dies nicht so schwer zu fallen. Dieser schien nicht nur die Schifffahrt gut zu kennen, sondern auch die Abläufe die sich auf solch einem Handelsschiff abspielten. Er kannte sogar viele der Männer mit Namen. Oder zumindest deren Kosenamen, denn wer heisst schon in Wirklichkeit einäugiger Tom oder Hinkebein Charles?

    Das Verhältnis zu Ruffalo hatte sich nur bedingt gebessert. Der alte Kapitän des Schiffes war kein schlechter Kerl, dessen war sich Joe sicher. Seine ablehnende Haltung gegenüber Joe war von Misstrauen geschwängert. Misstrauen welches sich ein Mann in der Position des Kapitäns aneignen musste, wollte er auf hoher See erfolgreich seinem Gewerbe nachgehen. Dafür unterhielt sich Ruffalo immer sehr ausgedehnt und amüsiert mit Salazar. Die beiden hatten wohl einen gemeinsamen Kontakt. Einem Mann welcher über ein sehr breites Netzwerk zu verfügen schien. Oder zumindest für eines arbeitete, welches gut funktionierte.

    Erneut klammerte sich Black an eine der festgebundenen Kisten welche auf Deck, nahe der Schiffsspitze gelagert wurde.
    Wasser spritzte zu ihm hoch ins Gesicht weshalb er die Augen zu kleinen Schlitzen verengte und das ersehnte Festland fokussierte, welches sich am Horizont abzeichnete.
    Die Stadt welche sie ansteuerten, sei laut Ruffalo eine Stadt der Anhänger Innos. Eine Stadt voller Soldaten und Priester des flammenden Gottes. Eine Stadt in welcher laut Aussagen der Matrosen, die radikalsten Anhänger Innos zu einer noch strengeren Ordnung aufgerufen hatten.
    Thorniara! Stadt der Verdammten wie Joe sie, nach ausgiebigem Erbrechen, getauft hatte.

    Die Männer hatten bereits damit begonnen das Ankern vorzubereiten und einige Kisten für das abladen zu lösen. Salazar war zu Joe herangetreten.
    Die beiden nickten sich respektvoll zu und standen dann eine Weile schweigend nebeneinander und betrachtetzen die nahende Hafenstadt und das wilde Gewusel welches sich dort abspielte.

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    Mitten auf dem Meer - Im Bauch der Bestie

    Ächzend und knarrend antwortete das modernde Holz des Schiffes auf den Sturm, der erbarmungslos über Deck fegte. Wie ein Spielzeug trieben die Winde den Kahn von einer Welle zur nächsten, jagten ihn von einer bedenklichen Schieflage zur nächsten wie ein Raubtier, das die Beute zwischen seinen Kiefern so lange unerbittlich hin und her schleuderte, bis sie endgültig erstarb. Wasser schwappte allenthalben durch Luken und ritzen, gerade so viel, dass sie sich zumindest darüber keine Sorgen machen mussten, doch genug, um den Menschen das Leben zur Hölle zu machen, die sich zur Überfahrt im Bauch der Bestie zusammengedrängt hatten.
    Es war pure Ironie, dass der abgehalfterte Kahn diesen Namen trug, während sich auf der anderen Seite der Planken die wirkliche Bestie zeigte. Zwei Dutzend Menschen drängten sich in diesem Lagerraum zusammen, durchnässt, halb erfroren, sich an den winzigen Hoffnungsschimmer klammernd, dass sie diese Nacht irgendwie überstanden. Einen hatte es bereits erwischt - er hatte die Überfahrt bereits krank angetreten, hatte den harschen Bedingungen nichts entgegenzusetzen gehabt. Nun trieb er am tiefsten Punkt des Schiffes im sich aufstauenden Wasser, das Gesicht in das schwarze Nass hinab gerichtet.

    Mitten in diesem Haufen verängstigter Schiffsreisender saß ein Mann in zerrissener, feuerroter Robe, dessen Gesicht unter wild wucherndem, grauem Haar verborgen lag. Er saß stumm, starrte auf den immer wieder vor und zurück schwappenden Leichnam. Sein Blick war klar, doch etwas in seinen Augen wirkte müde, verbraucht. Keiner der anderen Reisenden wagte es, mit diesem Mann zu sprechen, und er hatte sich seit Beginn der Überfahrt kaum geregt.
    An solch einem Ort hatte er sich vor Monaten wiedergefunden, erwachend mit einer gehörigen Kopfwunde. Erwachend an Bord eines Schiffes, nachdem er im Bestreben, dem immer weiter aufkeimenden Aufbegehren der Menschen Thorniaras gegen den Orden entgegenzutreten, eine Taverne betreten hatte, deren Besitzer Johann er seit Jahrzehnten kannte - und danach: Schwärze.
    Eine eilig gekritzelte Nachricht hatte ihm erklärt, dass Johann ihn um seiner Sicherheit willen niedergeschlagen und auf das nächstbeste Schiff fort aus der Stadt verfrachtet hatte, um Vicktar in seiner störrischen Art vor sich selbst zu schützen, da ein Feuermagier mit seinem Temperament früher oder später ein Messer im Rücken verspürt hätte. Das Schiff, auf dem er erwacht war, hatte ihn weg geführt von Argaan, weg von seiner Heimat, nach Thorniara. Zuerst hatte er umgehend zurück gewollt, hatte sich die Rückfahrt jedoch nicht leisten können. Den Orden in der Hauptstadt des Reiches hatte er nicht um Hilfe bitten wollen, er, der hier im Zentrum der Macht ein unbedeutender Schatten vom Rande der Welt war. Und so hatte er das Beste aus der Lage gemacht und war gen Norden gereist, auf Pilgerfahrt zum Innoskloster in Nordmar. Er hatte das Licht gesucht - und es gefunden. Und nun war er auf dem Weg zurück, mit dem einzigen Schiff, das er sich nach kurzer Arbeit als Tagelöhner hatte leisten können.

    Er hätte froh sein müssen. Vicktar hatte die Nähe zu seinem Gott gesucht und ihn gefunden. Er würde das Licht in die letzte dunkle Ecke seiner Heimat tragen und für die treuen Gläubigen unter dem Schutz des Reiches sorgen. Doch er war es nicht. Er hatte das Licht gesehen und war in die Dunkelheit zurückgekehrt. Was er nun sah, war nurmehr der fahle Abglanz dessen, was er gesehen hatte, ein betrüblicher Widerschein. Es war eine Prüfung, die ihm Innos auferlegte, doch er würde sie bestehen. Er hatte keine Furcht, zögerte nicht - sein Gott hatte ihn dafür ausersehen, hatte ihm einen neuen Weg gewiesen. Und er wusste, er würde heute Nacht nicht sterben, so sehr die Urgewalten der Natur auch an den alten Planken dieses Schiffes zerrten. Denn er vertraute auf seinen Herrn. Er wusste, wenn er auf Innos' Pfaden wandelte, würde er nicht fehlen.

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    Mitten auf dem Meer - Im Bauch der Bestie

    Der Sturm war vorüber gezogen, und die Bestie trieb immer noch auf dem Meer. Nach den spärlichen Informationen, die die Schiffsbesatzung ihnen mitgeteilt hatte, war das Schiff stark in Mitleidenschaft gezogen worden, doch die zwei Tage bis zu ihrer Ankunft auf Argaan würden sie überstehen. Die Verfassung der Passagiere jedoch war erbärmlich, und der Tote begann langsam, aber sicher, einen üblen Verwesungsgeruch zu verbreiten.
    "Das ist ehrlos. Er braucht eine Bestattung, um Innos' Arme übergehen zu können", raunte Vicktar. Seine Stimme war tief und kratzig, er hatte seit Tagen keinen Ton mehr von sich gegeben. Die Anderen sahen ihn an, als wäre ein Ork unter ihnen aufgetaucht. Offenbar hatten sie nicht erwartet, dass der Mann in der zerrissenen Robe überhaupt sprechen konnte.
    "Und uns wird es auch nicht wohl ergehen, wenn er hier unten neben uns verrottet."
    "Ich pack den Kerl jedenfalls nicht an", ereiferte sich ein trotziger Bursche, der noch den besten körperlichen Eindruck machte, "Und überhaupt, was willst du denn mit ihm machen? Ihn über Bord werfen?"
    "Ja, wirf ihn einfach über Bord", pflichtete ein Anderer bei, der nur unwesentlich jünger als Vicktar schien, jedoch schwächlich und eingefallen.
    "Nein", entgegnete Vicktar bestimmt. "Er braucht eine Bestattung."
    "Auf dem Meer gibt es keine heilige Erde, Herr", murmelte eine ältere Frau. Ihre Stimme war beinahe ein Flüstern. "Wie wollt Ihr ihn also bestatten?"

    Stille legte sich über den Frachtraum, in dem sie eingepfercht saßen. Irgendwo knarrte Holz, und die Laute ruhiger Schritte drangen vom Treiben über Deck zu ihnen hinab.
    "Eine Feuerbestattung."
    Ein Murmeln brandete unter den Passagieren auf. Sie blickten ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    "Willst du etwa das Schiff abfackeln, du Irrer?", erdreistete sich der Bursche.
    "Am Schiff hängt je ein Landungsboot an beiden Seiten und ein kleines Rettungsboot achtern. Wir legen ihn in das kleine Boot und führen die Bestattung darin durch."
    Einige waren empört, doch die meisten unter ihnen schienen zuzustimmen. Die Tatsache, dass sie den Sturm der letzten Nacht überstanden hatten, und die Aussicht darauf, den Leichnam loszuwerden, schienen ein ausreichender Antrieb zu sein.
    "Ich werde ihn hinaus tragen. Allein, wenn es sein muss", brummte der Alte mit fester Stimme - wissend, dass er dazu körperlich nicht in der Lage war. Doch es brauchte nur ein Vorbild, das den Menschen ihre Schwäche wie ein Spiegel vorhielt, um sie zum Besseren zu ändern.
    "Ich werde dir helfen", sprach einer der Männer.
    "Ich auch", sagte ein weiterer.
    Schließlich stimmte sogar der vorlaute Bursche mit ein.
    "Na gut, wenn wir so den Gestank loswerden..."
    "Doch wie willst du den Kapitän davon überzeugen, sein Rettungsboot für diesen Akt der Gnade herzugeben?", warf die alte Frau ein.

    Vicktar erhob sich mit entschlossenem Blick.
    "Das lass meine Sorge sein, werte Frau..."

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    Auf der Bestie

    "Du willst mich wohl verarschen!"
    Die Reaktion des Kapitäns war zu erwarten. Vicktar war nicht so verblendet gewesen, auf Verständnis von einem Kerl diesem zu hoffen. Mit den braunen Fingernägeln seiner rechten Pranke kratzte sich der schmierige Hüne, dessen Gesicht in fettigem schwarzem Haupt- und Barthaar verschwand, an der Stirn und spuckte auf die Planken.
    "Was bist du eigentlich für ein Vogel, dass du solche Ideen hast? Ne Feuerbestattung auf nem Schiff, ich glaub ich spinne! Der Tote kommt über Bord und dann haben die Fische das Problem. Ist doch nicht meine Schuld, dass der mir hier auf dem Kahn verreckt. Und jetzt ab zurück zu den anderen mit dir!"
    Der Alte stand unbeirrt auf dem Deck, während der Kapitän ihn abschätzig betrachtete und einige Männer der Schiffsbesatzung sich aus Neugier dazu gesellten.
    "Ich bin ein Magier aus dem Kreis des Feuers in Thorniara, und Ihr tätet gut daran, euch an Moral und Sitte zu halten, Kapitän!", knurrte Vicktar. "Dieser Tote wird eine Bestattung erhalten und weder wird sein verwesender Körper uns dort unten weiter gefährden, noch wird sein Leichnam durch Meeresgetier geschändet werden."
    Das Lächeln des Kapitäns verflog schlagartig. Sein bedrohlicher Blick war fest auf den Alten gerichtet.
    "Das hier ist mein Schiff, und hier wird getan, was ich sage, ist das klar? Mit ist egal, ob du ein Feuermagier oder Rhobar persönlich bist! Und jetzt scher dich fort!"

    Vicktars Augen funkelten, eine Flamme der Entschlossenheit brannte in ihnen. Langsam schritt er auf den Kapitän zu, seine Stimme wurde ein leises Brummen.
    "Du weißt, warum wir Feuermagier heißen, oder? Diese Feuerbestattung findet statt, entweder auf dem Rettungsboot, oder auf deinem Schiff. Ich glaube nicht, dass du die Lage eskalieren lassen möchtest, denn selbst wenn das Schiff es dann bis nach Thorniara schafft, würdest du das dem Orden und den Stadtdienern verdammt gut erklären müssen..."
    Er wurde wieder lauter, sodass die Umstehenden wieder mithören konnten.
    "Der Orden wird deine fromme Tat sicher entlohnen und Ersatz für den Verlust des Bootes stellen."
    Der Blick des Kapitäns hätte töten können. Mit verschränkten Armen baute er sich vor dem Feuermagier auf und starrte ihn eine gefühlte Ewigkeit lang an. Dann regte er sich schließlich wieder.
    "Fein, der Magier bekommt seinen Willen."
    Leiser fügte er hinzu: "Und wir zwei sind noch nicht fertig miteinander..."

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    Auf der Bestie

    Eine friedliche Stille lag über dem Ozean, während das marode Schiff, das von seinem Kapitän den unpassenden Namen Bestie erhalten hatte, sanft auf dem Wasser trieb. Die Segel des Fährschiffes waren eingeholt doch es herrschte ohnehin völlige Windstille, als harrte das Meer darauf, der Beisetzung des Toten beizuwohnen und seinen brennenden Leib in seinen Armen willkommen zu heißen.
    Nach und nach lichtete sich die Dunkelheit, während sich die Sonne hinter dem Firmament in Position brachte, um sich majestätisch aus den Fluten zu erheben.
    Nur ein halbes Dutzend Menschen aus Besatzung und Passagieren hatte sich im Backbord befindlichen Landungsboot versammelt, das sie zu diesem Zweck ins Wasser hinab gelassen hatten, und alle blickten still und andächtig auf das daran befestigte kleine Rettungsboot, in dem der in ein Leintuch gehüllte Körper des Toten lag. Sie hatten ihn auf die wenige Habe gebahrt, die er bei sich gehabt hatte, und leicht brennbare Materialien von Bord hinzugefügt, die die Mannschaft nicht mehr benötigte. Das frisch verteilte Lampenöl und die Verwesungsgase verbanden sich zu einem strengen Duft, doch die salzige Meeresluft vertrieb die ärgsten Gerüchte.

    "Es ist Zeit", sprach Vicktar feierlich und gab einem der Matrosen ein Zeichen, der daraufhin die Lampe aus der Halterung am Bug des Landungsbootes nahm und sie in die Höhe streckte.
    "Wir haben uns versammelt, um diesen Mann aus unserer Welt zu verabschieden und ihn der Gnade Innos' zu übergeben. Wir kannten nicht seinen Namen, noch wusste jemand, wer er vor dieser seiner letzten Fahrt gewesen sein mochte, doch wir wissen eines mit Bestimmtheit: er ist ein Kind unseres Herrn, so wie wir alle einen Funken seiner Göttlichkeit in uns tragen. Dass wir seine Geschichte nicht kennen, soll uns nicht daran hindern, ihm die letzte Ehre zu erweisen und den Weg ins Licht zu weisen - das Licht, aus dem wir alle kommen und in das wir alle zurückkehren."
    Das kleine Boot wurde gelöst und sanft hinfort gestoßen. In diesem Moment erhob sich ein oranger Feuerball langsam und erhaben am Horizont und hüllte das Boot in gleißendes Licht.
    "Tröstet euch, ihr Frommen: er wird das Licht der Göttlichkeit erblicken, er wird Eins werden mit Innos in seiner flammenden Umarmung. Und seid glücklich, denn ihr wisst, dass auch ihr nach einem Leben voller Tugend und Frommheit diesen Weg einschlagen werdet. So lasst uns den Tod dieses namenlosen Mannes ein Zeichen dafür sein, unseren Pfad nie zu verlieren."
    Auf ein Zeichen des Predigers warf der Matrose die Öllampe auf das kleine Boot hinüber, das binnen weniger Augenblicke lichterloh in Flammen stand.
    "Lasst dies euer Leuchtfeuer in der Finsternis sein, und verliert nie euren Glauben, dass die Verheißung der Lohn des Gerechten am Ende des Weges sein wird, mag dieser auch noch so dunkel und verzweifelt erscheinen."
    Vicktar breitete die Arme aus und erhob sie feierlich zum Himmel.
    "Denn Innos hat uns geformt, und er schenkt uns seine Gunst, seine Liebe, seine Wärme. Unter seiner schützenden Hand sind wir alle gleich, sind wir alle Mensch. Und wenn wir ihm diese Liebe und das Vertrauen mit gleichem Eifer vergelten, mit dem er für uns einsteht, sagen wir diesem Mann dort nicht Lebwohl, sondern auf bald. Und unsere Seelen werden rein sein in seinem Feuer."

    Das brennende Boot trieb vor der aufgehenden Sonne davon, ward kleiner und kleiner und wurde Eins mit dem Feuerball am Firmament. Das strahlende Licht wärmte die kalte Haut der von der Überfahrt gezeichneten Menschen, und ein Gefühl der Hoffnung und Freude vertrieb die trüben Gedanken und den Kummer der letzten Tage.
    "Mögest du Frieden finden im Schoße unseres Herrn, Fremder..."
    Ergriffen blickten die wenigen Frommen auf diesem Schiff in das Licht der Sonne, und nun teilten auch sie die Hoffnung zu Zuversicht, die Vicktar beseelte. Argaan war nicht mehr fern, und bald schon würden sie wieder auf festem Boden stehen. Sie mussten nur nach vorn schauen und den Glauben nicht verlieren.

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    Weyland ist offline

    An Bord der Valencia

    Das Schwanken des Schiffes, das Knarren des Holzes und das Plätschern von Wasser weckten den Schmuggler aus dem warmen Dunkel der Besinnungslosigkeit, rissen ihn mit kalten, eisernen Krallen zurück in das verfluchte Hier und Jetzt. Kein schöner Ort, gefangen in einem Schiff. Er brauchte einige Minuten, ehe er wieder klar denken und sehen konnte. Sie hatten ihn an einen Balken gekettet, der zwischen Fässern und Kisten stand. Es stank fürchterlich nach Schimmel und Fäulnis. Trotz seiner unglücklichen Lage genehmigte sich Weyland ein gehässiges Kichern. Wahrscheinlich war der Händler, der - ob freiwillig oder unfreiwillig - mit den Männern zusammen arbeitete, die fraglos der Krähe dienten, ein glück- und erfolgloser Kaufmann. So roch es nur in einem Schiff, das die Ware nicht rechtzeitig löschen konnte. Nun haderte der Händler wohl mit sich, ob er den Mist einfach über Bord werfen oder doch irgendeinen Dummen finden und die schlechten Waren verkaufen sollte.
    "Ah, die Prinzessin ist wach", kam eine Stimme aus dem Düsteren. Eine bekannte Stimme, die Wey schon seit Jahren kannte. Es war Rags tiefer Bass.
    "Rag, oh Rag, du verfluchter, beschissener Verräter!", spie er aus, "Hab ich mich doch nicht getäuscht, bevor ich bewusstlos wurde! Wieso, du mieses Stück Dreck?"
    Dramaturgie heischend seufzte der Nordmann. "Das ewige Los des Zweiten. Er weiß genau, dass er besser als der Erste ist, bietet ihm gleichberechtigte Partnerschaft an ... doch dieser sieht auf ihn herab, spuckt auf ihn, behandelt ihn wie ... wie ein Waschweib, dass sich um schmutzige Wäsche kümmern darf."
    Weyland schnaubte. "Pah, ich habe dich immer bezahlt! Besser als den Rest! Oft genug lag Rodrik, dein toter Verräterkumpan, mir in den Ohren. Oh bitte, Weyland, warum kriegt der immer den großen Anteil? Ich erledige alles Bürokratische, warum ist mein Anteil nicht gleich? Im Nachhinein ... hätte ich euch beide direkt am ersten Tage abstechen und in den Rinnstein werfen sollen!"
    Etwas blitzte im Dunkeln auf. Feuerstein, Zunder, eine brennende Kerze. Die warf lange Schatten, tauchte das Gesicht des Verräters in höllische Farben.
    "Du lernst es nicht", antwortete der Nordmann leise, "Nie hast du es gelernt. Dein Stolz steht dir dazu im Weg. Ach Wey, das kommt davon, wenn man nur sich selbst und den Erfolg sieht. Wenn man verkennt, wer die Straße dorthin gepflastert hat, dir half, den Karren zu schieben, ja oft genug ganze Meilen zog, während du darauf lagst und betrunken warst. Hybris, das ist deine Schwäche. Du hältst dich für allen anderen überlegen, schwörst darauf, dass nichts höher steht als du. Der einfache Mann, der das eifrige Arbeitervolk bejubelt und sich doch als wertvoller und besser betrachtet als all die anderen einfachen, hart arbeitenden Männer." Rag spuckte aus, beugte sich vor. "Aber das hat ein Ende. Vieles wird ein Ende haben, der Krähe sei Dank. Wenn ... wenn das, was sie plant, Wirklichkeit wird, ... wird alles anders sein. Könige? Besser und schlechter? All das wird Vergangenheit sein."
    Weyland schüttelte langsam den Kopf. "Ich höre dir zu, Rag, und frage mich, welcher verfluchte Vogel dir ins Hirn geschissen hat. Was feiert ihr diese Krähe alle so? Irgendein Halsabschneider, der sich an die Spitze aller Halsabschneider setzen möchte. Weitreichende Kontakte, schön und gut, aber die habe ich auch in gewisser Weise. Als Händler kommt man da nicht drum herum. Was macht seine Ziele, die letztlich sicher auf ihn selbst gerichtet sind, so vielversprechend?"
    Rag schwieg einen Moment, ehe er leise Antwort gab: "Es heißt, er hat Mittel und Wege. Er baut sein Unterweltreich auf Informationen, Fakten, über alles und jeden. Vom einfachen Bauern bis hin zu - so sagt man - dem König selbst. Götter, viele Menschen verehren ihn, rufen ihn an, bitten, er möge das Rad, welches sich beständig dreht, das Rad namens Monarchie zerschlagen und etwas an seine Stelle setzen, das größer und besser ist." Die Augen des Mannes leuchteten fast fiebrig. "Gerechter."
    Der Schmuggler brach in schallendes Gelächter aus, benetzte die nackte, dreckige Brust mit Speichel, während er versuchte, sich wieder zu beruhigen. Der Nordmann sah ihn lange an, der Mund eine schmale Linie, die Zähne knirschend. "Fertig, Wey? Du verkennst wirklich deine Lage ..."
    "Oh Rag, du dummer Idiot", zischte er, "Ich bin nicht großartig gebildet. Geb ich zu, war ich nie. Aber ich weiß, von welchen Zielen du redest. Die gab es immer mal wieder von Einzelpersonen in Myrtana. Die Herrschaft des Volkes. Ganz tolles, hoffnungsvolles Gerede, wenn man halb verhungert in der Kate mit dem löchrigen Dach sitzt und die Kinder einen mit großen, leeren Augen anstarren. Kinderchen, irgendwann, irgendwann ist es soweit und wir, die einfachen Leute, das Volk, werden das Heft in die Hand nehmen." Verachtend lachte der Schmuggler auf. "Die Krähe ist ein Bauernfänger, das sage ich dir. Ködert Deppen wie dich und abgerissene, arme Gestalten aus der Gosse mit solchen Reden von der Gleichheit und der Eintracht. Bis er am Ziel ist, die Krone und das Szepter trägt ... und das zerschlagene Rad mit ihm zuoberst wieder einsetzt." Er schüttelte den Kopf. "Wir leben in solchen Zeiten, Bruder, ob du willst oder nicht. In ein paar Hundert Jahren mag sich das ändern, wenn wir Menschen dazu gelernt haben ... aber jetzt? Nein,du tust mir Leid, Narr."
    Wieder war der Blick des Nordmannes lang und eindringlich. Irgendwann wandte er sich halb ab.
    "Ich will mit dir nicht über nahe und ferne Ziele reden. Vor allem, da du nicht Einfluss darauf nehmen wirst. Dieser Weg endet an deinem Grab, Weyland, es soll so sein. Die Krähe mag Gerechtigkeit und Gleichheit im Sinn haben, für dich jedoch ... nur einen schmerzvollen Tod. Ich darf dir den nicht schenken, aber ... ich werde tun, was geht, damit diese Fahrt nicht langweilig für uns wird." Rag, der eben noch etwas kraftlos gewirkt hatte, richtete sich feierlich zu voller Größe auf. "Betrachte dich als erster, richtiger Verurteilter einer neuen Ära. Für deine Verbrechen, die nur dir und anderen Einzelnen genützt haben."
    Weyland bereitete sich innerlich auf die bevorstehenden Schmerzen vor, doch lächelte er immer noch widerwärtig. "Ja, Rag, ich habe verstanden. Ihr alle seid gleich ... und ich bin schlechter. Pass auf deine zarten Fingerchen auf, nicht das du sie dir verletzt." Er spuckte aus, traf gut. Angewidert wischte sich der Nordmann über die Wange, betrachtete den Speichel auf dem Handrücken und schlug blitzschnell mit der anderen, zur Faust geballten Hand zu, dass Wey wieder nur verwundert den Tanz der Sterne betrachten konnte.

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    An Bord der Valencia

    Der Nordmann hatte sich ausgetobt. Ausgiebig von den Fäusten, von einem lederumwundenen Holzknüppel und einem einfachen Riemen Gebrauch gemacht und der überschaubaren Narbenlandschaft auf Weylands alterndem Körper noch einige neue Zeitgenossen hinzugefügt. Anfangs hatte der Schmuggler eisern die harte, unnachgiebige Maske aufgesetzt. Schläge, Tritte und Stöße? Pah, ein Kinderspiel. Als ihm der Riemen jedoch einmal übers Gesicht gezogen war, eine brennende, blutende Spur hinterlassen hatte, dass er von Glück reden konnte, dass es nicht eines seiner Augen erwischt hatte, zerbröckelte die steinerne Fassade und machte dem Meer der Schmerzen Platz. Und darin versank der Schmuggler, ehe Rag irgendwann genug hatte, ihm nun seinerseits in die Visage rotzte und verschwand. So hockte er da, mit dem Rücken an dem Balken und versuchte wach und bei klarem Verstand zu bleiben. Irgendwann hörte er Schritte, sah das Licht einer Laterne.
    "Die nächste Runde, du nordmarischer Hundesohn?", brachte Weyland mit Blut und Speichel über die aufgeplatzten Lippen, "Mach mich los, dann siehst du ja, wie's ausgeht."
    Markige Worte, aber letztlich vergeblich gesprochen. Das war nicht Rag oder irgendein anderer Spießgeselle der Krähe, sondern der Gehilfe des Händlers, dessen Schiff ausgeliehen wurde. Ein dürrer, schwarzhaariger Bursche, vielleicht fünfzehn Jahre alt. Er hatte eine Schale mit Suppe und etwas hartes Brot dabei. Sogar einen Becher Wasser gönnte man ihn. Das rang ihm doch ein Lachen ab. "Scheint als würden sie nicht wollen, dass ich verhungere oder verdurste. Schön. Äh ... wie soll ich essen?"
    "Ich soll Euch füttern, Herr.", murmelte der Junge. Erneut lachte Wey.
    "Wovor haben die Angst, hm? Dass ich ins Wasser springe und Futter für die Fische werde? Wir sind noch nahe der Inseln, oder? Hier gibt's Haie ..."
    Der Gehilfe stammelte irgendetwas. Der Schmuggler seufzte. "Na dann, bringen wir es hinter uns. Wie heißt du?"
    "Ed."
    "Sehr erfreut. Weyland."

    Eine Viertelstunde später schmatzte der Gefesselte zufrieden und bewegte die Rückenmuskulatur, um die Schmerzen zu vertreiben. Der Bursche saß da, sah sich die leere Schüssel an und schluckte schwer.
    "Wieso ... machen die das, Herr?", fragte er. Nun war Weyland selbst etwas verwirrt.
    "Ja nun, Ed, es gab ... Ärger zwischen uns. Das Recht des Stärkeren hat entschieden. Ich war schwächer.", antwortete er langsam.
    "Die sagen, Ihr seid ein schlechter Mensch. Ein Schurke und Verbrecher, der den Armen nimmt und für sich behält. Dass Ihr keine Seele habt, Herr, nur einen schwarzen Eisbrocken, da, wo das Herz ist."
    "Erstens, Ed, bin ich kein Herr. Ich heiße Weyland, kein Von, kein Zu. Nur Weyland. Ich gebe zu, dass ich nicht die Unschuld in Person bin, ich habe Schlechtes getan, aber das tun andere auch. Schau dich um, benutz deinen Riecher. Hat dein Meister gesagt, dass er ... das faule Zeug noch zu Gold machen will?" Zögerlich nickte der Bursche. "Siehst du. Verfaulte Nahrung macht krank. Das weiß dein Meister, trotzdem will er es noch irgendwelchen armen Idioten andrehen. Ist das gut? Rechtschaffen?"
    "Nein, Her- ... Weyland. Ist es wohl nicht."
    Der Schmuggler nickte. "Ich habe Dinge dahin geschafft, wo sie nicht sein dürfen. Oder Menschen Dinge gegeben, die sie nicht haben dürfen. Schmuggelei. Verwerflich, ja ... aber böse? Die Rebellen im Krieg haben sich unser oft bedient. Sie haben gewonnen. Waren wir also schlecht?"
    "Nein, durch euch ist der König, wo er ist. Dank der Rebellen. Und eurer Dienste."
    Zustimmend nickte Weyland. Er hatte den roten Faden gefunden, arbeitete sich daran vor. Es würde etwas Arbeit erfordern, aber ... vielleicht war dieser naive Junge sein Weg, den Fängen der Häscher der Krähe zu entkommen.
    "Genau. Diese Männer hingegen, die mich auf's Schiff brachten, die euch zu Gefangenen darauf machten, die sind böse. Abgrundtief böse. Der Rothaarige? Ein Mörder, nicht mehr, nicht weniger. Hat aus niederen Gründen getötet. Für Gold, aus Spaß. Und die anderen? Genauso schlimm. Alles Mörder. Was ist also schlimmer, die Händler und Schmuggler, die das geringere Übel sind ... oder Totschläger, Meuchelmörder, die ganz klar das größere Übel sind?"
    Lange schwieg der Bursche nun, schien zu überlegen. "Mörder sind schlimm. Mein ... mein Vater wurde von einer gedungenen Klinge getötet, weil er der Konkurrenz im Weg stand. Herr Basileus nahm mich dann auf. Er mag zwar gierig sein, aber er hat mir geholfen. Mich gerettet. So wie du die Rebellen, die dann das Reich gerettet haben."
    Müde lächelnd nickte Weyland. "Ja, so in etwa. Nun, sei's drum, Bursche. Danke für das Essen und das Gespräch. Nun geh, bevor die Kerle Ärger machen."
    "Ebenfalls mein Dank für's Gespräch. Bis morgen, Weyland."
    "Halt die Ohren steif, Ed!"

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    Waldläufer
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    An Bord der Valencia

    Es war ein ständiges Kommen und Gehen, ein Auf und Ab der Schmerzen. Mal kam Rag und schlug ihn, mal zwei maskierte Gestalten, schlicht dunkel gekleidet, die sich an ihm ausließen. Mal hatten sie konkrete Fragen, oft welche, zu denen Weyland nicht einmal eine Antwort wissen konnte, und schlugen ihn dann, wenn er sie nicht beantworten konnte. Er hatte sich nach der zweiten Abreibung seines alten Leibwächters damit abgefunden, nahm die Schläge hin, beobachtete eher verwundert als verängstigt die Bahnen, die sein Blut über seine Brust zog. Irgendwo in seinem Hinterstübchen meldete sich die leise Stimme zu Wort, flüsterte zwischen der Folter immer wieder, dass das vielleicht gerecht war. Vielleicht wäre es wirklich an dem Mann, der sich Krähe nannte, eine neue Ordnung zu etablieren, deren Fundament zwar auf Blut und Toten errichtet wäre, doch wen würde das in ein, zwei Generationen noch interessieren? Vielleicht war er, Weyland, wirklich so schlecht, ein böser Mensch. Denn wahrlich, egal was er dem jungen Ed erzählt hatte, seine Ziele waren allesamt selbstbezogen. Nicht für das höhere Wohl aller oder eine bessere Welt, nein, nur für das eigene Vorankommen in dieser schlechten Welt. Weil er die Mechanismen entschlüsselt hatte, nach denen sie tickte, diese Welt. Anders als andere, die ihn fortschrittlicher machen wollen, nutzt er die Mechanik, den Lauf der Dinge, um sich daran zu bereichern. Sich und nur sich. Der Schmuggler ließ den Kopf hängen, während die Tür erneut geöffnet wurde. Ed trat ein. Mittag, dachte er sich, es gibt Essen.

    "Hallo Weyland, ich habe hier ... Brot und gekochte Kartoffeln. Zwar etwas kalt, aber das macht ja nichts."
    Er schüttelte nur den Kopf. "Ich würde sogar eine Ratte verspeisen."
    Ed lachte auf. "Nein, der Smutje ist da talentiert. Der kocht gut, und wenn es nur Kartoffeln sind. Habe hier nämlich noch etwas ... gepökelten Hering mitgehen lassen."
    Der Schmuggler nickte dankend, während der Bursche sich daran machte, den Gefesselten zu füttern. Dieser ächzte irgendwann verzweifelt auf.
    "Götter, Ed, wäre es möglich, mir die Fesseln zu lösen ... das ist doch unwürdig."
    Lange betrachtete der Junge ihn, wog ab. Kam zu einem Schluss. "Ja ... ja, aber wehe du machst was, ich habe hier einen Dolch."
    Eher ein Zahnstocher, dachte Weyland amüsiert, gab sich aber nach außen kraftlos, gebrochen. Er lächelte nur schwach. "Ich hätte nicht mal die Kraft, zu stehen. Wie soll ich da einen gesunden Burschen wie dich überwältigen, vor allem unbewaffnet?"
    Das überzeugte Ed, also löste er die Fesseln. Natürlich hatte Wey noch genug Kraft, dem Burschen die Gräten zu brechen, aber dieses Spiel erforderte Geduld und Täuschung. Beides würde er aufbringen und nutzen müssen. So aß er langsam, trank einige Schluck Wasser. Plauderei, dachte er, wird hier helfen.
    "Was habt ihr denn so geladen?", fragte der Schmuggler nebenher, "Ich mein ... abgesehen von den verdorbenen Sachen. Entschuldige", lächelte er, "Berufsinteresse."

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    An Bord der Valencia

    Etwas fiepte im Dunkeln, das Trippeln kleiner Pfoten. Ein Nadelstich in seinem Fuß und Weyland fluchte lästerlich auf.
    "Verfluchtes Ungeziefer!", brüllte er, trotz Hunger und Schwäche, "Ihr Idioten habt Ratten an Bord! Gute Gesellschaft für euch!"
    Natürlich antwortete ihm niemand. Anfangs hatte er noch Schläge für Gebrüll und Beleidigungen bekommen, doch mit den Tagen war die Bereitschaft geschwunden, sich an dem Gefangenen auszulassen. Es fehlte einfach der Reiz. Weylands Vorschlag, ihm die Fesseln zu lösen und es auf einen Faustkampf ankommen zu lassen, wurde dabei jedoch geflissentlich überhört. Allgemein überließ man den Schmuggler nur noch sich selbst und den Ratten. Die einzige Person, mit der er noch zu tun hatte, war der Gehilfe Ed, den er dennoch unterschwellig beeinflusste. Wenn es Essen gab, löste er ihm die Fesseln, knotete sie später auch nicht ganz so fest zu, wie es Rag und seine Kumpanen taten. Auch hatte er bereitwillig erzählt, was so im Lager des Schiffes mitgeführt wurde und darauf seinen riskanten Plan aufgebaut.
    "Also ...", nahm Wey während des späteren Essens den Gesprächsfaden von vor einigen Tagen auf, "Leinen und ... Tran?"
    Der Bursche nickte. "Ja, der Meister hat ... Schulden bei den Nordmännern aufgenommen. Die haben mit Fischern aus Vengard zusammen Jagd auf diese riesigen Fische gemacht."
    "Wale", warf Wey ein. Ed nickte eifrig.
    "Ja, genau, Wale! Und er hat nicht das Fleisch oder ähnliches gekauft, sondern nur das Fett. Und da hat einer Flüssigkeit draus gewonnen, irgendwo an der Küste Nordmars. Der Meister hat mir mal eine Schelle gegeben, als ich mit der Kerze dort ins Lager laufen wollte. Bist du dumm, Junge?, hatte er gebrüllt, Gehst du mit der Kerze rein, brennt alles! Seitdem geh ich nie weiter als hier hin mit einem Feuer."
    "Schlau", meinte Wey grinsend und aß weiter, während er innerlich lachte. Er könnte die Leinen tränken, alles mit einem Feuer anzünden und das Chaos zur Flucht nutzen, sollte er nah genug an der Küste sein. Oder ... er würde den Tod finden, jedoch in dem Wissen, dass die Besatzung ebenso ihr Leben geben würde.
    "Und, Junge, wartet ein Mädel in Vengard auf dich?", lenkte er den Burschen von seiner offensichtlichen Freude ab, wohlwissend, dass Ed nie wieder ein Mädel würde sehen können.

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    An Bord der (brennenden, sinkenden) Valencia

    "Feeuuueer! Rette sich wer kann!"
    Die Schreie gellten übers Wasser, verhallten irgendwo in der Ferne, ungehört außer von denen, die sie aus schmerzender, brennender Kehle schrien. Der Mast stand in Flammen, die Seile des Segels lösten sich, stürzten brennend hinab, begruben Matrosen unter sich. Es herrschte Chaos, ganz so wie es der Wille Beliars für die Sphäre Adanos' war. Zügelloses, panisches Durcheinander. Weyland stand unbewegt, wie angewurzelt auf dem brennenden Deck, rußverschmiert, blutend und lachend wie ein Wahnsinniger, da sein Plan funktioniert hatte. Natürlich klebte wieder das Blut derer an seinen Händen, die nichts dafür konnten, die sich nicht willentlich mit der Krähe verbündet hatten. Ed, der zu seinem Mädel in Vengard wollte. Der Kaufmann, der von den Männern in Schwarz unter Druck gesetzt worden war. Ein kleiner Gewissensbiss, wie von einer Katze, die nicht gestreichelt werden wollte. Mehr nicht. Irgendwelche Mädel waren ihm egal, ebenso das Leben und Leiden von Händlern. Hier ging es um sein Überleben und - noch viel wichtiger - um die gute, alte und ehrenhafte Rache. Ein vornehmer, edler Grund. Er lachte erneut auf, als der verletzte Kaufmann an Deck stolperte, Flammenherden auswich und weinend und schreiend auf seinen Ruin und Untergang blickte. Dann sah er zu dem Ruderboot hin. Weyland sah den Unglauben und lachte ein letztes Mal heiser und hysterisch auf.
    "Götter, was für ein Spaß!", brüllte er über das Fauchen des Feuers, "Arm und Reich, Boss und Untergebener ... nichts existiert im Angesicht des Todes. Nur das schöne Recht des Stärkeren, Händler, die natürliche Selektion, wie mir mal ein Schamane der Orks in Trelis gesagt hatte."
    Der verletzte Mann wirbelte herum. "Du! Verfluchter Unglücksbringer! Du bist schuld an all dem!", schrie er.
    Weyland schüttelte nur den Kopf. Götter, was fühlte er sich lebendig! "Nein, das ist das Schicksal. Du lässt dich mit Ratten ein ... du stirbst mit ihnen. Ganz einfach."
    Der Händler würgte, spuckte Blut, Speichel der durchsetzt war mit Asche und Ruß. "Ed ... der Junge ... auf dem Boot?"
    Weylands Lachen schwand einen Moment. "Nein", antwortete er kalt, "Tot. Er war der Erste."
    "Möge Innos dich verfluchen, Hundesohn", der Mann spuckte dem Schmuggler ins Gesicht, "Mögest du ewig leiden!"
    "Und mögest du in der Tiefe versinken."
    Mit diesen Worten sprang Weyland von der Reling, hoffte und betete stumm. Bis zur Küste war es nicht weit, wenige hundert Meter. Er hatte Lichter gesehen, kurz überlegt. Lago? Ja, sie waren in der Treliser Bucht, wo das Südwasser auf das des Nordens traf und nicht zwingend den Kältetod bedeutete. In Gedanken sah er die Überraschung im Gesicht von Ed, als Weyland ihm ein stumpfes Messer, das er zum Schneiden des Essens genutzt hatte, in den Hals rammte. Das Blut, die leisen Verwünschungen, das Flehen und Sterben. Kleine Gewissensbisse? Nein, der Mord an Ed lastete schwerer als er zugeben mochte. Das Gefühl wurde aber vom Triumph abgelöst, als er sich daran erinnerte, wie er Rag einen ölgetränkten, brennenden Knüppel ins Gesicht geschlagen hatte. Zwar hatte er sich zurückgezogen und auf das Rettungsboot flüchten können, aber die Genugtuung war für den Moment belebend. Sie trieb ihn an, ließ ihn Zug um Zug schwimmen, dem Land entgegen. Varant, dachte er, Lago. Ein Ort, wo er nie wieder hin wollte.
    Ob die Krähe dort warten würde?

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    "Ich bin mir fast sicher, dass das hier nicht Thorniara ist."
    "Woran hast du das erkannt?"
    "Weißt du, die Palmen haben mich zuerst stutzig gemacht. Es gibt Menschen, die gerne mit Feuer spielen, und es gibt gute Gärtner. Und noch ein paar Andere, die weder gärtnern noch zündeln. Aber wer interessiert sich schon für die?
    Dann gab mir der Sand zu denken. Die Myrtaner haben doch schon mal einen Krieg angefangen, weil sie Angst hatten, die Wüstensöhne könnten ihnen den Sand einschleppen. Da war ich mir unsicher.
    Aber als ich die Höhle mit den Rumfässern gefunden habe, da ist mir aufgegangen, dass hier kein Rotrock hausen kann."
    "Nennen wir es einen Navigationsfehler."
    "Nennen wir den Navigator einen Fehler. Aber einen glücklichen."
    Edon süffelte genüsslich aus einer halben Kokosnuss. Arko sah man in einiger Entfernung wüst den zerschollenen Bug der Tochter der Weiten beschimpfen und mit Tritten zu bedenken.
    "Ich gebe zu, so hätte ich mir mein Ende nicht vorgestellt."
    "Welches Ende? Ich bin mir sicher, mit genügend Kokosnussschalen ist so ein kleiner Kratzer in den Planken schnell geflickt."
    Edon warf die Reste seiner Kokosnuss auf den mittlerweile ansehnlichen Haufen geräuberter Nussschalen.
    "Ach, was soll's. Wie hast du dir dein Ende denn ausgemalt?"
    "Alt und grau, umgeben von Enkelkindern und den Menschen meiner Sippe in Al Shedim. Und du?"
    "Blutend wie ein angesägtes Mastschwein auf einem besonders edlen Teppich, der dadurch endgültig ruiniert wird. Durchbohrt vom Schwert eines Paladins, während ich ihm einen Dolch ins Gemächt stoße. Und sterbend lache ich ihn aus, dass er vielleicht den großen Schwertmeister Charon endgültig geschlagen hat, aber er es niemals seinen Kindern erzählen kann. Und er wird nie wieder pissen können, ohne daran zu denken, dass er gewonnen hat und trotzdem die ärmere Sau ist.
    Ich gebe zu, das hier ist besser."
    Edon schaukelte fröhlich in seiner Hängematte auf seiner kleinen Insel voller Palmen, Kokosnüsse und Sand. Einem kleinen Piratenkönigreich weit weg von Drachen, Orks und den Göttern. Er kannte die Namen von ein paar Menschen, die im krepiert waren, ein paar Namen, die heute eingeritzt in irgendeiner Säule in einer halb eingestürzten Halle verwittern, aber wenigstens heute noch jedes Kind meint, die hätten zu echten Helden gehört. Von großen Magiern, die abgetreten waren, während sie die Welt gerettet hatten. von großen Schwertmeistern, die den Löffel gegen sechs Gegner gleichzeitig abgaben und noch vier mitnahmen. Am Ende kannte er nur die Namen der armen Hunde, die nach ihren großen Heldentaten auch gar nicht mehr viel auf dieser Wlet zu tun gehabt haben könnten. man wird ja nicht wieder Bäcker nachdem man vierzig Jahre lang jeden Tag drei Orks zum Frühstück gegessen hatte.
    "Du glaubst, das ist nicht das Ende?"
    "Vielleicht nicht. Der Rum hält ja doch nicht ewig."

    ... ... ...

    ?
    Geändert von Edon Mesotes (10.01.2018 um 20:14 Uhr)

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