ERZÄHLUNGSTECHNIK
Robert Louis Stevenson, der absolute Meister dieses Fachs. Sein Gesamtwerk ist zu empfehlen. Aber hier vorweg eine kleine Auswahl
- Treasure Island (die Schatzinsel): Wird viel zu oft und zu schnell in die Schublade Kinderliteratur verbannt. Allerdings kann jeder schriftstellerisch Interessierte beim Nachlesen lernen, wie man eine zusammenhängende Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln (Jim Hawkins, Dr. Livesey, Long John Silver) spannend macht.
- Complete Short Stories (Gesamtwerk: Kurzgeschichten). The Suicide Club ist ein Beispiel vollendeter Kunst der Verflechtung mehrerer Erzählungsstränge zu einer komplexen Hauptgeschichte.
- The Master of Ballantrae (Der Junker von Ballantrae) greift erneut auf die Technik der verschiedenen Blickwinkel zurück. Darüber hinaus werden häufiger Rythmusanpassungen vorgenommen. Lange Beschreibungen werden oftmals unterbrochen, um der fortschreitenden Handlung den Vorzug zu geben. Eine damals revolutionäre Art zu schreiben, die heute noch die Arbeitsweise von erfolgreichen script writers und Thriller-Authoren beeinflusst.
Jack London
- White Fang (Wolfsblut). Kapitel Eins:: Zwei Männer sind mit einem Hundeschlitten in der eisigen Wüste Kanadas unterwegs. Ihre Fracht: Einen Sarg. Doch die roten Augen in den Wäldern verraten, daß Sie nicht alleine sind. Ein Meisterwerk der Erzählungstechnik. Leider lässt der weitere Romanverlauf etwas nach. Aber dieses erste Kapitel ist eine Pflichtlektüre für jeden, der etwas über Spannungsbogen und Suspense erfahren will.
Alan Moore
- From Hell . Ja, da ist ein Comic. Aber eins der Bestgeschriebenen aus diesem Genre. Das Leben von Jack The Ripper im düsteren fast erdrückenden London der viktorianischen Zeit. Eine Reise tief in die Abgründe der menschlichen Psyche ohne Wiederkehr und ohne Kompromisse. Mehr als beeindruckend, finde ich.
BESESSENE , GEQUÄLTE, ZERRISSENE HAUPTFIGUREN
Unzählige Bestseller waren deshalb so erfolgreich, weil sie die Reise der Hauptfigur als eine Art Initiationsritus beschreiben. Nicht alle Bestseller sind zwangsweise Schund. Hier einige Gegenbeispiele:
- The Lloyd Hopkins Trilogy (Blut auf dem Mond, In der Tiefe der Nacht, Hügel der Selbstmörder), James Ellroy. Die sehr düstere Reise eines Polizisten auf der Jagd nach Serienmördern und korrupten Bullen.
- A confederacy of dunces, (Eine Verschwörung von Idioten) John Kennedy Toole. Visionen eines Schizophrenen.
- Les racines du Mal (Die Wurzeln des Bösen), Maurice G. Dantec. Mehrere "Familien" kämpfen über das Internet mit entsprechenden Videobeweisen um den Titel des grausamsten Serial-Killers. Leider noch nicht ins Deutsche übersetzt.
- Der schwedische Reiter, Leo Perutz. In der Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg begegnet ein Ritter dem Teufel in veschiedenen Erscheinungsformen...
- Der Meister des Jüngsten Tages, Leo Perutz. Eine kleine Gesellschaft wohl betuchter Amateurdetektive untersucht eine Reihe unerklärlicher Selbstmorde und verliert dabei jeglichen Bezug zur Realität.
- Das Orakel vom Berge (The Man in The High Castle), Philip Kindred Dick. In einem Paralleluniversum haben die Kräfte des dritten Reiches und Japans die Alliierten im zweiten Weltkrieg besiegt. Eine der Hauptfiguren ist ein japanischer Konsul im besetzten Kalifornien, der nach und nach zum Freund der Resistance wird...
- Red Dragon (Roter Drache), Thomas Harris. Der Aufstieg eines Serienmörders. Für mein Geschmack, zuviele pseudo-psychiatrische Erklärungen dazu (Komplex der Magna Mater, usw...). Bleibt aber eins der spannendsten Thriller, die ich je gelesen habe. Besonders der Wandel des am Anfang doch recht einfältigen FBI-Ermittlers ist richtig gut gelungen.
SCHREIBRYTHMUS UND RYTHMUSWECHSEL
Nach meinem Empfinden ein unverzichtbares Werkzeug der Erzählungstechnik. Die Fähigkeit, die Handlung schnell (Suspense) oder langsam zu gestalten (der Weg ist das Ziel).
- Underworld USA, (Ein Amerikanischer Thriller, Ein Amerikanischer Albtraum, Blut will fließen) James Ellroy. Hier wird die Handlung systematisch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Auch wenn sie mir manchmal zu systematisch erscheint, wirkt sich die Einfügung vieler Zitate aus Zeitungen, streng vertraulichem FBI-Schriftverkehr, Telefonaufzeichungen und privaten figurenbezogenen Tagebüchern auf das Erzähltempo aus. Mal beschleunigend, mal verlangsamend.
- Luschins Verteidigung, Vladimir Nabokov. Die Geschichte einer Monomanie, in diesem Fall Schach. Ein Schachgrossmeister verliert langsam seinen Verstand und sieht sich mehr und mehr als eine der eigenen leider schlecht postierten Schachfiguren. Nabokov beherrscht wie kein Anderer die Kunst des Rythmuswechsels. Seine Hauptfigur Luschin versinkt immer tiefer im Sumpf der eigenen Psyche. Erschütternd, bewegend, genial.