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Eine knappe Sekunde, nachdem die Drachenflammen den Falken erfasst hatten, hatte die Königinmutter ihren Amethysten berührt. Sie hatte schnell reagiert.
Nicht schnell genug.
Alle Hofgäste wurden dadurch zwar in die Oberwelt in den Festsaal des königlichen Palastes transportiert. Viele unter ihnen wiesen aber Verbrennungswunden auf und wurden von den Hofheilern medizinisch versorgt. Am Schlimmsten hatte es die Mutter des Monarchen erwischt. Sie hatte schwere Verbrennungen erlitten. Der Amethyst an ihrer Halskette hatte seltsamerweise seine Farbe geändert. Der ursprünglich smaragdgrüne Farbton des Edelsteins war wie ausgelöscht. Stattdessen strahlte er nun eine ungewohnt düstere Bernsteinfarbe aus und wurde stets dunkler.
Die Königinmutter selbst war in einer unerklärlichen Schockstarre versetzt worden, in einen merkwürdigen komaähnlichen Zustand, der die Medizingelehrten ratlos ließ.
Plötzlich wurde die große Türe des Saales aufgestoßen und der König huschte herein, dicht gefolgt von seinen engsten Vertrauten. Alle Untertanen warfen sich demütig zu Boden. Er schenkte ihnen keine Beachtung, sondern schritt direkt auf die Privatgemächer seiner Mutter zu. Die Heiler hatten sie dort eiligst getragen und ins Bett gelegt. Eine Woche war seitdem vergangen und die Hofärzte hatten alle ihnen bekannte Tränke, Salben und Heilkräuter verabreicht. Vergebens. Daraufhin war sogar der dunkelelfische Schamane Gamar von der weit entfernten Provinz Selenta geholt und zum Palast Hajimarus eiligst gebracht worden. Er hatte uralte Rituale durchgeführt, magische Formeln aus der Zeit der Ahnen gesprochen, Hexerei und heilige Gesänge aus dem versunkenen Kontinenten Amru angewandt. Die Gastgeberin des königlichen Jagdfestes war immer noch erstarrt. Mit einer eindeutigen Geste beendete der König die geflüsterte Beratschlagung der Hofärzte und verwies sie des Zimmers. Bis auf Gamar. Er warf sich vor dem Palastherrscher nieder und sagte mit gepresster Stimme:
- Eure Hoheit, wir haben alle uns bekannten Methoden angewandt. Leider ohne Erfolg, Majestät!
- Was ist Deine Empfehlung? Fragte der Monarch ganz sachlich und distanziert. Er hatte eine sehr tiefe allerdings kalte Stimme, aus der keinerlei Gefühlsregung zu erhören war. Er hätte genauso einen Stallknecht fragen können, ob genügend Heu für den Winter vorrätig war...
- Majestät, ich weiß dass Ihr das ungern hören mögt, aber ich fürchte, unsere einzige Hoffnung liegt in den Händen der Hexenmeister aus Mihasan.
- Wieso? Unterbrach der König seinen Untergebenen sehr schroff und bedrohlich.
- Das Übel, welches ihre ehrwürdige Mutter befallen zu haben scheint, hängt scheinbar mit dem Schmuckstück zusammen, das sie trägt. Der Amethyst ist ein mächtiger magischer Artefakt, der sich hier aufgrund eines Zauberspruchs weiter verdunkelt. Daher ist es auch nicht ratsam, die Halskette zu entfernen, bevor wir wissen, welche Zauberformeln dabei gesprochen werden müssen, so dass Ihre Majestät, die ehrwürdige Königinmutter, keine Schäden davon tr....
- Genug von diesem Unsinn, aus meinen Augen mit Dir, Wurm! Schrie er den Schamanen an, der ehrfürchtig gebeugt das Weite suchte.
Sein Zorn war auf die Hilflosigkeit zurückzuführen, die er verspürte. Er war wütend, weil seine Mutter ihn nicht wie gewohnt beraten konnte, was zu tun sei. Eins war aber klar. Mihasan um Hilfe bitten wäre das Allerletzte, was er tun würde. Seine Position gegenüber dem Hohen Rat war ja schon kompromittiert genug. Sollte er es je wagen, Dämonenhorden freien Zutritt zum Reich zu gewähren, würde man ihn sofort zwingen, abzudanken. Es wäre das Ende von Theobald den Zweiten, König von Hajimaru Seira.
Tags darauf ritten alle Herolde unter Begleitschutz der königlichen Garde durchs ganze Königreich und befestigten an jeder Hauptkreuzung, jedem Wirtshaus, Marktplatz oder Tempel eine große mit königlichem Wappen versehene Schriftrolle:
" KÖNIGLICHE PROKLAMATION
Hiermit verfügen Wir, König Theobald Der Zweite, Herr und Erlauchter Beschützer Unseres Glorreichen Königreiches Hajimaru Seira,
Erstens. Dass der Attentäter Baron Ansgar von Hohenfelde mit sofortiger Wirkung aus unserem glorreichen Königreich wegen Hochverrats verbannt und als Verschwörer gegen die Krone tot oder lebendig gesucht wird. Jegliche Besitztümer der Baronie von Hohenfelde in der Oberwelt sowie Unterwelt – Leibeigenen, Güter, Münze, Münzenprägungsrecht, sonstige Vergütungen, Ländereien und sonstige Lehen sind hiermit beschlagnahmt. Seine sämtlichen Adelstitel sind hiermit null und nichtig, seine Privilegien jeglicher Art einschließlich der Befehlsgebung per Stimme oder Runenstein verwirkt.
Zweitens. Dass jede Art von Hilfeleistung in welcher Form auch immer, Verpflegung, Unterkunft, Information oder Schutz sonstiger Art, die dem Verräter gewährt wird, als Hochverrat angesehen und mit dem Tode mittels Vierteilens bestraft wird. Des Weiteren werden sämtliche Besitztümer des Schuldigen beschlagnahmt und seine nahe Verwandtschaft aus Unserem Glorreichen Königreich verbannt.
Drittens. Dass jede Information, die zur Gefangennahme des genannten Verräters von Hohenfelde führt, mit fünfhundert Goldstücken belohnt wird. Darüber hinaus wird die direkte Auslieferung des Verräters, tot oder lebendig, an die königliche Rittergarde mit einer Belohnung von zweitausend Goldstücken vergütet.
Viertens. Dass das königliche Amt des obersten Schatzmeisters mit sofortiger Wirkung von Graf Dagai von Thalmoor bekleidet wird."