Zitat von
Tjordas
Wenige Stunden später war Corvan bereits in einer ihm völlig fremden Ecke dieses verdorbenen Felsens in der Schwärze des Alls angelangt. Auch wenn sich hier insgesamt ausschließlich Abschaum aufhielt, so gab es wohl doch so etwas wie eine soziale Hierarchie unter ihnen, denn hier, so konnte man sich sicher sein, lebten entweder die absolut niedergestelltesten der Asteroidenbewohner, oder solche, die nicht aufgefunden werden wollten, indem sie sich beinahe buchstäblich im Schlamm versteckten. Ein feuchter, fast fauliger Dunst gefärbt in einem grün-gelblichen Glanz schwelte in den engen Gängen, durch die Corvan stapfte. An den Kreuzungen derselben, den noch geräumigsten Stellen, versammelten sich kleinere Gruppen aggressiv zähnebleckender Vorcha, die erst bei einem demonstrativen Anheben der Handfeuerwaffe ein kleines Stück zurückwichen - diese Sprache verstand hier jeder unmissverständlich.
Angeleitet durch eine ihm zugesandte Koordinatennavigation, bog der Spectre in den gefühlt hundertsten Gang an, von denen viele, durch Kisten verstellt, oft gar nicht existent und zunächst nur wie ein Fehler der elektronischen Karte wirkten. Am Ende dieses Ganges, aber, schien tatsächlich etwas nicht zu stimmen: Wo auf der Karte des Quarianers eine Abzweigung nach rechts hätte folgen müssen, war einfach nur eine Sackgasse, in der sich die Ausscheidungen irgendeiner Spezies sammelten. Grübelnd wählte sich Corvan durch die Menüführung seiner Ortung, um einen eventuellen Fehler auf seiner Seite auszumachen, als er plötzlich das leise, aber charakteristische Klicken einer Waffensicherung vernahm und direkt mit gezogener Pistole herumwirbelte. Ein Schatten verschwand verzerrt durch Bewegungsunschärfe und nebligen Dunst in einer Nische auf der rechten Seite. Erst eine Sekunde später hallte ein Helmlautsprecher aus der Ecke zu Corvan hinüber.
"Sind Sie allein?", wimmerte die Stimme hörbar nervös.
"Wenn nicht, wären Sie wohl jetzt schon tot", antwortete Corvan trocken und ließ seine Stiefel langsam auf dem Boden vorwärtsgleiten, um einen Blick um die Nische werfen zu können, die Waffe noch immer ausgestreckt.
"Ich nehme an, Sie sind Nelak'Anar vas Usela?", versuchte der Salarianer möglichst ruhig zu sprechen, sodass die Situation nicht weiter eskalierte. Als er den Kopf zur Seite neigte, konnte er bereits einer der Schulterplatten des quarianischen Raumanzuges hinter der Nische erahnen.
"Nel genügt völlig", zischte der eben noch eigeschüchterte Kontaktmann als Antwort. Es wunderte den Spectre nicht, wie Nel auf seinen vollen Namen reagierte, der dessen Vergangenheit mit Clan- und Schiffszugehörigkeit nur allzu deutlich enthielt. Doch während andere Mitglieder der Migrantenflotte stolz auf ihre Herkunft waren und sie nicht zufäöllig im Namen trugen, schämten sich die meisten der wenigen Quarianer auf Omega für ihren Namen, denn die meisten von ihnen waren aus gutem Grund von ihren Schiffen verbannt und auf dieser trostlosen Insel zurückgelassen worden - eine aussterbende Spezies würde schließlich niemanden verbannen, der sich nur kleinere Dinge hatte zu Schulden kommen lassen. Kurz nach der giftigen Antwort hoben sich die Arme der skurrilen Silhouette im Dunst an, wenn auch noch mit der offenbar selbstgebauten Waffe in der rechten Hand, und Nel trat langsam aus der Deckung in den Kegel der Deckenbeleuchtung. Anlass genug für Corvan, auch seine Abzughand zumindest gen Boden zu richten.
"Es geht um eine Terrorgruppe, hauptsächlich bestehend aus Blue-Suns-Söldnern und anderen Batarianern", verlor der Spectre nun keine weitere Zeit und übermittelte über einige Bedienfelder an seinem Omnitool seinem Gegenüber die wichtigsten Grunddaten.
"Eine Waffenlieferung der Allianz wurde von Ihnen erst kürzlich überfallen. Wir müssen also leider mit guter Ausrüstung rechnen"
"Mein kroganischer Kollege bekommt 50.000 Credits von Ihnen. Ich will 75.000", war die einzige Antwort des Quarianers, den die Missionsdetails im Moment offenbar weniger interessierten. Corvan war für einen Augenblick tatsächlich etwas aus der Fassung darüber, dass die Informationen so schnell und so früh durchgesickert waren, doch wie vertrauenswürdig und schweigsam war schon ein prahlender Kroganer? Und zumindest schien Nel von dem noch höheren Honorar Stephen Connors nichts zu wissen.
"Sie bekommen ebenfalls nur 50.000. Aber zudem bin ich bereit, Ihre Extranet-Datenspuren der letzten Jahre nicht wie geplant gesammelt an Aria zu übermitteln. Diese würde sicher nur ungern erfahren, dass Sie die letzten Jahre durch die Ausnutzung eines Systemfehlers hunderttausende Credits aus Ihrem Profit erschlichen haben"
Nels Helmvisier senkte sich für einen Moment, getroffen von diesem Gegenschlag.
"Sie sollten niemanden erpressen, der Ihnen während der Mission in den Rücken schießen könnte", erwiderte er dann scheinbar unberührt.
"Und das selbe gilt für Sie. Außerdem weiß ich, dass Sie derjenige sind, der das Geld braucht"
Es folgte ein verdächtig langes Schweigen, während dem sich die leuchtenden Punkte hinter dem rötlichen Helmvisier mit Corvans amphibischen Augen bekämpften. Dann aber schließlich nickte Nel langsam und bedächtig, wagte jedoch in seiner Niederlage nicht, sich weiter zu äußern.
Bereits wenige Minuten später verschloss sich hinter dem Spectre die Schleusentür in die unteren Bereiche und trennte ihn somit von den nebligen Gängen ab, aus denen er gekommen war. Doch auch weiter oben im Asteroiden war es nicht schwer, eine unbeobachtete Ecke zu finden, in der er über die Sicherheitsschlüssel Stephen anwählen konnte.
"Können Sie reden?" war alles, was er in einer Textanfrage an diesen richtete, bevor er den Sprachkanal öffnete. Wer wusste schon, wo sich der Mensch gerade herumtrieb?...