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    Größter Sumpfgolem Avatar von Alexander-JJ
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    Nach langer Zeit habe ich mich auch mal wieder dazu entschlossen eine Geschichte zu schreiben und v.a. hier zu posten. Kommentare, Kritik, Lob, Tipps, usw, lese ich sehr gern. Ich hoffe die Geschichte gefällt euch. Viel Spaß beim Lesen.

    *


    STAUB UND ASCHE


    Prolog

    Kalter Wind wehte von den Hängen des Archolos herab. Mit dem Wind kamen Eis- und Graupelschauer. Schnee fiel auf die ausgedörrte, verbrannte Erde, so als wolle die Natur die Wunden zudecken die dem Land zugefügt worden waren. Der weiße Schnee bot einen merkwürdigen Kontrast zu der dunkelgrauen Asche die das Land bis zum Horizont überzog. Eine dichte, graue Wolkendecke bedeckte schon lange den Himmel und sperrte die Sonne aus. Die Temperatur fiel um etliche Grad.
    „Es wird Winter.“, murmelte Mehmet.
    Er zog seinen dünnen Mantel enger um seine abgemagerte Gestalt. Seit drei Tagen pochte das Geschwür unter seinem linken Auge nicht mehr. Das war ein schlechtes Zeichen. Seine linke Gesichtshälfte war auch nicht mehr angeschwollen, aber die Haut hatte sich erst blau und dann zunehmend schwarz verfärbt. Seine Zehen spürte er nicht mehr, dafür schmerzten seine Kniegelenke stark. Er war müde und hungrig. Wölfe heulten in der Ferne. Wie konnten sie bis jetzt überlebt haben? Wovon ernährten sie sich?
    Das Land war tot. Es war buchstäblich verbrannt worden. Eine dunkelgraue Einöde breitete sich zwischen dem Archolos und den Hügeln jenseits des großen Berges aus. Einst war das hier ein berühmtes Weinanbaugebiet gewesen. Doch jetzt konnte man höchsten noch hier und da ein verfallenes, verbranntes Gehöft erkennen. Ein paar schwarze Baumstümpfe ragten dort in Höhe wo früher dichte Wälder gewesen waren. Auf einer kleinen Anhöhe in der Ferne erhob sich ein halbzerstörtes Gasthaus. Ansonsten war das Land kahl und karg, im wahrsten Wortsinn tot. Der Wind heulte sein Klagelied.
    Mehmet bemerkte wie einige der verbrannten Bäume neue Äste austrieben. Es waren seltsame weiße Triebe die in der Dunkelheit unheimlich schimmerten. Doch Mehmet war zu müde, zu hungrig und zu abgekämpft um noch Schrecken zu spüren. Er wollte sich einen Moment ausruhen.
    „Komm, weiter.“, drängelte Sabia. „Vater wartet auf uns.“
    Ihre kleinen Hände, ganz schwarz durch die Kälte, schwarz und tot, zerrten unbeholfen an seinem Mantel. Sabias Gesicht verbarg sich in einer weiten, dunkelgrünen Kapuze die von Asche bedeckt war. Mehmet versuchte ihr in die Augen zu sehen, doch das Gewicht seines Rucksacks drückte ihn zu Boden. Er ging auf seine Knie herab und begann vor Schmerzen zu weinen.
    „Nein, nein, nein. Nicht hinsetzen. Nicht, Onkel. Nicht.“, bettelte Sabia. „Wir müssen zu Vater.“
    Mehmet versuchte zu lächeln. Er hatte ihr nie gesagt, dass ihr Vater schon lange tot war. Ihre gesamte Familie war tot. Alle waren tot. Es gab nur noch wenige Menschen hier im Norden. Sabia glaubte er würde sie zu ihrem geliebten Vater bringen. Eines Tages musste er ihr die Wahrheit sagen. Doch er schob diesen Tag hinaus. Was nützte es einem Kind die letzte Hoffnung zu nehmen? Mehmet nickte ihr aufmunternd zu.
    „Ich ruhe mich nur kurz aus.“, sagte er zu ihr.
    Etwas blitzte am Horizont auf. Donner rollte über Sabia und ihn hinweg. Licht und Feuer tobten in den Hügeln jenseits des Archolos. Etwas war dort und kämpfte gegen etwas anderes. Mehmet versuchte sich zu erinnern wer oder was dort oben Krieg führte. Es wollte ihm nicht einfallen. Sein Kopf fiel auf die Erde. Mit jedem Atemzug sog er Asche in seine Lunge. Doch er war zu schwach zum husten. Das Gewicht des Rücksacks presste ihn zu Boden. Er war so müde.
    „Steh auf, bitte steh auf.“, flehte Sabias kindliche Stimme.
    „Nur einen Moment.“, flüsterte Mehmet.
    Mehr brauchte er nicht. Nur einen Moment. Etwas Schlaf. Dann würde alles gut werden. Das hatte die Kristallmagierin gesagt. Oder doch nicht? Nein, entschied Mehmet, sie hatte es gesagt. Er erinnerte sich noch gut an ihr hübsches Gesicht, ihre kurzen blonden Haare, an ihre strahlend blauen Augen. Sie hatte ihn in seinem kleinen Kramladen in Initria auf der Insel Tirith besucht als die ersten Ungeheuer aus dem Meer stiegen.
    Ihr Geschenk war ein unscheinbarer Kristall gewesen, der nun gut verpackt in Mehmets Rucksack lag. Die Kristallmagerin hatte behauptet der Kristall würde sie retten. Alles was sie tun mussten war ihn zum Gasthaus am Berg Archolos zu bringen. Der dort lebende Alchemist konnte aus solchen Kristallen Teleportsteine herstellen die sie nach Sendar, Calador oder gleich nach Caldera teleportieren konnten. Dann würde alles gut werden. Mehmet klammerte sich an diese letzte Hoffnung. Das Gasthaus lag nun in Sichtweite. Sie würden es noch heute Abend erreichen. Aber er brauchte etwas Ruhe. Nur einen kleinen Moment. Er streckte sich auf dem harten, gefrorenen Boden zum Schlafen aus.
    „Nein, nein, nein, nein.“, rief Sabia entsetzt.
    Sie zog und zerrte an ihm. Mehmet schloss seine Augen. Er schlief friedlich ein, während er langsam erfror. Der Tod holte ihn keine Stunde später und er bemerkte nichts davon. In gewisser Weise, zu diesen schrecklichen Zeiten, konnte man das als eine Art Gnade ansehen. Nur wenigen Menschen war heutzutage ein so friedlicher Tod vergönnt.

    # # #

    Der Wind schwoll an. Es schneite jetzt heftiger und die Temperaturen fielen weiter. Über den Hügeln in der Ferne blitzte es immer greller, roter Feuerschein war zu sehen und der Donner wurde lauter. Es klang als rissen Giganten das Land in Stücke. Mehr Schnee und Eis fiel vom Himmel. Die Wolken sahen dunkel und bedrohlich aus, jedenfalls für ein Kind das neben einem Sterbenden hockte. Eine hundert Meter hohe Stichflamme schoss über den Hügeln in den Abendhimmel. Ein immenser Donnerschlag hallte über die Große Nordebene. Es war so laut das sich Sabia ihre Ohren zuhalten musste. Etwas Schlimmes geschah dort in den Hügeln, dessen war sie sich völlig sicher. Sie musste weg von hier, sich verstecken, irgendwo abwarten bis entweder ihr Onkel wieder aufstand oder ihr Vater sie fand. Das recht nahe Heulen eines Wolfs ließ sie augenblicklich in hektische Aktivität verfallen.
    Sie zerrte an Mehmets Rucksack. Ihre kleinen Hände waren starr vor Kälte. Es dauerte lange bis sie endlich die Verschlüsse geöffnet und den dick mit Stoff umwickelten Kristall gefunden hatte. Weinend versuchte sie aufzustehen, stolperte, fiel hin und versuchte es wieder. Ihre Angst vor dem, was sich dort in den Hügeln bekriegte, war so groß das sie trotz allem nicht aufgab. Endlich gelang es ihr aufzustehen. Sabia hielt den Kristall dicht an ihre Brust gedrückt und lief so schnell sie konnte los.
    Das Gasthaus lockte in der Ferne. Es verhieß Schutz. Und vielleicht, so hoffte das Mädchen, wartete dort ihr Vater auf sie. Sie begann schneller zu laufen, denn sie wollte nicht warten bis die Wölfe sie einholten.

    # # #

    Kaum hatte Sabia Mehmet verlassen näherte sich ein halbverhungerter Wolf der Leiche. Das ausgemergelte Tier war alt. Sein Fell war ungepflegt, mit Asche bedeckt. Dem Wolf fehlte ein Auge und Teile der Pfoten. Seine verfaulten Zähne konnte keine Beute mehr reißen. Das erschöpfte Tier konnte nicht mehr weiter. Es hatte sich mit letzter Kraft hierher geschleppt. Alle anderen Wölfe aus seinem Rudel waren tot. Nun schnüffelte der alte Wolf an dem Toten. Er würde hier bleiben, fressen und solange am Leben bleiben wie es ging. Instinktiv wusste das Tier das sein eigener Tod nicht mehr fern war.


    * wird fortgesetzt
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  2. #2 Zitieren
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    Kapitel 1

    Der alte Wolf hob müde seinen Kopf als er in der Ferne einen einsamen Wanderer erspähte. Der fremde Mann kam selbstsicher näher. Er war in einen dicken Pelzmantel gekleidet, trug Handschuhe, gefütterte Stiefel und eine Fellmütze. Er war groß und muskulös, besaß die Statur eines durchtrainierten Kriegers. An seinem Waffengürtel hingen ein Schwert und ein Dolch, beide tadellos in Ordnung. Das Schwert war ein Runenschwert, eine Waffe die Untoten extremen Schaden zufügen konnte. Die Klinge des Dolchs bestand aus Obsidian. Es war ohne Zweifel der Opfer- und Ritualdolch eines hochrangigen Echsenpriesters gewesen. Der Fremde war aber ein Mensch, keine Echse. Auf seinem Rücken trug er eine speziell angefertigte Muskete, ein Modell mit erhöhter Feuerkraft und Reichweite. Der Wolf bleckte die Zähne. Wütend knurrte er den Fremden an.
    Ein schweres Bleigeschoss riss den Kopf des Wolfs in blutige Fetzen. Auf diese große Entfernung war es ein exzellenter, sehr gut gezielter Schuss gewesen. Das alte Tier stürzte schwer zu Boden. Sein Blut dampfte in der Kälte und färbte den Schnee rot. Der Fremde blieb in einiger Entfernung stehen. Er lud in aller Ruhe seine Muskete nach. Es war immer besser auf Nummer Sicher zu gehen. Heutzutage war ein Lebewesen nicht einmal dann definitiv tot, wenn es eine Kugel in den Kopf bekam. Diesbezüglich hatte Marduk zu viel gesehen um noch ein Risiko einzugehen.
    Der Wolf war allerdings wirklich tot. Nachdem sich Marduk seiner Sache sicher war zückte er seinen Dolch und begann das Tier auszuweiden. Fleisch war rar. Man durfte nichts umkommen lassen. Er überprüfte auch Mehmets Leiche. An dem Toten war kaum noch etwas dran. Seine zerlumpte Kleidung war von dem hungrigen Wolf in Fetzen gerissen worden. Die Haut des armen Kerls sah aus als sei er schon vor Wochen und nicht erst vor ein paar Tagen gestorben. Alles was halbwegs nach genießbarem Fleisch aussah hatte der Wolf bereits gefressen. Marduk war nicht böse. Kannibalismus wollte er nicht auch noch auf die Liste mit seinen Sünden setzen.
    Marduk untersuchte sorgfältig den Rucksack des Toten. Viel zu holen gab es nicht. Ein paar alte Klamotten und eine dünne Decke. Besser als nichts. Kleidung konnte man in dieser Zeit nie genug haben. Es war verdammt kalt, fand er. Der Winter war dieses Jahr früh über das Land gekommen. Es schneite ununterbrochen. Das bedeutete, dass er schnell eine Unterkunft finden musste. Eigentlich hatte er die Hügel und Schluchten jenseits des Archolos durchqueren wollen. Eine alte Heeresstraße führte von dort aus nach Süden, nach Sendar und dann immer weiter bis zur Eisenbucht und noch weiter bis nach Caldera. Doch über den Hügeln stieg dicker, schwarzer Rauch auf. Bis vor zwei Tagen hatte dort eine erbarmungslose Schlacht getobt. Egal welche Seite gesiegt hatte, das Gebiet war nun voller Feinde. Marduk musste abwarten. Er war ja nicht lebensmüde, auch wenn er einen sehr wichtigen Auftrag erledigen musste. Sein Blick schweifte über die Landschaft.
    Da, ein altes Gasthaus, vielleicht vier Wegstunden entfernt. Es war verfallen, verbrannt, durch Stürme und noch Schlimmeres übel zugerichtet. Aber es war die einzige Unterkunft weit und breit. Marduk schätzte das er es bis zum Einbruch der Nacht gerade so schaffen konnte. Er schulterte seine Muskete und marschierte los.

    # # #

    Das Gasthaus sah aus der Nähe schlimmer aus als aus der Ferne. Es war einst drei oder vier Stockwerke hoch gewesen, schätzte Marduk. Ställe, eine Schmiede, Brunnen und Nebengebäude hatten sicher dazugehört. Vielleicht auch Scheunen und eine kleine Kapelle zu Ehren des Lichtgottes. Marduk war noch nie hier gewesen, aber er kannte die Architektur des Nordens gut genug. Außer dem verfallenen Gasthaus war nichts mehr übrig. Etwas wirklich Großes hatte die anderen Gebäude dem Erdboden gleich gemacht und auch die oberen Stockwerke des Gasthauses zerstört.
    Der Feind hatte den Keller verschont. War es Absicht gewesen? Oder nur Zufall? Waren die Feinde abgelenkt worden bevor sie ihr Zerstörungswerk vollendet hatten? Marduk lief um das Haus herum. Niemand war zu sehen. Es war still. Nur der Wind sang sein trauriges Lied. Mehr Schnee und Eis fiel, Windböen wirbelten Asche auf. Marduk seufzte. Es half nichts. Er brauchte eine Unterkunft. Kampfbereit betrat er das Gebäude.
    Im Erdgeschoss des halbzerstörten Gasthauses fand Marduk die tote Sabia. Das Mädchen saß mit dem Rücken an einer Wand. Vor ihr lag ein bläulich schimmernder Kristall, ein Stück entfernt waren Holzscheite und alte Kleiderreste zu einem Haufen aufgeschichtet worden. Sie hatte anscheinend versucht Feuer zu machen, war dann aber vor Erschöpfung eingeschlafen und erfroren. Das war mit Sicherheit ein gnädiger Tod gewesen. Denn ein Feuer hätten die Kreaturen der Finsternis mit Sicherheit bemerkt. Sie wären gekommen und hätten Sabia schrecklich gefoltert und gequält. So war sie wahrscheinlich ruhig und friedlich gestorben. Aber der Schein trog oft, gerade in diesen schlimmen Zeiten. Marduk kniete sich vor ihr hin.
    Vorsichtig schlug er ihre grüne Kapuze zurück. Asche blieb an seinen Handschuhen kleben. Marduk sah sich das zerstörte Gesicht des Kindes genau an. Jemand hatte ihr die Wangen aufgeschlitzt, die Lippen abgeschnitten und die Augen ausgestochen. Auf ihrer Stirn prangte die Rune des Todes, das Zeichen der Bruderschaft der Schattenkrieger. Marduk seufzte. Er hoffte ehrlich das Sabia bereits tot gewesen war als man sie verstümmelt hatte.
    Schritte ertönten hinter ihm.
    Entschlossen hob Marduk seine Muskete.
    „Stehen bleiben.“, sagte er laut und deutlich.
    Der alte Mann blieb nicht stehen. Er hinkte langsam näher. Seine dunkelblaue Robe war mit Asche und Dreck verschmiert, seine spärlichen Haare weiß wie Schnee. Er zitterte am ganzen Leib, entweder vor Kälte oder vor Angst. Seine Hände hielt er unter seiner Robe verborgen. Wahrscheinlich war er ein Magier. Oder, überlegte Marduk, er hatte die Robe einem toten Magier gestohlen. Vielleicht war er auch ein Alchemist.
    „Nimm alles was du willst. Ich habe etwas Nahrung und Gold. Du kannst alles haben. Aber bitte töte mich nicht.“, rief der alte Mann mit hoher Stimme.
    „Bleib stehen!“
    Der Mann hielt seine Hände immer noch unter seiner Robe verborgen. Er sah Marduk mit weit aufgerissenen Augen an. Doch er blieb nicht stehen.
    „Ich bin Alchemist. Ich kann dir Heiltränke geben. Ich kann sogar Teleportsteine herstellen. Wir können gemeinsam von hier fliehen! Ja, gemeinsam. Aber bitte töte mich nicht!“
    Marduk zielte auf sein Herz. Der alte, hinkende Mann war jetzt nur noch zehn Schritte von ihm entfernt.
    „Letzte Warnung. Stehenbleiben!“, warnte Marduk nachdrücklich.
    „Ja, ich bleibe stehen. Ich habe Angst. Bitte tue mir nichts. Ich habe große Angst. Bitte töte mich nicht. Bitte!“, flehte der alte Mann.
    Aber er blieb nicht stehen. Marduk drückte ab. Der Schuss hallte laut durch das Gebäude. Das Geschoss traf den Mann mitten in die Brust. Er wurde zurückgeschleudert, krachte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte an ihr herab. Herzschuss. Er war sofort tot gewesen. Seine Leiche hinterließ eine Blutspur an der Wand. Beim Sturz rutschten seine Hände aus seiner Robe. Die toten Finger seiner rechten Hand hielten ein abgewetztes, blutverschmiertes Messer umklammert. Als sich seine linke Hand öffnete offenbarte sie zwei menschliche Augen.
    Sabias Augen.
    Marduk trat an die Leiche heran und gab ihr einen Kopfschuss. Es war immer besser sicher zu gehen. Gerade in diesen schlimmen Zeiten.


    * wird fortgesetzt
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  3. #3 Zitieren
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    Kapitel 2

    Vorsichtig schlich Marduk die Kellertreppe hinab. Er hörte leise Atemgeräusche und das Rasseln von Ketten. Es war stockdunkel. Zudem war jemand hier. Marduk zückte seinen Dolch. Kerias Dolch. Er hatte sie nie gefragt wo sie diese uralte Ritualwaffe her hatte. Jetzt konnte er sie nicht mehr fragen, denn sie war vor drei Monaten gestorben. Sie hatte einen wirklich schlimmen Tod gehabt. Damals war er entsetzt gewesen, heute konnte ihm die Erinnerung keine Angst mehr machen.
    Marduks Runenschwert summte leise. Die Waffe seines vor zwei Wochen gefallenen Kameraden Sabor war ebenso wie Kerias Dolch ein Unikat, eine Waffe die Untoten verheerenden Schaden zufügen konnte.
    Marduk schlich durch die Dunkelheit. Atem. Kettenrasseln. Schweißgeruch. Herzschlag. Er umklammerte die Person von hinten, riss ihren Kopf beiseite und hob den Dolch zum Todesstoß. Drei Monate war er nun schon unterwegs. Wie viele Wesen hatte er seitdem getötet. Hundert? Mehr als Hundert? Marduk ließ den Kopf los. Er stach nicht zu. Stattdessen zündete er eine Fackel an. Deren Licht erhellte den Keller.
    „Töte mich nicht. Bitte. Töte mich nicht.“
    Das Flehen wäre zu spät gekommen. Wie ein Häufchen Elend hockte ein schlanker junger Mann vor ihm. Seine blonden Haare waren kurz geschnitten. Der junge Mann war höchsten fünf bis sechs Jahre älter als Sabia. Er war durchaus attraktiv. Genau der Typ Mann den Marduk gerne in seinem Bett gesehen hätte. Er begann zu hoffen, dass der Mann kein Feind war. Seine blauen Augen funkelten als er Marduk ansah. In dem Moment erkannte Marduk seinen Fehler. Vor ihm hockte kein Mann sondern eine zierliche, knabenhafte Frau. Ihr Gesicht war hübsch. Sie war mit Ketten an einen Stützpfeiler gefesselt worden. Die Ketten ließen ihr jedoch einen Bewegungsspielraum von einigen Metern. Marduk sah das sie den Umständen entsprechend gut genährt und gekleidet war. Ihr Haar war sogar gekämmt. Anscheinend hatte sich der Alchemist gut um seine Sklavin gekümmert. Falls sie überhaupt eine Sklavin war.
    „Wer bist du?“, fragte er misstrauisch.
    „Ich bin Tanit Ushas. Bitte töte mich nicht.“, antwortete sie.
    Ihre Stimme war hell und rein.
    Marduk begann zu lachen. Er konnte nicht anders. Über drei Monate waren vergangen seitdem er von Inquisitor Mendoza den Befehl bekommen hatte nach einer seit Jahren verschwundenen Kristallmagierin zu suchen und sie schnellstmöglich nach Caldera zu bringen. Drei Monate waren vergangen. Seine Kameraden Keria und Sabor waren tot, er selbst hatte mehr als einhundert Wesen in den Tod geschickt. Ganze Länder waren von den sich einander bekriegenden Titanen zu Asche reduziert worden. Die alte Ordnung brach zusammen. Staaten und Familien, Loyalitäten und Eide wurden so leicht zerrissen als bestünden sie nur aus Papier.
    Es war gut möglich, dass Caldera gar nicht mehr existierte, dass Inquisitor Mendoza längst tot war. Und nun, nach all dem Horror, all dem Schrecken und Kämpfen, fand er die lange gesuchte Kristallmagierin in einem halbzerstörten Gasthaus am Fuß eines verbrannten Berges. Marduk konnte nicht anders als herzhaft zu lachen.
    „Was für ein glücklicher Zufall. Ich bin Marduk und ich bin seit über drei Monaten auf der Suche nach dir.“, sagte er als sein Lachanfall vorbei war.
    Tanit Ushas blickte Marduk direkt in die Augen. Ihre wunderschönen Augen leuchteten hellblau. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus als sie seine Worte hörte. Marduk teilte ihr Lächeln. Er war sich natürlich der Absurdität der ganzen Situation bewusst. Es war schon ein unfassbar großer Zufall, dass er sie ausgerechnet hier und jetzt gefunden hatte. Aber das musste er der jungen Frau ja nicht sagen. Immerhin wusste er noch nicht ob sie nun auf seiner Seite stand oder ob es nicht besser wäre sie hier und jetzt zu erschlagen.

    # # #

    Draußen tobte ein Schneesturm. Im Keller war es hingegen war es erträglich, auch wenn sie aus Furcht vor den Kreaturen der Finsternis kein größeres Feuer entzündeten. Tanit Ushas erwies sich als geschickte Kristallmagierin. Nachdem Marduk sie von den Ketten befreit hatte, holte sie ihr Werkzeug, Bertrands Tränke und den Kristall aus dem Erdgenoss. Für Marduk sahen ihre Magier-Utensilien wie eine Kreuzung zwischen dem Werkzeug eines Uhrmachers und eines Goldschmieds aus. Sie nutzte die Energie des Kristalls um einen Käfig aus Kupfer zu löten und den Kristall darin einzubetten. Zwischendurch nahm sie immer wieder einen Trank zu sich. Dann schaute sie Marduk erwartungsvoll an.
    „Ich brauche zehn Erzbrocken um den Teleportstein zu vollenden.“, sagte sie zu ihm.
    Marduk nickte. Damit hatte er gerechnet. In seinem Rucksack befanden sich ausreichend viele Erzbrocken. Er hatte sie aus einer alten, verlassenen Mine in der Nähe von Okara geborgen. Als er die Erzbrocken der Kristallmagierin übergab fragte er sich kurz was wohl aus der Minenkolonie Okara geworden war. Wahrscheinlich war sie von Titanen dem Erdboden gleich gemacht worden.
    „Darf ich fragen wie du mich gefunden hast, Marduk?“, fragte Tanit Ushas.
    „Das ist eine lange Geschichte. Sag mir zuerst was du hier unten gemacht hast, Mädchen.“, wich er aus.
    „Bertrand hat mich am Leben gelassen, weil er wollte, dass ich ihm einen Teleportstein bastle. Er selbst hatte immer behauptet so etwas zu können. Aber das waren Lügen gewesen um arglose Reisende um ihr Gold zu betrügen.“, erklärte sie während sie arbeitete.
    Tanit Ushas formte die Erzbrocken mit ihren bloßen Händen, mit der Kraft der Magie, zu einer Kugel die den Kupferkäfig samt Kristall umschloss. Marduk sah fasziniert zu. Sie handhabte die Magie so spielerisch leicht das es beinahe unnatürlich wirkte.
    „Er hat einem armen Narren sonst was versprochen, wenn der ihm einen magischen Kristall besorgt.“, fuhr sie fort.
    „Was ging schief?“, fragte Marduk.
    „Ich weiß nicht. Statt eines Mannes tauchte ein verängstigtes, halb erfrorenes Mädchen hier auf. Sie redete die ganze Zeit von ihrem Vater. Zudem bestand sie darauf Feuer zu machen. Das hätte alle Bestien im Umkreis von vielen Kilometern angelockt. Bertrand sagte, dass er sie zum Schweigen bringen wollte. Ich hatte nicht erwartet das er sie ermordet.“
    „Hat er vielleicht auch nicht.“, sagte Marduk.
    Tanit Ushas zuckte mit den Schultern.
    „Vielleicht ist sie auch erfroren. Bertrand war nicht mehr ganz richtig im Kopf. Nachts hörte er Stimmen aus der Geisterwelt. Ich denke er verlor langsam seinen Verstand.“
    Marduk nickte. Sie sagte nichts von den Augen. Sie war oben gewesen und hatte die Leiche des Mädchens gesehen als sie den Kristall und ihr Werkzeug geholt hatte. Wieso erwähnte sie die Augen nicht? Warum war sie hier angekettet gewesen? Die ganze Geschichte stimmte vorne und hinten nicht. Marduk betrachtete sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Faszination. Sie hatte etwas an sich das ihn verstörte.
    „Ich bin froh, dass du Bertrand getötet hast. Wer weiß was er mir sonst noch angetan hätte.“, redete Tanit Ushas weiter.
    Marduk nickt wieder. Er fragte sich was hier gespielt wurde. Die junge Frau war eine Kristallmagierin und Ketten sollten für sie keine unüberwindliche Hürde darstellen.
    „Siehst du? Hier. So macht man das.“, fuhr sie fort.
    Ihre Hände und Finger wirbelten. Sie schlang Eisenbänder um die Kugel aus Erz so leicht als bände sie Seide um ein Geschenk. Es stank mit einem Mal durchdringend nach Ozon. Marduk sah erstaunt zu. Zauberei war vielen Menschen ein Gräuel. Aber er war da nicht voreingenommen. Sicherlich nutzte der Feind Magie für seine Zwecke, doch er nutzte auch Schwerter und Katapulte, Lanzen und Schilde und alles andere. So war nun einmal der Krieg. Marduk hatte nichts gegen Magier.
    Er hatte aber etwas gegen Lügner, zumindest wenn sie ihn anlogen. Die junge Kristallmagerin log seiner Meinung nach das sich die Balken bogen. Aber er hatte von Mendoza den strikten Befehl bekommen sie unter allen Umständen nach Hause zu bringen. Drei Monate hatte er nach ihr gesucht. Drei lange Monate und der Tod seiner Kameraden Keria und Sabor waren der Preis gewesen. Marduk hoffte das es nicht vergebens gewesen war.
    „Fertig. Das war nicht schwer.“, sagte sie.
    Ihre rechte Hand hielt den Teleportstein triumphierend in die Höhe. Er hatte jetzt die Größe einer Kanonenkugel. Tanit Ushas grinste verwegen. Sie war offenbar gut gelaunt. Aus Erfahrung wusste Marduk das Teleportsteine so um die zwanzig bis dreißig Kilo wogen. Ein zierliches Mädchen wie Tanit sollte ihn nicht so einfach mit einer Hand hochhalten können.
    „Komm her, komm her.“, rief sie aus.
    Sie griff nach seiner rechten Hand, lachte und führte ihn in einen anderen Kellerraum. Dort stand eine der uralten Teleportplattformen. Wie sie dorthin gekommen war entzog sich Marduks Kenntnis. Der verrückte Alchemist hatte vielleicht etwas damit zu tun gehabt. Oder sie Plattform stand schon länger hier, vergessen von den Menschen, die nichts mehr mit der Alten Magie zu tun haben wollten. Tanit setzte den Teleportstein geschickt in die Mitte der Plattform ein. Augenblicklich begann die arkane Maschinerie zu arbeiten.
    „Komm!“, rief sie lachend.
    Sie hielt seine Hände. Gemeinsam drehten sie sich im Kreis wie bei einem Tanz. Energiefäden erschienen in der Luft um sie herum. Tanit Ushas lachte lauthals. Es war ein gutes, herzhaftes Lachen. Immer mehr Energie wirbelte um die beiden Menschen herum. Dann, plötzlich, gab es einen hellen Blitz und sie waren verschwunden. Der Kristall im Teleportstein verlor alle Energie. Dunkelheit breitete sich erneut in dem Keller aus. Der Wind sang immer noch sein Klagelied. Aber vielleicht war es auch ein leises Lachen das aus der Finsternis erklang.


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  4. #4 Zitieren
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    Kapitel 3

    Dutzende Erdtitanen schritten langsam über das Land. Sie waren acht bis zehn Meter hoch und wogen bis zu einhundert Tonnen. Ihre Schritte ließen das Land erbeben. Die Erdtitanen wiesen breite Schultern und lange Arme auf. Sie gingen gebückt wie Gorillas. Ihre Körper bestanden aus magischem Gestein das zu einer Art Leben erweckt worden war. Ihr Bewusstsein sann auf Rache, denn sie waren Äonen lang unter der Erde in uralten Tempeln eingesperrt gewesen. Sie waren im Normalfall amoklaufende Giganten. Titanen waren gegen konventionelle Waffen immun. Nur extrem starke Magie, eine Titanenwaffe oder ein anderer Titan konnte sie zu Fall bringen. Man konnte sie nicht einmal mit den neu entwickelten Feuerwaffen effektiv aufhalten.
    Diese Titanen liefen jedoch nicht Amok. Sie zogen nach Süden. Hunderte Steingolems folgten ihnen wie Hunde ihren Herren. Steingolems waren über zwei Meter große Wesen die ähnlich wie die Titanen zu unheiligem Leben erweckt worden waren. Im Gegensatz zu ihren großen Vettern konnte man sie durchaus mit normalen Waffen vernichten. Natürlich durfte man auch einen Golem nicht unterschätzen. Er mochte relativ langsam sein, besaß aber große Kraft. Er konnte einen ungeschützten Menschen mit einem Schlag töten.
    Zwischen den vielen Steingolems marschierten ein paar Eisengolems. Sie waren an ihrer rostroten Farbe gut zu erkennen. Eisengolems waren so groß und zäh wie Steingolems, allerdings etwas intelligenter und agiler. Es gab eine Art Hierarchie. Die Titanen befehligten die Eisengolems, dieser wiederum befehligten die Steingolems. Über ihnen allen stand ein monströser Eisentitan. Er marschierte in der Mitte der Formation, eine riesige Masse aus blutrotem Eisen, mit Stacheln, Haken und Dornen besetzt. Seine Klauen funkelten im Sonnenlicht als er sie zum Salut erhob. Die Erdtitanen ahmten die Geste nach. Dann donnerten sie ihre Fäuste zum Salut gegen ihre Brust.
    Hinter dem Heer der Titanen und Golems kamen hunderte Untote in Sicht. Sie folgten den Erdtitanen in gebührendem Abstand. Viele der weitgehend skelettierten Untoten trugen noch Rüstungsteile und Waffen. Sie zogen brutal aussehende Katapulte, Rammböcke und Belagerungstürme hinter sich her. Befehligt wurden die Untoten von sogenannten Schergen, also Wesen deren sterbliche Seele von einem Schattenwesen aus dem Totenreich verzehrt worden war. Die Schergen waren nicht skelettiert. Tatsächlich sahen sie Menschen noch recht ähnlich. Höllenhunde folgten ihnen in großer Zahl.
    Der Marsch der Titanen und ihrer Verbündeten erschütterte nicht nur die Erde. Er wirbelte auch Unmengen an Staub auf der kilometerweit zu sehen war. Die Titanen machten sich keine Gedanken darum. Die immense Staubwolke zeigte allen Menschen, Echsen und Tieren in der weiten Umgebung an das sie kamen. Wer fliehen konnte floh.

    # # #

    Raoul und Santoro flohen nicht. Sie beobachteten den Marsch der Titanen aus sicherer Entfernung mit dem Fernglas. Beide Männer trugen die Rüstung der Inquisition, also eine Halbrüstung aus poliertem Stahl und eine blau-weiße Uniform. Dazu einen Säbel und eine Muskete. Sie waren erfahrene Soldaten. Raoul setzte das Fernglas ab.
    „Ich zähle einundvierzig Stück.“, sagte er zu seinem Kameraden.
    Santoro fuhr sich mit einer Hand durch sein graues Haar.
    „Dann sind es drei weniger als noch vor einer Woche.“, antwortete er.
    Das war wahr. Drei Erdtitanen waren gefallen als sie auf vier Amok laufende Feuertitanen gestoßen waren. Alle vier Feuertitanen waren ebenfalls vernichtet worden. Auf der einen Seite war das eine gute Sache, denn damit hatten die Erdtitanen der sinnlosen Zerstörung des Landes ein Ende bereitet. Auf der anderen Seite waren organisiert vorgehende Titanen natürlich eine noch viel größere Bedrohung als die Amokläufer. Nicht das es für die Menschen einen Unterschied ausmachte. So oder so waren sie dem Tode geweiht. Die letzte Hoffnung setzten sie auf die Versprechungen durch die Magiergilde und die Inquisition. Beide Organisationen behaupteten eine Möglichkeit gefunden zu haben die Titanen aufzuhalten.
    „Sie marschieren vom Berg Archolos direkt auf Sendar zu.“, sagte Raoul. „Ich schätze, dass es dreitausend Golems und an die zweitausend Untote sind. Sie haben schweres Belagerungsgerät bei sich.“
    Sein Kamerad bestätigte diese Einschätzung.
    „Wir sollten Großinquisitor Torquemada aufsuchen. Das hier übersteigt mit Sicherheit alles was er erwartet hat.“, meinte Santoro.
    Raoul warf noch einen Blick auf die Armee der Titanen. Sie marschierten langsam aber stetig voran. Ihre scheinbare Langsamkeit durfte nicht darüber hinweg täuschen das sie den ganzen Tag und auch die Nacht hindurch marschierten. Sie brauchten keine Verpflegung und, gemessen an den Bedürfnissen einer Armee aus Menschen, auch kaum Nachschub. Die Titanen wirkten langsam, kamen pro Tag aber sicherlich fünfzig bis sechzig Kilometer voran. Damit würden sie Sendar innerhalb von drei Tagen erreichen. Die Stadt und ihre Bewohner waren so gut wie tot.
    „Gehen wir. Je eher wir die Hauptstadt erreichen desto besser.“, sagte Santoro grimmig.

    # # #

    Sendar brannte. Die Feuer machten die Nacht zum Tage. Menschen schrien. Häuser stürzten krachend ein. Steingolems und Höllenhunde wüteten in der zum Untergang verdammten Stadt. Ein gutes Dutzend Erdtitanen riss die Wälle und Mauern der Stadt Stück für Stück ein. Sendar war ein Bollwerk. Die Stadt schirmte die südlichen Ebenen von Einfällen feindlicher Stämme aus der Großen Nordebene ab. Sendar besaß eine große und kampfstarke Garnison. Nur das dies alles nichts nutzte. Die Titanen und ihre Dienerkreaturen machten Sendar trotz allem dem Erdboden gleich.
    Mit einem Donnerhall berstenden Gesteins brach ein Steingolem durch eine Mauer, direkt neben Marduk und Tanit Ushas. Sie stolperten von der jetzt inaktiven Teleportplattform herunter. Sie waren mitten auf dem Marktplatz von Sendar manifestiert, genau zu der Zeit als der Angriff der Titanen auf die Stadt voll im Gange war. Leichen von Bürgern und Händlern lagen um sie herum verstreut. Das Gebäude neben ihnen stürzte ein. Der Krieger schirmte die Frau mit seinem Körper vor den Steinsplittern ab.
    „Wo kommt ihr denn her?“, schrie sie ein Händler verwirrt an.
    Zwei Dachziegel trafen den Mann am Kopf und töteten ihn auf der Stelle. Achtlos wurde seine Leiche von einem vorbeistampfenden Steingolem zertrampelt. Sabors Runenschwert lag bereits in seiner Hand. Der Steingolem schritt an ihm vorbei, packte mit seinen Fäusten zwei panisch schreiende Händler und zerquetschte sie. Marduk stieß dem Wesen im selben Moment Sabors Runenschwert tief in den Rücken. Die kristallverstärkte Klinge glitt durch das unnatürlich lebende Gestein wie ein Paddel durch besonders zähen Schlamm. Der Steingolem erzitterte. Er machte noch einen Schritt vorwärts und fiel dann unvermittelt auf sein Gesicht. Die Erde bebte als er hinfiel. Marduk sprang vor. Er rammte seinem Feind sein Schwert in den Hinterkopf. Arme und Beine des Steingolems strampelten noch ein, zwei Sekunden hektisch, dann erstarben alle Bewegungen.
    „Weg hier!“, rief Tanit.
    Untote näherten sich ihnen. Es waren skelettierte Krieger die magiebegabte Schergen aus ihren Gräbern gerissen und zu untotem Leben erweckt hatten. Sie waren nicht mehr zu eigenständigen Gedanken und Handlungen fähig. Also befolgten sie die Befehle ihrer Herren und Meister. Das machte sie berechenbar. Diesen Nachteil glichen sie durch ihre große Anzahl mehr als aus. Marduk riss sein Schwert aus dem toten Steingolem. Er hätte nur zu gern gegen die Untoten gekämpft. Die Runenklinge war geschaffen worden um solche Schrecken zu vernichten. Aber es wäre sinnlos gewesen.
    „Komm jetzt!“, rief das Mädchen laut.
    Gemeinsam rannten sie zum Palast der Inquisition. Das Gebäude war im barocken Stil der neuen Zeit errichtet worden. Es wirkte protzig. Vor dem Palast hatte sich eine große Menschenmenge versammelt die jammerte und klagte. Viele Menschen flüchteten sich in den vermeintlichen Schutz der Inquisition. Die Propaganda wirkte nach. Vor dem Palast standen vier Kanonen, kriegerische Symbole der neuen Zeit, denn laut der Inquisition waren Feuerwaffen die Rettung und die letzte Hoffnung. Doch der Schein trog. Niemand war da um die Kanonen abzufeuern. Nicht das es jetzt noch etwas genutzt hätte.
    Steingolems walzten wie lebende Rammböcke durch die brennenden Fachwerkhäuser. Sie strebten auf den Palast zu. Unterwegs töteten sie direkt oder indirekt hunderte Menschen und richteten große Schäden an. Zwei Dutzend Erdtitanen folgten ihnen in einigen hundert Metern Abstand. Die Titanen wateten durch die dichte Bebauung der Stadt wie durch einen Sumpf. Sie schritten langsam aber unerbittlich voran. Ihre riesigen Hände griffen mal hierhin und mal dorthin und rissen die Häuser auseinander. Sie waren wie Riesen die eine Sandburg angriffen. Sie wirkten absolut unüberwindlich.
    Das Geschrei, der Lärm der einstürzenden Häuser, das Klirren der Waffen und das Prasseln des Feuers verdichtete sich zu einem Crescendo des Wahnsinns. Marduk sah erschüttert dem Untergang der Stadt zu. Wer die Titanen und Golems überlebte, wer den brennenden, einstürzenden Häusern entkam, wurde von Untoten und Höllenhunden ermordet. Das war wirklich das Ende, wurde Marduk klar. Es war Armageddon. Es war die Dunkle Welle.
    „Komm!“, brüllte Tanit ihn an.
    Marduk riss sich von dem Anblick der sterbenden Stadt los und folgte ihr in den Palast hinein.


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    Kapitel 4

    Der Palast der Inquisition war leer. Es war niemand zu sehen. Anscheinend hatte eine geordnete Evakuierung stattgefunden. Tanit und Marduk blickten sich ungläubig um.
    „Sie haben sogar die Kronleuchter mitgenommen.“, hauchte sie fassungslos.
    Marduk konnte es auch kaum glauben. Alles war fort. Die Inquisitoren, ihre Bediensteten, die Gardisten, sogar die Gnome. Wandbehänge, Bücher, Kronleuchter, Fahnen und Banner waren verschwunden. Die Bewohner dieses Palasts waren nicht blindlings in Panik geflohen. Vielmehr hatten sie sich sogar die Zeit genommen allen beweglichen Besitz mitzunehmen. Sie hatten die Menschen im Stich gelassen.
    „Der Teleportstein. Wo ist er?“, fragte Tanit hektisch.
    Marduk führte das Mädchen in die Kellergewölbe. Er war schon oft hier gewesen und kannte sich gut aus. Hier in diesem Palast hatten Keria, Sabor und er von Mendoza ihre letzten Instruktionen erhalten bevor sie zu ihrer Mission aufgebrochen waren. Das war erst gut dreieinhalb Monate her, fühlte sich für Marduk allerdings wie ein Erlebnis aus einem anderen Leben an. Die Welt hatte sich seitdem gründlich verändert.
    Zwei Höllenhunde labten sich an den Leichen einfacher Bürger. Wahrscheinlich hatten die Menschen hier Schutz gesucht und stattdessen den Feind gefunden. Die beiden grausig anzusehenden Tiere knurrten wie wilde Wölfe. Schwarze Schlieren stiegen wie Rauch aus ihrem Fell auf. Marduk tötete den ersten Höllenhund mit einem gezielten Schuss. Das zweite Tier sprang wütend auf. Es sprang aus dem Stand heraus auf den Krieger zu. Kein normales Lebewesen hätte jemals so springen können. Aber was war heute noch normal? Marduk begegnete dem Höllenhund mit gezogenem Runenschwert. Die lange, jetzt silbern schimmernde Klinge hieb den Höllenhund mit einem Schlag entzwei. Das Schwert summte laut als es das Tier tötete.
    „Der Teleporter ist dort drüben.“, sagte Marduk zu Tanit und schob die junge Frau mit sanfter Gewalt in die richtige Richtung.
    „Wie viele Schattenkreaturen hast du schon getötet?“, fragte sie mit Blick auf die beiden toten Höllenhunde.
    „Ich weißt nicht genau. Fünfzig vielleicht. Oder mehr.“, antwortete Marduk wahrheitsgemäß.
    Sie sah ihn an. Er konnte ihren Blick nicht genau deuten. Ihre blauen Augen funkelten etwas heller. Oder bildete er sich das nur ein? Von oben waren wütende Stimmen zu hören. Männer brüllten. Die Menschen begriffen langsam, dass sie hier keinen Schutz fanden. Sie erkannten, dass die Inquisition geflohen war. Waffengeklirr war zu hören, dann gellten Todesschreie durch den Palast. Zumindest einige Männer kämpften also noch gegen den Feind. Anderen rannten in Panik tiefer in den Palast hinein. Es würde nicht lange dauern bis sie die Kellergewölbe erreichten.
    Im zentralen Gewölbe stand die Teleportplattform. Ein junger Magier mühte sich gerade ab den Teleportstein richtig in die Plattform einzusetzen. Er zitterte vor Angst und Anstrengung. Als er Tanit und Marduk sah begann er laut um Hilfe zu rufen. Marduk stieß ihn grob beiseite und Tanit setzte den Teleportstein korrekt in die Fassung ein. Der Magier verkroch sich unter einem der wenigen verbliebenen Tische. Er wimmerte jetzt nur noch.
    „Wir sollten ihn mitnehmen.“, schlug Marduk vor.
    Tanit schüttelte ihren Kopf. Sie setzte zum Reden an, da erzitterte der Palast in seinen Grundfesten. Wahrscheinlich war ein Titan angekommen und nahm das Gebäude mit seinen Händen auseinander. Von oben war lautes Geschrei zu hören, Waffengeklirr, Todesschreie. Das Kläffen der Höllenhunde und das Brüllen der Golems übertönte den Lärm noch.
    „Wir müssen gehen.“, sagte Tanit schließlich.
    Marduk streckte seine Hand nach dem Magier aus. Aber der junge Mann sah ihn gar nicht an. Er hatte seine Arme um seine Knie geschlungen und wiegte seinen Körper hin und her. Dabei weinte er leise.
    „Lass ihn. Er ist er ist so gut wie tot. Wir müssen gehen.“, drängelte Tanit.
    Der Palast erzitterte erneut. Diesmal schwankte der Kellerraum sogar etwas. Tanit nahm Marduks Hand. Sie zog ihn auf die Teleportplattform und aktivierte den Stein als der Palast zum dritten Mal in seinen Grundfesten erbebte.
    „Oh großer Ra, lass es gelingen.“, rief sie laut aus.
    Betete sie etwa zu Göttern die nicht mehr existierten, fragte sich Marduk. Ihre Arme schlangen sich um ihn. Sie presste ihre zierliche Gestalt an seinen muskulösen Körper als suche sie wirklich und wahrhaftig Schutz. Er nahm sie instinktiv in die Arme. Der Keller schwankte jetzt wie ein Schiff auf hoher See. Der Magier hatte aufgehört zu weinen. Er schrie jetzt in Todesangst aus Leibeskräften.
    „Großer Gott Ra, Gott der Götter, lass es gelingen. Ich bete zu dir, Herr meiner Seele. Lass es gelingen. Ich flehe dich an, großer Gott!“, betete Tanit Ushas.
    Marduk hielt sie fest als sich der Raum stark zur Seite neigte. Warum funktionierte der Teleportzauber nicht? Blockierten die Titanen den Zauber? Reichte die Energie des Kristalls nicht mehr aus? War das hier ihr Tod?
    „Ich flehe dich an! Lass es gelingen!“, schrie Tanit laut.
    Grellweiße Teleportenergie ergriff die beiden Menschen auf der Plattform und riss sie durch Raum und Zeit hinweg. Innerhalb von wenigen Momenten reisten sie von Sendar zur Hauptstadt und entkamen damit in letzter Sekunde dem sicheren Tod.

    # # #

    Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel auf die Hauptstadt hinab. Vögel kreisten am Himmel. Die Stadt wirkte wie ein Märchen aus der alten Zeit. Tausende Fachwerkhäuser umringten den Königspalast. Die engen Gassen wimmelten vor Menschen, Fuhrwerken, Händlern und Gauklern. Außer Menschen waren auch Gnome, Oger und sogar ein paar Echsen zu sehen. Es wurde gefeilscht, getrascht, getanzt und gelacht. Alles strebte zu den vier großen Märkten unten am Flusshafen der Stadt. Die dickbäuchigen Handelsschiffe aus Calador und Caldera luden bereits ihre Waren aus. Zucker war besonders begehrt. Aber auch Kleidung, Waffen, Fisch natürlich und viele anderen Waren wurden gehandelt. Über den Kathedralen des Lichts, seit dem Verschwinden der Götter nun Residenz der Inquisition, wehten stolz die Fahnen des Alten Reiches. Die Hauptstadt machte den Eindruck einer Stadt im tiefsten Frieden. Hier war nichts von dem drohenden Verhängnis zu spüren, das sich unerbittlich von Norden her dem Land näherte.
    Marduk stand auf einer Aussichtsplattform hoch oben auf einem der Türme der ehemaligen Kathedrale. Er trug frische Kleidung, die Uniform eines Offiziers der Inquisition, war rasiert und frisiert, hatte gebadet und sich den Dreck und die Asche vom Körper gewaschen. Sein kantiges, markantes Gesicht blickte ernst drein. Seine braunen Augen fixierten Großinquisitor Torquemada. Der beleibte Mann stand direkt neben ihm.
    „Inquisitor Mendoza ist zusammen mit Kommandant Carlos und einer umfangreich ausgestatteten Expedition nach Faranga aufgebrochen. Er sucht nach einer Waffe die Titanen vernichten kann. Ehrlich gesagt hat er nicht damit gerechnet das du zurückkehren würdest, Marduk. Schon gar nicht zusammen mit der so lange gesuchten Kristallmagierin.“, sagte Torquemada.
    Der Großinquisitor tätschelte Marduks rechten Arm. Es sollte eine freundschaftliche Geste sein, störte den Krieger aber. Er mochte den Großinquisitor nicht. Torquemada war der Lehrmeister von Männern wie Fernandez und Mendoza gewesen. Sie alle waren extrem ehrgeizig, opportunistisch und skrupellos. Vielleicht brauchte die Menschheit jetzt Menschen wie sie, vielleicht aber beschleunigten sie auch nur den Untergang. Marduk schlug sich solche Gedanken aus dem Kopf. Er hatte die Mission erfüllt. Nun war es an der Zeit in die Zukunft zu schauen.
    „Ich will dich nicht länger aufhalten, Marduk.“, fuhr Torquemada fort. „Sicherlich willst du dich mit deinem Vater und vielleicht auch mit Prinz Felipe treffen. Du hast der Inquisition und dem Reich gut gedient. Ganz Midland ist dir zu Dank verpflichtet. Es wird Belohnungen, Ehrungen und Auszeichnungen zu gegebener Zeit geben. Vorerst wirst du in den Rang eines Kommandanten erhoben und darfst den Ehrentitel Don tragen. Herzlichen Glückwunsch.“
    Torquemada tätschelte noch einmal den rechten Arm des Kriegers und zog sich dann zurück. Seine Diener folgten ihm wie gehorsame Hunde. Marduk sah vom Turm herab auf die Stadt. Es war alles so normal, so friedlich. Manchmal kamen ihm die Erlebnisse der letzten dreieinhalb Monate wie ein schlechter Traum vor. Aber es war kein Traum gewesen. Keria und Sabor lebten nicht mehr, alle Länder nördlich des Archolos waren nur noch Staub und Asche. Die Titanen und ihre Dienerkreaturen rückten weiter vor.
    Schritte erklangen. Schwere Stiefel auf Stein. Marduk griff nach Kerias Dolch. Seit ihrem Tod trug er die Waffe stets bei sich. Er legte sie niemals ab. Hätte sie damals ihren Dolch getragen, wäre sie vielleicht noch am Leben. Oder, dachte Marduk verbittert, sie wäre später gestorben. So wie Sabor, der mit seinem Schwert in der Hand im Kampf gefallen war.
    Die Klinge zischte durch die Luft.
    „He! Was machst du denn da?“
    Die Stimme klang vertraut. Marduk sah in die Augen seines besten Freundes, Prinz Felipe. Die kostbare Kleidung des Prinzen betonte seine gute Statur. Er war groß und schlank, trainiert, ein sehr guter Fechter mit Degen und Rapier. Zudem war er ein exzellenter Bogenschütze. Seine braunen Augen blickten Marduk belustigt an. Seine Haut war ein wenig dunkler als die des Kriegers, aber immer noch heller als die der meisten Bewohner des Alten Reiches.
    „Du warst zu lange in der Wildnis, Don Marduk.“, sagte der Prinz, wobei er den Ehrenrang besonders betonte.
    Marduk nahm den Dolch herunter.
    „Es tut gut dich wieder zu sehen, Freund.“, fügte der Prinz an. „Dein Vater will dich sehen, aber ich konnte nicht warten. Ich musste mich einfach davon überzeugen das du heil und gesund wieder gekommen bist.“
    Marduk und Felipe umarmten sich so herzlich wie Brüder die sich jahrelang nicht mehr gesehen hatten.
    „Ich habe dich vermisst.“, flüsterte der Prinz in Marduks Ohr.
    Als Antwort presste der Krieger den Prinzen enger an sich. Sie hielten sich eng umschlungen, nicht mehr wie Brüder sondern eher wie frisch Verliebte. Felipe umschloss Marduks Kopf mit seinen Händen.
    „Du bist in Sicherheit. Das weißt du doch, oder?“, fragte er.
    „Ja, in Sicherheit.“, antwortete Marduk leise.
    Felipes Gesicht näherte sich seinem Gesicht. Der Prinz gab dem Krieger einen sanften Kuss. Marduk erwiderte den Kuss. Sicherheit gab es nirgendwo mehr. Aber es gab vielleicht doch noch Hoffnung.


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    Kapitel 5

    Felipe hob seinen Kopf von Marduks breiter Brust. Er lächelte seinen Liebhaber an. Sie lagen nackt auf einem breiten Bett in des Prinzen privaten Gemächern. Die Sonne schien durch die hohen Spitzbogenfenster in das Gemach. Der Lärm der Stadt drang zu ihnen herauf. Felipes Hände fuhren über Marduks Körper. Es war angenehm. Beruhigend. Teil einer besseren Vergangenheit.
    „Du bist muskulöser geworden.“, stellte der Prinz fest. „Aber gleichzeitig hast du Gewicht verloren. Ich sehe neue Narben.“
    Marduk nickte nur.
    „Woher hast du die hier?“, wollte sein Geliebter wissen.
    Felipe zeigte auf eine lange, gezackte Narbe die sich auf der rechten Seite seiner Brust emporschlängelte.
    „Das war ein Guhl.“, antwortete Marduk. „Sabor hat ihn enthauptet bevor er mich töten konnte.“
    „Und das hier?“
    „Das? Oh. Das war ein Termitenkrieger. Er hat mir eine Chitinklaue durch den Bauch gerammt. Ohne Kerias Heilkunst wäre ich verblutet.“
    „Sie ist tot, oder?“
    Marduk sagte nichts.
    „Ist ihr Mörder auch tot?“
    Schweigen.
    „Hat Kerias Mörder sehr gelitten?“, hakte Felipe nach.
    „Oh ja.“, zischte Marduk.
    „Saboks Mörder hatte ebenfalls einen sehr schlimmen Tod, nehme ich an, oder?“, ließ Felipe nicht locker.
    Marduk sah weg. Er wollte nicht darüber reden. Die Männer, die Keria und Sabok getötet hatten, lebten nicht mehr. Nein, korrigierte sich der Krieger in Gedanken, es waren gar keine Männer gewesen. Es waren Dinger gewesen, Monster, Bestien. Wesen ohne Seele. Mehr gab es Marduks Meinung nach nicht dazu zu sagen. Der Prinz richtete sich auf. Er wandte Marduk seinen Rücken zu als er sich langsam ankleidete.
    „Du hast dich verändert. Der Marduk, den ich kannte, hätte niemanden zu Tode gefoltert. Nicht einmal einen verdammungswürdigen Mörder.“
    „Das war in einem anderen Leben, Felipe.“
    „Muss wohl so sein.“, meinte der Prinz. „Bleib so lange du willst hier. Ich muss zu meinem Vater. Don Mauregato und Meister Godin sind aus Caldera eingetroffen. Zudem soll auch Hochmagier Hieronymus eine Audienz erhalten, ebenso wie Großinquisitor Torquemada.“
    Marduk ließ seinen Kopf auf die Kissen sinken. Er dachte über Felipes Worte nach. Es stimmte das er härter und grausamer geworden war. Ja, er hatte sich verändert, körperlich und geistig. Seine Moralvorstellungen hatten sich gewandelt. Er war unversöhnlicher, intoleranter geworden. Sein Hass auf die Feinde der Menschheit war gewachsen. Zudem war er müde. Über drei Monate war er unterwegs gewesen. Die Strapazen der Mission forderten ihren Tribut. Marduk schlief schnell ein. Er träumte nichts.

    # # #

    „Zeig uns deine Kunst, Bursche!“, schrie Feuermagier Immanuel Tanit Ushas an.
    „Du bist nur ein Mädchen. Du bist schwach wie alle Frauen. Dumm! Nicht in der Lage komplexe Magie zu beherrschen. Warum wagst du dich hierher? Geh! Fort mit dir!“, brüllte Wassermagier Calamus.
    Zwei Wächter näherten sich der jungen Kristallmagierin. Sie hielten ihre Klingenspeere hoch erhoben. Tanit wartete nicht länger. Sie hob ihre Blitzfaust. Energie spielte um den Kristallhandschuh als sie ihn mit einem Gedanken aktivierte. Blitze schossen aus ihrer Faust hervor, zuckten zu den beiden Wächtern und erdeten sich durch ihre Körper. Die beiden Männer zuckten und zappelten während sie vor Schmerzen schrien.
    „Genug! Wir haben genug gesehen, Hexe!“, schrie Calamus.
    Tanit beendete augenblicklich ihren Angriff. Sie verneigte sich vor den beiden hochrangigen Magiern. Die getroffenen Wächter kamen wütend näher. Immanuel hielt sie mit einer Handbewegung auf. Inzwischen hatten sich dutzende Novizen im Innenhof der Magierfestung eingefunden. Gerüchte über eine Kristallmagierin machten bereits die Runde.
    „Wem hast du diesen Handschuh gestohlen, Bursche?“, verlangte der Feuermagier zu erfahren.
    „Ja, sag uns woher du dieses Artefakt hast, Hexe.“, setzte Calamus nach.
    Tanit senkte demütig ihren Kopf.
    „Ich habe diesen Handschuh selbst hergestellt, verehrte Hochmagier.“, antwortete sie.
    „Was? Niemals! Du bist nur eine Frau!“, widersprach Immanuel.
    Er sagte es so als erkläre es alles. Frauen waren durchschnittlich gesehen kleiner und schwächer als Männer. Aber das bedeutete ja nicht, dass sie weniger intelligent als Männer waren. Um Magie zu wirken benötige man keine Muskelkraft. Doch das Weltbild von Männern wie Calamus und Immanuel wies Männern wie Frauen eindeutige Rollen zu. Es war ein längst veraltetes, für Frauen diskriminierendes Gesellschaftsbild. Aber Tanit war nicht übermäßig verärgert darüber. Die Welt dieser beiden alten Männer hatte sich in Staub und Asche aufgelöst. Ihre Ansichten und Lebensweisen gehörten jetzt der toten Vergangenheit an.
    „Zeig es uns!“, forderte Calamus kategorisch.
    Novizen brachten Tanit einen Handschuh aus feinstem Leder, Kristallsplitter und ihre Werkzeuge. Sie wurde zu einem Labor- und Runentisch geführt. Manatränke standen in ausreichender Menge zur Verfügung. Tanit stärkte sich. Sie begann zu arbeiten. Die beiden Hochmagier sahen ihr skeptisch zu. Auch die Wachen und die Novizen schauten zu. Tanit lächelte. Sie arbeitete absichtlich schnell um es den beiden alten Männern zu zeigen. Einen Kristallhandschuh herzustellen war für sie eine einfache Aufgabe. Als sie damit fertig war stellte sie auch noch ein einfaches Okular her. Beide magischen Gegenstände übergab sie dann Calamus.
    „Du hast weniger als dreißig Minuten dazu gebraucht.“, sagte er mit ungläubigen Staunen.
    „Bestimmt ist es nur ein billiger Trick einer dummen Hexe.“, meinte Immanuel dazu.
    Calamus sah Tanit mit ausgesprochenem Widerwillen an. Doch er setzte das Okular auf und zog die Blitzfaust an. Der Handschuh passte ihm wie angegossen. Calamus zielte mit Hilfe des Okulars auf ein Banner auf dem Dach. Blitze schossen aus seiner Faust und trafen zielsicher das Banner. Es ging augenblicklich in Flammen auf. Die Wächter und Novizen jubelten. Sie waren begeistert.
    „Also doch kein Trick.“, murmelte Immanuel.
    Er sah Tanit an. Seinen Widerwillen konnte er kaum verbergen.
    „Du wirst normale Novizenkleidung tragen und dein Haar weiterhin kurz halten. Ich will keinen Schmuck sehen, keinen Lippenstift und auch sonst nichts Weibisches. Du wirst hier niemanden verführen. Ich lasse nicht zu das du meinen Schülern den Kopf verdrehst!“
    „Ja, verehrter Hochmagier.“, antwortete Tanit.
    „Wir brauchen bis Ende der Woche zwanzig Kristallhandschuhe und ebenso viele Okulare. Kannst du das schaffen?“, fragte Calamus.
    „Es hat seinen Preis.“
    „Welchen….“, setzte Calamus an.
    Er beendete den Satz nicht. Plötzlich griff er sich an seinen Kopf und versuchte hektisch das Okular herunter zu reißen. Es löste sich langsam mit einem widerlichen Schmatzen. Calamus schrie bereits vor Schmerzen. Seine linke Augenhöhle war nur noch eine blutige Ruine. Er wälzte sich auf dem Boden. Nach dem ersten Schock näherten sich ihm zwei rangniedere Magier. Sie verabreichten dem alten Mann einen starken Heiltrank.
    „Oh, das hatte ich vorher ganz vergessen zu erwähnen, verehrte Hochmagier.“, sagte Tanit Ushas mit einem gemeinen Lächeln auf den Lippen. „Der Preis sind eure Augen.“

    # # #

    Rasch wurden in den Kellergewölben der Magierfestung neue Labore eingerichtet. Ein Magier namens Zacharias übernahm die Leitung und Aufsicht der Produktion von Kristallhandschuhen und Okularen. Fünfzig ausgesuchte Novizen wurden von Tanit angelernt. Die jungen Männer waren enthusiastisch bei der Sache. Sie bekamen endlich die Chance etwas wirklich Nützliches zu tun und ergriffen diese mit Feuereifer. Sie lernten schnell. Zacharias blickte fasziniert auf die Kristalle hinab.
    Er war wie die anderen Magier Midlands ein Runenmagier. Doch die Runenmagie war zusammen mit den Göttern verschwunden. Damit schwand auch nach und nach die Machtstellung der Magier dahin. Früher waren sie auch die Anführer, Kardinäle und Priester der Kirchen gewesen. Doch nachdem die Götter fort waren, wandten sich die Menschen wieder den alten Naturreligionen zu. Nicht das dies half. Jetzt starben die Menschen in Scharen. Weder die alten noch die neuen Götter retteten sie.
    „Die Kristallmagie wird uns alle retten.“, sagte Zacharias unvermittelt zu Tanit Ushas. „Ich spüre es. Die Alte Magie basiert auf Kristallmagie. Sie ist der wahre Kern aller magischen Kraft. Die Menschen haben sich zu sehr auf die Runen verlassen. Aber jetzt kennen wir den Weg. Kristalle sind der Schlüssel! Damit können wir die Titanen eines Tages besiegen.“
    Es gäbe viel dazu zu sagen. Zacharias war jedoch kein Chauvinist wie Calamus und Immanuel. Es gab für Tanit Ushas keinen Grund ihm die harte Wahrheit zu verraten. Er würde ohnehin noch früh genug herausfinden das auch die Kristallmagie wenig gegen Titanen ausrichten konnte. Bis dahin war es besser ihm seine Hoffnungen und Träume nicht zu nehmen.
    „Wir brauchen viel mehr Kristalle. Um diese Handschuhe und Okulare herzustellen haben wir alle Kristalle verbraucht die in der Hauptstadt aufzutreiben waren. Oh, und die Teleportsteine müssen ebenfalls erneuert werden. Das ganze Teleportnetz ist außer Betrieb. Was waren wir doch für Narren, als wir es verfielen ließen.“, redete Zacharias weiter.
    „Ich muss mit dem König reden. Oh, was waren wir blind. Kristalle sind der Schlüssel!“
    Zacharias lief mit übertriebener Hast zum Palast. Tanit sah ihm hinterher und schüttelte mit dem Kopf. Kristallmagie war mächtig, aber nicht die Rettung. Und selbst wenn, jetzt war es sowieso zu spät. Was wollten die Magier denn noch tun? Die Dunkle Welle raste über das Land. Es war Armageddon. Die Titanenlords erwachten. Es war schlicht und einfach aus. Jetzt mussten sich alle um ihr eigenes Überleben kümmern.


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    Kapitel 6

    Tanit war müde und erschöpft als sie von Prinz Felipe besucht wurde. Sie hatte bis spät in die Nacht an den Okularen gearbeitet und die Novizen im Umgang mit Handschuh und Okular geschult. Die zwanzig jungen Männer waren mehr als bereit ihr Augenlicht für den Sieg zu opfern. Ihr Idealismus und ihr Patriotismus waren stark ausgeprägt.
    Doch als Prinz Felipe vor ihr stand begann Tanit noch einmal über ihre Ziele nachzudenken. Der gutaussehende Prinz betrat ihre schlichte Kammer mit einer Selbstverständlichkeit die zeigte, dass er sich wirklich als den nächsten Herrscher des Alten Reiches sah. Hier gehörte alles ihm. Zumindest glaubte er das. Tanit erkannte auf den ersten Blick das er ein idealistischer, reformwilliger, moderner Mann war. So konnte man es sehen. Man konnte ihn auch als weltfremden Träumer bezeichnen. Beides wäre keine ungerechte Beurteilung seines Charakters gewesen.
    Felipe dachte im ersten Moment, wie schon Marduk vor ihm, das er einen jungen Mann vor sich hatte, als er sie sah. Dann bemerkte er die Rundungen ihrer kleinen Brüste und den sanften Schwung ihrer Hüften. Ebenfalls wie Marduk spürte auch der Prinz sofort das Tanit für ihn etwas Besonderes war. Er fühlte sich vom ersten Augenblick an zu ihr hingezogen.
    „Mylady Tanit Ushas?“, erkundigte er sich freundlich.
    „Lord?“
    „Kommt morgen früh bitte in den Palast. Es ist wichtig. Wir planen eine Gegenoffensive und eure Expertise ist gefragt.“, sagte er.
    Die junge Frau bedankte sich höflich für die Einladung. Der Prinz machte eine gute Figur. Er würde einen sehr gutenaussehenden König abgeben, wenn es eines Tages so weit war. Falls es jemals soweit sein würde, machte sich Tanit klar, denn in der Zukunft sah sie nur Staub und Asche. Felipe drehte sich noch einmal zu ihr um, als er ihre Kammer verließ.
    „Habt ihr vielleicht Hunger?“, wagte er sich vor.
    Tanit erschrak im ersten Moment. Wollte er sie einladen? Sollte sie annehmen? Er war immerhin der Thronfolger.
    „Im Palast gibt es die erlesensten Köstlichkeiten. Ihr seid hiermit herzlich eingeladen mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten.“
    Nicht, tue es nicht, glaubte Tanit ihre innere Stimme flüstern zu hören.
    „Wir haben nur die besten Weine. Die beste Schokolade. Den besten Kuchen ganz Midlands, Mylady.“, sagte Felipe.
    Sie nickte langsam, so als sei ihr klar das sie einen großen Fehler beging.
    „Vielen Dank. Ich warte unten bis ihr euch angekleidet habt.“
    Tanit sah sich ihren Spind an, als der Prinz endlich ihre Kammer verlassen hatte. Sie sah einfache Novizenroben, Schuhe, Hemden, Socken. Alles von schlechter Qualität. Damit konnte man keinen Prinzen erobern. Mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen fuhr sie mit ihren Händen über die Kleidung. Im Nu verwandelten sie sich unter ihrer Berührung in kostbare Frauenkleider. Tanit übertrieb es nicht. Sie entschied sich für ein schönes, aber konventionelles Kleid in den Farben Purpur und Weiß. Felipe war beeindruckt als er sie sah.
    „Mylady, ihr seht wunderschön aus.“, ließ er seinen Charme spielen.
    Er hielt ihr seinen Arm hin und sie hakte sich ein. Gemeinsam spazierten sie in Richtung Palast davon.

    # # #

    Inquisitor Fernandez setzte sein Fernglas ab. Von einem hohen Gebäude aus hatte er den Prinzen beobachtet.
    „Was halten sie davon?“, fragte er.
    Großinqusitor Torquemada stand neben ihm.
    „Der Junge ist wahnsinnig geworden. Erst treibt er es mit Männern und jetzt sogar mit einer Magierin. Ich weiß nicht was schlimmer für das Alte Reich ist. Er ist so ein weltfremder Spinner. Seine Reformideen sind der reinste Humbug. Bei allem was uns heilig ist, aber der Prinz darf diesen Krieg nicht überleben.“
    Torquemada sah Fernandez mit ernster Miene an.
    „Bereite alles vor. Bald wird es einen kleinen Feldzug geben. Der Prinz wird an der Spitze seiner Truppen marschieren. Sorge dafür, dass er als Held stirbt. Verstehst du?“
    Fernandez neigte zum Einverständnis leicht seinen Kopf.
    „Wenn du schon einmal dabei bist, dann sorge dafür, dass auch dieser Narr Marduk und diese Hexe Tanit sterben. Ich will das sie in ihren Gräbern liegen, wenn der Winter endet.“
    „Es soll so geschehen.“, antwortete Fernandez.

    # # #

    Weit weg von der Magierfestung, dem Königspalast und den Intrigen der Inquisition wühlte Juan im Müll nach Essbarem. Er war ein Landstreicher den es ins herunter gekommene Hafenviertel am Fluss Kyro verschlagen hatte. Früher war er ein Bauer gewesen, aber der Alkohol und der Leichtsinn hatten ihn ruiniert. Sein Bauernhof war dahin, ebenso seine Ehe, sein rechtes Bein und seine linke Hand. Geblieben waren ihm ein Holzbein und ein Hakenhand. Damit sah er wie ein Klischee-Pirat aus, aber in Wahrheit war er ein alter Krüppel der nirgendwo mehr Arbeit fand.
    Juan hatte einen weiten Weg von seinem Bauernhof im Süden bei Caldera bis in die Hauptstadt hinter sich. Ein weiter Weg den er zusammen mit anderen Landstreichern, von denen manche tot am Wegrand zurückgeblieben waren, zurückgelegt hatte. Nun waren die Anderen im Gewirr der Gassen verschwunden. Sie kümmerten sich nur noch um sich selbst. Juan war das recht. Er wollte die letzte Etappe seiner Reise allein zurücklegen. Vorher muss er sich allerdings stärken. Die Müllhalden in den schmalen Seitengassen waren immer ergiebig, wie er schnell herausgefunden hatte.
    Juan hatte gerade einen alten, trockenen Kuchen entdeckt als er von Bodo angerempelt wurde. Er verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Bodo lachte laut und dröhnend.
    „Hah! Alter Mann schwankt wie Schiff auf See. Du getrunken hast?“
    Juan versuchte sich hochzustemmen, aber Bodo trat ihn wieder zu Boden. Der Kerl war so groß wie ein Oger nur sein konnte. Er sprach die Sprache der Menschen nur bruchstückhaft, war aber keinesfalls dumm. Bodo war ein verschlagener, hinterhältiger Riese. Der trat Juan noch einmal. Diesmal knackten Knochen. Juan wimmerte vor Schmerz.
    „Keiner dich hören, Winzling. Wir allein hier in Gasse. Du geben mir Kristall und ich nicht mehr treten dich.“, brummte der Oger.
    Juan krümmte sich zusammen als er wieder getreten wurde. Seine Brust tat höllisch weg. Bestimmt hatte ihm der Oger eine oder mehrere Rippen gebrochen. Doch das Schlimmste war, das Bodo irgendwie erfahren hatte, dass Juan einen magischen Kristall besaß. Solche Kristalle waren in letzter Zeit sehr begehrt. Die Magiergilde zahlte Spitzenpreise. Bodo witterte ein gutes Geschäft. Er war genauso arm wie die anderen Bewohner der Gosse, aber von Natur aus stärker. Bodo terrorisierte die anderen Landstreicher. Juan war auch klar, dass der Oger keine Hemmungen hatte ihn zu Tode zu treten, wenn er nicht kooperierte.
    „Gib Kristall. Oder Bodo wird wütend.“
    Juan kämpfte sich auf die Beine. Der Kristall war alles was er besaß. Eine junge Magierin mit wunderschönen blauen Augen und blondem Haar hatte ihm den Kristall geschenkt. Sie hatte gesagt, dass er den Kristall zu einem Gasthaus am Berg Archolos bringen sollte. Dann würde alles gut werden. Juan hatte ihr sofort geglaubt. Der Kristall war seine Rettung. An dieser Einstellung hielt Juan trotz allem eisern fest.
    „Gib Kristall! Gib!“, brüllte Bodo außer sich vor Wut.
    Sein rechter Fuß hob sich zu einem weiteren knochenbrechenden Tritt. Mit dem Mut der Verzweiflung sprang Juan vor. Er riss seinen Dolch aus seiner rechten Hosentasche. Die Klinge funkelte im Mondlicht. Juan stieß so schnell und so hart er konnte nach oben. Einfach nach oben. Er war kein Krieger der wusste was er tat. Er wusste nur, dass er den Kristall niemals herausgeben durfte. Bodo brüllte als er getroffen wurde. In derselben Sekunde traf der Fuß des Ogers Juan. Knochen brachen. Juan wurde zurückgeschleudert. Schmerzen explodierten in seinem ganzen Körper.
    „Du! Du… hast… mich….“, gurgelte Bodo.
    Juan sah nicht was mit Bodo geschah. Der Oger gab keine Geräusche mehr von sich. Juan hoffte gegen alle Vernunft, dass er ihn umgebracht hatte. Aber Oger waren zäh. Sie starben nicht so leicht. Schon gar nicht durch einen ungezielten Dolchstoß. Juan rollte sich zusammen und versuchte die Schmerzen zu überstehen. Er wartete darauf, dass Bodo ihn ermordete. Aber das geschah nicht. Nach einigen Minuten, Juan kam es wie eine Ewigkeit vor, ließen die Schmerzen langsam nach. Sein ganzer Körper wurde langsam taub.
    Eine menschliche Hand legte sich auf seine Stirn.
    „Ich….“, sagte Juan. Er hustete Blut.
    „Pscht!“
    Ein hübsches Gesicht beugte sich über ihn. Juans Sicht verschwamm. Er konnte kaum noch etwas erkennen. Nur eine Andeutung von blauen Augen und blondem Haar.
    „Du stirbst.“, sagte eine sanfte Frauenstimme.
    Juan war froh, dass der große Gott Ra, den er immer verehrt hatte, doch noch einen Engel schickte um ihn ins Totenreich zu geleiten. Die Götter waren also nicht alle fort. Alles war nur ein Alptraum gewesen. Ja, nur ein Alptraum, redete sich Juan ein während er starb. Nun würde alles gut werden.
    „Wo ist der Kristall?“, fragte der Engel.
    „Ich habe ihn gut versteckt. Unter der Kyrobrücke. An dem ältesten Holzpfeiler ist ein Päckchen angebunden, knapp über der Wasseroberfläche. Das findet niemand.“, antwortete Juan mit letzter Kraft.
    Etwas Funkelndes näherte sich seinem rechten Auge. Es hatte Ähnlichkeit mit seinem Dolch. Doch Juan konnte es nicht richtig erkennen. Seine Welt versank in Dunkelheit. Das letzte was er hörte waren die Worte des Engels.
    „Gut gemacht. Und nun gib mir deine Augen.“


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    Kapitel 7

    Die Sonne ging langsam über der Hauptstadt auf. Ihre Strahlen warfen helles Licht auf das Hafenviertel. Eine Menschenmenge rief lautstark durcheinander. Sie beschuldigten die Magier des Mordes. Eine Gruppe Wachen und Gardisten hielt sie mit gezogenen Waffen zurück. Santoro und Raoul, eben erst von ihrer Mission aus dem Norden zurückgekehrt, waren mit der Aufklärung der Morde beauftragt worden.
    „Meine Herren, soweit ich das beurteilen kann, haben sich die beiden Narren gegenseitig umgebracht.“, sagte Hafenmeister Ramirez zu ihnen.
    Die beiden Inquisitionsgardisten sahen den Hafenmeister ungnädig an.
    „Ach ja? Und nach ihrem Tod haben sie sich ihre Augen herausgeschnitten und Todesrunen in die Stirn geritzt?“, erwiderte Raoul.
    „Bitte, nicht so laut.“, meinte Santoro.
    Die Situation konnte jeden Moment eskalieren. Das Volk hegte ohnehin schon eine große Abneigung gegen die Magier. Zuerst waren die Götter verschwunden, dann die Runenmagie und nun erwachten die Titanen. Es gab viele Menschen die den Magiern die Schuld an all diesen Ereignissen gaben. Daran und an vielen anderen Unannehmlichkeiten, von Seuchen bis hin zu schlechter Ernte. Magier waren noch nie beliebt gewesen. Früher, als sie zusätzlich auch noch Priester gewesen waren, hatten sie Andersgläubige und Ungläubige gnadenlos verfolgt. Das hatte man ihnen nicht vergessen.
    „Nein, das ist schon in Ordnung. Sollen sie die Magier beschuldigen. Die Anzahl der Wachen soll verdoppelt, die der Patrouillen verdreifacht werden. Ich will eine deutlich sichtbare Präsenz unserer Truppen auf den Straßen.“, sagte Raoul.
    „Um den Mörder zu fangen?“, zweifelte Santoro diese Strategie an.
    „Nein, um das Volk zu beruhigen. Den Mörder jagt bereits Inquisitor Fernandez.“, antwortete Raoul.
    „Dann tut der Mörder mir jetzt schon leid.“, sagte Santoro völlig ernst.

    # # #

    Im Königspalast versammelten sich unterdessen die Kommandanten. Tanit Ushas kam zusammen mit Calamus, Immanuel, Zacharis und dem obersten Magier Hieronymus an. Calamus trug einen dicken Verband um sein zerstörtes linkes Auge. Er war Tanit immer noch böse deswegen. Ihr war es egal. Sie bestaunte die wunderbare barocke Architektur des weitläufigen Palastes, die ausgedehnten Gartenanlagen und die vielen wunderschönen Statuen aus Marmor. Gestern Nacht war sie schon einmal hier gewesen, aber in der Dunkelheit hatte sie dem Palast an sich nicht viel abgewinnen können. Zudem war sie von Prinz Felipe mehr als beeindruckt gewesen. Er wirkte sehr anziehend, sehr sympathisch. Tanit wusste, dass sie Gefahr lief ihr Herz an ihn zu verlieren und das dies ganz und gar nicht zu ihrer pragmatischen Überlebensstrategie passte. Hieronymus bemerkte ihren Blick. Der alte Hochmagier verzog angewidert sein Gesicht.
    „Das ist sinnloser Luxus, mein Junge.“, sagte er.
    „Ja, Meister.“, gab sich Tanit demütig.
    Hieronymus brummte etwas Unbestimmtes und ging weiter. Novizen eilten ihm voraus um dem Palastpersonal seine Ankunft kundzutun. Wie Immanuel zog es auch der oberste Magier des Alten Reiches vor Tanit als Mann anzusehen und entsprechend anzureden. Er sperrte sich vehement gegen die Aufnahme von Frauen in die Magiergilde.
    „Der wahre Geist des Menschen offenbart sich in Zeiten der Not, mein Junge. Es ist eine Prüfung für die Seele. Nur die Reinen und Starken werden überleben. Merk dir das!“, dozierte der Hochmagier.
    Tanit musste an sich halten um nicht zu lachen. Sie fragte sich ob Hieronymus diesen Unsinn selber glaubte oder nur seinen Schülern erzählte um ihren Idealismus auszunutzen.
    „Luxus verdirbt. Dekadenz und Wollust sind die Folge. Wir sind weich und schwach geworden durch zu viel Luxus, durch zu viele Freiheiten für das Volk. Wir schwelgen im Genuss und suhlen uns im Gold. Deshalb konnten uns die Titanen so schnell besiegen.“, fuhr Hieronymus fort.
    Nein, dachte Tanit, das ist falsch. Die harten Bergvölker waren schon lange tot. Der Feuerclan, der Hammerclan und der Wolfclan waren die ersten Opfer der tobenden Erdtitanen gewesen. Freilich, sie hatten tapfer gekämpft. Nur was hatte ihnen ihr Heldenmut genützt, wenn zehn Meter hohe Mordmaschinen angriffen? Einfache Lebensweisen erschienen nur denen anziehend und nachahmenswert, die selbst keine Ahnung von so einem Leben hatten. Tanit war auf Torgaan geboren worden und als Waise bei den wilden Eingeborenenstämmen aufgewachsen. Sie erinnerte sich gut an das harte und entbehrungsreiche Leben dort. Aber ihr war immer klar gewesen das sie Luxus genießen würde, wenn sie die Chance dazu bekam.
    Die Titanen gewannen schlicht und einfach weil sie überlegen waren. Es war keine Frage der Moral oder der Lebensweise. Vielmehr war es eine Sache von Zahlen und Fakten. Die Titanen waren stark. Sie hatten viele Verbündete. Sie gingen konsequent und planvoll vor. Ihre Strategie machte Sinn. Sie rückten vor und ergriffen die Initiative.
    „Luxus ist Verschwendung. Es ist eine Sünde wider dem Körper und dem Geist. Ich strebe seit Jahren ein Umdenken an. Wenn diese Krise gemeistert ist, werde ich dafür sorgen das wir zum einfachen Leben unserer Vorfahren zurückkehren.“, redete Hieronymus weiter.
    Wenn diese Krise vorbei war, dachte Tanit, wird das Land so sehr zerstört sein, das alle Überlebenden zwangsweise ein einfaches Leben führen mussten. Aber sie behielt diese Gedanken für sich.

    # # #

    Im großen Ratssaal des Palastes versammelten sich die Entscheidungsträger des Alten Reiches. König Ferrando VII. und seine Ehefrau Eleonore waren ebenso anwesend wie Prinz Felipe, Kommandant Don Marduk, Großinquisitor Torquemada und seine rechte Hand, Inquisitor Fernandez, dann Don Mauregato als Vertreter der Händlerkaste, Botschafter Pieter aus den Königreichen des Nordens, Meister Godin als Vertreter der Handwerker und Botschafterin Margarete von den weit entfernten Inselreichen im Myrtanischen Meer. General Magnus war vor Ort und auch Admiral Alvarez.
    Marduk stand neben Magus. Tanit bemerkte sofort die große Familienähnlichkeit. Magnus war ein Kriegsheld, der alte Champion des Reiches, und Marduk sein Sohn, kaum weniger heldenhaft. So mussten die alten Recken ausgesehen haben, überlegte Tanit. Früher, in einem wilderen, barbarischeren Zeitalter, wären Magnus und Marduk die Warlords Midlands gewesen. Helden, Berserker, Kriegerkönige. Heute wirkten sie wie Relikte aus einer anderen Zeit. Sie waren irgendwie fehl am Platze.
    Selbstverständlich hatte es auch früher keine Helden gegeben. Nicht wirklich. Tanit wusste das, denn sie kannte die Geschichte Midlands so gut wie jeder Gelehrte. Die Vergangenheit wurde nur verklärt, so wie es Hieronymus mit der angeblich so guten Lebensweise der Vorfahren tat. In Wahrheit wollte niemand zurück. Niemand konnte zurück. Tanit schlug sich die Gedanken über Helden und Recken aus dem Kopf.
    Sie konzentrierte sich auf die Kartentische. Auf den kunstvoll verzierten Holztischen waren viele Karten ausgebreitet. Tanit sah sie sich genau an, während die Männer immer hitziger miteinander diskutierten. Es ging darum welche Pläne in die Tat umgesetzt werden sollten. Dabei ging die Inquisition auf direkten Konfrontationskurs zu den Magiern. Aber Tanit hörte nur mit einem Ohr zu. Sie studierte die Karten. Sie waren halbwegs korrekt, soweit sie das beurteilen konnte. Alles Land zwischen dem ewigen Eis im hohen Norden und dem Berg Archolos südlich der Großen Nordebene war bereits von den Titanen und ihren Dienerkreaturen verwüstet worden. Dort lebten nun keine Menschen mehr. Neben den Karten lagen Berichte von den wenigen Überlebenden die es bis nach Calador oder Caldera geschafft hatten. Es waren erschütternde Schilderungen der erlebten Gräuel.
    An Land tobten sich Feuer- und Erdtitanen aus, die sich auch noch gegenseitig bekämpften. Die Meere wurden von Wassertitanen unsicher gemacht. Sie unterbanden jegliche geordnete Schifffahrt. Doch die Inseln in der Südsee und im Myrtanischen Meer waren noch nicht von Titanen angegriffen worden, warum auch immer. Monster und Bestien aller Art machten allerdings auch dort den Menschen das Leben zur Hölle.
    „Ich sage, wir evakuieren die Menschen nach Arborea solange wir noch Zeit dafür haben.“, verschaffte sich Meister Godin Gehör.
    Es kam zum Tumult. Arborea war der südliche Kontinent. Er war mehr Legende als Realität, auch wenn seine Existenz im Grunde nicht mehr angezweifelt wurde. Dort sollte es angeblich keine Titanen geben. Und auch keine Zivilisationen. Der allgemeine Konsens war, dass man dieses Land erobern, den Eingeborenen wegnehmen und unter den Kolonisten aufteilen sollte.
    „Nein! Mendoza wird mit einer Anti-Titanenwaffe zurückkehren.“, hielt Großinquisitor Torquemada dagegen.
    „Wir kämpfen mit Schwert, Muskete und Magie!“, forderte General Magnus.
    „Nein, besser wir fliehen auf die Inseln!“, schrie Admiral Alvarez.
    „Magie! Kristallmagie wird uns retten.“, rief Hochmagier Hieronymus.
    Es kam zum Tumult. Alle schrien durcheinander bis sich der König mit fester Stimme durchsetzte. Er rief alle Anwesenden zur Mäßigung auf. Tanit schüttelte ihren Kopf. Es war schlimmer als sie gedacht hatte.


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    Kapitel 8

    Lange nach Ende der Besprechung saßen Felipe, Marduk und Tanit noch vor den Kartentischen. Flackernde Kerzen spendeten etwas Licht. Draußen war es dunkel geworden. Der Himmel blieb klar, so dass man den Mond und die Sterne stehen konnte.
    „Wir machen alles, aber nichts konsequent.“, platzte es aus Felipe heraus.
    Er zeigte auf die Karten. Seine Finger fuhren über den Fluss Kyro, der in den Bergen des Unbekannten Landes entsprang, quer durch die Ebenen floss und dann bei der Eisenbucht ins Meer mündete.
    „Zwanzig Frachtkähne! Wie viele Menschen können wir so retten? Tausend?“, spie er aus.
    „Mauregato war strikt gegen eine Evakuierung. Ihm die zwanzig Schiffe abspenstig zu machen war schwer genug. Du hast ja selbst erlebt wie deine Mutter mit Silberzunge auf ihn einreden musste.“, antwortete Marduk.
    Felipe beruhigte sich etwas. Die Evakuierung war eine gute Idee. Sie wurde mit einer Gegenoffensive verknüpft. Dem Volk würde es so dargestellt werden, das man die Titanen angriff um genug Zeit für die Evakuierung zu bekommen. Und die Evakuierung wiederum fand statt um dann später ungehindert eine Großoffensive nach Norden starten zu können. Beide Ziele klangen einleuchtend. Torquemada und seine Gehilfen würden ab morgen ein wahres Propagandatrommelfeuer entfachen. Sie würden dem Volk schon einbläuen das alles gut wurde.
    „Nun gut. Was ist mit der Produktion?“
    „Was soll damit sein, Felipe?“, fragte Marduk. „Meister Godin geht nach Caldera und baut dort Manufakturen auf die Kanonen, Musketen und Pistolen in großen Stückzahlen produzieren werden. Magier Zacharias wird zusammen mit meinem Vater General Magnus und einer großen Truppe nach Taranis segeln um dort die Kristallminen wieder in Betrieb zu nehmen. Sicherlich wird es mehrere Monate dauern bis wir mit den ersten Lieferungen zu rechnen haben, aber insgesamt ist das Ganze sehr nützlich für unsere Sache. Admiral Alvarez geht nach Antigua. Er will die Piraten der Südsee für unsere Sache anwerben.“
    „Er ist doch selber ein Pirat.“, sagte der Prinz belustigt.
    „Ja, schon. Vielleicht hat er deswegen Erfolg. Oder er setzt sich ab. Was solls? Die Titanen kommen von Norden. Schiffe spielen in den kommenden Schlachten sowieso keine Rolle.“
    „Feuerwaffen schon. Die Piraten stellen gute Kanonen und Pistolen her.“, warf Tanit ein.
    „Neumodischer Unsinn!“, erwiderte Felipe.
    Marduk und Tanit schüttelten gleichzeitig ihre Köpfe. Felipe lehnte Feuerwaffen und Kristallmagie ab. Wie die meisten Menschen fürchtete er sich etwas vor diesen Neuerungen. Aber er war auch intelligent genug um zu erkennen, dass die alten Wege nur noch in den Tod führten. Die Titanen hielt man nicht mit Bögen und Runenmagie auf.
    „Bleibt also die Gegenoffensive.“, sagte Felipe.
    „Richtig“, mischte sich Tanit ein.
    Sie zeigte auf die Karte.
    „Wir führen eine begrenzte Operation aus. Hier, im Avilatal südlich von Sendar. Einhundert Musketiere, fünfzig Novizen, fünf Kanonen. Wenn es uns gelingt dem Feind mit den neuen Waffen und der neuen Magie Schaden zuzufügen, werden auch König und Großinquisitor einsehen das es an der Zeit ist eine Großoffensive zu starten.“
    „Gut gesprochen. Ich bin dabei.“, sagte Marduk.
    „Ich auch.“, sagte Felipe.
    Marduk zwinkerte seinem Freund und Geliebten zu.
    „Natürlich. Du führst uns ja immerhin an.“, sagte er.
    Felipe richtete sich auf. Ja, dachte er, ich führe das kleine Heer an. Das war seine Chance endlich zu beweisen was in ihm steckte. Bisher hatte er im Schatten seines Vaters und der großen Generäle wie Magnus oder Admiräle wie Alvarez gestanden. Jetzt konnte er endlich zeigen, dass er ein ebenso guter Anführer war wie sie. Sein Vater war alt und krank. Schon bald würde Felipe die Regierungsgeschäfte übernehmen müssen. Er war nach seiner eigenen Ansicht nach bereit dafür.

    # # #

    Es war Mitternacht als Tanit den Königspalast verließ. Felipe ließ sie von zwei Dienern zurück zur Magierfestung bringen. Beide Männer, Marduk und Felipe, sahen ihr hinterher. Sie spürten beide die seltsame Anziehungskraft die Tanit auf sie ausübte. Keiner sagte dem anderes etwas, denn beide Männer waren erstens ob ihrer Gefühle für eine Frau verwirrt und wollten zweitens ihren Partner nicht vor den Kopf stoßen.
    „Wir sehen uns morgen Mittag.“, verabschiedete sich auch Marduk.
    Da sie allein waren umarmten und küssten sie sich. Etwas das sie in der Öffentlichkeit nicht tun konnten. Nicht so sehr, weil es unschicklich war oder weil Homosexualität abgelehnt wurde, sondern eher aus heiratstaktischen Gründen. Felipe war der einzige legale Sohn König Ferrandos. Er würde eines Tages eine politische Ehe eingehen müssen. Vielleicht mit einer Prinzessin aus einem der nördlichen Reiche. Es sollte vorab kein Gerede geben, das einer solchen Verbindung schaden konnte.
    „Bis morgen.“, antwortete Felipe.
    Der Prinz blieb noch eine Stunde im Ratssaal und sah die Karten durch. Der Blick auf die Karten und die Berichte der Überlebenden machte ihm erst so richtig bewusst wie groß die Gefahr wirklich war. Innerhalb von nicht einmal vier Monaten hatte eine Armee aus Titanen, Golems und Untoten die Hälfte der Alten Welt in Schutt und Asche gelegt. So etwas war noch nie vorgekommen. Freilich hatte es auch schon früher Eroberer gegeben. Orks und Echsenmenschen hatten sich erhoben und große Gebiete überrannt. Aber nicht einen halben Kontinent. Und schon gar nicht in so kurzer Zeit.
    „Vater?“, fragte Felipe ohne sich umzudrehen.
    „Oh, du hast scharfe Sinne, mein Junge.“, sagte sein Vater anerkennend.
    Felipe nickte dankbar, da er gelobt wurde. In Wahrheit war es nicht schwer seinen Vater zu bemerken. Er hinkte, er stank und er hustete unentwegt, wenn kein Fremder in der Nähe war. Nach Außen demonstrierte Ferrando Stärke, doch Felipe wusste um den wahren Zustand seines Vaters. Der König war krank. Seine Haut war fahl und stank zum Himmel. Zudem schüttelten ihn Hustenanfälle durch. Meist hustete er sogar Blut. Die besten Heiler waren schon befragt worden, aber niemand konnte seinem Vater helfen. Sogar die mächtigsten Heiltränke brachten nur kurzzeitig Linderung.
    „Marduk ist wie sein Vater Magnus ein guter Mann. Aber muss er dein Liebhaber sein? Kannst du nicht so sein wie andere Männer? Es gibt doch so viele hübsche Frauen.“, sagte der König.
    Es war das alte, oft diskutierte Thema.
    „Gestern hattest du einen Gast, wie die Palastdiener tuscheln. Eine Magierin, fluchen sie. So erfreut ich auch bin, das du dich endlich für Frauen interessierst, aber muss es ausgerechnet eine Magierin sein? Wahrscheinlich würden die Menschen einen männerliebenden König eher akzeptieren als eine Magierin als neue Königin.“, fuhr der König fort.
    Das Thema war neu.
    „Schläft Mutter?“, fragte der Prinz um das Thema zu wechseln. Er hatte keine Lust über seine sexuelle Ausrichtung zu sprechen. Zudem drehten sich alle Diskussionen darüber sowieso im Kreis. Sein Vater verstand nicht warum er so war wie er war. Und Felipe war nicht der Mann, der die Geduld besaß seine Neigungen immer und immer wieder zu rechtfertigen.
    „Eleonore? Ja, sie schläft. Ich lasse sie besser in Ruhe. Sie hatte einen anstrengenden Tag. Dieser Mauregato ist widerlich. Leider ist er auch unverschämt reich. Torquemada intrigiert andauernd gegen Hieronymus und Eleonore fällt es zusehends schwerer ihn im Zaum zu halten.“
    Der König hielt inne da ihn ein schwerer Hustenanfall quälte. Ruhig wartete Felipe ab bis der Anfall vorüber war.
    „Ich möchte, dass du während dieses kleinen Feldzuges auf dich Acht gibst, mein Sohn.“, sagte der König. „Du bist der einzige Thronfolger. Bring dich bitte nicht in Gefahr. Versprich mir das.“
    „Ja, Vater. Ich verspreche es.“, antwortete Felipe.
    Er meinte es nicht ernst. Aber sein Vater war alt und krank, seine Mutter eine vielbeschäftigte, gestresste Frau. Eine Armee aus Titanen zerstörte den Kontinent. Mendoza war lange überfällig, Zacharias und Godin begannen gerade erst mit ihrer Arbeit. Die nächsten Monate würden so oder so sehr hart werden. Sie mussten durchhalten bis sie stark genug für einen erfolgversprechenden Gegenangriff waren. Also tat Felipe alles um es seinen Eltern nicht so schwer zu machen. Bei allen Problemen die das Alte Reich hatte sollten sie sich nicht auch noch übermäßige Sorgen um ihren einzigen Sohn machen.
    „Du bist ein guter Sohn. Wir sind stolz auf dich.“, fuhr der König fort.
    Auch das war nicht so ernst gemeint wie es klang. In der Vergangenheit hatte es durchaus Differenzen gegeben. Da war seine Affäre mit Don Marduk, dann seine oft demonstrativ zur Schau gestellte Leichtsinnigkeit und seine Reformpläne. Er wollte ein modernes, weltoffenes, reformiertes Reich statt dieses veralteten Feudalstaates. Felipe wusste, dass er seine Eltern und den Hochadel sowie das Volk manchmal bewusst provoziert hatte. Anders herum hatte man ihm immer vorschreiben wollen was er zu tun und zu lassen hatte. Er sollte keine Männer lieben, sollte ein guter Krieger werden wie Magnus und Marduk, sollte sich um die oft sterbenslangweiligen Regierungsgeschäfte kümmern und keinesfalls über die Stränge schlagen.
    All das hätte Felipe ansprechen können. Früher hatte er es getan und sich oft heftig mit seinen Lehrmeistern und seinen Eltern gestritten. Doch heute Nacht war dazu der falsche Zeitpunkt. Nach dem Sieg konnte man die Dinge klären, sie ins richtige Lot bringen. Bis dahin mussten sie zusammen halten. In Einigkeit lag Stärke. So war es doch, oder nicht?
    „Ich liebe dich, mein Sohn.“, sagte sein Vater.
    Das war, trotz allem, die Wahrheit. Sie umarmten sich, Vater und Sohn. Der alte, todkranke König bekam einen weiteren Hustenanfall.
    „Ich werde als Sieger zurückkehren.“, versprach Felipe.
    „Ja, natürlich. Ich weiß.“
    König Ferrando VII. hinkte schwerfällig in Richtung seiner Gemächer davon. Vor der Tür blieb er stehen.
    „Ich habe einmal König Rhobar III. getroffen, weißt du? Damals war ich ein junger Mann gewesen, kaum älter als du jetzt. Rhobar III. war mir sehr alt und müde vorgekommen. Er hat nicht wie der Held ausgesehen, den die Legenden aus ihm gemacht haben.“
    „Vater?“
    „Staub und Asche, Legenden und Märchen, Mythen und Sagen. Mehr ist jetzt nicht mehr vom mächtigen Myrtana übrig, oder?“
    Der König deutete schwach auf den Kartentisch.
    „Ich kann die Karten lesen. Sorge dafür, dass vom Alten Reich nicht nur Staub und Asche übrig bleiben. Hörst du?“
    „Ja, Vater. Ich schwöre es.“, antwortete Felipe völlig ernst.
    Der König machte den Eindruck noch mehr sagen zu wollen. Er setzte zwei Mal zum Sprechen an, wurde aber jedes Mal von einem Hustenanfall unterbrochen. Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort von seinem Sohn ab und verließ den Raum. Felipe wusste es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber es war das letzte Mal das er seinen Vater sah.


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    Kapitel 9

    Unter dem Jubel der Bevölkerung zog das kleine Heer am übernächsten Tag aus der Stadt ab. Prinz Felipe marschierte an der Spitze seiner Soldaten. Einhundert Musketiere und fünfzig Novizen, ausgerüstet mit den modernsten Waffen und neuesten Zaubern. Die Zuversicht war groß. Die Erwartungen ebenso. Das Volk kannte noch nicht die ganze Wahrheit. Sie wussten nicht, das Sendar bereits gefallen war. Sie hatten keine Ahnung davon, dass nördlich des Archolos kein Mensch mehr am Leben war.
    „Winkt ihnen zu, Prinz.“, flüsterte Inquisitor Fernandez. Er ging an des Prinzen Seite. Offiziell war er dabei um die Interessen der Inquisition zu wahren. Felipe vermutete, dass er aufpassen sollte, dass er keinen Unsinn anstellte. Es war kein Geheimnis das Torquemada dem Prinzen nichts zutraute. Felipe winkte. Das Volk jubelte noch lauter. Sie marschierten die Prachtstraße hinab zum Steinernen Tor. Das Volk gab ihnen den ganzen Weg Geleit.
    Von hoch oben auf einem der Türme des Königspalastes beobachteten Eleonore und Ferrando den Auszug ihren Sohnes. Das Herrscherpaar demonstrierte Einigkeit. Jetzt, im Alter, bestand sie auch wirklich. Früher war ihre Ehe nicht gut verlaufen. Doch im Laufe der Jahre hatten sie sich miteinander arrangiert. Wenn es auch keine Liebe zwischen ihnen gab, so gab es doch zumindest Respekt und Sympathie.
    „Haben wir einen Plan B?“, fragte Hochmagier Hieronymus Großinquisitor Torquemada. Beide Männer standen in respektvollen Abstand hinter dem Herrscherpaar. Sie waren sich spinnefeind, aber die enorme Bedrohung durch die Titanen ließ sie doch kooperieren.
    „Ja, den haben wir.“, antwortete Torquemada.
    Er sah Hieronymus an.
    „Haben sie schon einmal etwas von Titanenlord Ursegor gehört?“, fragte er dann.
    Hieronymus schüttelte mit dem Kopf.
    „Wir müssen uns nicht auf stinkende Knallgeräte und verrückte Magie verlassen. Ursegor hat uns ein Bündnis angeboten. Er will den Titanenlord, der diese feindlichen Armeen befehligt, vernichten. Ich habe bereits Unterhändler zu ihm geschickt.“
    „Etwa diesen Fanatiker Mendoza?“
    „Vergessen sie Mendoza. Der ist nicht mehr wichtig. Ursegor wird schon bald mit uns direkt verhandeln, lieber Hochmagier.“
    Hieronymus‘ Miene hellte sich auf. Seine permanent schlechte Laute besserte sich schlagartig. Vielleicht sah die Zukunft ja doch rosiger aus als er gedacht hatte.
    „Das Königshaus wird so einem Bündnis nicht zustimmen.“, sagte er.
    „Unser König, Ehre sei Seinem Namen, wird den Winter nicht überleben. Sein Sohn wird nicht zurückkehren. Zacharias und Magnus werden dann weit weg sein, ebenso Mauregato, Godin und all die anderen Narren, die Vorbehalte gegen ein solches Bündnis haben könnten.“, flüsterte Torquemada.
    Der Großinquisitor blickte den Erzmagier direkt an. Er hasste den Mann. Aber noch brauchte er die Magiergilde. Eines Tages würde sich das ändern, und an diesem Tag, so nahm sich Torquemada vor, würde er den Scheiterhaufen auf dem Hieronymus stand mit eigenen Händen anzünden.

    # # #

    Die kleine Armee marschierte am Ufer den Flusses Kyro nach Norden. Der breite, schiffbare Fluss wurde von gepflasterten Straßen gesäumt. Die Straßen führten direkt ins Avilatal, ein dicht besiedeltes, fruchtbares und ertragreiches Gebiet. Das Tal wurde auch umgangssprachlich Garten des Ra genannt. Früher war hier der Sonnen- und Feuergott besonders heftig verehrt worden. Heute war das Tal einer der wichtigsten Brotkörbe des Alten Reiches.
    Anders als in der von der Inquisition weitgehend abgeschirmten Hauptstadt konnte man hier im Avilatal das Flüchtlingselend deutlich sehen. Abertausende Menschen flohen von Norden nach Süden, Überlebende aus Sendar ebenso wie Nomaden von der Großen Nordebene und Barbaren aus den Nordländern. Hier und da sah man einen Assassinen oder einen Bürger Myrtanas. Sogar ein paar Orks und Echsenmenschen flohen nach Süden. Der Krieg hatte sich wieder einmal als der große Gleichmacher bestätigt. Alle diese Flüchtlinge hatten ihre Heimat verloren. Sie waren nun alle gleich arm, gleich verzweifelt, gleich traumatisiert.
    Nahe eines kleinen Weilers einige Kilometer vor Avila-Stadt sprach ein alter Echsenpriester Marduk an. Die Haut des Echsenmenschen war rissig und beinahe grau. Marduk riss sich los. Echsenmenschen waren in der Vergangenheit oft als Feinde der Menschen aufgetreten. Nun wurden sie von den Titanen ebenso erbarmungslos niedergemacht wie die Menschen.
    „Du hassst esss.“, zischte der Echsenpriester.
    Er deutete auf Marduks Dolch.
    „Hütet euch vor Ursssegor und vor Isssmael. Hss.“
    Andere Echsenmenschen, offenbar die Diener des Priesters, eilten heran und führten ihn weg.
    „Hütet euch, Menssschen! Hütet euch vor den Titanenlordsss!“
    Die Diener zerrten ihren Herren regelrecht weg. Flüche und Beschimpfungen ertönten von den Bauern und Soldaten. Die Echsen flüchteten. Von ihrer einst so arroganten, stolzen und unbeugsamen Art war nicht viel übrig geblieben. Mit ihnen flohen ein paar Orks. Die früher so starken Krieger waren völlig herunter gekommen. Sowohl die Heimat der Echsenmenschen als auch die der Orks war bereits von den Titanen zerstört worden. Von diesen beiden Völkern war kaum noch etwas übrig. Gleiches galt für Oger und Goblins. Auch wenn es noch einzelne Überlebende gab, so waren diese Rassen doch so gut wie ausgelöscht worden. Jahrhundertelang hatten sie die Menschen bekriegt. Doch Marduk konnte sich an ihrem Untergang nicht erfreuen. Er hatte Mitleid mit den wenigen Überlebenden, denn der Menschheit stand ein ganz ähnliches Schicksal bevor.
    „Verdammtes Echsengesindel!“, schimpfte Inquisitor Fernandez.
    „Ziehen wir weiter.“, entschied Prinz Felipe.
    Er dachte ähnlich wie Marduk über die Sache, wollte aber wegen praktisch toter Völker keinen Streit beginnen. Echsen, Orks, Oger und Goblins waren dahin. Nun galt es die Menschheit zu retten.
    Vor dem südlichen Stadttor Avilas erwartete die kleine Armee die nächste böse Überraschung. Gut drei Dutzend Magier waren an krude Holzkreuze geschlagen worden. Sie waren alle tot, ihre Leiber bereits in den Zustand der Verwesung übergegangen. So wie die Leichen aussahen hingen sie minimal bereits mehrere Tage an den Kreuzen. Ganz in der Nähe schwelten noch mehrere Scheiterhaufen. Der Brandgeruch mischte sich mit dem Verwesungsgestank. Gardisten der Inquisition hielten Wache.
    „Meldung!“, herrschte Felipe einen der Gardisten an. Wegen dem Gestank übergaben sich mehrere Novizen.
    „Zu Befehl, mein Prinz.“, kam die prompte Antwort. Der Gardist hatte Felipe sofort erkannt.
    „Mein Prinz, wie es das Dekret verlangt haben wir hier alle auffindbaren Magier, Kräuterhexen und Magiekundigen hingerichtet. Wir haben sie vor ihrem Tod dem Verhör unter der Folter unterzogen. Diejenigen, die gestanden haben für die Erweckung der Titanen verantwortlich zu sein, haben wir verbrannt. Diejenigen, die sich weigerten die Wahrheit zu gestehen, schlugen wir ans Kreuz. Alle Besitztürmer der Schuldigen wurden ordnungsgemäß beschlagnahmt.“
    Marduk griff nach Felipes rechtem Arm. Er kam dem Prinzen gerade noch rechtzeitig zuvor, denn Felipe wollte vor Wut und Zorn über diese Morde gerade seinen Degen ziehen.
    „Vor dem nördlichen Tor haben wir die Plünderer gehenkt. Vor allem die verdammten Echsen und Orks, aber auch ein paar Goblins. Erst haben sie den Toten ihre Habe geraubt, jetzt baumeln sie selber.“, fuhr der Gardist fort.
    Felipe und Marduk bezwangen ihren Zorn und gingen weiter. Für die Toten konnten sie ohnehin nichts mehr tun.
    „Gute Arbeit, weitermachen.“, sagte Fernandez zu den Gardisten.

    # # #

    Die Soldaten und Novizen, letztere durch die jüngsten Ereignisse stark verunsichert, kampierten in der alten Burg von Avila. Der örtliche Graf war schon vor Wochen mit seiner Familie nach Caldera geflohen. Die Burg stand nun also leer und diente als bequemes Quartier für die Soldaten. Felipe, Marduk, Tanit und Fernandez besuchten die Taverne. Sie hieß zum Goldenen Bierkrug, eine Anspielung auf alte Zeiten, als Avila noch das Tor zum Garten des Gottes Ra gewesen war.
    Die Taverne besaß eine große, geräumige Halle die gut besucht war. Stadtwachen, Soldaten, Gardisten und Bauern tranken ihr Bier, spielten Karten oder veranstalteten Wettkämpfe im Messerwerfen oder Armdrücken. Manche Bauern veranstalteten auch ein Wettsaufen. Es herrschte trotz der Gefahr und des Elends eine ausgelassene Stimmung. Es war als ignorierten die Menschen bewusst das kommende Ende.
    „Wie lange geht das schon so?“, wollte Felipe von Fernandez wissen. Der Prinz trank ein Bier nach dem anderen. Die Scheiterhaufen und Galgen gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte davon nichts gewusst. Zudem konnte er sich nicht vorstellen, dass sein Vater dazu seine Zustimmung gegeben hatte.
    „Verzeiht, aber die entsprechenden Befehle wurden vor über drei Monaten ausgegeben. Magier und alle Magiekundigen, selbst einfache Kräuterhexen, sind verdächtig. Wir haben Beweise, dass viele Magier selbst nach dem Verschwinden der Götter weiterhin Dunkle Magie wirkten. Ihr selbst wisst das. Früher gab es Orden die sich der Überwachung und Kontrolle der Magier widmeten.“
    „Das waren barbarische Zeiten!“, ereiferte sich Tanit.
    „Mag sein, junge Frau.“, antwortete der Inquisitor. „Doch Großinquisitor Torquemada und Inquisitor Mendoza haben klar erkannt, dass wir kein Risiko eingehen dürfen. Wie viele Magier haben schon mit dem Feind paktiert? Wie viele würden es noch tun? Wir wissen das die Titanen und ihre Dienerkreaturen Magier am Leben lassen, wenn sie sich ihnen anschließen.“
    „Aber…“, versuchte Tanit dagegen zu argumentieren.
    „Es ist so. Selbst Alchemisten haben sich schon mit den Feinden der Menschheit gegen ihre eigene Art verschworen. Es sind wahrlich schlimme Zeiten. Die Dunkle Welle rast über das Land. Jetzt helfen uns nur noch drastische Maßnahmen.“
    Tanit verkniff sich eine heftige Reaktion. Sie hielt die Aktionen der Inquisition für Mord. Aber da sie selber auch nicht gerade ein Moralapostel war, und ihr die dunklen Seiten der Magie nicht fremd waren, schwieg sie.
    „Mord und Totschlag helfen uns? Wie viele von den Hingerichteten waren denn wirklich schuldig? Ein paar? Oder gar keiner? Unter Folter erpresste Geständnisse sind nichts wert.“, begehrte Felipe auf.
    „Lass es gut sein.“, sagte Marduk.
    „Nein! Wenn ich erst König bin wird es so etwas nicht mehr geben!“
    Fernandez lächelte verschlagen als er diese Worte hörte. Felipe war ein Idealist und Träumer. Er würde niemals König werden. Es war schon vorgesorgt. Zudem hatte Fernandez bereits den perfekten Sündenbock gefunden. Der Prinz würde einem Mörder zum Opfer fallen, der seinen Opfern die Augen heraus schnitt und ihnen Todesrunen in die Stirn ritzte. Alles sollte so aussehen als ob ein Magier der Täter wäre. Danach würde kein Bürger des Alten Reiches noch daran zweifeln, dass man die Magier ihrer verbliebenen Macht berauben und sie vertreiben oder gleich ganz ausrotten musste.


    * wird fortgesesetzt
    Alexander-JJ ist offline Geändert von Alexander-JJ (03.12.2014 um 11:15 Uhr)

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