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    Waldläufer
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    Riannon ist offline

    Post [Story]The Grim Alwin ~ Fellan must die

    Der Tod sucht sich einen Nachfolger. Die Idee ist ganz bewusst von Pratchett geliehen. Doch mehr als diese Gemeinsamkeit gibt es nicht. Abgesehen davon wird alles - hoffentlich - gedankliches Selfmade.

    Habe das letzte Mal vor Jahren eine Geschichte zu Gothic geschrieben bzw. die Spiele gezockt, verzeiht also etwaige Fehler.


    ----------------------------

    Scheiße.

    „Tja, Scheiße trifft es auf den Punkt, mein Freund.“
    Ein Schädel blickt ihn aus endlos schwarzen Augenhöhlen an. Die Zähne scheinen zu lächeln, was aber unmöglich sein kann, da ja keine Lippen vorhanden sind. Aber der frisch Verstorbene hat das Gefühl, dass der Schädel quasi die Zähne zeigt.
    „Dein Timing ist miserabel, sagen wir’s so. Und du hast … Pech. Halt, fang bloß nicht mit der Diskussion über Schicksal und Zufall an. Alles ist vorherbestimmt, basta. Das sag ich einfach so. Schlägt ein Schmetterling auf dem Östlichen Archipel mit den Flügeln, wird daraus ein Wirbelsturm in Myrtana weil die Vorsehung es so will und – so unter uns – keine Ahnung von Meteorologie hat.“, führt der Schädel seine Einleitung fort. Die Worte kommen aus dem unendlich tiefschwarzen Raum hinter den strahlend weißen Zähnen. Und sie werden gesprochen mit dem sanften Ton einer Frauenstimme, deren Besitzerin scheinbar mittleren Alters ist. Ist das möglich? Eine Sensenfrau? Sollten sich so viele Beliaranhänger so lange Jahre so unglaublich getäuscht haben?
    „Ja, sie haben sich getäuscht. Aber nicht nur sie. Selbst die Götter wären überrascht, würden sie wissen, dass der Tod feminin ist. Oh, du dachtest Beliar ist der Tod? Nein, mein kleiner Freund, glaube mir, selbst die Götter fürchten den Tod. Beliar mag mir zwar gerne ins Handwerk pfuschen, doch weiß er, dass mit jedem Griff in meine Domäne … sein Ende um einiges qualvoller sein wird als das seiner Brüder, die, unter uns gesagt, wenig mehr hinter ihren göttlichen Stirnen haben als ihr Bruder.“
    Der Schädel schrumpft. Da erst weiß der Tote, dass er sich in einer pechschwarzen Unendlichkeit befindet und dass der zu dem Schädel gehörende Körper nur einige Schritte zurück gemacht hat. Klein ist die Sensenfrau, anders als der Sensenmann aus den Geschichten. Selbst die Sense – das Markenzeichen – ist so geschaffen, dass eine normal gebaute Frau sie heben und schwingen kann.
    „Bald aber nicht mehr. Jetzt kommst du nämlich ins Spiel, mein Freund. Wie heißt du nochmal, ich habe den Namen vergessen …“
    Das Skelett hebt die knochigen Schultern und scheint einen entschuldigen Ausdruck auf dem Knochen des Schädels zu tragen. Dem Toten schmerzt der Kopf, obwohl das ja auch nicht sein kann. Er ist ja tot, getrennt von seinem Körper, vom Leben, welches er – betrachtet man es von dieser Seite aus – im Jenseits geführt hat.
    Alwin
    „Ah, Alwin. Stimmt. Der Name ist mir doch geläufig. Viele Bewohner der Hafenstadt Khorinis, denen ich einen Besuch abgestattet habe, haben dich in Bezug auf einen gewissen Fellan erwähnt. Klingelt da was? Nur die Ruhe, der … Übergang kann manchmal Verwirrung hervorrufen. Ist wie eine Achterbahnfahrt, das Ganze.“
    Fellan! Dieser elende Hund! Er soll aufhören zu hämmern, aufhören, verflucht! Ich habe es ihm tausend Mal gesagt, tausende Male bin ich zu ihm gegangen und habe ihn gebeten, endlich aufhören zu jammern. Es hat seit Jahren keinen Regen mehr gegeben, wir haben eine Dürre. Und er sagt, er dichtet das Dach ab! Also habe ich es bei seiner Frau versucht, bin durch die Tür gegangen … und auf einmal bricht das Dach ein. Eines schönen Tages, dabei sollte es doch Regen standhalten, verdammt!
    Der Tote namens Alwin verstummt, sieht sich in der endlosen Finsternis der Ewigkeit um und nickt langsam, verstehend. Oh, sagt er nur, das erklärt das Ganze.
    Der Schädel lächelt und nickt anerkennend. „Bei dir geht das schnell, das ist gut. Quasi die Grundvoraussetzung. Nur einer aus hundert ist sich der Situation hier so schnell bewusst.“
    Voraussetzung wofür? Ein diabolisches Lächeln schleicht sich auf Alwins Züge. Rache? Darf ich Fellan als Geist bis in alle Ewigkeit auf dem Kopf rumhämmern, wie er es mir immer angedroht hat?
    „Nun, um ehrlich zu sein, nein. Darfst du nicht. Es hat zwar in gewisser Weise etwas mit Ewigkeit zu tun, nur nicht mit herumhämmern. Klar, wenn Fellan stirbt, wirst du deinen Spaß mit ihm haben dürfen, aber der Tag ist noch fern. Deine Aufgabe ist … anders.“
    Oh bitte, schick mich nicht zurück. Nicht als Held. Der letzte Idiot, der sich als solcher bezeichnet hat, sollte dafür sorgen, dass Fellan Ruhe gibt. Hat er es geschafft?! Nein, elender Versager. Lass mich hier bleiben, bitte. Ich … hüte deine Schafe oder schlachte sie!
    Der Schädel schüttelt den Kopf. Eine sehr endgültige Geste. Und Gewicht besitzt sie. Verneint der Tod, dann ist ein Nein ein Nein.
    „Es dauert doch etwas mit dir. Ich mache es ohne Metaphern, ganz direkt: Das Schicksal – eine gute, wenn auch sehr eigenwillige Freundin von mir – hat beschlossen, dass du mich beerbst. Tada, die Bombe ist geplatzt. Bäm. Alwin der Sensenmann, der Ewige Schnitter, der Grimme Ernter! Bist du baff? Natürlich bist du das. Wirst du den Job machen? Natürlich tust du das.“
    Warum sollte ich?
    Der Schädel nimmt einen überraschten Ausdruck an. Er klappt ein, zwei Mal die Zahnreihen auf und zu, ganz so, als wäre er sprachlos und würde nach Worten suchen.
    „Also … das ist neu. Bist du nicht geblendet von der Macht? Das Versprechen, über den Tod zu herrschen, mehr noch als es Beliar zu tun meint. Du wirst die Götter holen. Du wirst irgendwann das Universum selbst auf den letzten Weg begleiten. Und wenn dereinst die Zeit selbst sterben wird, wirst du da sein, um sie in Empfang zu nehmen …“ Der Schädel schüttelte sich tadelnd. „Wie kann man da fragen, warum man das tun sollte?“
    Und am Ende werde ich alleine sein. Einsam. Wenn alles in Finsternis verfällt, werde ich da stehen und überdauern. Hast du darüber nachgedacht? Ich habe lieber eine Ewigkeit voll hämmernden Fellans, als eine Ewigkeit in Einsamkeit.
    Der Schädel knirscht die Zähne. „Gut. Das ist ein Argument. Dann befristen wir den Job, okay? Du wirst … tausend Jahre als Tod dienen.“
    Nein. Ich diene bis eine gewisse Person stirbt.
    „Einer der Götter?“, fragt der Schädel hoffnungsvoll, wohlwissend, dass Götter eigentlich recht lange leben können.
    Nein. Bis …
    Alwin lächelt. Ein seltsames Gefühl durchströmt ihn. Foppt er gerade den Tod?
    … Fellan stirbt. So lange werde ich der Tod sein. Stirbt Fellan, habe ich ihm hier im Jenseits eine Abreibung verpasst, such ich mir einen Nachfolger.
    Der Tod lächelt wieder. „Du hast eh keine Wahl. Ich könnte dich auch einfach zum Sensenmann machen und fertig. Aber nur Mitarbeiter mit einem Ziel, einer Motivation, erzielen Erfolge. Also, viel Spaß. Bis Fellan stirbt.“
    Bis Fellan stirbt, ja. Hoffen wir … dass er noch lange leben wird.
    Der Schädel lächelt nicht mehr. „Und wehe du planst etwas …“
    Nein, vertrau mir. Ich gebe dir mein Ehrenwort als Edelmann und als personifiziertes Ende aller Dinge.
    Nun ist der Tod erbost. „Aber das bin ich noch, Freundchen!“
    Wirklich?
    Die Frau mittleren Alters, deren Haar leicht ergraut ist von tausenden Jahren Arbeit, schaut an sich herab und dann wieder auf. Um Alwins körperlose Seele formt sich langsam eine nachtschwarze Robe, die in der Hüftregion etwas weiter ist. Totenschädel. Knochenhände, die eine Sense halten. In ihr ist der Name Fellan eingeritzt. Kaum Tod, denkt sie sich, schon zeigt er den schwarzen Humor.
    Deine Wacht ist vorbei, Schwester. Dir sei die Ewigkeit voll Ruhe und Frieden gewährt.
    Die ehemalige Frau Tod nickt nur, das Gesicht geprägt von jenem Ausdruck pflichtbewusster Dankbarkeit, die nur ein Soldat nach Jahrzehnten des treuen, selbstverständlichen Dienstes zeigen kann. Dann verschwindet sie. Alwin – der Tod – wendet sich in der Finsternis um, ohne zu wissen, wohin er sich eigentlich umwenden wollte.
    Wie geht das mit dem Tod eigentlich?
    Geändert von MiMo (27.03.2017 um 20:30 Uhr)

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    Waldläufer
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    Riannon ist offline
    Kapitel 1 - Eines Mannes Sense


    Alwin blickt auf die Gesamtheit der Schöpfung. Irgendwie gelangweilt. Warum? Ist es die Gewissheit, die ihm seine Vorgängerin mit auf den Weg gegeben hat, dass alles irgendwann zuende gehen wird? Auch dieses glänzende Werk eines Meisters, der abseits von allem steht. Ja, Alwin hatte ihn gesucht. Aber nicht gefunden. Nichts. Keine Notiz, keinen Hinweis darauf, was es nun zu tun gibt, was neben den üblichen Sensenmanntätigkeiten noch in seinen Aufgabenbereich fällt. Was, wenn der Tod dafür sorgen muss, dass der Müll herausgebracht wird? Oder abends das Essen auf dem Tisch steht?
    Aber genau das muss ich doch nicht machen, verdammt. Ich mein, hier ist nichts. Ich bin im Nichts. Das Schicksal gibt es noch, aber die scheint sich ja da in der Schöpfung herumzutreiben und Schläge zu verteilen. Und der Meister, der Schöpfer? Keiner da. Schon witzig. Ruft ein Magier seinen Gott an, bekommt er vielleicht eine Antwort. Wie werden die wohl schauen, wenn ich ihnen sage, dass ihre Götter nicht mehr als verzogene, kleine Kinder sind und der echte, der wahre, der wirkliche Schöpfer aller Dinge außer Haus ist. Eben mal weg, vielleicht was auf dem Markt. Oder er ist seiner Schöpfung überdrüssig. Wer weiß denn, wie lang es sie schon gibt? Auf das, was ich dereinst vom Priester gehört habe, kann ich mich ja offensichtlich nicht mehr verlassen.
    Alwin seufzt, lässt nichts vorhandene Luft über nicht existente Lippen entweichen. Was nun? Seine Arbeit tun? Sensenmann spielen?
    »Nein, mein Freund Alwin, du spielst nicht den Sensenmann. Du mimst ihn auch nicht. Du bist der Tod, Herrscher über das, was besteht und vergeht.«
    Alwin zuckt zusammen vor Schreck, dass die Knochen unter seiner weiten Robe klappern. Gehetzt schaut er sich um. Er hat gerade eine bestimmte Stimme gehört. Eine Stimme, die es hier, nun ja ... oben, nicht geben darf.
    Fellan! Nein, unmöglich!
    »Nicht Fellan, Meister Schnitter, sondern ich. Deine Sense. Die du übrigens Fellan genannt hast. Sehr witzig. Das nächste Mal frag mich doch einfach, wie ich heißen möchte. Ich mein, ernsthaft, Fellan? Was ist das für ein Name? Hab ich Fell an? Ich verstehe die Menschen nicht ...«
    Sense?! Aber warum, um alles in der Schöpfung, sprichst du mit Fellans Stimme? Woher weißt du, wie er klingt?
    »Ach Alwin, die Macht, die du erhalten hast, erweckt mich. Ich bin quasi eine Projektion deiner Psyche. Außerdem hast du seinen Namen reingeritzt«
    Also eine Einbildung? Führe ich Selbstgespräche?
    »Hm, nein, das auch wieder nicht. Also warte, Alwin, ich versuch's dir nochmal zu erklären. Kennst du das Prinzip passiv-arkanen Falcenismus?«
    Ähh ... grundsätzlich, da ich ja der allwissende Tod bin, schon. Aber so richtig ...
    »Oh, du bist ein hoffnungsloser Fall, ganz ehrlich. Ich war schon im Besitz abertausender Tode, aber du, Alwin, bist der schlimmste. Sogar noch schlimmer als der Vorgänger der Alten! Das war einer dieser Orks. Ein Ork, vermaledeit nochmal. Führe mal tiefschürfende Diskussionen mit einem Ork, der sich mit deinem Kopf, als meiner Sensenspitze, Essensreste aus den Zahnzwischenräumen pult, die er zum Zeitpunkt seines Todes noch darin hängen hatte. Herabwürdigend ist das! Das hat der Schöpfer mir nicht gesagt, als er mich für diese Aufgabe geschaffen hat. Oh nein, mein guter Alwin!«
    Ja, nun, tut mir Leid. Irgendwie. Also gut, dann bist du eben eine magische Sense und sprichst mit Fellans Stimme. Das ist traurig und versetzt mir einen Dämpfer, aber ich werde damit, äh, leben können. Du hämmerst nicht, das ist von Vorteil und sollte unserer Beziehung, nun ja, zuträglich sein. Sei's drum, du hast den Schöpfer erwähnt, quasi den Boss, nun, wie ist der so?
    Die Sense ruckt hoch. Ein Schulterzucken?
    »Irgendwie, na ja, teilnahmslos in der letzten Zeit. Also den vergangenen dreizehn Milliarden Jahren. Als er den Laden hier eröffnet hat, Mann, ich sag dir, da war er noch motiviert. Hier etwas Licht, da ein bisschen Erde, Himmel und das ganze Zeug. Dann hat er seine drei Götter geschaffen. Und der Schöpfer, als er gesehen hat, was er getan hat, dachte sich: Verdammt, ich muss hier mal für 'ne Weile raus. Bin gleich wieder da. Und nun, seitdem ... plätschert hier alles vor sich hin. Das Schicksal würfelt mit dem existenten Leben, der Tod hungert nach vergangenem Leben, die Götter spielen mit diesen kleinen Wesen auf der Erde. Wie heißen die gleich noch?«
    Menschen.
    »Ja, genau. Müssen ziemliche Ärsche sein. Der Ork war von euch absolut nicht begeistert. Der war immer ganz heiß drauf, sich Menschenseelen zu holen. Hat sie Morras genannt, oder so. Ist wohl irgendeine Beleidigung.«
    Okay, Sense, du scheinst ein erfahrenes ... Erntewerkzeug zu sein, daher bitte ich dich jetzt inständig darum, mir zu erklären, was ich machen soll. Kurz, bitte. Wir haben keine Zeit.
    »Keine Zeit? Wir haben alle Zeit! Selbst die Zeit kuscht vor dem Tod, die alte Hetzerin!«
    Sense, ich bitte dich nicht mehr. Ich befehle dir ganz einfach.
    »Befehle? Von dir? Der Schöpfer hat mich zwar genau dafür geschaffen, dir zu gehorchen, aber ganz ehrlich, da ihn eh nicht mehr interessiert, was das von ihm Geschaffene anstellt, warum sollte ich dann noch darauf hören? Und auf dich, du Möchtegerntod!«
    Wenn ich dich in der Mitte zerbreche, Sense, bist du dann ... tot?
    »Vielleicht. Hat noch keiner versucht. Na gut, der Ork hat ein bisschen an mir rumgeknabbert. Äh, genau da, wo deine Knochen gerade das Holz berühren ...«
    Ohne Eile, jedoch bestimmt, lässt Alwin den Ärmel seiner Robe über die Knochenhand rutschen und sorgt so dafür, dass er nicht mehr mit dem - womöglich ewig existenten - Orkspeichel in Berührung kommt.
    »... aber nein, zerbrechen wollte mich noch nie jemand. Warum auch? Ich bin des Todes wohl beliebtestes Werkzeug. Es gab zwar mal eine Zeit, da ein Tod mal Modernisierungsmaßnahmen vornehmen wollte, aber, so zwischen uns Klosterschwestern, ein Sensenmann mit Mähdrescher? Mähdreschermann? Ist ihm dann auch irgendwann klar geworden, sodass der Tod bald wieder die markante Sense trug.«
    Mähwas? Drescher?
    »Oh, äh, das war ... vor ... nach ... ach egal, andere Zeit, anderer Ort. Vergiss es ...«
    Ja, vergessen wir's. Und jetzt sag mir endlich, was ich tun soll, Sense. Wir müssen zusammenarbeiten. Deine Name ist schließlich in meiner Berufsbeschreibung enthalten. Mach ich den Job nicht zu aller Toten Zufriedenheit, dann kriegt auch deine gute Klinge etwas Rost ab, nicht wahr.
    »Stimmt wohl, wir sitzen im selben Boot. Okay, ich erkläre dir alles. Du hast da eine Liste in deiner Robentasche. Ja, genau die, hol sie raus. Schau drauf.«
    Die Liste entrollt sich. Ziemlich lang und weit. Bis sie zweimal um die Schöpfung und wieder zurück reicht.
    »Das ist deine Liste. Die Schwarze Liste. Todesliste. Gästeliste. Nenn sie, wie du willst.«
    Fängt sie dann auch an, mit mir zu quatschen?
    »Der Schöpfer bewahre, nein, du musst nur mit mir Vorlieb nehmen. Jedenfalls arbeitest du die Liste ab. Gehst vorbei, nimmst die Leute entgegen, führst sie ins Jenseits. Wunder dich nicht, wenn sie dir verschiedene Namen geben. Fährmann beispielsweise. Irgendein Tod fand die Bezeichnung Tod an sich einfach langweilig, also hat er sich als Fährmann bezeichnet. War aber nur so ein Trend. Hat sich nicht durchgesetzt. Wie der Mähdrescher.«
    Ja, schon verstanden. Dann sag mir, Sense, wo Fellan steht? Also der echte, lebende Fellan.
    »Schau. Unten. Weit unten.«
    Was? Wie das?
    »Woher soll ich das wissen? Schicksal, Leben und Zeit kümmern sich darum, wer auf der Liste steht. Nicht die arme Sense. Vielleicht findet Fellan eine Möglichkeit, den Tod zu bezwingen? Oder er lebt halt einfach verdammt lang.«
    Das werden wir noch sehen, Sense, dass werden wir noch sehen ...
    »So, genug gequatscht, Knochenmann. Wir haben keine Zeit, wie du sagtest. Der nächste Name auf der Liste, da, unter deinem. Kannst du das lesen?«
    Verflucht, nein, absolut nicht zu entziffern. Ich versuchs mal auszusprechen ...
    Der Name wird von einer Supernova irgendwo in der Nähe übertönt. Licht, Myriaden Farben, Lärm. Sense dreht sich zu dem Spektakel.
    »Die war noch gar nicht fällig ... nun, egal, wir gehen. Müssen nach, ha ha, Khorinis. Zu einem Troll. Schwarz soll er sein. Der einzige auf der ganzen Insel. Sollte leicht zu finden sein. Nun, nach dir, Alwin.«
    Danke, Sense. Und bitte, bei allem, was mir lieb und teuer ist, sprich mit anderer Stimme!
    »Ach, Alwin, da du es bist, werde ich genau das nicht tun. Das ist doch bestimmt der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!«
    Vielleicht sollte ich dich doch zerbrechen und mit meinem guten, alten Hackebeil weiter machen ...
    Geändert von Riannon (03.01.2017 um 20:15 Uhr)

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    Waldläufer
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    Riannon ist offline
    Kapitel 2 - Des Helden Tod


    Das ist nicht Khorinis.
    »Hut ab, Alwin, obwohl du nur noch leere Augenhöhlen in deinem etwas übergroßen Schädel besitzt, bist du nicht mit Blindheit geschlagen. Ja, es ist nicht Khorinis.«
    Was ist es dann?
    »Nun, wo fange ich an? Am Anfang erschuf der Schöpfer ... schau mich nicht so an, ist ja gut. Diese Insel hier, die nicht Khorinis ist, heißt Argaan. Eine Südliche Insel.«
    Sieht für mich sehr ... na ja, gemäßigt aus. Klimatechnisch. Da sehe ich Laub- und Nadelbäume. Und da ...
    Auf der höchsten Spitze des Weißaugengebirges stehend, dreht der Tod sich herum.
    Da haben wir ... Dschungel? Uh, schöne Stadt mit goldenen Dächern. Sei's drum. Warum ist das so?
    »Adanos war schon immer etwas eigenwillig, was die Gestaltung in dieser Sphäre angeht. Gerade nach dem Stress mit seinen Brüdern, einer großen Flutwelle. Ach Alwin, hast du Kinder? Nein, stimmt, du bist tot. Jedenfalls ... so sind Kinder nun einmal, wenn sie bockig sind.«
    Gut, dann wird das hier alles seine Richtigkeit haben. Wo geht's nun hin?
    »Dort hin. Dreh dich um, Alwin. Siehst du das da im Meer? Ja, die kleinere Insel. Feshyr. Hey, die Namen hat auch Adanos gewählt. Dahin müssen wir.«
    Alwin und seine Sense machen einen Schritt in die Luft ... und befinden sich auf einer beschaulichen, grünen Weide. Blökende Schafe, eine sanfte Brise, die weiße Knochen liebkost. Schönes Feshyr. Ein kleines Paradies. Vorallem die Schafweide. Einen Moment verspürt Alwin so etwas wie Heimweh. Zwar fielen damals die Schafe ihm zum Opfer, ganz einfach weil das als Fleischer seine Aufgabe war, aber er liebte und liebt noch jedes Einzelne von ihnen. Wenngleich die Bauern bei der Wahl der Namen ihrer Tiere meist etwas einfallslos gewesen waren. Hier jedoch - das wurde Alwin recht schnell klar - stimmt etwas nicht. Zwar wirkt die Weide wie aus einem Buch voll Landschaftsmalereien, doch zerstört der Anblick einer gut angeknabberten Leiche das komplette Bild unwiderruflich. Langsam tritt Alwin an den Leichnam heran, stupst ihn vorsichtig mit Senses Ende an. Eine lächerliche Frisur, die Karikatur eines Dreitagebartes und ein auf ewiglich festgehaltener Ausdruck äußerster Überraschung im Gesicht. Alwin verspürt etwas Mitleid. Wie kann ein Hirte auch damit rechnen, von seinen eigenen Schutzbefohlenen niedergemacht zu werden? Er räuspert sich und schaut die Leiche weiter an.
    »Ja, Alwin, der ist hinüber.«
    Armer Junge. Irgendwie. Wie können diese majestätischen Kreaturen nur so etwas tun?
    »Arm? Ach, Alwin, leg ihm mal den Finger auf die Stirn. Also, auf die Reste dessen, was mal eine verpickelte Stirn war.«
    Der Tod sieht, was hätte sein können. Sieht den Niedergang dieser Insel, zerstört von fremdländischen Flotten. Dämonen, Könige, Schmieden und anderes, wildes und ziemlich wirres Zeug. Eine Göttin, zweiköpfig. Innos, Adanos und Beliar als Teile dieser. Dann diesen Helden. Den verfluchten Helden von Khorinis, der so viel Ärger gemacht hatte. Mit Krone, der verdammten myrtanischen Krone! Alwin nimmt den Finger von der Leiche.
    Äh ...
    »Schicksal hat dir ein kleines Geschenk vermacht. Zusammen mit der Zeit. Sie erlauben dir zu sehen, was hätte sein können. Und nun ... was hast du gesehen?«
    Nur, dass der Junge wohl zu viel Schafwolle im Kopf hatte. Äh ... ist ... der Schöpfer zufällig eine, nun ja, Frau?
    »Lass ihn das nicht hören! Er beteuerte ständig, ein Kerl zu sein. Warum fragst du?«
    Äh, nur so. Ansonsten viel Krieg, brennende Dörfer und Städte und einen mir bekannten Taugenichts, der König wird. Ausgemachter Blödsinn. Der Kerl ist ein Drachenjäger, ein blöder Söldner von Onars Hof gewesen. Als ob so einer König wird. Konnte ja nicht mal Fellan aufhalten ...
    »Dann können wir wohl froh sein, dass die Geschichte dieses Hirten wohl hier endet. Bevor sie begonnen hat. Als das Schicksal und das Leben ihn geschaffen haben, muss ihnen das wirklich großartig vorgekommen sein. Ein Hirte, der zum Helden wird, große Göttergeschichten. Nun, Frauen und ihre Fantasie, nicht wahr? Ach, mein guter Tod, was würde ich jetzt gerne mit dir abklatschen. Weißt du, manchmal ist es hart, keine Hände zu haben. Egal. Nun musst du die Leiche mit der Spitze meiner Klinge berühren. Tu's schon. Oh, siehst du. Da ist ja unser Hirte, wie er gespenstert und ... tot ist.«
    »Tot?!«, fragt der Hirte mit großen, wehleidigen Rehaugen. Sein Blick geht hinunter zu dem Leichnam, in dem er steht. Zu den blutbesudelten Schafen, dem scharlach gefärbten, rutschigen Weidegras. »Aber Ivy und ich ...«
    »Tja, nichts da mit Ivy und dir. Sieh's positiv, Bürschchen, sie wird dir folgen. Früher oder später. Der da, der etwas beleibte Knochenmann in der Robe, ist der Tod. Meister Schnitter. Der bringt dich jetzt rüber.«
    Der Hirte schaut von der sprechenden, jedoch mundlosen Sense hin zum schweigenden, ebenso mundlosen Schädel. Alwin nickt. Auf eine Art, von der er hofft, dass sie endgültig wirkt, bedeutungsschwer. »Aber meine Ivy, meine süße, liebe Ivy ... Ich wollte ihr doch bald ...« Tränen fließen, Schluchzen wird laut.
    »So, Alwin, geht's vielen. Tränen vergießen, Gerede a la Was ist mit meinen Lieben? und pathetische Gesten, die im Anbetracht der von dir verkündeten Ewigkeit schlichtweg lächerlich sind. Du packst ihn jetzt am Kragen und schleuderst ihn irgendwo hin. Oder sagst, er soll ins Jenseits gehen. Du weißt schon, lass dir was einfallen.«
    Alwin räuspert sich und legt dem weinenden Hirtenjungen eine knöchernde Hand auf die Schulter. Beruhigend. Nur zerstört die skelettierte Hand eben den Effekt. Der Bursche wird so blass wie sein Ebenbild, das, blutüberströmt und die ersten Fliegen anlockend, im Gras liegt.
    Du bist tot, Hirte. Find dich damit ab. Du kommst nun ins Jenseits, und glaub mir, da wird ... es nicht mehr ganz so wehtun. Du wirst Ruhe haben. Und wie meine Sense schon sagte, wird auch deine Geliebte irgendwann dort sein. Nur Geduld, alles kommt mit der Zeit. Ja, nun, äh ... dann ... mal ab mit dir!
    Die Geste ist etwas martialisch. Alwin schubst den Hirten durch den Eingang der Hütte. Verschwunden. Keine Spur mehr von ihm, abgesehen von dem schafgefällten Leichnam auf der Weide. Rufe aus dem Dorf werden laut. Eine Frau schreit laut und durchdringend auf. Obwohl Alwins Körper keinerlei Muskeln mehr besitzt, spürt er einen Kloß im Hals.
    »Sauber, Alwin. Das war dein Erster. Schön, richtig professionell gemacht. Wenn das bei allen so geht, wenn du 'ne richtige Routine bekommst, bist du innerhalb einer kürzesten Ewigkeit am Ende der Liste.«
    Fellan die Sense. Taktvoll wie eine Werkzeug zum Köpfen von Getreide nur sein kann.
    Gehen wir weiter. Zum Nächsten. Ich will das Wehklagen nicht hören.

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