Ein nicht zu ignorierender Schwall wohligen Kribbelgefühls kroch über ihre Haut. Sachte Gänsehaut richtete sich bei jedem weiteren, gehauchten Wort des Schweden auf. Schwer atmete sie aus und entrückte ein zaghaftes Stöhnen, als er ihren Kopf an den Haaren so weit herumdrehte, dass sie gerade so einen Blick auf den Verursacher des einzigartigen Gefühles werfen konnte. Dabei reagierten ihre Hände wieder mit dem Bilden von Fäusten, die sie kurzzeitig gegen die Fessel arbeiten lies, aber der feste Bund und das erneute Drücken der kalten Schnalle in ihre Haut brachen jeglichen Widerstand.
Es war ungewöhnlich still heute Abend. Abgesehen von dem wummernden Bass der internen Feier unten drang scheinbar kein einziger Laut ins Innere des Areals, seitdem die Kuppel sie darunter eingeschlossen hatte um Wind und Wetter für die nächsten Stunden draußen zu lassen. Und mit dem Kaminfeuer, dass schlussendlich in der eigenen Glut versiegte, war es auch nicht mehr das Knistern des künstlichen Holzes, dass sie hören konnte. Es war wirklich - nicht nur der zusätzlichen Dunkelheit wegen - so, als wären sie beide komplett isoliert vom Rest. Als wären sie der einzige Bestandteil einer winzigen Welt nicht grösser und breiter als ihrer beider Konstellation, die gerade so den mickrigen Teil einer Betthälfte einnahm. Jedes ihrer beider Geräusche so kristallklar aus unmittelbarer Nähe, alle anderen dumpf und in eine meterdicke Schicht aus Watte verpackt. Sie lauschte dem Klang seines Atems, der tief in die fremden Lungen drangen und verliebte sich in das Geräusch und seinen sauberen Klang, der in so eigenartiger Perfektion war wie das mindestens ebenso tiefe, ausgeglichene Ausatmen, dass in ihr Ohr drang. Wie das Rauschen von Wasser, wie das Rascheln von Laub oder das Zischen des Windes. Wie perfekte, unangetastete Natur, die es zuließ vollkommen smog-befreite Luft in sich aufzunehmen und sich damit zu nähren und Kraft zu tanken. Es war perfekt wie das dumpfe Geräusch poröser Rollen auf splitterndem Asphalt durch eine Kamera. So unwirklich in jeder Art. So unwirklich, dass sie von vergangenen Trips zu träumen begann. Von ebenso irrealen Szenarien wie diesem hier.
Auf Omega gab es diesen einen Trip, den sie nicht so schnell vergessen hatte. Es war ihr erster Trip der sie wieder wirklich zufriedenstellen konnte, kaum nachdem Beyo aus ihrem Kopf verschwunden war und nicht bloße Bruchstücke ihr Innerstes zerquetscht hatten wie ein Schraubstock. Nein, erstmals war sie davon befreit - kaum zurück aus Neapel und überrascht von einer neu eingerichteten Bude auf Omega. Wie aus einem Instinkt heraus war sie die Clubs abgelaufen, nachdem sie sich die mit blauem Zeug aufgezogene Spritze in den Arm gestochen hatte und im Anschluss einen Schluck Tequila über den Einstich kippte und danach die grobe, selbe Menge ihre Speiseröhre hinab. Irritiert über ihren raschen, zielgerichteten Gang glaubte sie sich auf der Citadel zu befinden und steuerte das Skyscraper an. Optisch erinnerte es sehr an das, was ihr über den Hangarclub im Sinn blieb, den sie betreten hatte, kurz bevor sie das Trio überfallen hatte. Die richtige Wahl war es dennoch - konnte man ohnehin nicht verleugnen dass die Clubs mittlerweile wie aus einem Ei gepellt aussahen. Aber ausschlaggebend war die Musik an diesem entscheidenden Abend. Eine der aufkeimenden Sensory-Bands hatte ihren Auftritt und spielte sowohl an Expel-10 erinnernde Songs, als auch weit intensivere als die der bekannten Größe. Sensory-Bands konnte man mit den üblichen nicht vergleichen. Man musste ein Gespür dafür haben. Musste wissen, worauf man achten musste und sich reinarbeiten wie in ein perfektes Rezept. Hatte man den Dreh allerdings erst einmal raus, lies man es zu und die Klänge regelrecht in sich. Im Rausch der Droge allerdings, die sie nicht das letzte Mal genommen hatte, war es nichts anderes als die absolute Perfektion eines Clubausfluges. Jeder einzelne Klang war wie der eines Regentropfens gegen eine Scheibe, während man selbst in einem Glaskasten sass. Wie ein leichter Blitz auf der Haut wenn man nicht auf die zufällige, statische Entladung eines Biotikers gefasst war. Es überreizte ihre Sinne in einem wahrscheinlich schon gefährlichen Mass, aber es infizierte sofort.
Es war eine Welt, die Leif nicht kannte, wie sie sie kannte. Er sah nur die dunkle Seite dieser Medaille. Sah nur, wie es Leben zerstörte, wie Leute dadurch drauf gingen, wie sie langsam krepierten, weil sie Dosis und Regelmäßigkeit nicht beherrschten. Aber sah er nicht dieses falsche Glück, dass auf der anderen Seite lag. Eines, welches man teilen konnte. Eines, welches beleben und wecken konnte. Welches ungeahnte Kräfte hatte und Fantasien anzuregen im Stande war. Es war eine Seite, die sie ihm zeigen wollte jetzt, wo er ihr diese Seiten zeigte. Sie hierbei aufleben lies. Ihren kleinen Körper und ihre Person regelrecht auf Händen trug indem er genau das tat, was ihr gut tat. Was sie brauchte, egal wie sehr es sie an den Rand von zerstörerischen Gedanken brachte. Egal, wie selbstgeißelnd es werden musste. Er gab ihr Glück in einer derartig seltenen und derartig intensiven und perfekten Form, die dem Klang im inneren dieses Raumes nah kam. Ebenso wie dem Kuss, den sie mit brennenden Lippen teilten. War es dann wirklich ein Fehler, ihm einen Teil ihrer Welt zu offenbaren zu wollen? Und ihn so auf Händen zu tragen wie er es tat?
Wie gut ihr jedes seiner Worte tat, würde er schnell bemerken. Ebenso nicht nur ihre wörtliche sondern auch körperliche Reaktion auf seine Taten. Bis sich die Geräusche unweigerlich mit einem Satz vermischten, den sie vielleicht besser nicht laut gedacht hatte, als sie etwas schweiß von ihrer Lippe leckte und bemerkte, wie kalt er war.
"Ich kann dir zeigen, wie das Gefühl noch intensiver wird..."