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Während die anderen beiden damit beschäftig waren, den Typen weiter zu befragen, hatte Madlen den Dickwanst durchsucht. Bis auf ein altes Messer, seine Kampfaxt und einen ledernen Beutel mit ein paar Münzen, trug der Mann nichts bei sich, was es wert gewesen wäre mitzunehmen. Außer den Mantel. Dieser war dicker und mehr auf das Wetter der Insel ausgerichtet, als ihr eigener.
Kurzerhand zerrte sie das Teil unter dem Mann hervor. An einigen Stellen war es mit Blut besudelt worden, aber das war weit weniger schlimm, als vom Regen weiter durchnässt zu werden. Sie riss sich ihr altes Kleidungsstück vom Hals und schnitt mit Aynur das neue auf die richtige Länge zu.
Ehe sie es sich aber um die Schultern werfen konnte, machte sie Hirni darauf aufmerksam, dass sie dort ja noch blutete. Auch wenn die Schmerzen weiterhin da waren, so nahm sie sie nicht wirklich war. Zumindest bis jetzt, denn auf einmal spürte sie das Stechen deutlich.
Und sie wusste, was es bedeuten konnte, wenn man so etwas nicht richtig behandelt wurde. Die Wunde konnte sich entzünden und vielleicht würde sie dann ihren Arm oder sogar das Leben verlieren.
„Immerhin kannst du damit schon einmal mehr als ich. Verbinden ist das einzige medizinische Talent, dass ich besitze!“ Sie versuchte zu lächeln, während Elfaire ihr die Schlaufen des ledernen Wamses an ihrer Schulter öffnete und so das Leinenhemd und die darunterliegende Seidenbluse zum Vorschein kamen. Schnell waren auch dort die Schnürre gelöst und so lag die Wunde offen dar.
Es war kein tiefer Schnitt, soweit die junge Frau die aus ihrem Blickwinkel beurteilen konnte. Aber lang, er zog sich einmal komplett über den Schulterbereich. Mitten durch ihren Körperschmuck. Damit war die ganze Sache noch weitaus ärgerlicher, als sie eh schon war. Auf der ganzen Insel kann sie keinen einzigen Künstler, der das wieder gerade biegen konnte.
Während sich Hirni also ans Werk machte, versuchte sich Madlen auf ein anderes Problem zu konzentrieren. „Wie geht es jetzt weiter? Was machen wir mit den Pferden? Reiten kann ich nicht, lassen wir sie hier? Und wohin gehen wir jetzt? Der einzig richtige Weg scheint nun zurück zu sein…“
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Madlen offenbarte auf ihrer Schulter eine Art Kette, die auf ihrer Schulter aufgemalt wirkte. Hirni hatte so etwas auf seiner Weltreise schon öfter gesehen, ferne Völker trugen diese Art des Körperschmucks oft. Ein weiterer Beweis, das die Frau mit dem silbernen Haar selber auch schon oft auf Reise gewesen war.
Der ehemalige Hohepriester begutachtete den Schnitt. Er war nicht tief, aber ebend lang. Sie würde damit einiges an Blut verlieren, da war er sich sicher.
Er schaute sich um. Nirgends fand er einen passenden Stoff, um die Wunde zu verbinden. Es kam ihm eine Idee.
Der ehemalige Heiler legte seine Hand auf ihre Schulter. Madlen zuckte zusammen, ob vor Schmerz oder vor Überraschung, der Blondschopf wusste es nicht. Hirni konzentrierte sich auf seine ehemaligen Kräfte. Er würde versuchen, sie per Hand auflegen zu Heilen. So wie er es damals gelernt hatte, bei seinem Freund Tinquillius.
Seine Hand begann zu kribbeln, er verspürte Wärme.
"Ja... Genau so..." dachte er bei sich. Mit aller Kraft wollte er der jungen Frau helfen. Er wollte sich auch selbst beweisen, das er es noch konnte. Dass er noch Fähig war, anderen Menschen zu helfen und sie zu heilen.
Die Wärme in seiner Hand breitete sich aus bis zu seinem Ellbogen. Das kribbeln wurde immer Stärker. Er ignorierte es. Die Hand schien langsam einzuschlafen.
Der ehemalige Alchimist schloß seine Augen wieder, wollte die Umgebung vergessen. Seine Hand spürte er gar nicht mehr, sie war komplett taub. Er versuchte es so lange, die Schulter mit seinen Kräften zu verschließen, bis er aufeinmal das Gefühl hatte, sein Arm würde in siedend heissem Wasser getaucht werden. Einen lauten Schrei ausstoßend riss Hirni mit Hilfe seiner anderen Hand den tauben rechten Arm von der Schulter der Verletzten. Schnell verschwand das Taubheitsgefühl, dennoch fühlte sich seine rechte Hand so an, als hätte er sie sich verbrüht.
"Verdammt," zischte er. "Es klappt einfach nicht mehr." Betrübt zog er seinen Umhang aus. "Dann muss ebend ein einfacher Verband herhalten. Das sollte ich noch hinkriegen. Wir sollten jetzt nur schleunigst zur Silberseeburg gelangen! Damit dir dort geholfen werden kann..." Er versuchte die Verletzung einzuwickeln, so dass der Blutverlust nicht zu stark werden würde. "Es tut mir Leid..." wandt er sich klein laut an Madlen. "Vor einigen Jahren noch hätte ich dich sofort mit magischer Kraft heilen können. Doch momentan bin ich nur ein Schatten meiner selbst."
Geändert von Hirni (08.04.2015 um 20:51 Uhr)
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Stille kehrte ein. Hier neben dem Weißauge, abseits der Burg und aller Zivilisation, schien die Natur noch sie selbst zu sein. Das Lachen der Menschen verklang und der Balken brachte nur die Äste selbst zum Knarzen.
„So würde ich es nennen.“, empfahl sich der Leiter der Akademie mit einem dreisten Grinsen. „Aber es ist genau das geschehen, was hatte geschehen sollen. Der Körper tut, was er tun muss. Der Kopf steht ihm bloß im Wege. Eine Lektion, die zu lernen leider selbst ein Waldläufer müssen wird.“
Die Stimme im letzten Satz des Schwarzhaarigen hatte sich verändert. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er atmete aus und sah den Hauch seines Lebens vor seinen Augen zu Eis werden, welches träge zu Boden glitt.
„Ich glaube… ich habe zu viel von deinem Kraut geraucht.“, brummte Raad und fuchtelte tadelnd mit dem Stöckchen in der Hand vor den Augen des anderen Mannes herum.
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„Danke, dass du es versucht hast!“, antwortete Madlen. „Doch auch ein einfacher Verband wird es fürs Erste schon tun.“ Nach getaner Arbeit, ging es mit der Reise weiter. Sie hatten sich dafür entschieden, den Weg zurück zunehmen.
Nachdem sie einige Zeit lang gewandert waren, gelangten sie an das Ufer eines Sees. Wohin man auch blickte, er erstreckte sich in über das gesamte Blickfeld. Die junge Frau wusste nicht, an welcher Stelle des Silbersees sie waren. Aber das es sich um das genannte Gewässer handelte, war ganz klar.
„Nun, wohin soll es gehen? Ich war schon lange nicht mehr auf dieser Insel und weiß nicht, in welcher Richtung genau die Burg liegt!“ Während sie sprach, bewegte sie ihre Schulter in einer kreisförmigen Bewegung auf und ab. Sie schmerzte mittlerweile doch ziemlich.
Zudem hatte Madlen das Gefühl, dass irgendwie etwas unausgesprochen im Raum stand. Aber was? Sie wusste es beim besten Willen nicht, doch seit dem Kampf war es…irgendwie anders. Die Piratin schüttelte leicht den Kopf. Wahrscheinlich war das nur eine Nebenwirkung der Verletzung.
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"Am Besten... Testen!" gab Hirni zur Antwort. Sie entschlossen sich links herum dem Ufer zu folgen. Dem Getier, das sich dort tummelte, wichen sie so weit es ging aus. Wichtig war, dass sie zur Burg kamen.
Der Untergrund am Ufer war durch den Regen stark aufgeweicht worden. Dies sorgte dafür, dass sie nur beschwerlich voran kamen. Jeder ihrer Schritte wurde mit einem Matschen und Stopf-Geräuschen begleitet. Angenehmes gehen sah anders aus.
"Hm... Wir haben uns wohl im Wald ziemlich verfranst gehabt. Es gibt sicherlich einen leichteren Weg zur Burg. Aber nun gut. Wenn das hier der Silbersee ist, dann werden wir wohl bald dort ankommen, wenn wir dem Ufer folgen." gab Hirni von sich.
Schon bald kamen sie an einen Flussausläufer. Auch diesem Ufer folgten sie, da sie nicht direkt durch das Gewässer latschen wollten. Sie trafen auf eine Brücke, die sie überquerten, und gingen dann weiter an dem Ufer entlang. Beständig hatten sie auf der Rechten Seite nun den See, und auf der linken Seite Wäldliche Vegetation.
Irgendwann wies Madlen mit einem Finger in die Ferne. "Dort ist sie, die Silberseeburg!" sagte sie, und verzog sofort das Gesicht. Die Wunde an ihrer Schulter beeinträchtigte sie wohl mehr, als sie zugeben wollte.
"Wir sollten dort angekommen schnell einen Heiler auffinden. Mein Verband ist in der Hinsicht nicht gerade eine Hilfe..." sprach Hirni zu ihr und kratzte sich an seinem Bart. Nachdenklich meinte er: "Hm. Laut meinen Informationen ist dort der Glaube Adanos stark vertreten. Sie müssten doch eigentlich als Bewahrer des Gleichgewichts tolerant genug sein, uns zu empfangen, ohne uns gleich aufknüpfen zu wollen!"
Der ehemalige Alchimist richtete sein Wort noch einmal an Madlen: "Sag mal... Hast du eigentlich irgendetwas gespürt, als ich versuchte dich zu heilen?"
In der Silberseeburg angekommen, wenn ihre Verletzung versorgt sein würde, wollte er sich stärker mit ihrer Vergangenheit befassen, soweit war er sich schon jetzt sicher...
Während er auf Madlens Antwort wartete, schritten sie eilig zur Silberseeburg. Weit war es nicht mehr.
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„Vielleicht ist er keine Rettung, aber eine Hilfe ist der Verband allemal. Wie auch immer. Um deine Frage zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen. Vor langer Zeit kämpfte ich für einen Krieg, einen Herrscher und dieser führte mich in eine Schlacht, in der ich mit magischen Mitteln vergiftet wurde. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, daher stammt auch der goldene Rand um meine Iris. Eine mal lästige, mal gute Nebenwirkung!“ Madlen zuckte mit den Schultern und hob danach ihren Dreieckshut vom Kopf, blickte dann Hirni direkt in die Augen, um ihm das Überbleibsel des Zaubers zu zeigen.
Anschließend fuhr sie fort. „Schlussendlich konnte ich von einer magisch begabten Heilerin gerettet werden. Also ja, etwas war da, aber ich konnte es nicht so zuordnen, wie damals. Zu diesem Zeitpunkt war es eindeutig, diesmal nicht. Und jetzt kehre ich an den Ort zurück, wo es mich damals erwischt hatte. Zu einem verdammten König, der nicht mehr all seine Sinne zusammen hat. Zu einem Glauben, der meint, das Gleichgewicht der Welt erhalten zu wollen und die Insel in einem Krieg versumpfen lässt.“
Die junge Frau lächelte leicht. „Ist das Leben nicht schön? Wenn du weiter übst, vielleicht findest du dann wieder zu alter Stärke zurück. Und ich lasse mich, sobald wir in der Burg sind, erneut behandeln. Wie das letzte Mal! Vielleicht wäre mehr Vorsicht angebracht? Aber was bringt das, wenn man dann nicht mehr wirklich am Leben ist?“
Von da an schwieg die Piratin und sie gingen weiter am Seeufer entlang, dem das Flussufer mittlerweile wieder gewichen war. Madlen hatte ab und an das Gefühl, graue, mauerähnliche Gebilde durch das Blätterwerk zu erkennen. Aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. Wie auch immer, der Weg wurde breiter und sah deutlich benutzter aus. Sie kamen anscheinend ihrem Ziel näher.
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Hirni lachte laut auf.
"Oh ja. Entweder man ernährt sich gesund, macht jeden tag seine sportübungen, wäscht sich immer brav und geht keine unnötigen risiken ein... oder man LEBT! Ich bin definitiv fürs zweite."
Ihre worte liessen in ihm hoffnungen aufkeimen
"Solang du etwas gespürt hast, heisst das dass ich noch magie wirken kann und magische kraft in mir habe. Ich muss sie also scheinbar nur irgendwie wieder erwerben und neu kontrollieren lernen." Erfreute sich der anhänger beliars ob des berichtes von madlen.
"Ich gebe dir recht mit deiner aussage das die bewahrer des gleichgewichts scheinbar vergessen haben was ihr verdammter job ist. Ich bin mal gespannt was ihre ausrede sein wird."
Erst jetzt fiel ihm auf, das ihm der goldrand bei madlens iris vorher nicht sonderlich aufgefallen war. noch dazu war ihnen bisher kaum eine ruhige minute vergönnt. Seit ihrem treffen im bluttal waren sie nur durch die gegend gehetzt. Es mochte daran liegen das er nur selten einer frau lange in die augen schaute. Zu viele schlechte erinnerungen kamen dabei auf. Auch dieses mal verlor er sich fast in ihre augen. Madlen hatte definitiv eine starke anziehungskraft. Ihre schönheit war nicht zu verleugnen und so starrte hirni sie etwas länger an, als beabsichtigt. Er schüttelte kurz seinen kopf, um wieder zu sich zu kommen und klare gedanken zu fassen. Elfaire wirkte derweil etwas irritiert. Sie hatte hirni bisher selten eine frau so anglotzen sehen.
"Im kastell angekommen könnte man dir vielleicht mit dem goldrand helfen... es sei denn, du möchtest ihn behalten... und auch so weit reisen. Schliesslich war unser gemeinsames ziel die silberseeburg... und die haben wir nun erreicht."
Corax stieg in die lüfte auf und krächzte heiser. Sie standen zu dritt vor dem pfad der zur burg hinauf führte. Hier würden sie sicherlich hilfe für madlens verletzung finden. Und ein weiches bett und angenehmes essen... auf brotkanten und alten käse hatte hirni keine lust mehr.
"N steak mit bier wäre jetzt was..." flüsterte er....
Geändert von Hirni (10.04.2015 um 21:55 Uhr)
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Stewark
Freiya starrte auf die Kerze vor ihr und während sie das tat, schien es ihr, als würde eine Erinenrung aus den Tiefen ihres Bewusstseins an die Oberfläche schwimmen. Oder es war vielmehr ein Gefühl als eine wirkliche bildhafte Erinnerung.
Die tanzende Flamme hatte eine ungeheuer beruhigende Wirkung auf ihren Geist. Sie kannte dieses Gefühl, es hieß sie willkommen wie einen alten Freund. Ganz automatisch faltete sie ihre Hände ineinander und schloss die Augen.
"Innos", wisperte sie, "mein Weg liegt vor mir verborgen so wie der Weg, der mich aus meiner Vergangenheit hierher führte. Gib mir deine Kraft, schenke mir dein Feuer und lass deine Glut in mir erbrennen, damit ich meinen Weg zurück finde. Gib mir die Kraft, mich gegen Saltim durchzusetzen. Führe meine Hand, die mein Schwert hält und führe meinen Willen gegen den des Spielmanns, damit ich seiner Manipulation und Heimtücke widerstehen kann. Ich will zurückkehren in deine Arme. Dein heiliges Feuer soll meinen verirrten Geist führen und ich will mich an deiner Wärme laben, so wie ich es einst tat. Denn du bist groß, größer als alles auf dieser Welt und deinem Willen will ich allein dienen."
Sie verstummte, denn sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie wusste, dass sie schon sehr lange nicht mehr zu Innos gebetet hatte, aber es fühlte sich richtig an. Es fühlte sich als etwas an, das früher zu ihr gehört hatte. Es vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit.
Sie öffnete wieder ihre Augen und starrte einfach weiter in die Kerze vor ihr, die immer leicht flackerte, wenn die Rothaarige ausatmete.
Ganz unvermittelt zog Freiya ihr Schwert und legte es neben das Wachslicht auf den Tisch. Die blanke Klinge wirkte im Schein des kleinen Feuers nicht ganz so kalt und strahlte ein gelbliches Licht aus. Freiya legte ihre rechte Hand um den Griff und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, dass jemand ihre Hand umfasste. Sie schloss die Augen und es war, als hätte jemand seine Hand um ihre gelegt. Eine Stimme sprach sachte in ihr Ohr:
"Deine Stärke ist die Schnelligkeit, nicht die Kraft."
Die Hand begann die ihre zu führen und sie schwang das Schwert.
"Hab Vertrauen in das, was ich dir beigebracht habe."
Die Stimme war so klar, dass Freiya sich umdrehte und die Augen öffnete. Für einen winzigen Augenblick sah sie die Augen, das Gesicht und die dunklen langen Haare, die sie schon so oft im Traum heimgesucht hatten. Doch dann war der Moment schon vorbei und sie wusste wieder, dass sie allein war. Es war still im Zimmer und die Flamme der Kerze bewegte sich nicht. Einige Augenblicke hallte das Gefühl, dass jemand bei ihr gewesen war, nach. Dann war auch das vergangen.
Mit einem Ruck steckte Freiya das Schwert in die Scheide. Das war ein Zeichen gewesen. Innos wollte, dass sie sich erinnerte. Der Schwarzhaarige hatte ihr den Schwertkampf beigebracht. Bilder von Übungseinheiten auf einem steinernen Hof oder inmitten eines Waldes kamen ihr wieder hoch. Sie spürte, dass das längst nicht alles gewesen war. Die beiden verband noch viel mehr.
Doch darum ging es jetzt nicht. Innos hatte ihr ein Zeichen geschickt. Sie würde diese Prüfung bestehen.
Sie packte den Sack mit den wenigen Habseligkeiten, die sie besaß. Noch einmal blickte sie sich in der kleinen Kammer um, dann blies sie die Kerze aus und verließ die Kammer.
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Stewark
Freiya atmete noch einmal kurz durch, dann trat sie aus dem Haus. Sibylla, die Zwillinge und Saltim hielten sich wie immer hinter der Taverne auf, um dort die Frühlingssonne zu genießen, bevor es am frühen Abend eine neue Vorstellung ihrer Kunststücke geben sollte. Freiya würde dann schon nicht mehr da sein.
Saltim sah sie sofort kommen.
"Süßes Grünauge, wo willst du denn hin?", fragte er und lächelte sie an, wie so oft in den letzten Monaten, in der Hoffnung, er könnte ihr Herz gewinnen.
"Ich werde Stewark verlassen", antwortete sie.
Es war Saltim anzusehen, dass er sie nicht ernstnahm, als er sagte: "Jetzt? Aber es ist doch so schönes Wetter. Komm, setz dich zu mir. Ich erzähl dir auch eine Geschichte."
"Nein, Saltim. Ich gehe nun. Bevor ich das tue, verlange ich allerdings meinen Anteil an Geld, den du für mich immer so fürsorglich verwaltet hast, anstatt mit das Geld sofort und selbst auszuzahlen."
Saltims Lächeln fror augenblicklich ein.
"Aber mein Liebes, findest du das nicht etwas überstürzt? Wo willst du denn überhaupt hin?"
"Das geht dich nichts an. Gib mir mein Geld", sagte sie kalt und streckte die Hand aus.
Saltim, der bis eben noch auf einer Treppenstufe gelümmelt hatte, stand auf. Er war natürlich größer als sie und das versuchte er nun auszuspielen, um sie zu verunsichern.
"Du willst also weg von hier, ja? Nun gut, wir können gerne woanders hingehen, wenn du das möchtest -"
"Du verstehst mich nicht richtig. Es gibt kein Wir. Ich gehe allein", erwiderte sie. "Gib mir mein Geld."
"Ach so ist das. Alleine also, hm? Sind wir nicht mehr gut genug für dich? Hast du lange genug von uns profitiert und nun können wir dir nichts mehr bieten? Oh, meine Süße. Tu mir das nicht an!"
Er kam auf sie zu und griff nach ihren Händen.
"Ich kann dir so vieles geben, das weißt du. Nur ein Wort und ich lege dir die Welt zu Füßen! Du weißt, dass ich das kann. Nur ein Zeichen von dir und ich bin ganz dein."
Er hauchte einen Kuss auf Freiyas Hände und zog sie näher zu sich. Sein betörender Blick bohrte sich in ihre Augen und er näherte sich ihrem Gesicht. Jede Frau wäre schwach geworden bei seinem Charme. So wie Sibylla ihre Waffen bei den Männern einzusetzen wusste, so wusste Saltim, wie er die Frauen um den Finger wickelte. Doch Freiya sah durch die Maske hindurch. Denn in seinen Augen war ein Schatten dessen zu sehen, was er wirklich dachte. Ohne mich bist du nichts! stand in ihnen geschrieben.
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Stewark
Ruckartig zog sie ihre Hände weg und wich einen Schritt zurück.
"Nein, Saltim. Du hast mich schon viel zu lange hingehalten. Ich will meine Erinnerungen zurück haben und ich weiß, dass dir das nicht passt. Also gib mir mein Geld und lass mich gehen", sagte sie mit Nachdruck.
Saltims Blick wurde augenblicklich eiskalt. Das war sein wahres Gesicht, dachte Freiya sich.
"Du willst dein Geld? Komm, und hol es dir", sagte er. Er verschränkte die Arme vor der Brust und aus seinen Augen sprach wachsende Wut. Sibylla und die Zwillinge saßen daneben. Die Dunkelhaarige nickte Freiya ermutigend zu.
Die junge Frau legte ihre Hand auf ihren Schwertgriff.
"Du gibst es mir besser freiwillig. Ich kenne meine Fähigkeiten, die den Schwertkampf betreffen."
Saltim schnaubte verächtlich.
"Wenn dir das nicht reicht, dann werde ich dich bei der Stadtwache melden wegen Diebstahls. Willst du das?"
Saltim ballte die Fäuste.
"Das wagst du nicht. Denn du hängst da ebenso mit drin und würdest auch die anderen mit reinziehen. Ich kenne dich, Freiya. Das würdest du nicht wagen."
"Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?", erwiderte sie.
Wütend schrie Saltim auf und wollte sich auf sie stürzen. Doch Freiya zog ihr Schwert. Sie war vielleicht kleiner und nicht so stark, aber sie war entschlossen und wusste, dass Innos ihr die Kraft gab, dem Spielmann entgegenzutreten.
Sie hielt ihm die Klinge an den Hals. Sibylla und die Zwillinge waren aufgesprungen, aber sagten weder etwas noch griffen sie ein.
"Mein Geld", fauchte Freiya und fletschte die Zähne.
Saltims Gesichtszüge erschlafften kurz, dann griff er nach seinem Geldbeutel. Fahrig steckte er eine Hand hinein und schleuderte Freiya ein paar Münzen entgegen.
"Da, nimm und verschwinde! Komm mir ja nie wieder unter die Augen, du elendes Weib!"
Dann drehte er sich um und rannte davon.
Freiya blickte ihm hinterher. Als er verschwunden war, atmete sie durch und steckte ihr Schwert wieder ein. Sie blickte zu Sibylla.
"Es tut mir Leid", sagte sie, aber Sibylla schüttelte den Kopf.
"Ich bin froh, dass du diesen Schritt endlich machst", sagte sie.
Freiya hockte sich nieder und begann die Münzen aufzusammeln. Sie verstaute sie in ihrem Beutel und dann blickte sie zu den drei anderen.
"Habt vielen Dank für alles, was ihr für mich getan habt. Richtet das auch Saltim aus, wenn er sich wieder beruhigt hat."
"Das werden wir."
Freiya lächelte Sibylla noch einmal zu. Die Frau mit der dunklen Haut war ihr inzwischen eine Freundin geworden und nun tat es ihr weh, sie zu verlassen. Sie ging noch einmal zu ihr hin und umarmte sie fest. Sibylla war zunächst überrascht, dann aber erwiderte sie die Umarmung.
"Pass auf dich auf."
"Ihr auch auf euch. Lebt wohl!", sagte Freiya. Dann drehte sie sich um und verließ den Hinterhof.
Während sie zum Stadttor lief drehte sie sich immer wieder um, falls Saltim ihr nicht doch noch mit gezücktem Dolch hinterher rannte. Doch dem war nicht so. Vor dem Stadttor kaufte sie an einem Stand noch ein paar letzte Vorräte, dann verließ sie Stewark.
Die Sonne ging langsam unter, als sie auf der weiche Gras abseits der Straße trat.
Sie war ganz allein und es war eine gefährliche Welt da draußen. Doch sie war sich ihrer Sache sicher.
"Und nun?", fragte sie sich selbst. "Nun gehe ich dorthin, wo Innos mich hinführt."
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Mit einem Fuß auf einem halbrunden Stein stehend, der hin und her wackelte, starrte Andrahir gebannt auf die drei Steine, die er jonglierte. Hätte er diese dämliche Wette bloß nicht abgeschlossen. Sicher: er konnte gut jonglieren, aber Raad vorzuschlagen, dass dieser sich um das komplette Abendbrot kümmern würde, während er selbst diesen Balanceakt vollführen sollte, war dann nicht der klügste Scherz gewesen, den er je gemacht hatte. Das Kaninchen war zwar schon erlegt und hing über dem Feuer, doch der Hunger des Akademieleiters schien nicht so ausgeprägt zu sein und so erging er sich in langen Monologen darüber wie wichtig es war ein Kaninchen bei leichter Hitze richtig lang durch zu braten, damit es auch schön zart wurde.
Andrahirs Magen knurrte allerdings schon beträchtlich und sein rechter Fuß merkte kribbelnd an, dass die Arbeitsteilung zwischen ihm und seinem spiegelverkehrten Zwillingsbruder derzeit nicht gerade fair war.
"Bist du sicher, dass du nicht noch Hilfe beim Würzen brauchst? Vielleicht war mein Vorschlag doch etwas unfair dir gegenüber. Schließlich hast du nicht ganz so viel Erfahrung darin mit wenigen Hilfsmitteln ein vorzügliches Essen zuzubereiten, wie ich."
Versuchte es der Bogner in der Gewissheit, dass sein Ansinnen abgeschmettert würde.
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Klackernd fielen die Steine, immer wieder von Zeit zu Zeit, in die Hände des Gleichgewichtsuchenden. Nur um dann erneuert in die Luft geworfen zu werden. Wie ein Phönix, der sich, der Legende nach, aus der Asche erhob. Sie flogen und drehten ihre Kreise im Zwielicht des Feuerscheins, über dem saftig und duftend ein Kaninchen triefend die seinen Runden tot zum Mahle drehte.
„Es ist mir eine Ehre, für die deine Ertüchtigung, mir das von mir zubereitete Essen… reinzuzwingen.“, erwiderte Raad schmunzelnd und stopfte seine Pfeife. Indes zappelte der Waldläufer auf seinem Stein herum. „Vergiss nicht, den Fuß von Zeit zu Zeit zu wechseln. Leicht in die Hocke. Jonglieren nicht innehalten. Und hops.“, gab er in seiner Rolle als Lehrmeister die Anweisungen, die Andrahir mit wiederwillig grimmiger Miene doch gehorsam erfüllte.
„Und weißt du. Es ist doch nur gerecht, dass ich mich ein wenig daran versuche, eine Mahlzeit zu kochen. So kann auch ich auf meine alten Tage noch etwas lernen.“, setzte der Akademieleiter zwinkernd fort und zündete sich an einem Span die Pfeife an. „Aber du darfst gerne zum Essen kommen, wenn du endlich zugibst, dass mein Essen um Welten besser schmeckt, als jenes deiner Mutter!“, stichelte der Schwarzhaarige und hob offenkundig drohend die Augenbrauen, als Andrahir tatsächlich für einen Augenblick in Versuchung geriet. Der leicht bläulich Fleck an dessen rechten Oberarm war der Beweis dafür, dass Raad seine Drohung tatsächlich ernst meinte.
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"Das stimmt vermutlich sogar." meinte der Bogner grinsend, froh darüber, dass Raad diesmal die falsche Marschrute eigenschlagen hatte und lies die Steine fallen. "Bei uns gab's nie Fleisch. Brot, Suppe, sowas... insofern müsstest du den Hasen schon in Kohle verwandeln, damit der nicht besser schmeckt."
Andrahir wollte nach einem Fleischspieß greifen, doch der Gefährte zog diesen schnell weg und sah ihn auffordernd an.
"Jaja... also nochmal offiziell: dein Essen schmeckt besser als das von meiner Muddi und jetzt her damit, immerhin hab ich das Vieh geschossen und das Fell abgezogen. Ich kann dir ja noch bei der nächsten Schneiderin Puschelhausschuhe aus dem Fell machen lassen. Würden dir sicher stehen."
Am Feuer schmausend wanderte der Blick des langhaarigen in der Gegend umher und blieb irgendwann am Gebirge hängen, dem sie immer näher kamen im Laufe ihrer täglichen Streifzüge. Bisher tappten sie im Dunklen. Immer mal wieder fanden sich Spuren, doch diese verliefen sich wortwörtlich im Sand, bzw. im Gestein.
"Ich hab das dumpfe Gefühl, wir müssen weiter aufwärts, wenn wir Erfolg haben wollen. Frag mich nicht warum, aber es ist immer der unbequemste Weg."
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Natürlich war es immer der unbequemste Weg. Denn der bequemste Weg bedeutete, sich nicht von den Händen zweier Irrer vor leuchtenden Quadern, auf kleineren Quadern flitzend, das Leben schwer machen zu lassen. Aber was wussten die beiden, die dort des Nachts am Feuer saßen, schon davon. Sie waren doch nicht mehr als bloße Schatten einer Gedankenwelt, die ohne die Anmut jener vom Wahn befallenen Hände nie reif zum nach Wohlgefallen suchenden Auge getragen werden würde.
Ja. Und selbst wenn der Gedanke einen von beiden ereilte. Für einen kurzen Augenblick. Was könnte er schon damit anfangen. Verwirrt würde er neben dem anderen Sitzen. Sein Blick in die Flammen gewandt. Der Schädel plötzlich leer. Die Haut ein Stück weit fahler. Die Pupillen zitternd ob der Schwere der Erkenntnis. Angst, welche das Herz langsam fassend zu überwältigend droht.
Doch um das Herz der beiden nicht in Stücke zu reißen, zog der Gedanke sich zurück. Verwelkte in der Dämmerung der grauen Zelle und ward längst vergessen, als der Leiter der Akademie den Mund öffnete.
„Müssen wir wohl. Und weiter hinauf. Und wenn wir Pech haben, ganz zurück bis nach Setarrif. Als ob der alte Mann noch sicher zu sagen wüsste, wo das Schwert ihm entwendet worden ist. Ein so wertvolles Stück, welches er nie zuvor in den Händen getragen hatte. Vielleicht stellt sich am Ende heraus, dass bloß einer seiner verlotterten Diener das gute Stück zu lange beim Polieren in seinen glitschigen Griffeln gehabt, sodass es ihm weg geflutscht und unter einen Schrank gefallen ist.“, mutmaßte der Lehrmeister und grinste schief um das Mundstück seiner Pfeife herum.
„Aber wir können die Zeit sinnvoll nutzen. Wenn du mir noch einen Löwen schießt, aus den ich mir einen Morgenmantel schneidern lassen kann, überlege ich mir das mit dem Plüschschuhen. Na ja… Sofern du dir aus der Schlange, die ich gestern ausersehen zertrete habe, ein Handtäschchen nähen lässt.“, schob Raad hinter und biss in ein Stück Hase. „Wer ist deine Mutter überhaupt?“
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"Aber wenn dann musst du aus der Mähne einen künstlichen Bart machen, den du zusätzlich noch trägst, dann hat das erst richtig Stil." Meinte Andrahir grinsend und streute ein paar Kräuter über das Fleisch, ehe er es nochmal kurz zum Aufwärmen über das Feuer hielt und in die Flammen starrte.
"Sie ist eine Angestellte des Hofes in Thorniara." erwiderte er emotionslos. "Zumindest war sie das. Keine Ahnung was mit ihr passiert ist, jetzt wo der König weg ist."
Er nahm den nächsten Bissen vom wieder erwärmten Fleisch und ärgerte sich über ein Stück sehniges Fleisch, dass sich zwischen seine Zähne senkte.
"Wir werden auf immer mehr Echsen treffen je weiter wir gen Osten laufen. Wie wollen wir da vorgehen? Ist etwas ungünstig, wenn der eine sich bedeckt hält, während der andere losstürmt."
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Zwischen den Ästen ein Rascheln. Weite, die das Herz rührte. Dort, wo kein Mensch zu finden war. Dort wanderten sie. Ruhten sie. Sehnten sie. Nach vergangenen Tagen und Zukünftigen. Nach dem, was einst gewesen, und dem, was sein konnte. Ob es sollte oder nicht. Der Kopf war fähig, das Größte zu phantasieren. Und das Herz willig, die Freude zu verspüren. Vielleicht würde vergessen, was einst im Streit auseinander gebrochen. Vielleicht sogar vergeben. Doch die gute Zeit würde stets in der Erinnerung erhalten bleiben.
„Wie kommst du darauf, dass einer von uns beiden sich bedeckt halten würde?“, wagte der Leiter der Akademie mit einem schiefen Grinsen zu fragen. Sie waren beide nicht dafür geschaffen, im Hintergrund zu bleiben. Selbst, wenn ihnen Zaghaftigkeit von Zeit zu Zeit stand.
„Wann hast du sie zuletzt gesehen?“, hakte Raad nach. Auch, wenn er spürte, dass dies kein Thema war, zu dem Andrahir viel zu sagen hoffte. Aber der Schwarzhaarige hatte gelernt, dass ein Mensch kein Bestand haben konnte, der stets über sich selbst zu schweigen pflegte. Jene, die alles verdrängten, weil sie nicht fähig waren, sich selbst zu begegnen, schoben ihr eigenes Ich von sich, bis sie nichts mehr waren, als eine leere, emotionslose Puppe, die nur noch funktionierte und kein Glück zu spüren mehr vermochte. „War sie eine warmherzige Frau? Mütter sind so, habe ich gehört. Auch, wenn ich meine nie kennen lernen durfte. Geschweige denn meinen Vater.“
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Andrahir sah Raad aus dem Augenwinkel abschätzig an. Nicht wissend, was er von der Fragerei halten sollte. Seit er damals aus Thorniara aufgebrochen war hatte niemand, aber auch wirklich niemand etwas über seine Eltern wissen wollen und dass der Akademieleiter nun immer mehr nachhakte machte ihn stutzig. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl als würde sein Gegenüber ihn nach Schwachpunkten abtasten und als habe er einen gefunden, wobei das gleich in mehrerlei Hinsicht Blödsinn war. Zum einen weil Raad keinen Vorteil daraus ziehen würde, zum anderen weil er vielleicht viele Schwachpunkte hatte, aber er litt nicht unter einem Mutterkomplex, nur weil sein Verhältnis zu der seinen wohl nicht ganz so eng war, wie es im besten Fall sein sollte.
Vielleicht forschte Raad aber auch einfach nur nach Dingen um zu erfahren, wie es anderen gegangen war, wenn er sagte, dass er seine direkten Vorfahren nie kennen gelernt hatte.
"Vielleicht war sie das. Ich weiß nicht. Wenn ja, dann ist's mir nicht so aufgefallen. Sie hat gearbeitet, mir zu essen gegeben und mir ab und an etwas mitgebracht. Das wurde aber irgendwann seltener und ich musste mir meine Sachen selbst... organisieren. Gesehen hab ich sie das letzte mal vor... dreieinhalb Jahren etwa. Wann ich das letzte mal wirklich mit ihr gesprochen hab weiß ich nicht. Ich hab die letzten Jahre vor meinem Aufbruch aus Thorniara meine Zeit in der Bognerei verbracht."
Sie stapften über Stock und Stein, wobei "Stock" eher "Wurzel" meinte und selbst diese wurden dünner und nahmen immer weniger Raum ein. "Mein Vater war ein Paladin. Das einzige, was ich über ihn weiß ist, dass er seit etwa vier Jahren tot ist und ehrlich gesagt interessiert mich auch nicht was er so getrieben hat. Ein Mensch wie jeder andere, der mir nie begegnet ist. Ich sehe keinen Sinn darin mich mit jemandem zu beschäftigen, bloß weil er meine Mutter schwängerte.
Und du? Bist du in 'ner Nussschale angespült worden?"
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Raad schwenkte die Fackel ein wenig. Funken stoben in die Finsternis hinein. Ein Meer aus leuchtenden Punkten, die tanzend gen Boden drängten. Doch vom Wind gefangen wurden sie um den Leiter der Akademie herum geschleudert. Hingen am Mantel. Zuckend, bis ihre Kraft versiegte und sie starben. Schwarz wurden, wie die Nacht, welche sie umgab.
„Klar.“, erwiderte der Schwarzhaarige lakonisch. „Wie jeder andere verdammte Narr, der sich dem Königreich Argaan angeschlossen hat, ohne hier geboren zu sein.“
In der Ferne war ein tiefes Grollen zu hören. Der Himmel, der sich regte, die Nacht zum Hort der Unruhe werden zu lassen.
„Der Sand war mein Heim. Der Sand war mein Leid. Auf heißem Boden ich schritt. Auf kalter Erde ich schlief. Was soll ich groß sagen? Welches Blut in mir mich weiter treibt, weiß ich nicht zu sagen. Aber mein Herz ist der Freiheit verschrieben und mein Körper folgt willig diesem Sehnen. Welches Schicksal ich zu erfüllen, welches Erbe mir gegeben worden ist, bleibt unerzählt. Dort gibt es nichts zu berichten.“, fuhr Raad fort. Seine Augen funkelten im Schein der Flammen. „Na ja. Sei’s drum. Für mich ist gesorgt worden als Kind. Und man brachte mir bei, wie ich für mich selbst sorge. Nun sorge ich für andere und sorge mich.“
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Jetzt war wiederum Andrahirs Interesse geweckt, doch er hielt sich zunächst zurück, da er eigentlich keine Lust auf weitere Mutter, Vater, Kind-Gespräche hatte. Stattdessen kramte er in einer seiner Brustgurttaschen und zog einen Beutel hervor, aus dem er getrocknete Kräuter hervor zog, um einige davon mit Daumen und Fingern zu einem kleinen Ball zu rollen und sich diesen zwischen Wange und Zähne zu stecken. Der Gefährte schaute skeptisch zu und der Bogner hielt ihm den Beutel hin.
"Keine Angst - kein Sumpfkraut. Hilft mehr oder weniger gegen alles. Müdigkeit, Hunger, trockene Zunge, Impotenz... naja vielleicht nicht alles, aber vieles. Musst nur ab und an drauf rum kauen und wenn's bitter wird ausspucken."
Da der andere zu lange zögerte, drückte der Jagdmeister ihm den Beutel einfach in die Hand, damit er eine Entscheidung in Ruhe finden konnte und hockte sich hin um etwas von der Erde mit den Fingern zu zerreiben.
"Sind eure Leute damals alle durch den Tunnel im Gebirge gestiefelt oder manche auch oben drüber? Sieht mir hier danach aus, als hätte hier jemand vor einigen Wochen mal n Feuer gemacht. Kann mich aber auch irren."
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Raad begutachtete den Beutel. Es roch nach Tabak. Nicht schlecht. Besseren hatte er selten gefunden. Zumindest von dem her, was seine Nase in jenem Augenblick zu schnuppern erlaubt war.
Vorsichtig nahm der Leiter etwas hinaus und stopfte es sich in den Mund. Langsam begann er zu kauen. Bitterkeit schmeckte er nur wenig. Dafür war sein Leben zu viel mit Bitterkeit erfüllt, als dass der Geschmack von Tabak dies zu übertrumpfen vermochte.
„Die meisten durch die Tunnel!“, quetschte der Schwarzhaarige zwischen seinen Lippen hervor, „Ob ein paar Wahnsinnige sich auf den Berg getraut haben, weiß ich nicht zu berichten. Aber sagt ja auch keiner, dass das Feuer von Menschen stammt, oder, Herr Waldläufer?“
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