Das Neujahrsfeuerwerk, dass wundervoll anschaulich über der britischen Hauptstadt getobt hatte, war schon viel zu lange vorbei. Nur noch vereinzelt schossen ein paar Betrunkene aufbewahrte Böller in die Luft oder zündeten mehr im Gehen eine der umliegenden, scheinbaren Blindgänger an und jagten das letzte Raketenüberbleibsel in den zugezogenen Nachthimmel. Rauchschwaden trübten den Ausblick nur weiter und boten kaum Gelegenheit, die Zukunft des Wetters klar zu deuten. Unaufhörlich rieselten komplett lautlos die einzigartigen Schneeflocken nach unten auf das Hausdach und damit auch in Lucis Schoss. Und bei all der Zeit, die sie hier gesessen hatte und sich noch immer nicht darum scherte und mit keinem Wimpernzucken zu erkennen gab, dass die Kälte an ihren bloßen Füssen eigentlich schmerzen sollte, war sie bereits bedeckt von einem beachtlichen Film an weißen Flocken.
Erst weitere, dutzende Augenblicke später entschied sie sich mit einem lockeren Griff dazu zu gehen. Wieder zurück nach unten und zurück ins Bett. Das Schmierentheater an überflüssiger Freude nicht länger ertragend, zu dem Leif sie gezwungen hatte.
1. Januar 2184
Der Morgen war mehr als nur ruhig. Eine komplette Stille, nur gelegentlich unterbrochen von leisem Surren irgendwelcher Maschinen. Und nichts hätte sich die Halbitalienerin mehr gewünscht, als dass sie diesen Morgen gar nicht mehr mitbekommen hätte. Ebenso wenig wie dieses neue Jahr. Sie wollte kein einziges mehr davon erleben und doch lag sie wieder hier, mit offenen Augen, deren Blick gen Decke gerichtet war. Widerwillig musste sie sich nun mit den kahlen Wänden des britischen Krankenhauses auseinandersetzen, nur weil dieser verdammte Arzt nicht einmal das kleinste Versprechen einhalten konnte. Nichtmal das. Wahrscheinlich klammernd an irgendein Helfersyndrom und irgendeinen schwachsinnigen Eid. Und was hatte sie davon? Sie musste sich nun mit Situationen arrangieren. Musste nun aus diesem grausamen Scherbenhaufen ihres Lebens irgendeinen halbgaren Dreck zusammenbasteln, damit sie weiter vor sich hinvegetieren konnte.
Warum, so dachte sie sich, warum griff sie nun nicht einfach - in einem unachtsamen Moment - in den Medizinschrank des Arztes, der sowieso die ganze Zeit bei irgendeinem Komapatienten Händchen hielt und schluckte einfach ein paar Pillchen zu viel. Am besten spülend mit dem wohl ekelhaftesten aber stärksten Whiskey den sie sich für Geld kaufen konnte.
Nur dann, so war sie sich sicher, musste sie schnell sterben. Oder mehr als genug davon nehmen. Sonst kam der Schwede noch auf die Idee ihr wieder das Leben zu retten...