Zitat von
Ö aka Messias
„I-Immer mit der Ruhe!“
Wir haben keine Zeit für Ruhe! Wir müssen weg von hier!
Alles in Zoia drängte danach, mit Sayuri sofort von hier zu verschwinden. Vorher würde sie sich keine Ruhepause gönnen. Doch bevor sie ihrer Bitte nochmalig Nachdruck verleihen musste, redete Sayuri weiter.
„In Ordnung. Wir gehen ... okay?“
Gott sei Dank!
Obwohl sie bei Leibe nicht gläubig wahr, ja Kirche und Gott für sie nur ein besseres 'Märchen' aus einer anderen Welt war, so hatte sie diesen Spruch doch zu oft aufgeschnappt und er war ihr als Ausdruck der Erleichterung einfach viel zu geläufig. So gab er auch die innere 'Erlösung' wieder, mit der ein Teil ihrer Anspannung von Zoia zu fallen schien.
Sie bemerkte, wie Sayuri ihre Hand nahm, wie sich die Halbjapanerin in Bewegung setzte. Diese kleine Szene vermochte bei Zoia für einen Moment die große Hoffnung aufkommen lassen, dass es vorbei war mit der Gefahr. Dass sie es hier unbeschadet heraus schaffen würden. Dass es ab hier nur noch 'Formsache' wäre.
Wir schaffen das. Wir kommen hier raus. Wir...
Doch der Moment währte nicht lange!
Alles ging jetzt blitzschnell. Zum einen hatte Arko etwas bemerkt, das ihn sofort zu Bellen anfangen ließ. Gleichzeitig bemerkte Zoia eine Bewegung aus ihren Augenwinkeln. Beide Momentaufnahmen zusammen ließen ihre Instinkte anspringen, die von hier ihr Handeln übernahmen.
Sayuri war vielleicht zwei Schritte weit gekommen und war dabei, diese an ihrer rechten Seite zu passieren. Dabei wurde die Sicht für Zoia hinter die Halbjapanerin besser. Die Bewegung im Augenwinkel, das, was Arko Bellen ließ, war besagte Frau, die Zoia hier unter anderen Personen in der Umgebung ausgemacht hatte. Die Frau war neben das Pärchen getreten und brachte eine Waffe in Anschlag. Ob sie jetzt schnell handelte, weil sie fürchtete, ihr Ziel, Sayuri, aus den augen zu verlieren oder, weil sie in Zoia eine Bedrohung sah, die ihren Auftrag verhindern wollte, würde wohl eine ungelöste Frage bleiben. Zoia's Verstand war war von einem gellen Kreischen all ihrer inneren Alarmglocken gefüllt und ließen ihren Körper reagieren - sie stieß sich mit aller Kraft ab und rempelte Sayuri dabei nach rechts hinten über den Haufen, so dass beide Frauen nach unten aus der Schusslinie fielen und gleichzeitig ein kleineres Ziel boten. Sayuri's Arme wurden dabei durch die Luft geschleudert und ein Schuss der Frau traf den Behälter mit den Kuchenresten, was diesen in tausende kleine Fetzen zerspringen ließ. Die beiden Frauen landeten unsanft auf dem Boden, mit Sayuri unter Zoia, die deren Sturz mit ihrem Körper teils auffing. Das bedeutete zusätzliche Belastung für Sayuri, jedoch war Zoia gerade nicht in der Lage darauf Rücksicht zu nehmen, geschweige denn es überhaupt richtig zu realisieren. So war sie kaum mit ihrem Oberkörper auf dem von Sayuri zum Liegen gekommen, als sie auch schon die Arme nach vorne streckte und ihren Revolver in Anschlag brachte, während ein zweiter Schuss von der Frau über die Beiden hinwegfegte.
Jetzt könnte man meinen, ein antik anmutender 9 mm Revolver wäre auf eine Entfernung von etwas mehr wie 100 Meter keine ernst zu nehmende Gefahr für eventuelle Ziele. Weit gefehlt, befanden wir uns doch im 22. Jahrhundert: Hatten die Massenbeschleunigerwaffen nach ihrer Reife für Serienproduktion doch weitläufig viele der alten chemisch betriebenen Projektilwaffen verdrängt, so war dennoch eine gewisse Entwicklung auch bei Diesen vonstatten gegangen. Ein etwas längerer Lauf sorgte für zusätzliche Stabilität auf der Flugbahn des Projektils. Dazu kamen immer wieder Verbesserungen an der chemischen Zusammensetzung des Zündblättchens in der Patrone, das die Mündungsgeschwindigkeit steigerte. Somit war Zoia's Revolver auch auf diese Entfernung eine tödliche Waffe.
Als der dritte Schuss der Frau über sie und Sayuri hinwegfegte, fing auch Zoia an zu Schießen. Im Unterschied zur Massenbeschleunigerwaffe war ihr Revolver jedoch laut. Sogar sehr laut. Jedem Schuss folgte gleichzeitig ein Fauchen, das mit all seiner Lautstärke in den Ohren der beiden kleinen Frauen dröhnte. Der Schusswechsel jedoch ging so schnell von statten, dass Zoia gar nichts von den Geräuschen bewusst wahr nahm. Da sie auch noch an die Lautstärke der Waffe gewöhnt war und in ihrer momentanen Lage es ihr sowieso Scheiß egal war, gelinde ausgedrückt, war die einzig große Unbekannte, wie Sayuri diesen Lärm aufnehmen würde.
Zoia hatte sich den Bruchteil einer Sekunde zum Zielen genommen, dann drückte sie den Abzug des Revolver sechsmal schnell hintereinander durch. Ihre ersten beiden Schüsse gingen vorbei. Ein vierter Schuss der Frau war zu kurz gezielt und prallte als Querschläger vom Weg ab. Arko, der sich seinem Frauchen gleich auch auf den Boden geworfen hatte, war Ziel dieses Querschlägers: Das Geschoss prallte in einem solchen Winkel ab, dass seine neue Flugbahn es an sein rechtes Ohr brachte und dort einen Streifschuss von einem Millimeter immerhin verursachte. Das ließ ihn seine Schnauze unter seinen Vorderpfoten vergraben.
Der dritte Schuss von Zoia fand ein Ziel - jedoch das Falsche! Die Kugel drang in den rechten Arm der Frau des Pärchens ein, hinter denen die Frau aus Zoia's Gang hervorgetreten war und fällte die Unbeteiligte zu Boden, ehe deren Freund auch nur reagieren konnte. Zoia's vierter Schuss fand dagegen wieder kein Ziel.
Der fünfte Schuss aus dem Massenbeschleuniger prallte auch vom Boden ab, verschwand aber zum Glück harmlos in eine andere Richtung.
Zoia's fünfter Schuss traf ihre Gang-Kameradin in die Brust und schickte diese nach hinten weg, sodass ihr sechster Schuss wieder ins leere ging. Dabei bewirkte, ohne dass sie es wusste, ihr Treffer auch, dass der sechste Schuss der Frau wiederum keinen kritischen Schaden anrichtete: Innerhalb von Sekundenbruchteilen traf die Kugel aus Zoia's Revolver die Frau, währenddessen diese selbst abdrückte und ihre Waffe doch leicht schon verrutschen ließ. Dadurch ging ihr Treffer 'nur' als Streifschuss an Zoia's linken Bein entlang und sorgte lediglich für neue Schmerzen und eine neue Blutspur, die sich an ihrem Körper bildete.
Zoia's Verstand blendete den Schmerz jedoch sofort aus, ließ ihn erst gar nicht an sich heran, denn es gab jetzt viel zu viel zu tun. Sofort richtete sie sich in eine kniende Position auf, wo sie wie selbstständig die Trommel des Revolver öffnete und die leeren Hülsen ausstieß. Die Waffe wanderte in die linke Hand, mit der Rechten griff sie in den Mantel und holte so schnell es ging neue Patronen hervor, die prompt ihren Weg in die leeren Kammern der Waffe fanden. Dabei sah sich Zoia immer wieder zwischen der Frau und Sayuri um, während sie auf letztere einredete, ja schier schon am schreien war, was auch immer ihre Lungen noch hergaben.
"Sayuri! Kannst du mich hören? Bist du in Ordnung? Sayuri! Sprich mit mir! Wir müssen hier weg! Sayuri!"