Zitat von
Ö aka Messias
Die letzte Patrone fand ihren Weg in die vorgesehene Kammer. Zoia sah sich um: Die andere Frau lag am Boden. Das Pärchen daneben war wohl jeneits der Realität und klammerte sich fest umschlungen aneinander. Aktuell drohte aus dieser Richtung keine Gefahr - wahrscheinlich wünschte sich das Pärchen gerade innigst an einen anderen Ort, egal wo (was sich mit einem Teil von ihren Gedanken deckte, die auch nur einfach woanders sein wollten). Die andere Frau regte sich nun überhaupt nicht. Ob sie tot war oder nur durch die Wucht der Schüsse, die auch bei einer Schutzweste verdammt weh taten, außer Gefecht war oder womöglich nur simulierte, konnte Zoia nicht bestimmen.
Ehe Zoia etwas anderes unternehmen konnte, erfasste sie eine erneute Welle des Schmerzes.
"Hmmg!"
Weit intensiver als zuvor, so dass sie ihre Zähne zusammen presste, ihre Augen gänzlich zu drückte und sich selbst mit ihren Armen umschlingen musste. Wenn auch nur für ein paar Sekunden, so war es für sie eine Ewigkeit, in der sie innerlich hoffte, dass Sayuri und ihr nichts geschehen möge. Als sie es schaffte, den Schmerz wieder zu unterdrücken (völlig ausblenden kam ab hier nicht mehr infrage), öffnete sie ihre Augen, wischte sofort Tränen und Blut beiseite und sah sich um.
Nichts. Es war Alles so, wie bevor sie die Augen geschlossen hatte. Der einzige Unterschied war, dass ihr Körper jetzt auf die Schmerzsignale reagierte, was sie leicht zittern ließ.
Noch nicht... Ich kann mir noch keine Ruhe gönnen...
Fast schon wie ein Mantra trug sie diesen Satz in Gedanken auf, um ihren Körper am Laufen zu halten. Sie drehte sich erneut zu Sayuri.
"Sayuri, hör-"
Ihr Satz erstarb, als sie die weit aufgerissenen Augen ihrer Begleiterin sah. Sie war nicht tot, jedoch hätte sie es genauso gut auch sein können. Sayuri war 'weg' - anders konnte Zoia es sich nicht beschreiben. Erneut trieben ihr die Tränen in die Augen, obwohl eigentlich keine Flüssigkeit mehr dafür hätte vorhanden sein dürfen.
Wie... wie... soll ich... sie... hier... weg...
Sie war einem Kollaps nahe, obwohl sie so lange durchgehalten und sich geschworen hatte, Sayuri hier raus zu bringen. Durch ihren Kopf jagte die Vorstellung, dass sie kurz davor war, zu scheitern.
Ich, ich... kann sie... unmöglich... tragen...
Verzweiflung begann ihren Körper zu erfassen und verstärkte das Zittern. Gleichzeitig erwartet sie, dass erneut eine Schmerzwelle kommen würde, eine, die sie nicht bei wachem Verstand ertragen würde.
Ich...
Warte! Denk nach!
Was...
Denk nach Mädchen! Du weißt eine Möglichkeit, sie zu wecken!
Aber, wie...
Denk nach! Denk daran, was die Gang mit Hysterischen macht!
Sie dachte nach. Sah die Bilder in Gedanken, wie Leute geschlagen wurden, die vor Furcht erstarrt waren, um wieder alles, was die Gang mit ihnen machte, mitzubekommen. Wie hysterisch Schreiende geschlagen wurden, um ruhig zu sein. Wie überhaupt gerne mal geschlagen wurde, wenn man auffiel. Oder nicht gehorchte. Oder einfach so...
DAS!?
Ja, das!
Das kann ich Sayuri nicht antun! Niemals!
Sie wird nicht reagieren! Sie wird nicht aufstehen!
Aber ich kann sie nicht schlagen!
Dann sterbt ihr beide hier...
So und ähnlich rang Zoia in Gedanken mit sich, war sie sich doch auch bewusst, das die Zeit gegen sie arbeitete. Bis sie zu einem Entschluss kam. Der sie nur noch mehr zum heulen brachte und sie ehrfürchtig zuerst zu Sayuri sprechen ließ.
"Bitte, was... ich jetzt... mache... wenn du mich hören kannst, dann... verzeih mir!"
Während sie sprach und ihre Stimme immer wieder von Tränen unterbrochen wurde, nahm sie die Waffe in die Linke, denn sie würde jetzt ihre komplette Hand für ihre Tat brauchen:
Sie holte nach hinten aus und verpasste mit voller Wucht Sayuri mit der Rechten eine solche Backpfeife, dass der Knall, der beim Aufprall entstand, sie zutiefst beschämte - immerhin hatte sie auf etwas zurückgegriffen, vor dem sie sich selbst immer gefürchtet hatte: Einen hilflosen Menschen zu schlagen.