Zitat von
Tjordas
Ein zufriedenes Nicken beendete die kurze Meinungsverschiedenheit zwischen beiden wortlos und vielleicht lag dabei sogar ein Hauch von erleichterter Dankbarkeit in Julians Blick. Als sich die beiden gesichtslosen Handlanger annäherten, stoppte er sie zunächst mit einem Heben der Hand.
"Aber erst muss ich mich noch um Don Giancomelli kümmern. Sie verzeihen, wenn ich hier eine kurze Sauerei anrichten muss", sprach er leise zu Enrico mit einem etwas schiefen Lächeln auf den spröden Lippen, während er sich bereits zum Mikrofon umwandte.
"Ladies und Gentlemen, ich möchte ungern die Laune trüben, aber wenn Sie mir erlauben, das fröhliche Treiben hier nocheinmal kurz unterbrechen, kann es auch direkt mit unserem Programm weitergehen."
Er zog nun ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche, aus dem er kurz etwas auslas, dabei ein wenig bemüht, seine eigene Handschrift zu entziffern. Er war Papier als Medium nicht gewohnt, griff hier aber aus Gründen der Datensicherheit darauf zurück.
"Wenn Signor Adriano Don Giancomelli die Güte hätte, uns hier auf der Bühne aufzusuchen? Wie Sie sicher sehen...", er nahm nun das kleine Mikrofon aus dem Ständer und trug es mit sich hinüber zu Gil und Zora, denen er beiden kurz eine Hand auf die Schulter legte, sich sogar erlaubte, Zora kurz über die Wange zu streichen, "sind Vigilio Ascaiath und seine Neuangetraute Zora bereits unsere Gäste. Ich bin sicher, wir können beide wieder unbeschadet auf die Party entlassen, wenn uns im Austausch Don Giancomelli einen Besuch abstattet.", wieder ganz Showman breitete er die freie Hand in einer einladenden Geste in Richtung der Bühne aus und verharrte so, der Blick starr in die panische Menge vor ihm gerichtet, nur zusammengehalten von sich mehrenden Handlangern, die sich jetzt um sie herum platzierten. Doch nirgendwo regte sich jemand, auf die Bühne zu steigen, und so verschwand Julians Moderatorenlächeln urplötzlich aus seinem Gesicht.
"Ich darf unseren werten Don daran erinnern,...", wieder las er aus seinem Büchlein aus "dass er der Familie Ascaiath in zwei Fällen sein Leben schuldig ist, nämlich einem entkommenen Attentat in Rom vor fünfzehn Jahren und nicht zu vergessen seine Verschonung nach der Familienversöhnung vor vierunddreißig Jahren und er hiermit die Gelegenheit hat, seine Ehre wiederherzustellen."
Er klappte zur Verdeutlichung das Büchlein zu, sodass das dumpfe Klopfen aus den Lautsprechern über die Fläche hallte, die Julians strenges Auge nun wieder überflog. Doch wieder regte sich nichts, nur ein Raunen ging durch die Menge. Julians Augenlid zuckte zweimal, dann hob er plötzlich wieder seine Maschinenpistole und feuerte eine überflüssig lange Salve wahllos auf einen unbeteiligten Gast, der in vorderster Reihe stand. Eine Frau neben ihm, wohl seine Lebensgefährtin schrie in Verzweiflung, als es dessen Kleidung zerriss, er lautlos zu Boden ging und sich eine Blutlache unter dem leblosen Körper bildete. Mit einer kurzen Geste der Hand ließ Julian die Frau von zwei Lakaien wegzerren, um für Ruhe zu sorgen. Er atmete tief druch, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich unter den zuckenden Schüssen aus der schmierigen Firsur gelöst hatte. Dann räusperte er sich, setzte daraufhin, jetzt ohne sein Lächeln, die Ansprache fort.
"Jede Minute, in der der Don nicht hier auf der Bühne steht, folgt ein weiterer. Wir wollen doch im Zeitplan bleiben."
Tatsächlich tat sich nun weiter hinten in der geschockten Menschenmasse etwas. "Das ist er! Nehmt den Feigling!", schrie eine hysterische Frau mittleren Alters. "Schickt Ihn, der Don ist schon alt genug!", rief ein Anderer und "Was hat er schon je für UNS getan" ein Dritter. Kurz darauf drängten sich zwei der schwarzgekleideten Gehilfen zu dem Aufruhr und brachten, links und rechts an den Armbeugen gepackt, einen ergrauten Mann in ebenso grauem Anzug vor zur Bühne. Er wehrte sich nicht, entgegnete Julian nur auf dem kompletten Weg einen Blick äußerster Verachtung. Der Doktor selbst hingegen weitete zufrieden wieder sein Lächeln. Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen und in aufrechter Haltung wartete er nun ab, bis der Mann unmittelbar vor ihm stand und ihn mit seinen schwarzen Augen aus dem faltigen und narbigen Gesicht hasserfüllt durchbohrte. Julian musterte ihn kurz, jedoch war ihm schnell klar, dass er den richtigen vor sich hatte.
"Es ist nichts Persönliches, Signore. Ihr Geheimdienst verfolgt mich schon seit ich aus Noveria zurück bin. ich weiß nicht, was Ihnen dafür gezahlt wurde, oder was Ihre sonstigen Beweggründe sind, aber ich weiß, dass sie mich jetzt, da Sie mein Gesicht kennen, erstrecht nicht gehen lassen würden. Wir beide wissen also, wie das hier enden muss."
"Lassen Sie wenigstens die beiden Geiseln frei, wie versprochen?", erwiderte seine rauchige, tiefe Stimme, geprägt vom Alter.
Julian schüttelte mit einem Ausdruck gestellten Bedauerns den Kopf und zuckte leicht die Achseln.
"Leider Nein, Signore."
Plözlich verschwand sein Lächeln wieder, sein Gesichtsausdruck wurde eisern und die Waffe hinter seinem Rücken schnellte nach vorn. Ein einzelner Schuss trieb dem Mafioso das Hirn aus dem Schädel, noch bevor dieser die Waffe als solche erkannte. Das Publikum schrie entsetzt auf, sein Körper erschlaffte nach einem kurzen Versteifen der Gliedmaßen in die Arme der beiden Handlanger, die ihn dann wortlos, aber unter erschreckten Gesichtern von der Bühne trugen. Julian nickte wieder zufrieden, wirbelte herum zu den anderen beiden schwarzen Herren.
"Schön, schön. Und wir machen uns jetzt auf die Suche nach Colucci, nicht wahr?"
Er ging voraus und setzte wieder ein leises Pfeifen auf, als er an den Hirnresten vorbei und die Stufen hinab stolzierte. Seine Gehilfen folgten ihm zögerlich nach kurzem wortlosen Blickaustausch.