Zitat von
Luceija
"Was macht ER hier?", hörte sie Leif fragen, in dessen Gesicht sie aber gerade nicht sah. Wieder erreichte sie das Blutbad vor Augen, bevor sie schließlich und endlich wagte, den eigenen Blick nach oben in Richtung Bühne zu richten, wobei ihr beim Weg dorthin bereits alle Sinne mitteilten, dass ihr nicht gefallen würde, was sie da zu sehen bekam.
Die auf die Dekoration der glamourösen Hochzeit angepassten Scheinwerfer sendeten drei schräg gestellte, lilafarbene Lichter auf die anfänglich unversehrt weiße Dekoration und umrahmten die gruselige Szenerie mit der nötigen Aufmerksamkeit auf drei Personen. Ganz vorne stand ein Mann, den Luceija am schlechtesten von allen erkannte. Zwar war er wahrscheinlich der Fahnenfuehrer des Ganzen, so wie er auf die Bühne trat, in die Luft schoss und unmissverständlich auf sich aufmerksam machte, ebenso wie ihrem Bruder - den sie anzukommen glaubte - die Waffe vor die Nase hielt, aber war das Licht so praktisch auf ihn gerichtet und eine so interessante Farbe gewählt worden, dass man ihn selbst aus dieser Distanz verzerrter Wahrnahm. Die Dunkelheit tat dabei sein übriges.
Person Nummer 2 kannte sie ebenso wenig. Irgendeine dunkelhaarige Person, die Gesichtszüge waren ihr fremd und im groben und ganzen auch recht egal. Interessant hierbei war nur, dass man ihm Zora entgegen schmiss wie einen Sack Sardinen aus frischem Fang.
Eine Person jedoch erhielt ohne weitere Umwege die vollkommene Aufmerksamkeit der Halbitalienerin. Noch immer am Boden war es nur ein von anderen Silhouetten erschrockener Menschen um sie herum getrübter Blick, aber klar genug um heraus zu erkennen, dass es sich bei jener dritten Person, selbst im unheilvollen Schein des Lavendellichtes, um die handelte, die ihr in ihrem Leben bisher wahrscheinlich am nahsten war. So gut wie alles von und an ihr kannte. Jedes schmutzige Geheimnis, jeden quälenden Hintergrund, jede falsche Entscheidung. Alles, was man von einem anderen Menschen nur wissen konnte und oftmals nicht einmal sollte. Im Bruchteil einer Sekunde fühlte Luceija sich durchleuchtet.
Im selben Moment, in dem sie sah was sie sah begann ihr Körper zu zittern. Mit aufgerissenen Augen starrte sie dorthin nach vorne und konnte nicht im geringsten verarbeiten, wie man hier gerade mit ihrer Seele spielte. Wie man mit ihr spielte. Etwa zweieinhalb Jahre hatte es gedauert bis eine vollkommen, bis auf den Grund ihrer Knochen zerstörten Frau wieder eine lebendes Wesen geschaffen werden konnte. Bis man wieder aus diesem Gerümpel eines Menschen ein Selbstbewusstsein ziehen konnte. Bis auch nur ein Fünkchen Selbstachtung zurückgekehrt war, nachdem man sie so vor allen und ohne auch nur den geringsten Skrupel über Jahre hinweg getötet hatte.
Es war purer Schock, anders konnte man es nicht bezeichnen. Warum jetzt? Warum hier? Gerade eben hatte sie es geschafft. Sie hatte geschafft diesen hinterlistigen Turianer zu vergessen. Hatte nicht länger geweint, hatte nicht länger an sich selbst gezweifelt. Hatte ihr Leben in mühseliger Kleinarbeit wieder aufgerichtet, sich von ihrer einzig wahren Familie wieder in die Arme schließen lassen und dann? Dann besaß es die Frechheit, hier einfach aufzutauchen.
"Nein...nein...nein...."
Luci musste wegsehen, als es in weiteren Momenten ohne einen wirklichen Fokus so war wie vorhin, als ihr die nahe Sprengung das Gehör nahm. Beide Hände krallten sich in den Stoff, der die Füsse der Gäste vor dem getrimmten Rasen schützte und atmete so schwer, wie sie es seit langem nicht getan hatte. Sie starrte auf das Grün unter ihr, dass in der Dunkelheit nicht viel mehr war als Schwärze.
Da war er. Der Moment, vor dem sie sich immer irgendwie gefürchtet hatte. Sie wusste, was er ihr angetan hatte. Kam schnell hinter die perfiden Pläne dieses niederträchtigen Aliens, der ihr erst hochgepriesene Gefühle zu entlocken versuchte und sie dann - wissentlich, was sie alles preis gegeben hatte - mit dem Gesicht in den Staub trat. Noch in diesem letzten Augenblick, in dem sie ihn sah die Beziehung beendet hatte für die sie alles geopfert hatte und dann - als wäre alles nicht genug - auch noch seine Affäre vor ihr ausbreitete. Und das, wo sie ihm tatsächlich vertraut hatte.
Alles, was geschehen war kam mit einem Mal zurück. Jeder Moment. Jede Gefühlsregung, jedes Bild, jede Gemeinsamkeit, jeder Geruch und jede Berührung. Alles davon zerstörte sie noch einmal aber nichts dergleichen fühlte sich mehr so an wie es mal war.
Denn in all der Zeit, die hinter ihr lag...in all der Zeit, in der sie ohne ihn lebte, hatte sie gelernt, dass es nichts weiter war als bloße Gehirnwäsche. Bloße Rache und Übernahme des Feindes. Bloße Boshaftigkeit, die diese Aliens eben an sich hatten. Die keine Ahnung hatten was Liebe war. Sie waren nicht gleich. Sie waren niemals auch nur ansatzweise gleich gewesen. Menschen und Aliens vereinte man nicht.
Als Luceija den Kopf wieder zur Seite drehte und hochsah, zu ihm, zu Beyo Vhan...fühlte sie Wut. Einen höllischen Hass. Eine Menge Leid. Und hatte das furchtbar zehrende Bedürfnis jetzt und hier auf ihn los zu gehen. Nun hochzustürmen und ihm zurückzugeben, was er verdient hatte.. .