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Aufstand auf Faranga


I

Leff eilte über die Weide, während er am Horizont bereits das Meer sah, dass sich stetig vor seinem Auge hinauf schob, je näher er dem Abhang kam. Nach einem kurzen, weiteren Spurt erreichte er das Ende, verlangsamte seinen Schritt und schob sich allmählich an den zahlreichen weißen Affodillen und zartrosanen Oleanderbäumen vorbei, die das Sonnenlicht streifenweise hindurch ließen, und trat ins Freie. Unter ihm breitete sich ein Meer aus lilafarbenen Drillingsblumen und rosa leuchtenden Strauchmalven aus. Unweit am unteren Ende des Hangs lag die Hafenstadt von Faranga. Die weißen Häuser wurden in das Licht der Abenddämmerung getaucht und schimmerten golden, blendeten ihn nahezu. „Tut mir Leid, Largo. Ich kann nicht warten“, redete er sich ein. Er zerschlug seine Gedanken an Largo und an sein Vorhaben, dachte an sie, an ihr kupfergoldenes, leicht lockiges Haar, und an ihre Sommersprossen. An sie, die zuhause auf Antigua auf ihn wartete und hoffte, dass er mit dem zurückkehre, was er sucht. Seine Miene wurde finsterer, ehe er sich unter dem Schleier der untergehenden Sonne auf machte, dem schmalen Ziegenpfad hinab zu folgen. Am liebsten hätte er bis zur Dunkelheit gewartet. In Wahrheit war er nervös und wollte keine Minute länger als notwendig in der Stadt und ihrer Umgebung verbringen.
Ein Rascheln zu seiner Linken zog seine Aufmerksamkeit und seinen Blick abseits des Pfades. Das Rascheln wurde lauter und schließlich zu einem brummenden Summen. Leff beschleunigte seinen Schritt bis er schließlich leichtfüßig den Weg weiter hinab lief. Während des Laufens hörte er das immer lauter werdende Brummen aus den Sträuchern zu seiner Linken. Innerhalb eines Wimpernschlages tauchten vor ihm zwei Krallenfalter auf, die sich seiner Anwesenheit bewusst waren und in ihm leichte Beute sahen. Noch im vollem Lauf nutze er seine Geschwindigkeit, drehte sich tänzelnd über die linke Schulter rechts an dem Falter vorbei, griff mit der Rechten zu seinem Dolch, der sich horizontal in der Scheide an seinem Rücken, knapp über dem Gesäß, befand. Er wirbelte um das Tier herum und stieß aus der Bewegung heraus seinen Dolch mit Präzision in den schmalen, schwebenden Körper. Ohne zu zögern griff seine linke Hand zu seinem Schwert, dessen Griff sich hinter seiner rechten Schulter befand. Sein Schwerthieb wurde eins mit der nächsten Linkspirouette und zerteilte den zweiten Falter. Er ließ das Schwert fallen, drehte sich weiter und richtete sich aus; dem Weg hinab. In Erwartung weitere Falter zu sehen, die häufig in Schwärmen anzutreffen sind, lag sein Bogen bereits in der Hand, die Sehne gespannt. Vor Anspannung biss er sich auf die Zähne. Nach einer Weile der Stille, atmete er zum ersten Mal schnaufend durch die Nase aus, dass sich sein Brustkorb sank. Es war still und das einzige was er hörte war sein Herz, das etwa zweimal pro Sekunde schlug. Seine Augen, leicht zusammen gekniffen, fuhren zwischen den Wegrändern hin und her. Einige Drillingsblumen am Wegesrand bewegten sich, raschelten und brachen auf als ein neugierig gewordener Keiler auf den Weg trottete. Die Spannung der Sehne ließ nach, sie peitschte nach vorne und trieb den Pfeil vor sich her. Der Pfeile surrte durch die Luft und durchbohrte die Halsschlagader des unglücklichen Tieres.

II

Mit ausgebreiteten Armen lief sie über den Hof. Hin und wieder fing sie an mit den Armen zu flattern als würde sie gleich abheben. Der Anhänger an ihrer Halskette fiel auf und ab und wurde jedes Mal um ihren kleinen, schmalen Hals geworfen, wenn sie die Richtung änderte. Ein kreisförmiges Medaillon mit regelmäßigen kleinen Zacken, das eine Sonne darstellte. Das Geschenk einer Mutter, die ihr Kind über alles liebte und bei ihrem Anblick und Lächeln jedes Mal an die aufgehende Sonne denken musste. Kleine Sofia, voller Fantasien, voller Lebensfreude. Beide erschienen vor ihm, lachten und riefen seinen Namen. Er lächelte zurück und ging auf sie zu.
„Komm schon, Geliebter“, wurde ihm von seiner Frau zugerufen. Noch immer lächelnd, ging er weiter auf sie zu. Je mehr er versuchte sie zu erreichen, desto weiter entfernten sie sich.
„Wo bleibst du denn, Vater“, rief seine Tochter.
Ein zäher Strom bildete sich auf Knöchelhöhe. Ein Strom, der sich um jeden seiner Schritte wandte und klammerte.
„Geliebter, wo bist du? Wo bist du nur?“
Das Band zwischen Mutter und Kind gilt als eines der stärksten und nur Gewalt vermag dieses zu zerreißen. Plötzlich erschien hinter den beiden eine Stichflamme, die in unregelmäßigen Abständen aufloderte, nahezu explodierte. Das Gesicht der Mutter verformte sich zu einer Fratze. Die blütenweißen Kleider färbten sich rot und mit ihnen der Strom, der zu einer reißenden Flut wurde, die ihn und Sofia davon spülte.
Sorvo riss die Augen auf und schreckte vom Stuhl hoch. Er sah sich hektisch um und fuhr mit seinen Händen durchs lockige, blonde Haar. Seit zehn Jahren nun sieht er diese Bilder. Jedes Mal, wenn er die Augen schließt. Vor zehn Jahren wurde Hanna aus seinem und dem Leben seiner Tochter gerissen. Das einzige was ihm von ihr blieb, ist Sofia und ihr Medaillon, das seit einigen Tagen stets an Glanz verloren hatte. Sorvo legte seine Hand auf die Stirn seiner Tochter, die im Bett vor ihm lag. In dem Moment betrat Redorat die Stube. Er trug eine stechend gelbe Mütze, die halb ins Gesicht gezogen war.
„Bist du soweit“, fragt er leise aber ernst.
„Natürlich.“
„Du hast keinen Grund zur Sorge. Lass mich dir eines versprechen: Du wirst angemessen entlohnt.“
„Ich weiß. Meine Sorge ist aber nicht finanzieller Natur. Euer Plan ist lückenlos?“
Die Mundwinkel von Redorat hoben sich. „Absolut. Es gibt nur ein Problem, das beseitigt werden muss. In einer Stunde dürfte es getan sein.“
Sorvo nickte nur und richtet den Blick wieder auf seine Tochter. „Tut, was ihr tun müsst. Nun geht, ich muss gleich los.“
Nach einem Moment der Stille zog sich Redorat wortlos aus der Stube zurück. Sorvo trat vom Bett seiner Tochter. Ehe er auf leisen Sohlen am Bett vorbei zur Tür ging, durch die Redorat verschwand, warf er ihr einen Blick zu, der einen Hauch von Genugtuung hervor brachte. Sie lag friedlich da und atmete sanft. Ihr rückenlanges Haar war schwarz wie Pech und breitete sich wie einen Fächer über das schneeweiße Kopfkissen aus, bis es unter der Decke verschwand, die durch ihre Arme eng an den Körper gedrückt war. Ihr schmales Gesicht mit dem ebenso schmalen Mund und der spitzen Nase hatte sie offenkundig von ihrem Vater. Einzig allein ihre blasse Gesichtsfarbe und ihre feinen, jungen Gesichtszüge standen im starken Kontrast mit dem kernigen Braun ihres Vaters und seinen ausgeprägten Falten, die im Mundwinkel noch tiefer wurden, während er sich um ein Lächeln bemühte. Als ob sie zu ihm herüber sehe und eine Frage stellte, auf die er keine Antwort hatte. Doch Sofias Augen waren geschlossen. Sie sah nicht zu ihrem Vater herüber, stellte ihm keine Frage und sah ihn nicht an. Nie wieder würde sie ihn ansehen.

III

„Ich bringe Fleisch und Leder“, rief Leff den Torwachen zu, die ihn schon argwöhnisch aus der Entfernung musterten. Der Jäger machte sich nicht die Mühe seinen schweren Schritt anzuhalten, unter dessen die kleinen Kieselsteine auf dem Trampelpfad knirschten. Er wiederholte seinen Satz im Vorbeigehen, während die zwei Wachen, abgestützt auf ihren Speeren, zuerst sich und dann ihm hinterher sahen, den Blick auf das Tier über seinen Schultern fixiert. Das Eingangstor mit seinen massiven Eisenstreben war bereits hoch gelassen, als hätte man ihn erwartet oder sich keine Mühe gemacht es überhaupt tagsüber herunterzulassen. Zielstrebig schritt er hindurch.
Als er aus der schmalen Passage stampfte, entfaltete sich die Hafenstadt nach links und rechts vor seinen Augen. Links die Handwerkerbuden, aus denen Lärm vom Sägen und Hämmern drang. Wohnhäuser weiter den Weg hinauf, den hin und wieder die Einwohner kreuzten. Rechts die Umschlagplätze des Hafens mit ihren Kränen, Kisten, Fässern und Holzpaletten auf denen sich allerhand, teils loses, teils fest gezurrtes Baumaterial für die Landwirtschaft, Holz- und Metallverarbeitung befand. Daneben kleine Käfige zur Tierhaltung, in denen Hühner gackerten und flügelschlagend hin und her sprangen. Der Jäger bahnte sich seinen Weg zwischen den Menschenmengen hindurch, die schwer beladene Karren hinter sich herzogen, schlendernden Müßiggängern, aufgeregten Klatschweibern und stolzierenden Schwerenötern. Durch die Menge hindurch ging er auf des Metzgers Schlachthaus zu. Auf der Schwelle warf er den Keiler von seinen Schultern, links von sich, auf den porösen, sonnengetrockneten Boden. Die Tür stieß auf, verfehlte Leff nur knapp und wirbelte den aufgestiegenen Staub auf. Der Metzger Rodwin platzte heraus. Nicht mal eine Elle vor Leff hielt er an, streckte ihm seinen Kopf entgegen und brüllte: „Aha! Was gejagt, ja“, er zog seine Unterlippe unter die Zähne zurück und wieder vor, leckte sich anschließend über seine Lippen.
„Ein Keiler, ja? Brauch' nicht einmal anzusehen. Hab' es schon vom Weiten gerochen. Kenne meine Schweine am Gang!“
„Dann kennst du auch den Preis“, entgegnete Leff und nickte knapp nach unten zum Tier. Rodwin kniff ein Auge zu, verzog seinen Mund zu einer Grimasse und schnalzte.
„Goldmünzen will er haben. Goldmünzen soll er bekommen.“
Rodwin bückte sich, schwang mit seinem kräftigen Arm das Tier an den Hufen wie eine Puppe über seine Schulter und verschwand ins Haus. Leff stemmte die Arme in die Hüften und blickte sich ungeduldig um. Nach etwa einer Minute kam der Metzger wieder und warf ihm noch in der Bewegung ein zugeschnürtes Säckchen zu, das beim Auffangen schwer klimperte.
„Goldmünzen hat er bekommen.“ Rodwin wusch sich über seine hohe, kahle Stirn und mischte dem Gemenge an seinem Ärmel vom getrockneten Blut, Fett und anderen unbekannten Flüssigkeiten eine gehörige Menge an Schweiß hinzu. Leff verschnürte das Säckchen an seinem Gürtel zur Rechten, nickte dem Metzger dankend zu und verließ den Hof.
Er orientierte sich und setzte seinen Weg auf der Hafenstraße weiter fort. Nach einer Weile, am Ende der Straße, die zu den Ankerplätzen der Schiffe verlief, stand er vor dem Lagerhaus des Hafens. Etwa dreißig Fuß hoch, mit rauen, ungleichmäßig gehauenen Steinen verputzt und mit einigen Mauerankern versehen. Von links nach rechts auf etwa zwanzig Fuß Höhe verlief ein Holzbalken, von dem je im halben rechten Winkel weitere Balken verliefen und die Dachtraufe trugen. Die Vorderseite besaß keine Fenster, das große Holztor, dass mit etwa zwanzig Schritt fast die gesamte Breite des Bauwerks ausmachte, war der einzige Zugang auf dieser Seite. Leff folgte einem, von der Vegetation halb verdeckten, Weg, der links neben der Halle verlief. Er schob seinen Kopf zur Seite und bog die grünen Sträucher der Wilden Pistazie mit ihren kleinen roten Früchten von sich. Im Vorbeigehen schaute er nach oben und erspähte unter dem Gesims ein offenes Fenster. Die örtlichen Einwohner verstanden es, ihr Hab und Gut in verschlossen Truhen und hinter ebenso verschlossenen Türen aufzubewahren. Die örtlichen Architekten hingegen nicht, Fenster mit geschlossenen Läden oder Vergitterungen zu versehen. Der Weg machte einen Knick nach rechts um die Halle. Der Weg wurde zur Linken, gegenüber der Halle, von einer steilen Felswand begrenzt. Der graue, an vereinzelten Stellen über den Weg herausragende Stein wurde von zahlreichen Pflanzen und Sträuchern bedeckt. Diese Seite der Halle bot gleich zwei Fenster, die mittig angelegt wurde. Während Leff seinen Weg fortsetzte, den Blick nach oben gerichtet, fuhr er mit der Hand über die Hauswand, ertastete Unebenheiten, Kanten und schmal herausstehende Steine. Nach einem weiteren Rechtsknick, begleitet von einer kahlen, fensterlosen Hallenwand folgte er dem Weg zurück zu den Anlegeplätzen. Ohne zurück zu blicken entfernte er sich von der Halle und näherte sich der Taverne „Der alte Gnom“, die westlich der Lagerhalle und vor derselben steilem Klippe befand.
Schon vom Weiten hörte er lautes Gelächter, dumpfe Schlaggeräusche, klapperndes Geschirr, dass nahezu rhythmisch von etwas begleitet wurde, das einige für Musik halten würden. Nach einem weiteren Schwall von Gelächter flog die Tür auf, ihr hinter her ein pummeliger Mann, der sich noch zweimal überschlug, ehe er auf dem Rücken liegen blieb. Geblendet von der Sonne kniff er die Augen zusammen und hielt die Hand vor sein geschwollenes, blaues Gesicht. Er blickte nach oben und sah dunkelbraune, glatt bis zum Hals herunterhängende Haare, einen gleichmäßigen, kurzen Bart der übers Kinn und Mund von einem Ohr zum anderen verlief. Mit dem Blick gegen die Sonne gerichtet erschienen seine Augen unter den buschigen Augenbrauen fast schwarz. Unter dem linken Auge verlief nahezu parallel zur schmalen Nase eine Narbe, die erst auf der oberen Lippe endete und den Bart trennte. Der am Boden liegende Mann hustete Leff entgegen, der anschließend seine Brauen hob und den Blick zur Tür wandte. Ein Riese trat heraus. Er trug schwarze Stiefel, eine graue Leinenhose, darüber ein halb aufgeknöpftes, grün gestreiftes Hemd, dass seine schwarze, dichte Brustbehaarung entblößte. Die Arme hingen weit, als trage er an jedem einen Eimer voll Wasser. Sein Gesicht war kantig, das Kinn kräftig und breit. Zwischen seinem breiten Mund und der Hakennase mit den weiten Nasenflügeln, trug er einen pechschwarzen Schnurrbart der jeweils bis zu seinen tief heruntergezogenen, aber breiten Wangenknochen reichte. Seine Haare waren an den Seiten auf wenige Millimeter geschoren, oben fielen die Haare nach hinten zurück und waren zu einem Zopf gebunden.
„Troll dich, Halunke“, rief er mit einer rauchigen Stimme dem Fettwanst zu. „Sehe ich dich hier noch einmal, sei es nur im Umkreis von ein paar Schritten, werde ich dich an deinem Fett durch die Straßen ziehen.“ Leff stieg über den sich zu seinen Füßen windenden Körper und ging auf den Kraftprotz zu. „Was muss ich tun, damit mich nicht das gleiche Schicksal ereilt?“
„Deine Zeche zahlen. Kannst du das?“
„Kann ich.“
Nach einer Weile grimmigen Blickes, lachte der Riese mit Mal lauthals mit zurück gerissenen Kopf. Er klopfte dem Jäger auf die Schulter. „Komm, komm! Du siehst durstig aus. Und wie abgemagert du bist. Trink und iss etwas.“ Er schob Leff in die Schenke, schritt dann an ihm geradeaus in Richtung Theke vorbei.
Die Schenke war verraucht. Blaugrüner Dunst hob sich vom Tabak und Sumpfkraut und legte sich wie eine weiche Daunendecke über die Köpfe der Gäste, die rauchend, trinken und laut spielend an den niedrigen Holztischen saßen. Spärlich schien das Licht durch die geschlossenen Fensterläden und schnitt durch den nebelartigen Dunst. Staub, von auf den Tischen geknallten Bierhumpen, wirbelte auf und tanzte deutlich sichtbar um die knapp einfallenden Lichtkegel, ehe er in den blaugrünen Rauch verschwand. Nur der Teufel wusste, was Leff und die übrigen Gäste außerdem mit jedem Atemzug in die Lungen pumpten. Die Stimmung war trotz der kurzen Störung, die nur allzu schnell verjagt wurde, ausgelassen und jeder schien sich zu amüsieren. Unter anderen Umständen hätte Leff mitnichten einer Partie Söldner, Dame, König ausgeschlagen, die sich dem blauen Nasen der Spieler und der recht toleranten Auslegung der Regeln nach, schon im fortgeschrittenen Stadium befinden musste.
„Was kostet hier ein Zimmer? Ruhig. Ostseite“, fragte Leff den Wirt über die Theke gelehnt.
„Zwanzig. Ruhig, aber Westseite“, murmelte der Riese mit dem Schnurrbart gelangweilt, den Blick gesenkt, während er mit einem schmutziggrauen Tuch in einem Bierkrug hin und her wischte, ihn auf Augenhöhe hob und hin wieder einen Blick hinein warf.
Leff lehnte sich mit dem linken Ellenbogen auf den Tresen, griff nach rechts an seinen Gürtel und warf das Säckchen Gold auf den Tisch. Der Riese, der gerade noch in den Becher starrte, senkte die Augen zur Theke, als das Klirren der Münzen ertönte, den Becher noch immer vor sich haltend.
„Das klingt nicht nach zwanzig Münzen.“
„Nein. Eher einhundert. Ich mag es von der Sonne geweckt zu werden.“
Der Riese knallte den Becher auf den Tresen und fing brüllend an zu lachen. „Von der Sonne mag er geweckt werden! Die Ostseite soll er bekommen!“ Er nahm das Säckchen und stürmte zur Treppe nach oben, wobei er drei Stufen mit einem Schritt nahm. Über Leff rumpelte es von links nach rechts. Staub rieselte von der Decke. Irgendetwas fiel klimpernd zu Boden. Das Rumpeln erklang nun doppelt und unregelmäßig, dieses Mal von rechts nach links. Leff hob seinen Kopf und folgte dem Lärm bis sein Blick zur Treppe fiel. Ein drahtiger Mann, kaum älter als zwanzig Jahre fiel kopfüber die Treppe hin, hielt schützend seine Arme über den Kopf, stieß auf den Boden, überschlug sich rücklinks mit einem lauten Knacken, das entweder eine Holzleiste unter ihm oder einer seiner Knochen hätte sein können, und blieb mit ausgebreiteten Armen liegen. Kaum holte der arme Kerl zum ersten Mal Luft, sprang der Riese die Treppe herunter, griff den Jungen unter die Achseln und warf ihn im ähnlichen Bogen heraus, wie es bereits der Fettwanst erfuhr.
„Die Ostseite, Herr Jäger“, er senkt einen Arm und verbeugte sich, „steht dir nun zur Verfügung.“
Leff holte kurz Luft als wollte er etwas sagen, grinste dann breit, nickte und ging Richtung Treppe.
„Eine Sache noch“, rief der Riese hinterher. „wenn es Probleme gibt, gib mir Bescheid. Mein Name ist Bruno.“
„Danke, Herr Bruno. Ich weiß deine... Bemühungen zu schätzen.“

IV

Sorvo schlenderte mit einem Kameraden durch die oberen Wohnviertel, die westlich über dem Hafenviertel lagen. Beide trugen einen langen, bis zu den Kniekehlen reichenden, blauen Rock mit breitem Saum an den Ärmeln. Unter dem Rock eine weiße Stoffhose, die militärisch akkurat etwa zweifinger breit über den schwarzen Stiefelschaft endete. Nur der Oberkörper wurde durch einen leichten Panzer aus Eisen geschützt, der sich zwar schwer trug, aber wenigstens kaum die Bewegungsfreiheit der Arme und Beine einschränkte. Etwa alle zehn Schritt blieb Sorvo stehen, während sein Kamerad sich von ihm entfernte um die Lichter zur Vorbereitung auf die Nacht entfachte.
Vom Hafen aus kam jemand mit einer auffälligen, gelben Mütze auf die beiden Stadtwachen zu. Sorvo erkannte schon an der schlaksigen Gangart, dass es Redorat war.
„Geh zur Kaserne zurück, Junge. Die restlichen Fackeln kriege ich alleine angezündet. Du bist hiermit abgemeldet und vom restlichen Dienst heute entbunden. Dienstbeginn morgen, wie immer“, sagte Sorvo, den Blick noch auf den weit entfernten Besucher gerichtet. Der Junge knallte die Stiefel zusammen und ging geradeaus Richtung Hafen. Sorvo setze langsam, in dieselbe Richtung fort, entzündete alle zehn Schritt eine weitere Fackel, bis Redorat vor ihm stand. „Die Fackeln gehen heute gut? Keine Probleme“, fragte er Sorvo.
„Alles bestens. Ich werde gleich nochmal eine Runde an der Lagerhalle am Hafen drehen.“
„Ich werde dich zur Sicherheit begleiten. Man sollte nachts nicht alleine patrouillieren.“
Die letzten Sonnenstrahlen schienen schwach über die Anhöhe des Wohnviertels im Westen. Der Schatten legte sich über den Hafen. Das Blau des aufsteigenden Nachthimmels im Osten ließ die hereinbrechende Nacht noch angenehm hell wirken. Trotzdem wurden schon die ersten Sterne am Himmel sichtbar. Sorvo blickte noch einmal zum Wohnviertel hinauf, während nun auch der letzte Sonnenstrahl hinter dem Hügel verschwand und die Stadt in einer schwülen, feuchten Luft zurückließ. Er wandte sich zu Redorat, der sich mit seiner Mütze den Schweiß von der Stirn wusch. Nach einem kurzen wortlosen Moment, machten die beiden sich am Tor zu schaffen. Mit einem Ruck gab das Tor knarrend nach und wurde zur Seite geschoben. Kaum waren sie in der Halle schoben sie das Tor wieder zu. „Der Schulze ist auf unserer Seite. Sollte etwas schief gehen, wird er sein Bestes geben eine Verurteilung abzuwenden. Zumindest den Strick. Oder das Fallbeil.“
„Beides scheint mir angenehmer als bis ans Ende im Kerker zu verrotten“, entgegnete Sorvo misstrauisch.“
„Aller Wahrscheinlichkeit nach“, Redorat wusch sich erneut den Schweiß von der Stirn und ließ die Zähne blitzen, „werden wir diese seine Dienste sowieso nicht beanspruchen. Sobald die Sache beendet ist, wird er eh ersetzt. Ich muss dann ein Versprechen für einen guten Bekannten einlösen, der uns nur unterstützt nachdem ich ihm die Position des Stadtschulzen zu sicherte.“ Redorat spuckte aus.
„Mit barer Münze ist doch heutzutage kaum noch jemand zufrieden. Aber genug davon. Genug von den Sorgen. Werden wir etwas praktisch. Ich gehe davon aus, du hast dich um die Torwachen gekümmert. Wenn alles nach Plan läuft und Rodwin seine Sache gut gemacht hat, dürften Carlos' Leibwachen gerade ihre letzte Mahlzeit zu sich nehmen. Das Fleisch müsste ihnen dermaßen den Magen umdrehen, dass sie binnen weniger Minuten tot sind. Der Zeitpunkt muss passen wie Planken an einem Kiel. Zu früh und es wird ein Gemetzel geben, zu spät und wir haben die gesamte Stadtwache, die nicht bestochen wurde, gegen uns. Es läuft auf das gleiche hinaus. Unsere Leute stehen am Westtor bereit, die obere Kaserne zu infiltrieren. Vom Osttor her kommt Verstärkung. Nur für den Fall. Sobald der Kopf von unserem großzügigen Statthalter rollt, wird der der Rest der Inquisitionstreuen die Waffen niederlegen. Bis auf ein, zwei Helden natürlich.“
„Und was geschieht mit denen, die sich ergeben?“
„Die kommen in den Kerker. Es wäre zu gefährlich sie laufen zu lassen. Man kann ihnen nicht trauen. Wir werden zur gegebener Zeit Befragungen durchführen und herausfinden, wer sich dauerhaft unserer Sache anschließen wird.“
„Und wer sich weigert oder für nicht vertrauenswürdig befunden wird?“
„Sorvo, du weißt...“
„Das sind meine Kameraden“, unterbrach er ihn. „von denen du redest. Wir werden nicht leichtfertig Entscheidungen treffen. Ich weiß, an dem Punkt sind wir noch nicht. Aber ich will das nur vorher klar stellen, Redorat.“
Er setze sich seine gelbe Mütze auf hob beschwichtigend die Hände, rollte mit Augen und warf den Kopf zurück. Sein Gesicht wurde augenblicklich zu Stein, als er auf die Sohlen sah, die über seinen Kopf auf einem Balken balancierten. Sohlen, die zu einer im Schatten verschwommenen, ungenauen Gestalt gehörten. Zur Seite schob sich über den Balken ein dunkler Fleck. Die Augen eines Mannes blitzen hinab blickend auf. Redorats Mund gab der Schwerkraft nach und öffnete sich langsam. In dem Moment, in dem er einen Schrei ausstieß, griff Sorvo zum Schwert und zog es von der linken Hüfte schleifend aus der Scheide, die Gestalt stoß nach vorne, suchte dabei die Balance. Fand sie, steuerte auf eines der Fenster an der Nordseite zu. Sand und Staub rieselte vom Balken. Das Holz knarrte und schien bei jedem Schritt mit zu schwingen.
„Ihm nach“, brüllte Redorat lange und sich die Kehle aus dem Hals.
„Er will zum Fenster! Außen rum!“
Beide stürmten zurück zum Tor, stießen es mit aller Kraft auf, trennten sich. Sorvo bog nach rechts, Redorat nach links. Kurz nachdem Sorvo die Rückseite erreichte, stieß Redorat auf der anderen Seite dazu, beide hoben ihre Köpfe, die Schwerter erwartungsvoll fest in beiden Händen. Ein Fuß setzte auf das Fenstersims und noch ehe die dunkle Gestalt zur Ruhe kam, nahm sie den Schwung mit, stieß sich ab und schleuderte sich explosionsartig gegen die steile, pflanzenbewucherte Felswand. Die Hände suchten erfolgreich nach Halt im Gestrüpp, das unter dem Gewicht leicht nachgab. Die Stiefel scheuerten an der Wand, dass Staub und Stein bröselte und hinab viel. Er verlagerte das Gewicht zur Seite, warf den anderen Arm nach oben zusammen mit dem Fuß und klettere die Wand in einer ununterbrochenen, geschmeidigen Bewegung hinauf. Auf Höhe des Daches stieß er sich blind nach hinten weg, drehte seinen Körper und landete mit der linken Fußspitze auf der Dachkante. Das rechte Bein, noch in der Luft über der Dachkante, holte Schwung und setzte den Körper wie ein Pfeil in Bewegung.
„Wo will er hin?!“
„Er kommt dort nicht herunter!“
Er wetzte über die Dachplatten, die bei jedem seiner Schritte ertönten, und steuerte auf einen Holzkran, dessen Arm im halben rechten Winkel vom Dach wegführte. Etwa zwei Klafter trennten ihn von der Dachkante und dem Krangestell. Ohne an Bewegung zu verlieren lief auf die Kante zu, setzte zum Sprung an und hob an. Wieder flog er durch die Luft, landete am Arm und rutsche fast ab, ehe er Halt fand und auf allen Vieren den Kran hinauf lief. Die Verfolger, gerade um die Hausecke gebogen, brüllten ihm unverständlich hinter her. Am Ende des Krans angelangt, sprang er erneut, breitete seine Arm aus und hob sie anschließend, schloss die Beine und Füße zusammen, und tauchte ins Hafenbecken ein. Sorvo und Redorat liefen zum Kai und schauten erwartungsvoll ins Wasser, dass noch immer sachte Wellen schlug.
„Die Seeungeheuer werden ihn holen", brach Redorat das Schweigen.
„Wollen wir uns darauf verlassen?“
Redorat legte seine Hand auf Sorvos Schulter. „Wir haben keine andere Wahl. Selbst wenn er irgendwo an Land kommen sollte, selbst wenn er alles gehört hat. Er wird nicht viel ausrichten können. Wir haben einfach nicht genug Zeit, diese Variable aus der Gleichung zu streichen. Wir halten uns an den Plan. Ich gehe nun zur Kaserne, sehe nach der Leibgarde und gebe das Signal. Du folgst mir wenig später. Ich könnte in der Not auch dein Schwert gebrauchen.“

V

Leff hob sich aus dem Wasser und kletterte langsam und erschöpft auf die Kaimauer. Als er nach oben sah, blickte er auf silbernen, spitzen Enden zweier Lanzen, die ihn unmittelbar vor das Gesicht gehalten wurden.
„So so, nächtlicher Umtrieb, ja? Vielleicht irgendetwas gestohlen“, rief ihm einer der
Stadtwachen zu.
„Nur ein nächtliches Bad. Ich bin fremd in der Stadt, wohne im Alten Gnom, das zu meinem
Bedauern nicht einmal gut zahlenden Gästen einen Trog mit Wasser zur Verfügung stellt."
„Du bist fest genommen.“
„Weshalb?“
Die Wache deutet zur großen Lagerhalle, mit ihrem offenen Tor. „Wegen Verdacht auf Diebstahl, Fremder!“
Sie erreichten den Gefängnisturm, der direkt auf der Anlage, am nördlichen Ende der Kaserne stand. Seine Mauern bestanden aus groben, einfach gehauenen und dunklen Felsen. Durch die Gitter an den Fenstern schien grelles Licht. Am Fuß des Turms befand sich ein schmaler Torbogen mit einem Fallgatter. Die Rechtsprechung in der Hafenstadt war inkonsistent, eher launisch und gerne übertrieben. Und so sagte man dem Turm nach, dass kaum jemand dieses Monster wieder verlässt. Selbst für Lappalien wie schlechter Nachrede.
Vom Westen, aus den Quartieren, kam Redorat heran.
„Wer ist das und was hat er getan?“, fragte er die Wachen.
„Vermutlich Diebstahl. Wir haben ihn nahe der Lagehalle am Hafen aus dem Becken gefischt.“
„Das habt ihr gut gemacht. Ich kenne diesen Mann. Er ist bereits bekannt. Verdacht wegen Hochverrats.“
Die beiden Wachleute sahen sich mit entsetzter Miene an. Parcival, der größere, kräftigere von beiden rückte seine Haube zurecht. Der im Vergleich zu seinem Kameraden schwächlichere, Corigorn, griff sich in den Nacken. Leff zurrte hinter seinem Rücken an dem straff gezogenen Strick, der seine Handgelenke fixierte. Mit einem zum Flüstern werdenden Ton, befahl Redorat ihn abzuführen. „Bringt ihn hinein. Passt auf ihn auf.“
Als sich die Wachen umdrehten und in Bewegung setzen, hielt Redorat den einen an der Schulter und flüsterte ihm ins Ohr. "Er weiß vielleicht etwas von unserer Sache."
„Dann lassen wir ihn einfach verroten oder murksen ihn ab", flüsterte Parcival.
„Wir können ihn nicht umbringen, weil unsere erste Amtshandlung ein Prozess sein wird.
Fair, natürlich“, lächelte Redortat. „Und wir können ihn nicht verroten lassen weil er vielleicht etwas weiß und nicht der einzige ist. Ich konnte mich der Sache nicht selbst annehmen, aber da ihr beide ihn glücklicherweise aufgegriffen habt, sind wir nun in der Lage zu handeln. Ich gehe kein Risiko ein. Findet heraus was er weiß und wer noch.“ Sein Ton wurde sanfte und mit einem Lächeln sagte er: „Mit den üblichen Mitteln.“ Parcival nickte und folgte seinem Kameraden, der bereits durch das Tor zum Turm trat.
Leff schielte durch die Zellentür zu den Kisten, in denen sie die Sachen der Gefangenen
aufbewahrten, wenn sie sich nicht schon das nahmen was sie selbst wollten oder zur Münze machen konnten. Nicht weit und trotzdem unerreichbar. Er wusste, dass ich er sich etwas einfallen lassen musste, wenn er das Tageslicht wieder sehen wollte.
„He, du!“, rief Parcival ihm zu. „Hände durch das Loch.“
Er zeigte auf eine kleine Öffnung, die sich mittig unter dem vergitterten Fenster der schweren Holztür befand. Erneut wurden ihm Fesseln angelegt, mit einem Knoten, den vermutlich nicht einmal eine Stachelratte hätte durchbeißen können. Die Tür schloss auf, er wurde hinaus gezerrt und den Gang zu seiner Linken entlang geführt. Der Korridor bog nach links und ein Stück weiter, am Ende, befand sich eine große Kammer. An den je drei Wänden ringsherum befanden sich weitere Zellen, von denen zurzeit keine besetzt war. Soweit Leff sehen konnte, zumindest nicht von lebenden Personen. Unter ihm war der Boden komplett vergittert und hatte eine Art Abflusssystem. Wofür konnte er sich denken. Dazu musste man nicht einmal die diversen Werkzeuge sehen, wie sie von Parcival genannt wurden.
Corigorn betrat den Zellenkorridor und schlenderte, mit abwechselnden Blicken nach links
und rechts in die Zellen, an diesen vorbei. Seine Lanze hielt er dabei waagerecht in der rechten Hand, mit der Spitze nach hinten. Im Gegensatz zu seinen Kameraden, war er der einzige, der sie wie einen Speer werfen konnte. Trotz seiner schmächtigen Figur, war er unglaublich zielsicher und man sagte ihm nach, obwohl es keinen Augenzeugen gab, er könne auf einer Entfernung von zwanzig Schritt ein melonengroßes Ziel treffen. Er trug zusätzlich ein Kurzschwert, das wie Bronze neben seiner Uniform schimmerte. Die Hauptwaffe, die Lanze, wurde den Unteroffizieren vorgeschrieben. Zusätzliche Ausrüstung war ihre Entscheidung. Die meisten verzichteten aufgrund des Gewichts an weiteren Waffen.
In seiner Routine ging Corigorn an Leffs Zelle vorbei, und bemerkte erst zwei Schritt später
seine Abwesenheit. Er setzte zurück und sah durch das Türfenster. Ein Schrei ließ seinen Kopf ruckartig und schreckhaft nach rechts fahren, den Korridor weiter entlang. Er folgte ihm. Nach dem Knick blickte er zum Ende. Er sah Leff, in der Mitte der Kammer. Corigorn trat näher und entdeckte Parcival an der rechten Wand, der gerade etwas um seine Handknöchel band.
„Parcival, was geht hier vor“, fragte er mit zittriger Stimme.
„Dieser Mann wurde des Hochverrats beschuldigt und es liegt an mir heraus zu finden, was
er weiß.“
„Er ist seit nicht ganz einer Stunde hier.“
„Umso schlimmer. Wir geben potentiellen Konspirateuren Zeit, je länger wir warten.“
Er beendete sein Werk und sah auf seine ausgestreckten Hände. Dann ging er zu Leff und drehte seinen Kopf zu Corigorn. "Du musst das nicht mit ansehen. Kannst mir aber auch gerne behilflich sein, wenn ich müde werde. Der Hund will offenbar nicht reden."
Leff zuckte kurz. Sein Auge war leicht geschwolen und er hatte mehrere kleiner und einige großflächigere Blutergüsse an seinem nackten Oberkörper.
„Du hast mir noch nicht eine Frage gestellt. Seit ich hier hänge, prügelst du auf mich ein, du Hurensohn“, sagte er in einem ruhigen Tonfall.
Parcival dreht sich zu ihm, grinste und schüttelte leicht den Kopf. "Ganz dünnes Eis, mein Freund." Ohne weitere Vorwarnung holte er aus und schlug zu. Die Rechte traf seinen Kiefer, gefolgt von einem linken Haken in die Niere. Der rechte Aufwärtshaken zum Kinn beendete die schnelle Kombination. Leff stöhnte kurz und spuckte sein Blut ins Gesicht des Schlägers. Ohne zu zögern schlug er erneut mit der linken zu. Leffs Lippe platze auf und Blut flog im Bogen durch den Raum. Corigorn stand versteinert da. Parcival packte Leff an den Haaren und zog seinen Kopf zurück.
„Gut, ich stelle meine Fragen. Wer weiß noch von dem Vorhaben?“
„Welchem Vorhaben?“
Parcival grinste. „Clever, du willst dass ich dir etwas erzähle.“
„Nein. Ich will das du klar redest.“
„Dann eben anders. Was hast du getan, als wir dich am Hafen aufgriffen? Und wenn du mir sagst du warst nur schwimmen, verpass ich dir eine. Das kann sich sehen lassen.“
„Ich war in der Lagerhalle.“
„Aha! Also hast du doch gestohlen!“
„Wollte stehlen. Kam aber nicht dazu. Zwei Leute waren auch dort. Der eine von der Wache,
vermutlich, und der andere nicht. Habe sie nicht erkannt, es war zu dunkel. Sie haben mich aber gesehen. Ich musste alles stehen und liegen lassen. Bin ihnen entwischt und ins Wasser gesprungen. Den Rest kennst du.“
Parcival starrte ihn einen Moment an. „Mit mal so redlich?“
„So wie ich das sehe, folterst du mich solange, bis ich dir sage, was du hören willst. Ich
dachte es kann zumindest nicht schaden, mit der Wahrheit anzufangen ehe wir zu den Märchen übergehen, die du so gerne hören willst.“ Er spuckte zur Seite aus, an Parcival vorbei.
„Das ist nicht richtig“, betonte er jedes einzelne Wort.
„Corigorn, geh einfach. Ich glaube ihm kein Wort. Wir können uns keine Nachlässigkeit
erlauben. Geh einfach zurück in die Quartiere und lass mich hier meine Arbeit machen."
"Parcival", fing er an, doch ehe er weiter reden konnte dreht sich sein Kamerad ruckartig zu
ihm um und schaut herab und sagte jedes Wort langsam. "Corigorn, geh jetzt. Los."
Corigorn schluckte und machte kehrt. Leff sah ihm hinter her, doch er drehte sich nicht um. Bis er schließlich am Ende um die Ecke bog.
"Hörst du, ich glaube dir kein Wort. Was weißt du wirklich über die Pläne gegen unseren
Statthalter, Fremder!"
"Welchen? Carlos oder Redorat?"
Parcival zuckte kurz nach hinten, sichtlich überrascht. "Redorat ist nicht Statthalter", sagte er unsicher.
"Wäre er aber gerne. Wäre er schon vor zehn Jahren geworden. Ich frage mich, was da nur so lange dauert mit euch."
Parcival fluchte innerlich. "Ich wusste doch, dass du nicht die Wahrheit sprichst."
"Ich habe nicht gelogen. Ich habe die zwei Gestalten nicht erkannt. Aber ich kann eins und
eins zusammen zählen. Als ich floh und ihr mich fest genommen hattet, fand ich noch nichts Außergewöhnliches. Aber als draußen, auf der Anlage, Redorat auf uns zu kam und mich des Verrats beschuldigte, nachdem ihr ihm erzähltet wo ihr mich gefunden hattet und du mich nach einem Vorhaben fragtest, war mir so einiges klar. Man muss keine Leuchte sein, wenn man vorher in der Halle etwas über finstere Pläne hört und anschließend so bearbeitet wird. Mich wundert eher, wie ein Schurke wie Redorat immer noch im Amt sein kann. Und wenn solche Leute nicht hier an meiner Stelle hängen oder wenigstens in der Zelle dort drüben, sagt mir das eigentlich nur, dass sich in den zehn Jahren nichts geändert hat und eure Stadt nach wie vor nach Korruption stinkt."
"Du scheinst mir ausgesprochen gut über die Geschickte dieser Stadt Bescheid zu wissen."
Er entfernte sich von Leff und ging zurück an den Tisch und legte die blutigen Lederriemen ab, die seine Knöchel bedeckten. Leff hörte mit mal ein Auflodern zu seiner linken. Parcival war dabei einen Dolch im Ofen zu erhitzen.

VI

Sorvo ging die Straße hinauf und passierte das Tor zur Außenanlage der Kaserne. Sein Blick
fuhr das Terrain ab und suchte nach Redorat. Der stand auf einen der Balkone, über den Quartieren, winkte ihn herbei und verschwand nach drinnen. Als Sorvo sich in Bewegung setzte, kam ein Hänfling aus dem Turm im Osten hergelaufen. Sorvo hielt an und wartete ungeduldig.
"Herr Offizier! Herr Sorvo!", rief der Junge. Sorvos Miene war finster, die Mundwinkel nach
unten gezogen. Unter den Augenbrauen blickte er zu den Jungen, ohne seinen Kopf zu drehen.
"Was ist los?", fragte er genervt.
"Wache Parcival, er ist unten mit einem Gefangenen. Ich glaube ihn erwartet kein fairer
Prozess. Sie sind doch Befehlshaber, sie müssen etwas tun. Parcival aufhalten, sonst bringt er ihn um."
"Wer ist der Gefangene?"
"Das wissen wir nicht. Parcival stellt ihn nicht einmal Fragen. Wir wissen nur, dass er wegen Verrats beschuldigt wird."
"Verrat?", fragte Sorvo ehrlich besorgt. Er dachte nach und ging sofort im Geiste durch, wer
von den Leuten hätte auffliegen können.
"Ja, Meister Redorat bestätigte die Anschuldigung."
"Redorat?" Sorvos Augenbrauen hebten sich. Wenn Redorat das behauptet, kann es keiner
von uns sein, es sei denn, er spielt sein eigenes Spiel, dachte sich sich Sorvo.
"Corigorn, ich habe leider keine Zeit mich um die Angelegenheit zu kümmern. Ich werde
Meister Redorat aufsuchen. Geh du zurück und bring Parcival zur Vernunft." Schon dabei einen Schritt zu machen, hielt Corigorn ihn an.
"Herr", sagte er eindringlich. "Sieh mich an. Parcival wird nicht auf mich hören. Ansonsten
wäre ich nicht hier draußen. Wir können doch so etwas nicht zu lassen. Jeder verdient einen Prozess vor Gericht, oder? Wir achten das Gesetz. Wenn jeder von uns es ausnutzen würde... es wäre Chaos."
Sorvo wusste, dass Corigorn eindeutig auf der Liste der Unbestechlichen stand. Er wusste
nichts. Er war ein guter Junge. Einen Moment dachte Sorvo darüber nach, wie er dieses Problem umgehen konnte. Doch der Blick des Jungen, der Blick der strahlenden blauen Augen, die unter den buschigen blonden Augenbrauen lagen, ließen etwas in Sorvo erwärmen. Eine alte Flamme, die vor vielen Jahren für Recht und Ordnung kämpfte. Gegen Korruption, dieser, der er nun selbst verfallen war. Alleine könne er den Lauf der Dinge eh nicht mehr ändern. Seine Gedanken schweiften ab, fielen auf seine Tochter. Seine Ehefrau. Ihr Tod, den in Sorvos Augen die nicht fähige Justiz unter Carlos' Führung zu verantworten hat. Er erkannte, dass sich mit Redorat als neuer Statthalter nichts ändern würde. Doch darum ging es ihn gar nicht mehr, wenn er ehrlich zu sich war. Ihm ging es um Rache. Rache wegen des Gemetzels von vor zehn Jahren, hervorgebracht durch die Unfähigkeit der Stadtwache und Justiz in Angelegenheiten der Aufstandsbekämpfung.
"Verschwinde aus der Stadt, Corigorn. Noch unverzüglich. Aber nicht die Stadttore im
Westen und Osten. Nimm einen der Fluchtwege. Frag nicht. Verschwinde."
Der Junge nickte und lief ins Hauptgebäude, das am nordlichen Ende der Anlage lag. Sorvo maschierte zum mächtigen Gefängnisturm. Entgegen so mancher Erwartung lagen die Zellen nicht im Turm direkt, dieser bot Räumlichkeiten für die Wachen einer Schicht, sondern unterhalb des Turms, in einem Komplex, der unter der gesamten Kasernenanlage verlief. Als er das Tor passierte, folgte er eine steinige Wendeltreppe hinab. Die Luft war unglaublich feucht, die Wände glänzten leicht und das Licht der Fackeln reflektierte sich dort. Am Ende der Treppe und an einer Gabelung angekommen, hielt Sorvo etwas ratlos an. Ein Aufschrei, der durch die Gänge drang, verriet ihm die Richtung. Er stürtze nach links, folgte dem endlosen Korridor, wetzte an den Zellen vorbei, nahm Abzweigungen so scharf und schnell wie möglich. Er pustete und bemerkte, dass seine Kondition schon lange nicht mehr die beste war. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Die Luft konnte nicht noch mehr Feuchtigkeit aufnehmen und so verhinderte die hohe Luftfeuchtigkeit das Verdampfen. Nach dem kurzen Lauf war seine Uniform in Schweiß getränkt. Er verlangsamte seinen Lauf, hörte einen erneuten Schrei und beschleunigte wieder. Keuchend. Erschöpft. Ein letztes Mal bog er um eine Ecke nach links und sah in der Ferne Parcival der vor Leff stand.
"Parcival!", schrie Sorvo ihn an. Er dreht wandte sich ab von Leff. Sorvo ging langsam auf
ihn zu, die Hand ermahnend ausgestreckt. "Ich befehle von diesem Mann abzulassen!"
"Herr Sorvo, dieser Mann wurde beschuldigt", noch ehe er Aussprach unterbrach er ihn.
"Ich kenne die Anschuldigung. Der Prozess wird ihm aber nicht hier gemacht. Du bist weder
Richter noch Henker!", presste er wütend heraus.
"Ich wollte nicht, dass es soweit kommt, Herr Sorvo. Dieser Mann muss jedoch sterben.
Deine Worte haben praktisch kein Gewicht mehr."
"Was redest du da? Ich bin Hauptmann der Stadtwache und befehle dir, den Dolch fallen zu lassen."
Er hielt mit der Linken die Scheide seines Schwertes, mit der Rechten seinen Griff.
"Du wirst einer der ersten sein, deren Köpfe rollen, nachdem Carlos' seiner gepfählt wurde!
Leichtgläubiger Schlucker. Sieh dich doch mal an. Glaube mir, der Tod wird für dich eine Erlösung sein. Du bist so erschöpft, dass du kaum noch dein Schwert halten kannst."
"Doch, das geht noch", sagte Sorvo zog sein Kurzschwert und stürmte nach vorne. Parcival
ging in die Knie, stemmte sich kräftig gegen den Grund, gespannt wie ein Bogen. Seine Augen blitzen auf. Er fühlte sich im Vorteil. Parcival irrte sich nie in Kämpfen und konnte hervorragend mit Kurzwaffen umgehen. Kurz bevor Sorvo in Reichweite war, stießt er vom Boden ab, weg von Parivals Dolch, der nach vorne schnellte, machte einen Satz nach rechts. Noch im Sprung blitze seine Klinge auf. Parcival irrte sich. Sie sank schnell und präzise in den Hals von Parcival und entfernte sich wieder noch ehe Sorvo wieder auf den Füßen landete. Nach einer Landung folgte eine Pirouette. Wie immer. Wie nach Lehrbuch. Er hielt sein Schwert in waagerecht vor seinen Kopf. Parcival hielt sich seinen Hals, sackte zusammen und zuckte. Das Blut schoss aus der Ader, lief über seine Hände, hinunter den Abfluss, der sonst nur von dem Blut der Gefangenen getränkt wurde. Er gurgelte, ächzte und zappelte. Sorvo senkte sein Schwert, macht einen Schritt vorwärts und stieß den Dolch weg, stellte sich vor Parcival der immer noch zuckend vor Leff lag. Die Augen des Sterbenden fixierten Sorvo. Dieser macht sich nicht die Mühe den Kopf zu senken, erwiderte nur mit den Augen seinen Blick. Sein Schwert ließ er locker in der Hand neben seinen Bein hängen. Mit dem Stiefel drückte er die Hand vom Hals weg. Erneut schoss es aus dem Hals.
"Sieht übel aus, Parcival."
Das waren die letzten Worte, die der Hühne in seinem Leben wahrnahm.
"Gut gemacht, alter Mann", warf Leff ihm entgegen.
"Leff?! Was zum Teufel?"
"Ich dachte mir, ich überrasche dich mal. Wenn ich aber ehrlich bin, bin ich ebenso überrascht."
Sorvo kappte das Seil und löste anschließend die Fesseln.
"Du hattest Glück. Du warst zwar mit deinem Sprung außer Reichweite seines Dolches, aber
jeder vernünftige Kämpfer wäre zurück gewichen und hätte angegriffen sobald deine Füße den Boden berühren. Deine Pirouette war richtig, aber zu langsam. Du bist alt geworden, Sorvo."
Er rümpfte die Nase. Versuchte langsam und ruhig zu atmen, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl er innerlich pumpte. "Und du siehst aus wie Dreck." Lass uns von hier verschwinden.
"Nicht ohne mein Hab und Gut. Ich pack zusammen und du erklärst mir, was hier eigentlich
läuft. Das Redorat Statthalter werden will, kannst du überspringen. Das Kapitel kenne ich. Ist nicht neu." Zurück vor seiner Zelle macht er sich an der Truhe zu schaffen und holte seinen Kram hervor. "Carlos soll gestürtzt werden. Noch in der nächsten halben Stunde."
"Das ist schlecht. Hier wird die Hölle los sein", antwortete Leff, der sich seine Stiefel anzog
und die Riemen fest zog. "Was willst du dagegen tun?"
"Nichts", Sorvo senkt seinen Blick.
"Also warst du der andere, mit Redorat, im Lager."
Sorvo hob seinen Kopf ruckartig. "Ja, du hast Recht. Du scheinst mich aber nicht zu verurteilen? Aber es stimmt. Ich unterstütze den Coup d'État. Ich wollte, dass sich etwas ändert."
"Dann hast du dir damit aber mächtig Zeit gelassen", er griff zu seinem Unterhemd und Lederharnisch.
"Was weißt du denn schon. Du bist vor zehn Jahren einfach abgehauen. Ich will gar nicht
wissen warum. Viel spannender finde ich die Frage, was du hier machst?"
"Nur eine kleine Schnitzeljagd."
"Verarsch mich nicht."
"Wirklich. Es gibt hier etwas, das ich gut gebrauchen könnte." Beide schwiegen.
"Du glaubst aber nicht im ernst, dass sich mit Redorat etwas ändert?"
"Nein. Aber Carlos... Leff, Sofia ist krank. Der Heiler redet von einem selten Fieber, dessen
Behandlung teuer ist. Sie boten mir Geld und ich sagte zu. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Es schien mir passend."
"Ja, sehr passend. Bist du mal darauf gekommen, dass sie vergiftet wurde?"
„Unsinn. Du kommst immer auf die absurdesten Sachen. Der Heiler fand keine Spuren von Gift.“
„Und dieser Heiler ist…“
„Verlässlich. Und ein guter Freund.“
„Und zufällig auch mit der aktuellen Situation in der Hafenstadt ebenso unzufrieden?“
„Worauf willst du hinaus. Sprich.“
„Darauf, dass ich kein Arzt sein muss um deiner Tochter alle möglichen Krankheiten zu
unterstellen, nur nicht, dass sie vergiftet wurde. Zumindest nicht, wenn ich zu den Konspirateuren gehöre und das alles ist, was es erfordert um dich zum Umtrieb anzustiften. Nämlich mehr Gold zu verlangen als deine Mittel es zulassen.“
Seine Worte vibrierten im Raum wider. Eindringlich nahm Sorvo sie wahr und während er noch glaubte seine Emotionen unterdrücken zu können, zeigte sich seine Wut schon mit aller Deutlichkeit in seinem Gesicht. Die Lippen zusammen gepresst, die Augenlieder weit geöffnet und die Brauen zur Mitte gezogen. Man musste kein ausgesprochen guter Menschenkenner sein um zu sehen, dass die darauf folgenden Worte einer schauspielerischen Darbietung glichen.
„Du hast keine Beweise, nehme ich an?“
„Natürlich nicht. Aber ich sage nur, was ich denke. Für gewöhnlich habe ich Recht. Und du warst noch nie der Hellste.“
„Pass auf was du sagst. Es geht um meine Tochter“, stieß er wütend aus.
„Ich weiß. Genau deshalb sage ich, was ich denke.“
Ein Knall unterbrach die Unterhaltung. Der Boden der Anlage über ihnen bebte. Ein Grollen fuhr durch den Komplex.
„Es geht los.“
„Nun gut. Dann lass uns die bösen Jungs aufhalten und deine Tochter kurieren.“
„Es sind zu viele, Leff. Mehr als zwei Drittel der Wachen sind bestochen. Sie werden die
Anlage stürmen und Carlos aufknüpfen oder enthaupten.“
„Dann sollten wir ihn warnen und hier heraus schaffen. Dann kann er sich zusammen mit
dem Rest in den Wald zurückziehen und einen Gegenaufstand planen, sich seine Stadt zurückholen. Nicht, das mich diese marode Stadt interessiert. Aber es müssen keine unschuldigen sterben. Wenn du ein Problem mit Carlos hast, dann kläre das selbst mit ihn. Aber lass alle anderen aus dem Spiel."
Leff hatte sich endlich komplett ausgestattet. Die Rüstung saß eng und der Schmerz nervte ihn.
„Geht es?“, fragte Sorvo.
„Muss. Wir haben keine Zeit. Um meine Wunden kümmere ich mich später.“
Sie liefen los, geradewegs zum Ausgang. Sorvo blieb etwas zurück und fing wieder an zu pusten. Sie erreichten schnell das Tor des Turms und standen auf dem Platz. Einige Wachen wurden von den Knall wach und orientierten sich draußen.
„Sorvo, das sind deine Leute. Klär sie kurz auf und flieh mit ihnen. Ich suche Carlos und warne ihn.“
Ehe er antworten konnte, verschwand Leff in Richtung Norden, zum Hauptgebäude.
„Du“, brüllte der Hauptmann einem seiner Leute zu. „Wecke alle anderen und kommt auf
der Stelle heraus, ohne Formation. Dafür ist keine Zeit. Leute“, er wandte sich nun dem Rest zu, die noch sichtlich irritiert auf dem Platz standen. „Wir werden jeden Augenblick angegriffen. Vom Westtor kommen eure Kameraden und wollen Carlos' Kopf. Am Osttor steht Verstärkung um Flüchtlingen den Weg abzuschneiden. Das sind eure Kameraden, aber sie wurden bestochen und bekehrt. Sie werden jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt. Unser Truppenkörper wird ausweichen, uns im Wald taktisch neu formieren und zur gegebenen Zeit zurückschlagen. Fürs Erste aber hinunter in den Turm. Stabsunteroffizier Roland, du kennst den Fluchtweg durch den Komplex nach Norden zur Lichtung im Wald. Du führst die Marschsicherung an. Ich bilde die Nachhut.“ Der Stabsunteroffizier nickte und lief voraus. Der Rest folgte ihm dicht zum Turm. Vom Süden her donnerte es. Der gesamte Trupp der Rebellierenden preschte mit bereiten Waffen auf den Platz, in deren Mitte noch immer Sorvo stand.
„Zum Hauptgebäude! Sie haben sich dort zurückgezogen!“, rief er den unzähligen Soldaten
zu. Mir egal, ob du Carlos raus geschafft hast oder nicht, Leff. Ich hoffe nur, dass du schon über alle Berge bist, dachte er sich. Der Trupp donnerte links und rechts an ihm vorbei, wie die Brandung an Felsen. Waffen und Rüstungen klirrten, Stiefel stampften und wirbelten Dreck auf. Redorat kam aus den den Quartieren.
„Was zum“, rief er zu Sorvo. „Wo sind die Wachen aus den Quartieren?“
„Auf und davon. Mach mir Carlos was du willst. Aber meine Männer werden leben.“
„Du“, fing er an, doch Sorvo ließ in nicht ausreden. „Ich stehe doch sowieso auf deiner Abschussliste. Parcival hat mir ein paar Takte erzählt. Ich bin zwar nicht der Hellste, aber Leff hatte den einen oder anderen interessanten Punkt.“
„Leff... dieser Scheißkerl. Und dem glaubst du? Ich frage mich, wie du überhaupt
Hauptmann wurdest. Was meinst du, warum er vor zehn Jahren verschwand? Ich wollte ihn schon damals auf meiner Seite haben. Mit seinem Schwert und Bogen ist er genauso schnell wie mit seinem Verstand. Der Mistkerl hat sich aber geweigert. Und jetzt frage ich dich, hat er dich gewarnt? Hat er deine Familie gewarnt? Er wusste was passiert. Hat aber nur an seine eigene Haut gedacht. Und jetzt taucht er hier auf, weiß der Teufel warum, erzählt dir Geschichten und du fängst sofort an unseren Plan zu sabotieren."
„Das glaube ich nicht!“
„Hat er dir denn gesagt, warum er Faranga verlassen hat?“
„Das hat er nicht.“ Seine Augen fuhren wild umher. Krampfhaft versuchte sein Kopf zu verarbeiten.
„Dann würde ich ihn suchen und fragen, mein lieber Sorvo.“
Redorat ging langsam und bedacht auf ihn zu.
„Was Parcival da sagte war unwahr. Du bist ein fähiger Mann und jemanden wie dich kann
man immer gebrauchen. Du bist alt, dein Verstand nicht mehr schnellste. Aber du kannst kämpfen. Du kannst Leute anführen. Wenn du befiehlst, hören die Leute zu und stehen hinter dir.“ Redorat trat näher. Sorvo wandte seinen Blick ab zum Hauptgebäude. Der Mond scheint hell über den Platz und erhellte ihn. Von drinnen rumpelte es. Der marodierende Trupp durchkämmte hörbar jedes Zimmer. Sorvo wartet nur darauf einen Schrei oder ähnlichen Beweis zu hören, der für die Ergreifung von Carlos oder Leff spricht. Eine Klinge glänzte und blitzte im Mondschein. Sorvo sah es nicht. Durch die Luft sauste ein weiterer Blitz, der wie weißes Licht durch die Luft schnitt. Der Blitz traff Redorat mit voller Wucht, durchbohrte seinen Rücken, seine Brust und ragte heraus. Eine Lanze, wie sie Unteroffiziere verwenden. Redorat schrief auf und krümmte sich nach hinten, ließ dabei den Dolch fallen, der im Staub zu seinen Füßen landete. Sorvo machte einen halben Schritt zurück und suchte sofort die Mauern der Anlage ab. Corigorn winkte ihm zu. Er stand etwa fünfunddreißig Schritt entfernt auf der Westmauer, über den Quartieren. Redorat sackte zu Boden. „Nein. Nein. Was ist passiert?“
„Dieses Mal wird es kein Gemetzel geben, Redorat. Aber einer Sache muss ich auf den
Grund gehen.“



VII

„Carlos, du musst verschwinden. Ein Großteil deiner Leute ist auf den Weg zu dir und ich habe
das Gefühl, dass sie etwas aufgebracht sind.“
Er wandte sich von Leff ab. Während er grübelte, wurden seine Falten tiefer, als er seine grauen Augenbrauen nach unten zog.
„Dein Hauptmann Sorvo sorgt gerade dafür, dass die Soldaten, die die treu geblieben sind,
unbehelligt davon kommen. Zieh du dich auch zurück, formiere dich mit deinen Anhängern neu und schlag zurück. Soll Redorat doch den Posten einnehmen. Noch ehe er sich und alle anderen neu organisiert hat, schlagt ihr zurück. Die Soldaten sind Marionetten. Sie laufen jedem nach, der genug Gold bietet und ein paar clevere Worte wählt. Wenn Redorat aus dem Weg geräumt ist, haben sie niemanden mehr, der sie bezahlt.“
„Und was ist, wenn sie einen neuen Emporkömmling hervorbringen? Oder sie wissen, dass
sie alle des Verrats angeklagt und hängen werden und deshalb einfach weiter kämpfen? Nicht für Münze, sondern um ihr Leben?“
„Darüber können wir uns später Gedanken machen. Wichtig ist, dass du verschwindest. Ich
kenne eure ganzen Geheimgänge nicht, daher überlasse ich dir das. Ich werde so lange für etwas Ablenkung sorgen.“
„Leff, eine Frage“, sagte Carlos besorgt. „Wie kam es soweit?“
„Aus denselben Gründen, weshalb es beinahe schon mal passierte. Offensichtlich hast du all
die Jahre nur Däumchen gedreht. So konsequent wie du und deine Leute bei der Verurteilung von Unschuldigen oder Kleinstdelikten seid, so inkonsequent bist du bei der Bestrafung deiner eigenen Leute. Mir ist es egal, wer über dieses Loch regiert. Ihr habt Glück, dass Faranga nahezu außerhalb des Einflusses der Inquisition liegt. Noch. Früher oder später wird der Statthalter auch nur eine Marionette sein. Oder die Söldner im Sumpf reißen sich irgendwann die Stadt unter den Nagel. Ich war nur auf Durchreise und wollte eine Gelegenheit wahrnehmen. Allerdings werde ich nicht zulassen, dass Leute abgeschlachtet werden. Nicht dieses Mal. Also setz deinen alten Arsch in Bewegung. Lebe wohl.“
Ohne auf eine Reaktion zu warten verlies Leff den Raum. Draußen hörte er ein Grollen, dass
man für ein Gewitter hätte halten können. Er aber wusste, was da in Wahrheit auf das Gebäude zukam. Er rannte auf die Balustrade in der Eingangshalle, von der er einen Blick auf das Hauptor hatte. Das Tor gab unter dem Gewicht der Leute nach und der Trupp stieß in die Halle. Wie Bienen teilten sie sofort und selbstständig auf, durchkämmten alle Zimmer des unteren Geschoss. Eine Gruppe stürmte die Treppe hinauf und erblickten Leff. Ohne seine Person oder Anwesenheit zu hinterfragen stürmten sie auf ihn zu. Nur ein Teil würde ihm folgen, dachte er sich. Also musste er die Sache wert machen. Er wartete auf die ersten drei, die nebeneinander die Treppe hinauf stolperte. Seine Rechte zog das Schwert vom Rücken, während seine Linke gleichzeitig zur Hüfte griff und dem einen ein Wurfmesser in den Schenkel warf. Er warf sich vor Schmerz zurück und fiel seinen nachfolgenden Kameraden entgegen. Dem zweiten stieß er mit einer Drehung das Bein weg. Beim Aufrichten zog er mit dem Schwert auf Armhöhe nach rechts und durchdrennte den Bizeps des dritten Soldaten, der seine Parade verpasste.
„Ihr werdet Carlos nie erreichen“, rief er der aufgebrachten Meute entgegen, lief an Carlos
Zimmer vorbei, rüber zu anderen Seite der Balustrade und verschwand in einem weiteren Zimmer. Ohne das Hauptzimmer zu prüfen, liefen die wütenden Soldaten vorbei und folgten Leff. Noch ehe seine Verfolger das Zimmer erreichten, setzte er zum Sprung an flog aus dem Südfenster Richtung Kasernenplatz. Seine Stiefel trafen den Boden, er stürzte sich nach vorne, zog den rechten Arm mit Kopf zur Brust und rollte sich über die rechte Schulter und Rücken ab, hielt sein Momentum, rannte weiter. Er sah Redorat, der wie ein Sack auf dem Boden lag. Sorvo stand vor ihm und dreht sich zum heranrennenden Jäger.
„Carlos dürfte in Sicherheit sein“, sagte er.
„Leff“, antwortete er mit abgewandten Blick. „du wusstest damals von dem Aufstand.“
Er hob seine Brauen, fuhr mit einer Hand durch seine langen Haare und strich sie nach hinten.
„Das ist wahr. Ich wusste davon. Und ich entschied mich, mich nicht einzumischen. Diese
Stadt war nicht mehr zu retten.“
„Aber meine Frau!“, stieß Sorvo hervor. „Du hättest uns wenigstens warnen können!“
„Was“, fragte er ungläubig.
„Hanna ist damals gestorben“, sagte er wutentbrannt, zitternd und spuckte dabei Speichel aus.
„Auf den Straßen war die Hölle los. Sie war noch unterwegs. Ich hätte sie noch erreicht. Sie
beschützen können. Stattdessen fand ich sie, als alles vorbei war. Weißt du wie sie da lag? Ihr schneeweißes Kleid blutgetränkt. Genauso. All die Jahre habe ich mir die Schuld gegeben. Dabei konnte ich gar nichts machen. Du jedoch, hast dich wie ein Feigling verpisst!“
„Ich wusste nicht, dass sie auf die Bürger losgehen würden.“, sprach er ruhig.
„Ach nein? Du bist doch sonst so clever. Weißt immer alles besser. Siehst und ahnst Dinge,
bist allem und jeden einen Schritt voraus.“
„Ich kann nicht hellsehen. Ich ziehe nur meine Schlüsse. Es gab damals aber keine
Anzeichen. Das ganze lief aus dem Ruder. Es war unberechenbar."
„Sag nichts weiter. Seit heute Nacht versucht jeder mir irgendetwas einzureden. Ich habe es
satt für dumm verkauft zu werden. Ein Wort, Leff. Ein verdammtes Wort damals hätte dich nicht umgebracht. Dazu muss es keine Anzeichen geben. Nur ein Wort.“
Sorvo zog sein Schwert. "Leff, ich mache dich für den Tod von Hanna verantwortlich.“
„Du machst dich lächerlich, Sorvo. Bis eben wolltest du noch Carlos' Tod. Ihn hast du doch
ursprünglich dafür verantwortlich gemacht. Nicht wahr? Und damit hattest du sogar Recht. Nachdem er den Coup d'État abwenden konnte, befiehlte er seinen Treuen die Straßen von Verdächtigen zu säubern. Und die hielten sich natürlich nicht zurück. Als ich das bemerkte, war es bereits zu spät. Ich hatte nur gehofft, dass es dir und deiner Familie gut geht.“
„Das hat aber nicht gereicht. Hast du auch nur irgendwann mal nach uns gesehen? Nein.
Nicht eine Nachricht habe ich von dir erhalten. Jetzt zieh dein Schwert. Lass es uns hier beenden.“
„Sorvo, du wirst verlieren.“
„Sei nicht so überheblich, du bist immer noch verletzt.“
„Ich habe dich gesehen. Du pfeifst aus allen Löchern, sobald du hundert Schritt laufen musst.
Wie stellst du dir vor auch nur eine Minute lang zu kämpfen. Gegen jemanden der nicht ganz so dämlich ist wie Parcival? Sorvo, denk nach und lass deine Wut aus dem Spiel. Denk an Sofia.“
„Belehre mich nicht!“
Er stürzte auf Leff und zog seine Klinge vertikal. Leff reagierte schnell, zog sein Schwert vom Rücken und parierte noch in der Bewegung seinen Streich. Sorvo machte einen Schritt nach hinten, hob sein Schwert erneut nach oben, dieses Mal zur Finte, holte dann schnell seitlich aus. Leff fiel nicht darauf hinein, machte nur einen halben Satz zurück und ließ ihn ins leere schneiden. Sorvo holte sofort erneut aus und schlug noch aus derselben Position. Leff blockte den Schlag mit einer Parade, fuhr mit seinem an Sorvos Schwert entlang und führte einen Streich von oben, der über den Brustpanzer kratzte und Sorvo zurückstieß.
„Lass gut sein, Sorvo.“ Dieser schüttelte nur den Kopf und rannte erneut auf ihn zu. Leff
warf ein Messer, das an der Rüstung abprallte. Unbeirrt griff Sorvo weiter an. Ein Schlag folgte dem anderen. Von seinen Fehlschlägen geleitet wurde er zunehmend wilder und unkoordinierter. Die Wucht seiner Schläge waren jedoch nicht zu unterschätzen und jede Parade erforderte mehr Ausdauer als Leff annahm. Jedes Mal, wenn er versuchte Distanz zu gewinnen schloss Sorvo unverzüglich auf. In der Zwischenzeit kamen etliche Soldaten aus dem Hauptgebäude und versammelten sich um die Kämpfenden. Einer der Soldaten stürmte aus der Menge auf Leff zu, um seinen Hauptmann zu unterstützen. Leff sah ihn im Augenwinkel, wechselte seine Schwerthand und griff mit der Rechten zu seinem Dolch. Gerade parierte er noch einen Hieb von Sorvo, als der Soldat aus der Menge rechts ausholte. Leff machte einen Schritt näher, blockte den Hieb frühzeitig und stieß mit rechts seinen Dolch in die offene Achsel und durchtrennte damit die Arteria axillaris. Er schrie sofort auf vor Schmerz, sackte in sich zusammen und hielt seine Hand auf die Wunde, die das Blut auf dem Boden unter ihm verteilte.
Sorvo blickte erschöpft und erschrocken den Soldaten und dann Leff an, der bereits sichtlich
genervt von dem viel zu lange dauernden Kampf war. Er warf seinen Dolch auf Sorvo, der mit seinem Oberkörper auswich und Leff aus dem Blick verlierte, der sich noch während des Wurfs in Bewegung setzte. Sorvo wirbelte herum und versuchte seinen Freund zu fixieren. Dieser warf sich jedoch bereits mit einer Pirouette herum und auf die Knie und Schnitt seitlich über Sorvos Knie. Er knickte sofort ein und brüllte auf. Er stützte sich auf sein rechtes Knie und biss sichtbar auf die Zähne. Rotz und Speichel tropfte auf den Boden. Leff ging herum und streckte ihm die Spitze seiner Klinge entgegen.
„Bist du jetzt fertig? Hast du dich abreagiert?“ Dann wandte er sich zu den Soldaten, die
einen Kreis gebildet hatten. Redorat ist tot. Der letzte Tote ist euer Kamerad, der sich einmischte und mich angriff. Belasst es dabei!“ Ein Raunen ging durch die Truppe.
„Wofür kämpft ihr ehrloser Haufen denn, wenn es keinen mehr gibt, der euch bezahlt? Zum
Teufel mit euch." Er ging nochmals auf Sorvo zu, der immer noch auf dem Boden kauerte.
„Geh zu Sofia. Gib ihr etwas gegen das Gift. Ich bin mir sicher, dass sie vergiftet wurde.
Und danach solltest du Faranga verlassen. Hier gibt es nichts mehr für dich. Aber für Sofia lohnt es sich nach wie vor zu leben.“ Leff ging Richtung Süden. Die Soldaten traten beiseite und ließen ihn passieren. Unter den Leuten brach lautes Gemurmel und Ratlosigkeit aus. Leff wusste, dass er sich nur noch mit Largo treffen und dann nie wieder einen Fuß auf diese Insel setzen würde.

VIII

Die Grashalme bogen sich im Wind, der sanft und wie eine Welle über die Wiese schlug. Das kupfergoldene Haar wehte im Wind. Sie versuchte Ordnung reinzubringen und strich sich jedes Mal einzelne Strähnen aus dem Gesicht, ehe sie aufgab. Leff reichte ihr ein Stück Brot aus dem Weidenkorb der neben ihnen auf der Decke stand.
„Du bist dir sicher, dass Largo die Statue verkauft bekommt?“, fragte sie ihn mit ihrer tiefen,
heiseren Stimme.
„Largo ist der Beste. Zumindest was das angeht. Wir werden unsere Schulden bezahlen.
Dann sind wir frei.“
„Dann sind wir frei“, wiederholte sie mit einem Lächeln.
Er nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen, musterte ihre Sommersprossen und alles, was ihr Gesicht ausmachte. Die schmalen, roten Lippen. Die verwehten Haare, durch die sie immer wieder versuchte hindurch zu sehen. Der Wind wehte wieder auf und lies das Gras rascheln. Diese Stille der Natur wurde unterbrochen, als Largo heranstapfte.
„Hey, ihr beiden“, rief er ihnen zu.
„Hallo Largo“, grüßte Emma zurück mit einem breiten Lächeln und den Augen vor Freude
zusammen gekniffen.
„Und du willst ein Dieb sein. Ich habe dich schon zwanzig Schritt gegen den Wind gehört.“
„Mit dem Wind, mein lieber Leff. Und das ist keine Kunst. Ich habe eine gute und eine
schlechte Nachricht. Die gute für euch, die schlechte für dich, Leff.“
Er ließ Emmas Hand los und richtete sich auf. „Was ist los?“
„Ich habe die Statue verkauft. Irgend so ein fahrender Händler aus weiß der Teufel wie man
das ausspricht. Sah den Muluken ziemlich ähnlich. Aber er hatte Geld und trug Kleider aus feinstem Stoff. Sowas sieht man hier nicht. Das fällt auf. Er war höflich und sehr zuvorkommend. Hat mich auf sein Schiff eingeladen. So eins habe ich auch noch nie zuvor gesehen. Und was er an Zeug herumzustehen hatte. Das hätte sich allemal gelohnt.“
„Komm zum Punkt, Largo. Bitte.“
„Ja ja ja, auf jeden Fall dachte ich, er wirft mir mehrere Säckchen voll Gold hin. Dann holt
er eine ganze Kiste. Voll mit genau den Stoffen, aus denen seine Kleidung hergestellt war. Und oben drauf hat er zehntausend Münzen in Bar gelegt. Ich musste ein paar Jungs vom Hafen anheuern um mit mir die Kiste wegzuschleppen.“
„Das ist gut.“
„Das ist großartig, Largo“, rief sie ihm zu und setzte sich auf die Knie. Leff hob kurz die
Hand zur Beruhigung.
„Und jetzt die schlechte.“
„Es gab Kunde von Faranga. Statthalter Carlos hat wieder seinen Posten. Er hatte alle
Verschwörer hinrichten lassen. Alle, die nicht entkamen und sich über die Insel zerstreuten.“
„Hat der Bote auch gesagt, wer alles fliehen konnte?“
„Ha, nun darüber gibt es wohl derzeit noch keine Liste. Aber einer hat die Arbeit von Carlos und dem Henker abgenommen. Als die Justiz ihn holen kommen wollte, hing er im Hof, hinter seinem Haus. Der Name wurde nicht gesagt, für die Hafenstadt einfach nur einer weniger auf der Liste."
Leff schaute weg, ließ seinen Blick über die Wiese zum Horizont fahren und fixierte einen alten und maroden Baum. "Hat er etwas hinterlassen? Eine Nachricht oder so was?"
"Naja, nicht das die Jungs von der Wache danach gesucht hätten. Aber er trug eine bei sich.
Nur ein paar Worte."
„Und die lauten?“, fragte er gespannt und wandte seinen Blick wieder zu Largo.
„Du hast dich geirrt.“