Zitat von
summit
Hast du das EU-Dokument gelesen was dort verlinkt ist?
Tatsächlich zu dem gegebenen Zeitpunkt nicht. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Ich bin erst kurz vorher aufgestanden und hatte nicht so viel Zeit noch ellenlange Dokumente in einer Fremdsprache durchzulesen.
- Da ich von ähnlichen Plänen bereits vorher wusste, dachte ich, dass hier letzte Schritte eingeleitet werden sollten. Es war grundsätzlich schon sehr plausibel.
- Aus dem Grund habe ich es hier frühzeitig gepostet. Einen Tag später wusste ich aber bereits, dass der Artikel ziemlich schlampig geschrieben wurde (also vor 2 Tagen). Ich habs nur schlicht vergessen hier nachzutragen. Entschuldige bitte.
@alle: Es ist "nur" ein Paper. Das heißt nicht unbedingt Entwarnung. Hier ein deutlich sachlicherer Artikel (siehe auch Background der Autorin).
Wenn du dich ernsthaft mit dem Thema Verschlüsselung und Kryptoregulierung auseinandersetzen willst, empfehle ich: Dietmar Wätjen - Kryptographie, Springer Verlag 2018, Kap. 17.4: Key-Escrow-Systeme (S. 341). Dezentralisiert ausgeführt, minimieren diese übrigens die Gefahr des befürchteten Missbrauchs erheblich. Im Einsatz ist das aber bisher auch nicht - auf Wunsch kann ich das näher ausführen.
Ich habe mich durchaus schon ernsthaft mit der Thematik befasst. Für mich selbst ist es kein Problem verschlüsselt zu kommunizieren. Aber ein Großteil der Bevölkerung ist dem einfach unwissentlich ausgeliefert. Ich schreibe die Dinge nicht für mich, sondern für meine Mitmenschen. Und ich bin auch ein großer Befürworter von Dezentralisierung und Open Source bei Messagern (damit wäre deren Plan nutzlos).
Es ist aber nunmal so, dass es Bestrebungen gibt, solche Backdoors einzubauen. Es gibt sogar reale Beispiele, in denen genau solche Backdoors teils Jahrelang unbemerkt von Unbefugten ausgenutzt wurden.
Ein Tipp, auch der eigenen Gesundheit zu liebe: Lass dich nicht von jeder (vermeintlichen) Skandalmeldung aufstacheln. Mit solchen "Skandalen" und dem dazugehörigen Aufruhr wird mittlerweile gutes Geld verdient. Wachsamkeit und kritische Denkweise ist grundsätzlich etwas gutes, nur leider hat das was wir in weitesten Teilen der Presselandschaft, und besonders abseits dieser vorrangig antreffen wenig damit zu tun.
Ein Tipp unser aller Gesundheit zu liebe: lasse solche "Weisheiten" einfach stecken, dann muss sich hier niemand eine persönliche Auseinandersetzung antun (sowohl Leser, sowie Betroffener und schließlich du selbst). Dass ich einmal etwas frühzeitig gepostet habe bedeutet noch lange nicht, dass ich die Infos nicht gegenprüfe. Diesmal hat es halt nur paar Stunden länger gedauert.
Mach dir evtl. Gedanken, ob die Antwort nicht vielleicht sein könnte: "Weil die Faktenlage angesichts der Verbrechen, die durch digitalpolitische Versäumnisse der letzten beiden Jahrzehnte ermöglicht werden, langsam offensichtlich ist, und die Mehrheit der Menschen das Internet, sowie um sich verlaufende Digitalisierungsprozesse in der derzeitigen Form nicht mehr wollen."
Hmm welche Faktenlage? Scheint mir eher ein "das sehe ich so" zu sein.
Es ist absolut überfällig, dass der Missbrauch von Verschlüsselungstechnologien für Straftaten oder deren Vorbereitung eingedämmt wird. Wer einen Umgang mit Verschlüsselung fordert, der Information letztendlich nur demjenigen zugänglich macht, der sie auch verschlüsselt oder freiwillig preisgegeben hat, schafft nichts anderes als die Grundlage dafür dass sich im Endergebnis praktisch jede digital "wandelbare" Straftat ihrer Verfolgung entzieht.
Es gibt aber kein Wissensproblem um Straftaten zu verhindern. Das war auch bei den ganzen Attentaten nicht der Fall. Mehr Daten hätten auch diese Verbrechen nicht verhindert. Aber dafür schützt Verschlüsselung jeden Bürger vor Missbrauch. Selbst wenn dadurch eine Hand voll Verbrechen weniger aufgeklärt oder verhindert werden, ist Verschlüsselung eine Notwendigkeit. Wenn du das anders siehst, dann gebe mir bitte deinen Wohnungsschlüssel und vertraue darauf, dass ich dein Vertrauen nicht missbrauche und daraus in irgendeiner Form Profit schlage.
Nichts anderes wäre eine Schwächung der Verschlüsselung von Messagern. Leute kommunizieren teils privatste Dinge wie Gesundheit oder Sexualleben oder teils sicherheitsrelevante Dinge (Accountdaten etc). Dinge die man oft sonst nur unter 4 Augen mit einer bestimmten Person teilt. Auch der Journalismus ist darauf angewiesen sichere Leitungen zu besitze um Informaten zu schützen (Edward Snowden ist lediglich der Bekannteste).
Nun sag mir nochmal was überfälliger ist: die paar Missbräuche zu beendigen oder das Leben von vielen Menschen zu gefährden (bedenke, es geht auch um Menschen außerhalb der EU, wo Menschen bereits für ihre regimekritische Meinung "geköpft" werden könnten).
Ein Rechtsstaat ist zur Rechtsdurchsetzung verpflichtet.
Nein, das ist eine falsche Auffassung von Rechtsstaat. Rechtsstaat bedeutet, dass die Bürger Rechte gegenüber dem Staat haben. Ansonsten wäre nach deiner Definition auch eine Diktatur ein Rechtsstaat. Du solltest aufpassen, dass du hier keine gefährliche Ideologie verbreitest.
Rechtsfreie Räume darf es in einem solchen nicht geben, [...]
Gibt es auch nicht. Du kannst verbrechen online begehen, du kannst sie auch unbemerkt offline machen. Rechtsfrei ist deshalb keiner der Räume. Oder willst du auch noch Wanzen in alle Wohnungen installieren, damit die Menschen nach dem Sex nicht doch noch heimlich ein Terroranschlag planen? (ja das war provokant)
Das unreflektierte Verständnis von "Freiheit" und "Privatsphäre", das man vielerorts im Internet antrifft hat den Boden bereitet für rechtsextreme Netzwerke - auch in Behörden mit Sicherheitsaufgaben! -, Kindesmissbrauch in kaum zu fassender Größenordnung und Schwere, und auch die Vorbereitung von Terroranschlägen. Das Sichtbar-Machen dieses Zusammenhangs sollte m.E. eher im Vordergrund stehen.
Unreflektiert ist lediglich die Forderung nach mehr und mehr Überwachung. Wir bekommen immer mehr davon, aber weißt du was wir nicht bekommen? Eine Überprüfung dessen, ob sich irgendeine der Überwachungsmaßnahmen überhaupt rechnet oder nicht das Problem sogar noch verschärfen. Das Bundesverfassungsgericht hat vor 10 Jahren gesagt, dass die Regierung mal eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellen sollen, in der die Gesamtheit der Überwachungsmaßnahmen aufgearbeitet wird und nach Nutzen evaluiert wird. Das ist bis heute nicht geschehen. Alte Maßnahmen bleiben bestehen und werden nur erweitert. Einfach Abnicken ist der Plan. Die Stasi wäre froh gewesen die post-9/11-Zeit mitmachen zu können. Die hatten nicht mal ansatzweise die Möglichkeiten von heute.
Und nun sag nochmal das unser Verständnis von Freiheit und Privatsphäre unreflektiert ist.
An rechtsextremen Netzwerken sind übrigens in erster Linie social Media verantwortlich, weil die Algorithmen solche Gedankenblaßen fördern und einem breiten Publikum verfügbar machen. Solche Netzwerke entstehen nicht hinter Verschlüsselung, sonst bekämen sie keinen Bekanntheitsgrad und würden nicht wachsen. Und selbst wenn: wie viele Menschen kommen durch Terrorismus (egal von welcher Seite) jährlich um und wie viele, weil irgendwelche Leute nicht umsichtig genug im Straßenverkehr sind? Desweiteren: die Kriminalstatistiken zeigen seit Jahren einen Rückgang von Verbrechen, warum also noch weitere unverhältnismäßige und grundrechtswidrige Maßnahmen beschließen? Es ist ja nicht nur einmal so, es ist oft so und wird immer häufiger. Weißt du was schon wieder alles versucht oder vorangetrieben wird, seit die 1. Coronawelle vorbei war? Das ist nicht mehr feierlich.
Ebenso wie die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt das Fernmeldegeheimnis nicht schrankenlos.
Das stimmt und ist unter strengen richterlichen Vorraussetzungen auch okay. Aber was für das Onlineleben gefordert wird ist ein vergleichsweise ewiger Zweitschlüssel zur Wohnung mit niedrigen Hürden (liegt auf dem Schreibtisch des Polizeichefs - vereinfacht ausgedrückt). Das hat nichts mehr mit einem Rechtsstaat zu tun. Ähnlich einfach ist es seit wenigen Jahren z.B. mit Bestandsdaten für Simkarten oder mit Funkzellenabfragen. Es ist also genau umgekehrt zu dem, was du suggerieren möchtest. Zudem ist es online noch etwas kritischer. Wenn jemand bei dir Zuhause mit einem Zweitschlüssel wäre, bekommst du es wenigstens mit. Wirst du heimlich online abgehört oder übernimmt man gar deine ganzen Geräte, merkst du im Zweifelsfall nicht einmal etwas von dem Grundrechtseingriff.
Ich verstehe offen gestanden nicht, warum so etwas immer wieder diskutiert werden muss.
Diskussionen an sich sind gut, aber ich verstehe den ganzen Überwachungswahn nicht, der sich gegen Bürger und nicht gegen Kriminelle richtet (die problemlos auf sichere Methoden ausweichen werden).
Dass sich die Mitglieder des EU-Ministerrates sich endlich zu einer angemessenen Reaktion durchgerungen haben, verdient Respekt. Die Hysterie, mit der in Teilen der Online-Presse in penetranter und geschmackloser Art und Weise ein ernstes Thema missbraucht wird, um noch irgendwie an Aufmerksamkeit und Klickzahlen zu kommen, eher weniger. Der Missstand auf den wir hier abermals treffen, ist derjenige dass die besagte Reaktion nur unter dem Eindruck eines solchen Anschlags und im Eilverfahren überhaupt noch zustandekommt - was leider schmerzlich zum Vorschein bringt, dass ein wesentlicher Pfeiler der parlamentarischen Demokratie (in diesem Fall auf EU-Ebene) nicht mehr so gut funktioniert. Gemeint ist: Die kritische Öffentlichkeit. Das aber sollte spätestens seit den Diffamierungskampagnen gegen Hrn. MdEP Axel Voss / die EU-RL 2019/790 (Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt) jedem klar sein.
Okay, jetzt schießt du den Vogel ganz ab. Du nennst es eine angemessene Reaktion, wenn die Regierungen ständig verfassungswidrige Gesetze beschließen, die von den obersten Gerichten gekippt werden nur um 3 Jahre später den nächsten verfassungswidrigen Versuch zu starten? Oder schauen wir mal zum BND: jahrelang rechtswidrige Handlungen bleiben konsequenzlos, Ausschüssen wird die Aufklärung erschwert, Praktiken werden im Nachgang legalisiert. Angemessene Reaktionen, ich verstehe schon.
Im Gegensatz zum EU-Ministerrat gibt es Leute, die sich ernsthaft mit den Themen befassen. Die suchen eine Problemlösung an der Wurzel, dir wirksam und verhältnismäßig sind und nicht die ganze Bevölkerung unter Generalverdacht stellt und sie gleichzeitig noch gefährdet. Aber was in der Realpolitik geschieht ist Lobbyarbeit der Polizei und Geheimdiensten und keine Evaluation der Sachlage. Meine Infos beziehe ich im übrigen gewöhnlich nicht aus profitorientierten Onlinezeitungen (schon alleine um dem Tracking zu entgehen).
Und Axel Voss wurde zurecht zusammengestutzt. Seine Schlammschlachtkampagne gegen die Zivilgesellschaft war nur knapp über dem Niveau vom Trump. Hätte er die Schlammschlacht nicht begonnen, wäre er nie in der Form in die Schussbahn geraten.
Um das ganze fair abzuschließen: Ich weiß, dass von den Leuten im Internet, gerade zu großen Themen wie Uploadfilter etc, viel Halbwissen mittels Populismus verbreitet wird. Das hat irgendwie jedere größere Bewegung an sich. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die grundlegende Haltung falsch ist. Das ich mal überhastet etwas teile, kommt eigentlich selten vor und dann stehe ich auch dazu oder berichtige später von mir selbst aus. Der eine Post ist somit wirklich nur eine Ausnahme gewesen, die jeder Person mal passieren kann.