Bis Gil die Card gefunden hatte um die Haustüre zu öffnen ohne einen Alarm loslegen zu lassen, bei dem man geglaubt haben könnte ein Massenmörder entkomme einer Hochsicherheitseinrichtung, vergingen zu viele Minuten, dessen war er sich sicher. Er war den ganzen Flug über schon nichtmehr bei Gedanken gewesen, hatte sich mit den Nervenzehrenden Kopfschmerzen herumschlagen müssen und immer wieder das Verlangen gehabt, sich im inneren des Shuttles mal ganz unschicklich zu übergeben. Zum Glück hielt er den Schwall aber zurück und schaffte es zumindest vor seine Haustüre und nach kurzem Anlehnen dann auch ins Innere des Hauses. Die automatische Beleuchtung sprang sofort im seichten Licht im Gang an und gab eine große Fläche frei. Erleichtert aber auch bereits wieder ein bisschen gereizt über die erneute, gerade viel zu helle Lichtquelle, lies er seine Tasche fallen und lehnte seine Stirn kurze Zeit gegen die nächstbeste Wand. Er wäre sich fast sicher, dass er krank wurde, aber das sollte ihn jetzt erstmal nicht interessieren. Die wenige Zeit, die er noch zu Hause verbrachte würde er nutzen - so lange, wie es ging, falls im Hinblick auf die kommende Dunkelheit nicht mehr viele Gelegenheit bestehen würden, solche friedlichen Tage zu erleben.
Gil lies die Tasche wo sie war und taumelte erstmal - ohne irgendeine andere Anstrengung vorher zu erledigen - ins Badezimmer. Duschte. Zog sich frische Klamotten an. Es war ihm beinahe schon egal, dass es mitten in der Nacht sein musste oder er einfach das Zeitgefühl verloren hatte: So geschwitzt hatte er noch nie. Und als halber Italiener war er höhere Temperaturen eigentlich ohnehin gewohnt. Vigilio wäre aber nicht Vigilio, wenn er es nicht schaffen würde selbst in solchen Situationen ein siegessicheres Lächeln auf die Lippen zaubern zu können und lies sich nicht viel anmerken, als er langsamen Schrittes durch das große Wohnzimmer lief und nicht damit gerechnet hatte, seine künftige Frau auf der grossen, gemütlichen Liege - und teilweise auf einigen Papieren - schlafend vorzufinden. Nur eine Sekunde lenkte den Halbitaliener die wundervolle Aussicht ab, umrundete dann die Liege und ging vor der Blondine in die Knie.
"Sono tornato di nuovo, bella donna.", flüsterte er und strich mit aller Vorsicht eine blonde Locke aus dem schier porenlosen Gesicht der jungen Frau. Ein leichter Kuss auf die Stirn folgte der Berührung. Für ihn war es nicht verwunderlich, dass Zora hier Schlaf gefunden hatte. Nicht nur war es wunderschön, auch die Temperatur war trotz Klimaanlagen im ganzen Haus angenehmer mit dem ganzen Wind und dem nicht all zu weit entfernten Klang der Wellen, die auf den Strand zuströmten. Aber läge sie in der Position weiter hier, würde sie morgen nur über einen verdrehten Rücken klagen. Also nahm er sich dessen an, zupfte ein paar Aufschriebe unter Zora weg und legte sie auf den Beistelltisch, wo er die dekorative Vase als Beschwerer benutzte, und kündigte dann sein Vorhaben nur noch mit den leisen Worten "Vediamo se si dorme come profondo come sembra." an, ehe er die Arme unter ihren perfekt geformten Körper legte und sich fast wunderte, sie leicht sie aus der Liege zu heben war. Da gab es ein paar Momente während der Schwangerschaft, die er deutlich angestrengter hatte weglächeln müssen.
Klammheimlich und ohne Schuhe nahm der heute sechsunddreissigjährige die Glastreppen nach oben und machte sich zu aller Erst auf ins gemeinsame Schlafzimmer. Dort angekommen begrüsste ihn schon ein zaghafter Blick aus dem angrenzenden Türschlitz und nahm sofort James wahr, der von der nur minimalen Geräuschkulisse aufgewacht war und sofort nachschaute, ob es sich hier um einen Einbrecher handelte, der es irgendwie schaffte das Sicherheitssystem auszutricksen (Feinde von Cerberus hatten da teils sehr interessante Ideen). Er nickte ihm mit leichtem Lächeln zu, versicherte, dass alles in Ordnung war und legte den Körper der reizenden Blondine dann auf dem einladenden Doppelbett ab und zog die Decke über sie.
Anschliessend würde er sich um die andere, wichtige Frau in seinem Leben kümmern. Nicht weit von ihrem Schlafzimmer entfernt, drückte er die Tür zum Kinderzimmer auf und lugte bereits neugierig ins Innere. Dämmriges Licht einer kleinen Nachtlampe in Form eines kitschigen, rosa Plüschhasen leuchtete ihm entgegen. Hier war es schön still, das große Fenster leicht geöffnet und eine angenehme, warme Briese wehte vom Meer her salzige Luft ins Innere des Kinderzimmers.
Wie lange er weg gewesen war konnte er gerade nicht mehr datieren. Es brach ihm stückchenweise das Herz, als er seine eigene Tochter in der Wiege des liebevoll eingerichteten Kinderzimmers liegen sah und das Gefühl hatte, so viel ihrer Entwicklung zu verpassen. Einen minimalen Anflug von unbeobachteter Angst bekam, als er über das schlimmere Übel nachdachte und sich vorstellte, dass sie nicht mehr viel älter werden würde als sie jetzt war und fast schon bereute jetzt nicht weiter mit aller Macht zu arbeiten. Hier ging es um so viel mehr. Das Überleben einer ganzen Spezies, einer ganzen Welt, einer Galaxie. Das Überleben zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben. Er dachte so angestrengt über diese Situation nach, dass er nicht einmal bemerkte, wie seine Hand sich um das Gitter des Bettchens verkrampfte. Sein Hinterkopf wieder zu wummern begann und es ihm schwer machte den Gedanken zu Ende zu fassen.
Nein. Er musste sich fassen. Und tat es auch. Tief ein und Ausatmend holte er sich zurück in die Wirklichkeit und riskierte es, seine Tochter aufzuwecken, als er auch sie hoch und aus dem Bettchen hob und sie liebevoll an sich drückte. Die kleinen Händchen dabei den Klammergriff übten und er sah, wie sie sich entspannt in seinen Armen wandte. Er konnte ohne zu zögern sagen, dass sie wirklich das allerschönste Geschöpf war, dass er zu Stande hätte bringen können. Die hübschen, brandschwarzen Haare noch nicht mal richtig gewachsen, das perfekte Näschen ihrer Mutter... . Die kleinen, grünen Augen, die ihm immer entgegen strahlten, sobald sie wach war. Seine Mutter wollte es aus gegebenen Umständen nie wirklich zugeben, aber erinnerte ihn Emma immer wieder an die Zeit zurück, in der er seine kleine Schwester - mehr schlecht als recht - im Arm halten durfte. Jetzt noch gekrönt vom gegebenen, guten Aussehen seiner künftigen Frau.
"La mia bella piccola principessa. Non tradire a tua madre, ma ti sei perso quasi più."*
Leise und mit aller Vorsicht ging er mit Emma Alessia auf dem Arm zurück ins elterliche Schlafzimmer, kramte sich seinen Platz des Bettes frei und setzte sich neben Zora mit dem Rücken an das Kopfende, das Baby dabei weiter auf seiner Brust liegend im Arm haltend.
Nur einen kleinen Moment Ruhe...nur einen winzigen Moment in komplettem Frieden schloss er die Augen.