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Edle Florence? So hat mich im Leben noch niemand genannt. Nicht einmal einer meiner Liebhaber. Ob er betrunken ist? Oder ist er vielleicht nur übertrieben höflich?
Mit einem Lächeln setzte sie sich zu dem Mann mit den schlohweißen Haaren und nahm ihren ersten Schluck aus ihrem Humpen. Die Menge um sie herum war laut, die Luft stickig und warm, doch das interessierte Florence im Moment gar nicht. Stattdessen musterte sie Uriel möglichst unauffällig. Er hatte etwas an sich, was ganz eigen war. Nicht komisch. Schön? Markante Wangenknochen, aber keineswegs spitz zulaufend oder stark hervortreten. Wenn sie ihn beschreiben müsste, so würde sie fast sagen, dass er etwas Sanftes an sich hatte in diesem Markanten.
Kurz nahm sie noch einen weiteren Schluck, dann setzte sie zu einem Gespräch an.
„Wie ergeht es euch? Hattet ihr einen anstrengenden Tag?“ Für einen Moment schwieg sie, als wolle sie auf eine Reaktion warten – dann jedoch erhob sie noch einmal das Wort: „Die folgende Frage mag eigenartig klingen und ihr müsst sie mir auch nicht beantworten, doch sie brennt mir schon länger auf den Lippen: Ihr seid ja ein Ordensbruder, nicht wahr? Sagt, habt ihr als solcher auch Patrouillen zu bestreiten? Oder habt ihr ganz andere Aufgaben? Als einfache Waffenmagd hatte ich bislang leider keinen tieferen Einblick in den Orden selbst.“
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Dankbar, dass sie direkt das Wort ergriff und so eine peinliche Steille vermied, ging Uriel direkt auf ihre Fragen ein. Dabei versuchte er nach Möglichkeit eine direkte Anrede zu vermeiden. Schließlich wollte er nicht wieder überhöflich erscheinen, andererseits auch nicht den Eindruck erwecken, die doch niedriger zu schätzen.
"Danke der Nachfrage, mir ergeht es dank dem Segen des Erleuchters prächtig", antwortete er und ließ die Gegenfrage einfach weg, da sich hier eine Anrede nicht hätte vermeiden lassen. Außer er hätte sich einer jargonhaften Sprache bedient. Und das hätte er nicht ohne würgen überstanden.
"Die Frage ist keinesfalls eigenartig, doch tatsächlich garnicht so leicht zu beantworten. Natürlich, die Aufgabe des Ordens und seiner Brüder ist es, das Heilige Recht Innos', seine Heilige Kirche, seinen erwählten und erhabenen König und natürlich seine Bürger zu schützen. Doch tatsächlich steht es einem jeden Mitglied des Ordens relativ frei, diese ehrenhafte Pflicht zu interpretieren. So steht einem jeden von uns eine vollkommen freie Einteilung der Zeit zur Verfügung. Die meisten, zu denen ich mich auch zähle, verbringen einen großen Teil beim Training an der Waffe. Und das ist auch gut so. Schließlich sind wir das Schwert unseres Herrn und müssen als solches scharf bleiben. Einige sehen darin ihre Pflicht als getan an. Ich jedoch widme mich tatsächlich vor allem der Aufgabe, die Arbeit der Stadtwache und der Miliz zu überwachen und zu beaufsichtigen. Ich überprüfe die Gewissenhaftigkeit der Zöllner, die Aufmerksamkeit der Patrouillen und die allgemeine Aufrichtigkeit der Truppe. Ich sehe mich als eine Art, sagen wir Gutachter der Tauglichkeit."
Er nahm einen kräftigen Schluck aus dem frischen Krug Met, der ihm inzwischen an den Tisch gebracht worden war.
"Wie kommt es, dass Ihr" - verdammt! - "eigentlich noch immer nicht in den Rang einer Milizsoldatin erhoben worden seid?", fiel ihm da nicht ohne eine gewisse Erbostheit auf. Hatten diese Narren von der Miliz denn nicht sein ausdrückliches Lob für diese Frau erhalten oder noch schlimmer beachtet?
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Ein Aufseher also. Wenn sie ihre Kollegen, allen voran Geoffrey, nun hier sehen und Uriel Ventris sprechen hören könnten, so hätten sie dafür ein anderes Wort gehabt. Ein solches, welches sie nicht einmal in ihren Gedanken wiederholen wollte.
Ein wenig eingebildet wirkt er ja schon, zumindest wenn er sich selbst als Schwert des Herrn bezeichnet. Oder einfach nur tiefgläubig?
„Das klingt tatsächlich nach einem laxeren Leben als das einer Waffenmagd oder eines Milizsoldaten - auch wenn das gar nicht wertend klingen soll“, fügte sie sogleich an. „jeder muss schließlich die Aufgaben erfüllen, die ihm von Krone und Innos zugeteilt werden.“
Da, sie hatte es tatsächlich vollbracht, ihren Glauben mit einzubringen und es hatte sich nicht einmal falsch angefühlt.
Ein Wunder? Nein, soweit wollen wir mal noch nicht gehen.
Ein weiterer Schluck des Bieres floss ihre Kehle hinunter und ließ den Humpen leer vor ihr stehen und ihre Zunge freier werden.
„Nun, das ist eine gute Frage, die ich aber glaube ich nicht beantworten kann. Woher soll ich wissen, wieso man mich noch nicht befördert hat? Ein paar Jahre diene ich mittlerweile schon hier, aber wirklich einen Kontakt zur Obrigkeit hatte ich in all der Zeit nicht. Vielleicht liegt es ja daran?“
Sie schaute etwas über sich selbst entsetzt zu Uriel Ventris.
„Aber ich will mich auch nicht beschweren“, beschwichtigte sie schnell und bestellte noch ein Bier per Handzeichen. Auch wenn ein wenig Dankbarkeit nicht schaden würde, dachte sie. „Ich mache meine Arbeit sehr gerne, da spielt der Rang keine Rolle.“
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Er dachte ein wenig über ihre Worte nach. Sie brachten ihn in Verlegenheit. Denn durch diese Worte kam der Gedanke bei ihm auf, dass er hauptsächlich wegen seines Blutes so rasant und schnell aufgestiegen war. Und konnte es nicht tatsächlich so sein? Schließlich hatte Florence, die offenbar auch sehr intelligent war, ebenfalls eine sehr tugendhafte Art. Sie war aufrichtig, mutig, stark und bescheiden. Alles, was einen Streiter Innos' eigentlich ausmachte. Dennoch war sie nach vielen Jahren immer noch Waffenmagd. Wieder dachte Uriel an seinen bisherigen Aufstieg. Was war anders gewesen?
Die Antwort kam ihm überraschend schnell: Er hatte Freunde gehabt. Allen voran Lodrick und Demron, den Uriel allerdings seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Ihre Taten waren, da sie sehr oft zusammen gewesen und vom gleichen Ehrgeiz erfüllt waren, vermutlich einfach schneller aufgefallen. Sie hatten sich gegenseitig beflügelt.
Uriel wusste nicht, ob Florence solche Freunde ebenfalls hatte, doch wagte er es zu bezweifeln. Wieso sollte sie sonst ganz alleine in die Schenke kommen? Er selbst war immer nur mit seinen Kameraden hergekommen oder weil die Pflicht es verlangte.
"Eure Bescheidenheit und Euer Pflichtbewusstsein ehren Euch, Florence", sagte Uriel. Er hatte inzwischen beschlossen bei der achtungsvollen Anrede zu bleiben, da er sie tatsächlich achtete.
"Doch ich denke, genau diese liegen Euch ein wenig im Weg. Zwar kenne ich Euch nicht gut genug, doch denke ich, Ihr wagt es nicht auf den Tisch zu hauen, wie man so schön sagt."
Wieder nahm er einen Schluck aus dem Humpen, dessen Füllmenge sich bereits wieder dem Boden annährte.
"Ich meine, Ihr braucht jemanden, der Euch ein wenig an die Hand nimmt. Und es wäre mir eine große Freude dies zu übernehmen. Denn wie bereits gesagt, ich sehe mich als jemanden, der die Reihen der Miliz sauber und anständig hält. Und daher ist es mit meiner Aufgabe nicht im geringsten zu vereinbaren, eine Person wie Euch diesen Ranges fernzuhalten."
Mit einem aufrichtigen Lächeln sah er sie an und hoffte auf irgendeine Reaktion. Dass sie nicht antwortete, nahm er ihr nicht übel. Schließlich geschah es nicht oft, dass sich ein Ordensbruder einer einfach Waffenmagd annahm. Eigentlich geschah das nie, soweit er wusste. Deshalb dürfte sie einfach perplex sein.
"Ihr könnt ja noch ein wenig darüber nachdenken. Ich werde nun zur Zitadelle zurückkehren, schließlich ruht auch morgen die Pflicht nicht", fügte er mit einem Zwinkern hinzu und erhob sich.
"Wenn Ihr mein Angebot annehmen wollt, dann sucht mich einfach in der Zitadelle auf. Hier", der Weißhaarige zog sich seinen Siegelring vom Finger und reichte ihn der Waffenmagd "wenn Ihr den vorzeigt, wird Euch die Wache herein und zu meinem Quartier führen lassen. Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht, Florence."
Mit diesen Worten warf er ihr nochmals ein Lächeln zu, strich sich eine Strähne, die sich schon wieder gelöst hatte, aus dem Gesicht und verließ die Schenke in die Kühle Dunkelheit.
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Hafenkommandantur, Hafen von Thorniara
"Meister Ethelbert."
Der Hafenmeister von Thorniara sah von einem Schreibpult auf.
"Was gibt's, Jarnulf?" Der flackernde Schein von Kerzen erhellte das müde, eingefallene Gesicht des Magistrats, der fragend vom Papierkram vor ihm aufblickte.
"Der Betrüger, der in der Bilge festsitzt, - der, den die Fischer vorgestern abgeliefert haben."
Die Fischer hatten ihn windelweich geprügelt, bevor sie ihn bei der Hafenkommandantur eingeliefert hatten. Was nur verständlich war, den der Kerl hatte sich den Fischer gegenüber Monde lang als Hafenmeister ausgegeben und Liegegebühren und Strafgelder kassiert und versoffen hatte, die eigentlich ihm, dem Hafenmeister, und der Stadtverwaltung zustanden, bis irgendjemand den Kerl und dessen Amtsanmaßung vor Angehörigen der Fischerzunft bloßgestellt hatte.
Nun saß er zur Ausnüchterung in einer der versifften Zellen der Hafenkommandantur, von den Hafenarbeitern in Anlehnung an die untersten Kammern eines Schiffes Bilge genannt, und wartete auf seine Überstellung an die Stadtwache, die ihn in den Kerker der Bastion verlegen würden, bis man Anklage gegen ihn erhob.
"Er faselt ständig was davon, dass er den Kahn irgendeines Peers noch aus dem Hafenbecken ziehen müsste und wir sollten ihn rauslassen. Er habe ja nur ..."
Jarnulf wurde jäh unterbrochen, als ein weiterer der Schiffsknechte des Hafenmeisters zur Tür hereinstürmte.
"Meister Ethelbert.", keuchte der atemlos, "Meister Ethelbert. Vorne an den Docks sind einige Schauerleute zusammengebrochen. Irgendeiner dieser Sklaventreiber von Handelsherren hat ohne Rücksicht auf Verluste darauf bestand, dass seine Waren noch heute verladen werden. Er hat ein paar Schläger zusammengetrommelt und hat die Hafenarbeiter gezwungen auch noch nach Einbruch der Nacht weiterzuarbeiten."
"Bei Beliars Bartfratze ..."
Yared
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Die Stimmung im Hafen von Thorniara war angespannt. Immer mehr Kaufleute verlangten die Stadtverwaltung zu sprechen, da die Arbeiten im Hafen nur noch sehr langsam von statten ging. Viele Männer und Frauen, die tagsüber mit dem be- und entladen der Schiffe beschäftigt waren, meldeten sich krank und verbrachten ihr Dasein im Bett. Einige Barbiere kümmerten sich um die Beschwerden der Erkrankten, konnten jedoch keine geeignete Medizin verschreiben. Man klagte über Schwindelgefühle, hohes Fieber und Desorientierung.
Als der dicke Kapitän Viktor wütend durch den Hafen stampfte, bemerkte er die vielen Ratten. Jede Stadt hatte ein Problem mit diesen Tieren und am Hafen war es stets besonders zu vernehmen. Allerdings entwickelte sich der Rattenbestand im Hafen von Thorniara langsam zu einer Plage. Damit der Aufenthalt nicht völlig umsonst war, ging Viktor in die hiesige Hafenkneipe und bestellte etwas zu trinken. Die Kneipe war erstaunlich leer, nur ein Mann saß in einer dunklen Ecke. "Was ist mit dem Hafen los!?" fragte Viktor. "Ich habe edle Waren gelagert und keiner der Arbeiter hält es für nötig, mein Schiff zu entladen. Will man bei euch keine Geschäfte machen?" Doch der Wirt zuckte mit den Schultern und reinigte weiter den Tresen.
In diesem Moment hörte man einen Tumult, welcher sich unmittelbar vor der Kneipe abspielen musste. Genervt stellte der dicke Kapitän seinen Krug auf den Tresen und stampfte nach draußen. Gerade als er seine Stimme erheben wollte, wurde er von einem ärmlichen Bewohner des Hafens angegriffen. Viktor wurde zur Seite geschupst und immer wieder rüttelte man an seiner Kleidung. Dieser erwiderte den Angriff und zog einen Holzknüppel. Wenige Augenblicke später eilte die Stadtwache herbei und hielt die Meute auseinander. Der dicke Kapitän schimpfte und tobte. Der Angreifer hingegen taumelte und fiel zu Boden, schüttelte sich und spuckte Blut. Viktor erschrak: "Er ist besessen!" Auch die Stadtwache war besorgt und rief einen Barbier zu Hilfe, doch die gelehrten Feuermagier waren zu weit weg. Hastig kam ein Barbier aus dem Hafen geeilt und kümmerte sich um den Erkrankten. "Schnell, bringt ihn in mein Haus!"
Der Vorfall sorgte nicht gerade für eine Entspannung im Hafen. Zwei Kaufleute liefen zurück auf ihr Schiff und befahlen in See zu stechen. Viktor stand immer noch vor der Kneipe und schaute sich um. Erst jetzt fiel ihm auf, wie kränklich die Arbeiter aussehen. Viele liefen gebückt umher und einige taumelten von den Schiffen. "Hatten sie einfach zu tief ins Glas geschaut!?" fragte sich der dicke Kapitän aber das konnte nicht sein. Misstrauisch lief er mit langsamen und bedachten Schritten zurück zu seinem Schiff. "Die sind doch hier alle von Beliar besessen!" fluchte er.
Maximuss
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Der Barbier hatte den Erkrankten in sein Haus bringen lassen. Es war eine ärmlich aussehende Hütte, die mit vielen kleinen Fläschchen und Kräutern doch tatsächlich wie ein einfaches Ärztehaus aussah. Der Mann wurde vorsichtig auf das Bett gelegt. Er war glühend heiß und schüttelte sich. Immer wieder spuckte er Blut. Ratlos wälzte er ein Buch, konnte jedoch keine Krankheit entdecken, die mit den Symptomen im Einklang zu bringen war. Er versuchte daher die Krankheitserscheinungen zu lindern und legte leicht gekühlte Tücher auf den Körper des Patienten. Doch es half nichts.
Plötzlich klopfte es an der Tür des Barbiers. Eine Frau schleppte ihren Mann ins Haus und flehte den einfachen Heiler an, er möge sich um ihren kranken Ehemann kümmern. Auch er zeigte die gleichen Symptome. Der Barbier nahm sich auch Seiner an und hievte ihn auf ein leerstehendes Bett. "Das schaffe ich nicht! Immer mehr Menschen kommen zu mir und klagen über Krankheitsgefühle und jetzt noch diese beiden Ernstfälle." verzweifelt legte er auch dem zweiten Mann kühlende Tücher auf den Körper.
In der Zwischenzeit war Viktor wieder auf sein Schiff und wollte den Hafen verlassen. Doch einer seiner Seeleute weigerte sich: "Wir müssen Harris zu einem Arzt bringen! Er schüttelt sich vor Schmerzen!" Erneut fluchte Viktor und lief in Richtung der Kajüte seines Assistenten. Auch Harris zeigte mittlerweile die gleichen Symptome, wie der Mann, der den dicken Kapitän angegriffen hatte. Viktor erschrak abermals und ging einige Schritte zurück. "Bei Adanos', was geht hier vor sich?" er eilte nach draußen. "Schnell, holt einen Heiler!" rief er.
Die Arbeit am Hafen kam zum Erliegen. Es waren zu wenige, verbleibende Arbeiter, als dass man die Schiffe effektiv entladen konnte. Außerdem wurden die Männer und Frauen von der Situation verunsichert. Der Hafen machte einen überaus kranken Eindruck. Überall hörte man es klagen und husten. Der Wirt aus der Hafenkneipe kam herausgelaufen: "Ich brauche Hilfe, ein Gast liegt am Boden!"
Auch die Stadtwache vernahm die Probleme und befürchtete einen feigen Angriff ihres Feindes. Zwei Wachen eilten zur Kaserne um Alarm zu schlagen, der Rest stand ratlos am Hafen und versuchte den erkrankten Menschen zu helfen.
Maximuss
Geändert von Die Bürger (15.04.2014 um 12:47 Uhr)
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Die Nacht war kurz, schließlich hatten Sir Dante und Graf Maximuss bis tief in die Nacht mit Gildenmeister Trevor gesprochen und verhandelt. Bisher waren aber die beiden Männer aber noch handlungsunfähig. Ihnen fehlte die erforderliche Reichsbürgerurkunde und ein Haus hatten sie auch noch nicht gemietet. Während Sir Dante einen alten Freund besuchte, nutzte Maximuss den Tag dafür, sich die Stadt näher anzuschauen.
Thorniara war wohl in mehreren Viertel eingeteilt. Es gab den Hafen, der wie so viele keinen sonderlich guten aber immer noch einen besseren Eindruck machte, als den Hafen von Khorinis. Das Armenviertel wollte der werte Graf nicht betreten, von Weitem machte es aber einen ebenso unguten Eindruck. Dafür schmückte sich die Stadt mit einem wirklich großen Marktplatz, einem Händler- und Handwerkerviertel und einem Reichenviertel. Auch die Magier Innos' fanden ihren Platz in einem großen Tempelviertel.
Insgesamt machte die Stadt aber keinen sonderlich freundlichen Eindruck. Sie wirkte dunkel, wenn auch prunkvoll. Die große Zitadelle erhob sich und war von so ziemlich jeden Punkt der Stadt sichtbar. Der Graf wusste, wenn er es in dieser Stadt zu etwas bringen wollte, musste er sich mit den Autoritäten der Zitadelle gutstellen.
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„Ihr habt mich versetzt!“
Grimmig starrte Lukar den aristokraitschen Edelmann an, der sich mit emotionsloser Miene vor ihm aufbaute, die Hände beinahe gebieterisch an den wertvollen Ledergürtel gelegt der sein kostbares Wams am Körper hielt.
„In der Tat, das habe ich.“ Bekannte sein Kontakt nach längerem Schweigen und zwirbelte mit der linken Hand seinen breiten, dunkelbraunen Schnauzbart.
„Ich weis, euren durchaus gerechfertigten Zorn kann ich dadurch nicht mildern, aber seid versichert, ich hatte meine Gründe dafür. Ihr solltest selbst wissen das sich ein Geschäftsmann mit der jeweiligen Lage seines Umfeldes vertraut machen muss, um entsprechend gegen unerwartete Veränderungen vorgehen zu können. Eine solche zugegebenermaßen beunruhigende Lageänderung trat vor wenigen Tagen ein.“
Schnaubte Lukar verächtlich und konnte sich nur schmerz zurückhalten. dem Mann nicht offen vor die Füße zu spucken um ihm zu zeigen wie viel er von seinem Verhalten hielt.
„Tatsächlich? Wollt ihr mich nicht erleuchten, wieso ich tagelang auf euch habe warten müssen? Von welcher Art Lageänderungen sprechen wir hier?“
„Wenn ihr noch ein paar Minuten eurer bereits bewiesenen Geduld beweist, gerne. Es ist auch zu eurem Besten.“
Der Edelmann seufzte beinahe bedauernd.
„Es ist so: Meine Geschäfte in dieser Stadt steht vor einer ernsten Bedrohung. Einer, die über das Gesetzt und deren Hüter herausgeht: Es ist gewissermaßen höhere Gewalt.“
Mit unterdrückter Ungeduld im Blut lauschte Lukar der beinahe bedrohlich klingenden Ausführung des unzuverlässigen Kontaktes. Was wollte dieser Mann ihm weismachen?
"Stehen kriegerische Handlungen mit den Rebellen bevor? Oder eine wirtschaftliche Krise? " Kneifte Lukar ungeduldig.
"Kommt zum Punkt!" Verlangte er und fuchtelte mit einer Hand herum als wollte er den Redefluss des Edelmannes so verschäuchen wie eine lästige Fliege.
"Es ist eine Krankheit!" Verkündete der Edelmann beinahe beleidigt.
Lukar fühlte sich für einen Moment lang, als habe sich sein Blut in eisiges Wasser verwandelt.
"Was?" Fragte er erschrocken. "Eine Krankheit?"
"Ja." Sein Gegenüber nickte grimmig.
"Die Meldung erhielt ich von meinen Männern aus dem großen Hafenviertel." Er verzog das Gesicht verbittert.
"Oder besser gesagt, einem der wenigen, die nicht betroffen waren. Meine Geschäfte im Hafen sind völlig zum erliegen zu gekommen. Scheint etwas hoch ansteckendes zu sein, nach dem was man mir erzählt hat ist der ganze Hafen wie lahmlegt. Wurde wohl von einem der Handelsschiffe eingeschleppt."
"Von welcher Krankheit sprechen wir hier?" Harkte Lukar heiser nach. Wen einer wusste, dass man eine plötzlich ausbrechende Krankheit in einer großen, wohlhabenden Stadt ernstzunehmen hatte, dann war er es. Bilder seines immer schwächer werdenden Vaters auf dem Krankenbett begannen in seinem Kopf zu tanzen, eine immerwährende Wahrnung, dass auch ein breit gefüllter Geldbeutel nicht vor solchen Epedemien zu schützen vermochte.
"Meine Männer sprachen von allerlei Symptomen, die Leute haben Fieber, taumeln durch die Gegend wie Hühner und es sollen schon Einige wie im Wahn ausgerastet sein und Blut gespruckt haben, schwer zu sagen welche beliarische Krankheit dafür verantwortlich ist. Ich will es ehrlich gesagt nicht herausfinden, schon garnicht am eigenen Leib, wen ihr versteht. Bis heute Abend werde ich die Stadt mit meinen Männern also verlassen haben."
Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte:
"Das selbe würde ich euch im übrigen auch empfehlen. Ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die ersten Leute hier krank werden. Es ist bekanntlich nicht die... sauberste und gesundeste Gegend."
Lukar schüttelte matt aber bestimmt den Kopf. "Nein, dass geht nicht. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, vorher kann ich es mir nicht leisten diese Stadt zu verlassen."
"Nun, das ist eure Sache." Meinte der Edelmann achselzuckend und fügte lässig hinzu:
"Also wen das nun geklärt wäre, warum kommen wir nicht direkt zum Geschäft? Wie ich bereits sagte, ich will bis heute Abend hier weg sein..."
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»Guckt euch mal den Typen dort an«, forderte Grimm auf.
Beide warfen ihre Blicke auf einen Mann, der hustend durch die Gegend torkelte. Seine Hautfarbe war fast so blass wie die des Verstossenen. Nur war Noctal kerngesund und dieser Typ erschien, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
»Kommen wird dem besser nicht zu nahe. Ich will mich nicht anstecken«, meinte der Bleiche und nickte Grimm zu.
Ohne zu warten, entfernten sich die beiden von dem Kranken.
»Wartet! Seht ihr den da?«, fragte Grimm nun. Noctal nickte nur.
Eine weitere Gestalt, die eine kränkliche Blässe hatte und sich mit Müh und Not davonschleppte.
»Die sehen ja aus wie ihr«, fing Grimm an und musste sofort lachen. Auch Noctal musste daraufhin grinsen.
Dann machten die beiden einen großen Bogen um die kranken Gestalten und verschwanden in eine Gasse, um in die Schatten einzutauchen. Noctal hatte ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Es schien, als würde eine Krankheit umgehen und das könnte ihre Aktion gefährden. Zudem wollten sie nicht selbst Opfer einer Krankheit werden. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt.
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Mit starrem Blick gaffte Grimbar auf den Teller mit Kartoffeln und Lauchgemüse, während er in Gedanken vertieft darin herumstocherte ohne tatsächlich etwas davon zu essen. Seit wenigen Tagen war er nun in diesem emotionalen Zustand zwischen Verdruss und Melancholie auch wenn er es sich selten anmerken ließ solange er in Gesellschaft anderer Menschen war. Hier im Refektorium hatte er sich ganz in die Ecke gesetzt und gewartet bis die anderen schon fertig waren bevor er sein Abendmahl abgeholt hatte um ein wenig allein zu sein.
Der Grund seiner schlechten Laune war die Unterrichtsstunde von Meister Daron die er vor drei Tagen mit einigen anderen Novizen besucht hatte. Dort war ihnen die Ehre zu Teil geworden die Grundlagen eines Zaubers zu lernen, der die eigene Stimme beeinflussen konnte, doch Grimbar hatte ein paar Schwierigkeiten gehabt. Nicht mit dem Zauber an sich sondern mit der Magie generell. Er hatte schlichtweg keinen Zugang zu seiner magischen Kraft gefunden geschweige denn hatte er davon etwas wecken können. Es war ihm so peinlich gewesen, dass er mit einer Ausrede schnell abgehauen war um es alleine weiter zu versuchen, aber egal wie sehr er sich konzentrierte, er konnte keine Zauberkräfte in sich finden. Seitdem hatte er sich von seinen üblichen Begleitern so gut es ging ferngehalten und war besonders Daron aus dem Weg gegangen, der mit Sicherheit gespürt hatte, dass etwas nicht stimmte.
"Schmeckt dir das Lauchgemüse nicht? Ich kann es dir nicht verübeln, meistens ist es kaum gewürzt.", sprach jemand mit ruhiger Stimme hinter Grimbar, der trotzdem erschrocken seinen Löffel fallen ließ. Als er sich beim Aufheben umdrehte erkannte er ebenjenen Magier dem er aus dem Weg zu gehen versuchte.
"Oh, Meister Daron, ich hab euch gar nicht kommen sehen. Was sucht ihr hier? Ich meine, was wollt ihr? Ich meine, wie kann ich euch helfen?", plapperte der überraschte Novize nervös drauflos.
"Beruhige dich, es ist nichts Schlimmes. Ich wollte nur mit dir über dein plötzliches Verschwinden letztens reden. Was steckt wirklich dahinter?", erkundigte sich der weise Magier.
"Ich...Es ist so. Seit ich das letzte Mal Magie angewandt habe ist ein wenig Zeit vergangen und scheinbar habe ich...naja...irgendwie den Zugang dazu verloren. Es ist als hätte ich gar keine magischen Kräfte mehr in mir."
"Nun das ist bedauerlich, aber kein Problem, das man nicht mit genug Zeit und Disziplin lösen könnte. Manchmal verlangt Innos von uns dass wir uns beweisen und zeigen dass wir der Macht die er uns durch die Magie verleiht würdig sind. Was du jetzt tun musst, ist dich als würdig erweisen. Halte seine Tugenden hoch und du wirst sehen, dass er deine Fähigkeiten stärken wird."
"Das verstehe ich. Und ich versuche das ja schon. Ich arbeite hart und gründlich, ich gehe beten und versuche immer ordentlich und diszipliniert zu sein. Trotzdem scheint es mir, dass es an mir liegt, dass ich meine magischen Fertigkeiten verloren habe.", erklärte der Novize, lehnte sich zurück und legte resignierend seine Hände in den Schoß. Der Feuermagier näherte sich einen Schritt und legte mit verständnisvoller Miene eine Hand auf die Schulter des Novizen.
"Nun, vielleicht musst du schlichtweg mal sehen wozu die Magie da ist und wieso es so wichtig ist, dass wir sie beherrschen. Wenn du mit eigenen Augen siehst wie sie wirkt, dann weckt dass vielleicht wieder deine magischen Lebensgeister. Wie wäre es mit einem Spaziergang. Ins Hafenviertel. Begleite mich.", sprach Daron und drehte sich ohne auf Antwort abzuwarten um und stapfte aus dem Refektorium hinaus.
Geändert von Grimbar (15.04.2014 um 19:56 Uhr)
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Mit ruhigem aber stetem Gang marschierte Daron durchs Tempelviertel in Richtung Ausgang. Im Schlepptau hatte er einen Novizen, der ihn zwar in körperlicher Größe überragte, jedoch für jeden zu sehen in Rang, Einfluss und Macht unterlegen war. Gemeinsam verließen sie die schützenden Mauern des Tempelviertels und bogen ab um sich das Hafenviertel näher anzusehen. Es dämmerte bereits und die Menschen zogen sich bereits zurück um sich ins Bett zu legen, etwas Zeit mit der Familie oder wahlweise auch in der nächsten Kneipe zu verbringen, doch wenn man das Hafenviertel kannte, dann wusste man, dass dort auch in der Dunkelheit noch genug los war.
Auf dem Weg unterhielten sich die beiden Innosdiener noch ein wenig und der Feuermagier ließ den Novizen an seiner Weisheit teilhaben, wie er sein Problem mit der Magie noch angehen könnte. Es gab viele Ratschläge für einen Mann in Selbstzweifel und Daron war sich sicher zumindest die Meisten davon zu kennen.
"Nun, abgesehen von bereits gesagtem werde ich dir nun zeigen wofür die Macht der Stimme eingesetzt werden kann.", begann der Feuermagier in dem gewohnt belehrenden Tonfall. Die Beiden hatten soeben den Eingang ins Hafenviertel passiert und mischten sich dort unters Volk.
"Weißt du, Grimbar, die Menschen sind Schafen nicht unähnlich. Du wirst dich noch wundern wieviele deiner Erfahrungen vom Schafehirten du im Umgang mit Menschen gebrauchen werden kannst. Sie benötigen Führung, ansonsten finden sie nicht zu neuen Auen und frischen Wassern. Manchmal braucht es paar sanfte Worte und manchmal ein paar laute Rufe. Ab und zu auch einen beherzten Schlag mit dem Stock, wenn du verstehst...", feixte der Magier und lachte leise über seinen eigenen Witz. Als er seine Lektion wieder aufnehmen wollte, stutzte er. Sie waren schon tiefer ins Viertel vorgedrungen als dem Innosdiener etwas auffiel, das ihm durch seine Konzentration auf
seine Eloquenz entgangen war.
Auffällig viele der Leute dort schienen gebückt zu laufen, zu schaudern, zu husten und in allgemein schlechter Verfassung zu sein. Dementsprechend war die Stimmung gedrückt und ein wenig angespannt. Viele der Blicke die ihnen zugeworfen wurden waren traurig und wehleidig, aber auch Unmut und Abneigung war zu spüren, immerhin lebten die Innosdiener nie unter derart schlechten Bedingungen wie die Leute hier im Hafenviertel. So etwas rief immer Neid hervor. Aus allen Ecken und Gassen schienen plötzlich ein paar Gestalten zu ihnen herüberzustarren, fielen die beiden Innosdiener in ihrer auffälligen Kleidung doch auf wie ein bunter Hund.
"Vielleicht sollten wir die Lektion auf ein andernmal vertagen...mein ihr nicht?", schlug Grimbar vor, der sich wie Daron skeptisch umsah, als ihn plötzlich eine alte Frau von der Seite in den Arm fiel.
"Bitte...helft mir. Heilt mich mit eurer Magie. Ich fühle mich so schwach. Ihr müsst mir helfen.", krächzte die Frau mit heiserer Stimme und krallte ihre knochigen Finger in Grimbars rote Ordenstracht. Er stützte sie so gut es ging, doch gerade als er sich ihrem Griff entwunden hatte, kam schon eine junge Frau mit Kind und bat um Hilfe.
Auch Daron wurde von mehrereren hilfesuchenden Menschen bedrängt, die alle in ähnlich schlechtem Zustand waren. Bevor der Feuermagier reagieren konnte sah er sich zusammen mit dem Novizen umringt von Armen, Kranken und Gebrechlichen die wehleidig um Erlösung von ihren Leiden baten. Ein Blick zu seinem Begleiter der ihn flehend ansah, versicherte Daron, dass die Lage ernst war und er handeln musste, bevor sie von der Meute eingeschlossen wurden und es keinen Ausweg mehr gab.
"Beruhigt euch, Bürger Thorniaras!", hallte die Stimme Darons in lautem und doch ruhigem Tonfall durch den gesamten Straßenzug. Alle Menschen horchten gleichermaßen auf und sahen in seine Richtung.
"Innos wird seine Hand über jeden frommen Mann und jede fromme Frau halten. Sorgt euch nicht! Solange eure Gedanken bei ihm sind, sind die Seinen bei euch." Bewusst wählte der Feuermagier eine tiefe, aber nicht bedrohliche Stimme. Sie sollte gleichzeitig beruhigend und trostspendend wirken als auch mit einer gewissen Autorität ausgestattet sein um seinen Worten den gewissen Nachdruck zu verleihen.
"Wir werden uns um eure Leiden kümmern, sowahr uns Innos die Kraft gibt. Vertraut auf Innos Gnade und wir werden euch schon bald helfen können.", sprach der Feuermagier und hob beide Hände mit den Handflächen zum Himmel.
"Innos! Segne diese Menschen und gib ihnen die Kraft diese Zeiten zu überstehen." Noch einmal holte Daron tief Luft bevor er seine nächsten Worte mit besonders viel Magie unterstützte.
"Geht nun, Bürger. Geht nach Hause und ruht euch aus. Innos mit euch!"
Einen Moment lang herrschte in der gesamten Straße Totenstille. Dann jedoch begannen sich die ersten Menschen zurückzuziehen. Die, die direkt bei den beiden Innosdienern standen, bedankten sich beiläufig und verabschiedeten sich ebenfalls mit einem "Innos mit euch.". So schnell und überraschend sich der Mob um die Beiden gebildet hatte, so zügig hatte er sich nach den Worten des Magiers wieder aufgelöst.
"Wir sollten zum Tempel zurückkehren. Die Menschen sind in einem bedenklichen Zustand. Ich muss ein paar Gespräche führen. Schnell, folgt mir.", sprach Daron mit ernster Miene und winkte den von der kleinen magischen Rede immer noch verdutzten Novizen hinter sich her. Dieser Ausflug war wohl eine schlechte Idee gewesen, aber womöglich hatte sie ihren Zweck in Bezug auf das Problem des Novizen erfüllt. Grimbar
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Gemeinsam mit einigen anderen Ordensrittern und Paladinen, unter anderem auch Hagen und Jun, stand Aaron in der Versammlungshalle der Zitadelle. Es gab beunruhigende Neuigkeiten aus Stewark. In der Stadt war es in der jüngsten Vergangenheit zu merkwürdigen Geschehnissen gekommen. Menschen wurden vermisst und man hatte Spuren brutaler Rituale gefunden. Die Nachricht hatte vor allem Jun aufgeregt und zu kurzen Ausführungen gebracht, was man mit derartigen Menschen zu tun hatte. Manch einer der alten Paladine aus Thorniara und vom Festland, hatten ihn dabei kritisch beäugt und Hagen ihn nur beschwichtigt.
"Du hast recht, Jun. Solcherlei Taten beflecken die Ehre der Menschheit, der Schöpfung Innos, doch wird es schwer sein etwas heraus zu finden. Es fehlen uns die Mittel und Wege. Sind wir offen miteinander, dann wissen wir, dass wir eigentlich nichts wissen von Stewark. Der Baron ist uns zwar treu, aber auch nur soweit, wie er es muss. Selbst wenn wir Stadt unterstützen wollen, wird man uns immer mit Misstrauen begegnen, was es schwer macht konsequent genug durchgreifen zu können um solcherlei Verbrechen aufzuklären."
Hagen blieb vollkommen ruhig und Albrecht saß zu seiner rechten und machte gerade irgendein Schreiben fertig, dass nach Stewark gehen sollte.
"Wenn wir nicht mit den unseren Mitteln vorgehen können, dann greifen wir zu denen unserer Feinde." Aarons Worte zogen einen Moment des Schweigens nach sich, da ihre Bedeutung von manchen wohl falsch verstanden wurde.
"Wenn wir ebenso verdeckt und unsichtbar agieren, wie unser Gegner, können wir ihm vielleicht das Handwerk legen."
Für den neuesten Streiter der Ritter war diese Lösung naheliegender als alles andere. Nicht von ungefähr, hatte er es sich schon längst zum Ziel gemacht die Feinde Innos mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, auf das sie wahre Gerechtigkeit erfahren würden.
"So kämpfen Ritter nicht."
Nun überlies Aaron es Jun zu widersprechen. Der hatte das offensichtlich vor.
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Der Dampf verzog sich und Françoise rieb sich mit einem Tuch trocken. Das heiße Bad hatte der Priesterin gut getan. Obwohl es von Tag zu Tag wärmer wurde, empfand es die oberste Feuermagierin draußen immer noch als unangenehm kalt. Sie konnte den Anfang des Sommers kaum abwarten. Bis dahin musste sie sich anders behelfen.
Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, fuhr sich die Priesterin mit den Händen durch ihr schwarzes Haar. Ein einziges Mal genügte und schon war es auf magische Weise trocken und seidig. Anschließend kleidete sie sich an. Mieder, Strumpfhose, Robe und natürlich die roten Schuhe. Bewusst verstieß sie dabei gegen die Konvention.
Als sie gerade fertig war, klopfte es an der Tür des Baderaums. Françoise bat herein. Es war Mary.
»Ich hoffe, ich bin nicht zu früh?«, fragte die Novizin zögerlich.
»Du bist genau zur richtig Zeit da, Mary.«, sagte Françoise und winkte Mary herein. Die Priesterin hatte die Novizin darum gebeten, ihr Haar zu flechten. Obwohl Françoise viele Talente besaß, bereitete ihr das immer wieder Probleme. Mitunter hatte sie aus diesem Grund ihr Haar auch schon ganz abgeschnitten. Nur wuchs es so schnell wieder nach. Inzwischen reichte ihr das Haar bis zur Taille hinab.
Mary hingegen besaß ein besonderes Talent dafür Haare zu flechten. Die junge Novizin trug ihr Haar immer sehr adrett hochgesteckt.
Vor einem großen Spiegel nahm Françoise Platz und Mary stellte sich hinter sie. Anfangs zaghaft, dann schneller und routiniert, griff die Novizin Strähnen des schwarzen Haars und begann sie zusammenzuflechten.
»Hast du im Tempel erfahren, wonach ich gefragt hatte?«
»Ja, Meisterin. Mir wurde gesagt, dass sich offenbar eine Frühlingsgrippe in die Stadt eingeschlichen hat.«
»Eine Frühlingsgrippe?«
»Ja. Schuld soll das wechselhafte Wetter der vergangenen Wochen sein.«
»Klingt zumindest plausibel. Gerade wenn man den ganzen Tag unter freiem Himmel arbeitet wie im Hafen. Ein Pech für die ganzen Händler, die in letzter Zeit ankamen. Hast du auch erfahren, wer sich darum kümmert?«
»Hauptsächlich die Barbiere im Hafenviertel. Im Hospital soll sich bisher noch niemand gezeigt haben.«
»Wenn die Barbiere der Sache Herr werden, soll mir das Recht sein. Obwohl es mir Sorgen macht, dass sich die Grippe so schnell im Hafenviertel ausgebreitet hat. Wenn du hier fertig bist, geh bitte noch einmal zum Hospital und sag den Heilern, dass sie den Barbieren ein wenig unter die Arme greifen sollen. Auch eine Grippe kann sehr gefährlich werden.«
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Zitadelle
"Werter, Sir Harad. Das Böse in dieser Welt hält sich an keine Regeln, Gesetze oder irgend einen Kodex. Es gibt nur töten und getötet werden, wenn es gegen Beliar geht.", entgegnete Jun.
"Und dann soll man seine eigenen Werte vergessen?", führte der Ritter aus.
"Nein! Man glaubt umso mehr an seine eigenen Werte! Nur dann vermag ein Streiter Beliar in die Augen zu blicken und ihn aus dieser Welt zu bannen. Doch Werte die gegen Beliar zählen, sind nicht die Regeln unter Rittern oder der Kodex an den man sich hält. Es ist die geweihte Klinge in der Hand und Innos im Herzen. Mehr zählt nicht, wenn man das Böse in der Welt tilgt.", sagte der Streiter auf einer fast schon predigenden Art und Weise.
"Und was wenn das Böse ein paar Verrückte sind, die Menschen in Stewark quälen und umbringen?"
"Dann sind sie des Todes, weil sie Beliars Flüstern gelauscht haben und sein Werk verrichteten. Um euren Verrückten auf die Schliche zu kommen, braucht es jedoch Maßnahmen, denn wenn sie Beliars Flüstern hören, wird er sie warnen und sie unter den Menschen tarnen. Ihr tätet gut daran die Augen offen zu halten, denn das Böse ist überall. Es ist nicht dieser Rebellenkönig in Setarrif und seine Schar. Sie sind nur Menschen, die Haus udn Hof verteidigen wollen und an ihrer Macht und Verantwortung hängen. Da könnt ihr euren Kodex ausleben - Ritter! Doch wollt ihr ein Streiter des Innos' sein, so wandert durch die Schatten und zieht das Böse ins Licht von Innos' läuternden Flamme!", predigte Jun und ließ Harad schweigen. Juns Ausstrahlung bei all seinen gewählten Worten, war stark und wahrhaftig. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er für sich die Wahrheit beanspruchte und für Innos höchstselbst sprach.
"Was wisst ihr über den Baron und seine Geschwister? Ich meine damit: Was sind sie für Menschen? Sind sie innosfürchtig oder entsprechen sie dem typischen, adligen Heuchlern wie in Myrtana.", fragte Jun in die Runde. Hagen ermahnte Jun kurz, da doch manch Söhne aus myrtanischen Adelshäusern hier dabei waren.
"Verzeiht, ich wollte niemaden beleidgen wenn ich es denn tat. Doch nehme ich an, dass unter uns sowas nicht ist? Ich habe in Vengard genug solcher Söhne erlebt und genug haben viele gute Soldaten für ihren Ruhm geopfert. Also, Albrecht. Was kannst du uns über den Baron und sein Gefolge erzählen?"
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"Nun..." begann Albrecht in der typisch zögerlichen Art und Weise, die sein Tun als Bürokrat ihm beigebracht hatte. "...das lässt sich nicht so schnell mit wenigen Worten sagen." Er stellte seine Feder in den dafür vorgesehenen Halter und wenn man ihn so sah, mochte man nicht glauben, dass er mit dem glatten und schlichten Zweihänder, den er stets bei sich trug und dem man ansah, dass er noch aus der Zeit stammte, in der jeder Paladin ein Erzschwert weihte, so konsequent umzugehen mochte in einer Schlacht, wie es sich gehörte. Doch tatsächlich war der erfahrene Mann keineswegs eingerostet. Aaron mochte ihm nicht gegenüberstehen auf einem Schlachtfeld.
"Zuerst einmal müssen wir in Betracht ziehen, was der Baron zu verlieren hat. Seine Stadt ist in langer Tradition von diesem Haus regiert worden und nie hatte es Zweifel daran gegeben. Selbst in schlechten Zeiten stand ein Verlust der Baronie nie zur Debatte. Dementsprechend will der Baron nicht versagen und seine Schule gebietet ihm die Fäden in der Hand zu behalten, was der Grund dafür ist, dass er es uns zuweilen schwer macht."
Der Paladin sprach langsam und gewählt und wenngleich sicherlich die meisten wenig mit diesen ausschweifenden Vorträgen anfangen zu wussten, so hatten sie alle Respekt und warteten zu welchem Schluss Albrecht kommen würde.
"Bei allem Verständnis für diese zwiespältige Situation jedoch missfällt es nicht nur mir, wie sehr Renwick darauf beharrt, dass Anhänger nicht nur der real existierenden sondern auch vieler erfundener Gottheiten ihr Recht auf ihren Irrglauben halten dürfen. Daher verwundert mich auch wenig, dass die Schergen Beliars ebenso ihren Platz dort fanden.
Bekennt sich der Baron selbst zwar zu Innos, ist seine Familie nicht ihres Ranges würdig. Speziell Renwicks Tochter ist immer wieder Angelpunkt unschöner Gerüchte, die dem Ruf des Hauses schaden und sein Sohn ein zwar geschickter, jedoch auch arroganter Bursche. Die zweite Tochter ist zu jung um bedeutend zu sein."
Albrecht sah nun wieder auf zu Jun und die Blicke zweier starker Männer trafen sich.
"Also, weder noch, Sir Jun von Quasar. Argaan hat seine eigenen Menschen und Herrscher, die in ihrer Art so manche unserer eingefahrenen Ansichten untergräbt. Stewark hat ein Selbstgeltungsbedürfnis, ähnlich Setarrif, jedoch... diplomatischer und überdauerungsbewusster."
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"Als wenn diese seltsamen Adanosanhänger nicht schon genug wären.", kommentierte Giran, der als zweiter Streiter vom Orden der aufgehenden Sonne dabei war. Letztlich waren sie darauf aus, der Sache im speziellen nachzugehen. Denn Hagens Versuch war vor Monaten schon gescheitert. Zu bekannt schienen seine Leute dort oder womöglich zu direkt.
"Die Kirche hätte das von Anfang an unterbinden sollen. Doch klagen wir nicht über Dinge die wir nicht taten und die Dinge die wir taten. Am Ende wird uns Innos dafür richten. Wieso nimmst du an, dass der Baron im Spiel ist?", fragte Hagen.
"Weil ich entscheide, wie wir letztlich dort vorstellig werden. Mir erscheint es als weise, wenn wir als Stadtwachen dorthin gesandt werden und Sir Aaron als ein Gefangener - ausser er möchte es nicht, dann wage ich es. Ich bezweifle, dass wir verdeckt unter den freien Menschen viel heraus finden. Giran und ich werden Zeichen suchen. Zeichen alter Rieten der Beliaranhänger. Unser Orden besitzt dazu Wissen. Desweiteren möchte ich einen Paladin und zwei Ritter als Offzielle mit Schreiben an den Baron. Provokant und befehlend klingend, um die Drei nach besten Wissen und Gewissen zu unterstützen. Sie sollen ein Bild abgeben, das erwartet wird und dann Spuren erfinden, die sie in das Umland treiben. Irgendwen locken wir aus den Schatten und so Innos will, finden wir jemanden der die Wahrheit spricht.", schlug Jun vor. Dann blickte er zu Aaron, weil er wissen wollte, welche Rolle er einnehmen wollte und ob Juns Plan letztlich gewievt genug war. Jun nahm an, dass er nicht der Einzige war, der in Sir Aaron jemanden sah, der am ehesten von ihnen ein solches Spiel treiben konnte.
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"Ich bin einverstanden." Aaron brauchte nicht lang um darüber nachzudenken. Es war schon lang an der Zeit, dass er seinem Herren wieder mit Taten diente. Juns Idee erschien ihm da auch sinnvoll.
Hagen seufzte und fuhr sich mit den Fingern über das Kinn, als wolle er seine Rasur prüfen.
"Nun gut. Ich kann nicht verleugnen, dass deine Worte nicht wahr und deine Einwände unbegründet wären, jedoch will ich euch warnen und beschwören: zieht nicht den Zorn der Baronie auf euch. Die Wellen würden nicht so leicht zu glätten sein und wir brauchen sie, wie sie uns brauchen. Ansonsten: reitet noch heute Nacht. Kaum eine Stunde Fußmarsch vor Stewark liegt ein Bauernhof. Der Bauer heißt Ingmar und ist seit jeher ein frommer Mann. Seit die Orks seinen Hof überfielen und wir ihm dabei halfen wieder alles aufzubauen ist er uns jedoch zutiefst und ehrlich dankbar. Dort könnt ihr eure Pferde lassen und es wird ihnen nichts geschehen. Mit euch gehen Harad, Michael und Clemens.
Innos sei mit euch."
"Und mit euch." Erwiderten die anderen und alle gingen bis auf Hagen, Albrecht und die sechs, die sich noch kurz absprechen wollten.
"Macht euch bereit, sattelt die Pferde. Zu Mitternacht reiten wir los." Jun wirkte befehlsgewohnt wie immer. Alle nickten und machten sich auf den Weg, doch Aaron blieb noch in Juns Nähe.
"Mir ist egal wie du das anstellst, wenn wir mich als Gefangenen einschleusen, aber wenn ich in Stewark agiere will ich meine Rüstung und mein Schwert."
Jun schaute erst etwas überrascht, grinste dann aber und nickte. Nun trennte man sich um sich dann kurz später wieder zu sehen.
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Nun trugen die Stadtwächter heute schon den dritten Mann herein. Auch er war etwas blass um die Nase und murmelte unsinniges Zeug. Dabei war es erst die fünfte Stunde nach Sonnenaufgang. Wo sollte das nur enden. Die Zellen waren jetzt schon überfüllt. Was war nur los in dieser Stadt?
„Weibel, auch diesen hier haben wir im Hafen aufgegriffen. Er wurde handgreiflich, als er versuchte dem Beauftragten eines Kaufmannes den Goldbeutel abzunehmen. Wo soll er hin?“
Redlef lies seine Finger über sein unrasiertes Kinn gleiten. Er fühlte sich ausgelaugt, wollten diese unerklärlich plötzlich auftretenden Unruhen doch kein Ende nehmen und raubten ihm den Schlaf. „Durchsucht ihn und dann bringt ihn in die zweite Zelle.“ Der Weibel nickte Hinnark zu, der sich mit gleichmütigem Gesichtsausdruck auch sofort daran machte den Gefangenen grob zu durchstöbern. Neben einem kleinen Messer, ein paar Münzen und einem Schlüssel, beförderte der stämmige Wachmann auch noch ein Beutel mit charakteristischem Geruch zu Tage. „Noch mehr Kraut“, brummte er und warf es zu Redlef herüber. Mit einem leisten Plumpsen landete es auf dem Schreibpult, auf dem der Kerkermeister bereits damit begonnen hatte den Bericht zu verfassen.
Er griff nach dem Säckchen, öffnete es und roch daran. Dieses Sumpfkraut war von weit besserer Qualität, als die drei Säckchen, die sie in den letzten Tagen schon eingesammelt hatten. Rauschmittel waren in der Stadt strengstens verboten. Und wie sich an seinem gefüllten Kerker zeigte, auch aus gutem Grund. Redlef kannte das Sumpfkraut. Damals auf dem Festland hatte er selbst den einen oder anderen Stängel geraucht. In Maßen und geselliger Runde war es auch tatsächlich eine feine Sache. Nie hatte er erlebt, dass jemand davon so den Verstand verlor. Doch hier war das ganz anders. Redlef konnte sich nicht vorstellen, dass es an den Menschen lag. Vielmehr musste es am strikten verbot liegen. Die Menschen rauchten schnell und heimlich. Das schlug ihnen wohl auf das Gemüt und sie wurden abhängig. Anders konnte er sich diese Blässe und Übelkeit, die er bei vielen Gefangenen schon beobachtet hatte, nicht erklären.
Aber woher kam das ganze Sumpfkraut. Unglaublich viele Gefangene trugen es in letzter Zeit bei sich. War der Handel damit in der Stadt wirklich so einfach? Schliefen die Torwachen oder gab es ein noch nicht bemerktes Tor in der Mauer? Red seufzte leise.
„Also gut, Gefangener, wie ist dein Name. Komm nicht auf die dumme Idee zu lügen. Das bekomme ich heraus und dann wird dein Aufenthalt hier noch unschöner“, drohte er ihm leise. Meistens funktionierte diese Taktik. Allen schon die schweren, dunklen Wände des Gemäuers hatten schon genug einschüchternde Wirkung auf diese kleinen Gauner.
„Mein Name ist Albich, Herr. Ich bin ein frommer Fischer, Herr… und… u… und ich weiß nicht wo das herkommt…“, stotterte der Man mit starrem Blick auf das Kraut.
„Ich vermute mal, dieses hier“, Redlef hob das Beutelchen, „kommt aus deiner Tasche. Da zu mindestens hat es die Wache gerade hervorgezogen und mir ist nicht bekannt das dieser gute Mann Taschenspielertricks beherrscht.“ Er ließ den Beutel wieder fallen. Solch dumme Lügen hingen ihm zum Halse heraus. Immer wieder durfte er sich die gleichen Sprüche anhören. Immer wieder dieses sinnlose beteuern der Unschuld. Inzwischen meinte jeden Spruch bereits einmal gehört zu haben. "Also Albich, woher – kommt – dieser – Beutel?“ Redlef betonte jedes Wort langsam und genau. Heute hatte er wahrlich keine Lust mehr auf geistlose Diskussionen. Zur Unterstreichung seiner Worte legte er mit einer deutlich betonten Bewegung seinen Knüppel auf den Tisch. Dieses gedrechselte Stück Eichenholz zeigte inzwischen ein paar deutliche Dellen. Die meisten davon kamen von den letzten Tagen.
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»Aus dem Weg, Wurm!«, fauchte der Bleiche einen Mann an.
Jener war wie schon die anderen Gestalten kränklich aussehend. Frech hustete er jedem entgegen, der ihm zu nahe kam und dies reizte die Nerven des bleichen Mannes, dem es schon jetzt Leid war, all diesen Gestalten entgegentreten zu müssen, nur, weil er sich eine andere Stelle zum Beobachten nehmen musste. Auch Grimm hatte den Gesichtsausdruck einer zornigen Bestie, die am liebsten wüten und toben würde. Sie wollten nicht angesteckt werden und all diese Würmer konnten nicht einmal die Hand vor dem Mund nehmen, um diese ganzen Bazillen vor dem Ausschwärmen zu stoppen. Seufzend setzten die beiden Genervten ihren Weg fort und versuchten so gut es ging, den kranken Gestalten auszuweichen. Hier im Hafenviertel war dies aber nicht leicht, da immer mehr Leute mit den gleichen Symptomen die Straßen unsicher machten. Wenigstens war in den dunklen Gassen nicht so viel los, weshalb Grimm und Noctal eben in jene abtauchten, um dort Ruhe zu finden. Hier waren keine hustenden Gestalten, aber dennoch hörte man in der Nähe wieder einen armen Schlucker, der sich seine Gedärme aus dem Leib hustete. Dann hörte man nur noch, wie er sich übergeben musste. Noctal musste wieder seufzen. Was war nur los in dieser Stadt?
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