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In einer staubigen Seitengasse
Ungeduldig huschten die Augen des Geschäftsmannes in den dichten Gassen umher.
Mehre Tage hatte er nun auf diesen einen Augenblick warten müssen, an dem er sich mit dem ersten Kontakt treffen sollte, den die Brüder Berthold und Alfred für ihn aufgesucht hatten. Die Gebrüder hatten ihn nicht nur weit länger warten lassen als versprochen, sondern auch noch einen Kontakt ausgesucht, der ebenfalls länger auf sich warten lies. Laut eigener Aussage der Gebrüder wareb gewissen „Komplikationen“ für all diese Wartezeiten verantwortlich. Aber Lukar hatte vielmehr das Gefühl, dass sie mit ihm spielten, um zu demonstrieren, wer in diesem Viertel die Macht innehatte. Sie wolltem ihm zeigen, dass wen sie ihn warten liesen, er nichts dagegen tun konnte weil er von ihnen abhängig war, dessen war er sich vollkommen sicher. Doch egal worauf diese Sache letztendlich hinaus laufen würde, er würde mit dem Ruhm und Reichtum des Erfolges nach Setarrif zurückkehren. Er lies sich ganz bestimmt nicht von zwei Brüdern aus dem Armenviertel ausspielen, erst recht nicht wen Noctal und Grimm über ihn wachten.
Seufzend verschränkte Lukar die Arme vor der Brust und lehnte sich an eine der schäbigen Hütten, deren Wand unheilvoll knirschte und knackte. Vermutlich wäre diese Alte und nicht grade von handwerklichem Geschick zeugende Konstruktion bei einem weitaus schwergewichtigeren Menschen zusammengebrochen, dachte Lukar zynisch und musste über die Vorstellung schmunzeln. Doch in diesem kurzen Moment der Ablenkung hatte seine Aufmerksamkeit etwas wichtiges versäumt:
Ein fremder Mann hatte die Gasse betreten und kam auf Lukar zu. Er bewegte sich seltsam, schien bei jedem Schritt ein wenig in die Knie zu gehen und sah sich auffällig zu allen Seiten um. Seine Kleidung war verschlissen, die Hose an den Knien löchrig und das Hemd schien für jemand viell Größeres geschneidet worden zu sein. Alles im allen machte der Kerl einen verstohlenen, aber gleichzeitig harmlosen Eindruck. Doch der Mann war nicht alleine. In seinem Schlepptau befanden sich zwei dürre Gestalten, die noch weniger vertraueserweckend und mindestens ebenso verwahrlost wirkten, aber aufgrund ihrer Proportionen nicht in die Kategorie von Schlägern passten, was Lukar zumindest etwas beruhigte. Doch auf der Hut würde er trotzdem bleiben. Um einen tödlichen Dolchstoß führen zu können, brauchte ein Mensch keine breiten Oberarme.
„Ihr müsst der Händler von Außerhalb sein!“ Lispelte der dratigte Kerl mit den seltsamen, umherhuschenden Augen und kam nur zögernd vor Lukar zum stehen.
Beinahe verächtlich sah Lukar auf die krumme Gestalt hinab die sich vergeblich vor ihm aufzubauen versuchte. Der Mann war mindetens zwei Köpfe kleiner als er.
„Und ihr der mir in höchsten Tönen versprochene Kontakt.“ Spottete er unmerklich zynisch.
„Oh aber nein, nein. Mein Boss hat viel zu tun... und ist viel beschäftigt in den letzten Tagen. Günstige Gelegenheiten müssen von ihm genutzt werden, bevor sie jemand anders nutzt Deshalb schickte er uns.“
Lukar schüttelte ungläubig den Kopf. Die Gebrüder Althoff hatten ihn einen Kontakt der Extraklasse versprochen. Einen hartgesottenen Geschäftsmann, der vor keinem krummen Geschäft zurückschreckte.
„Ich hatte eine klare Abmachung. Euer Boss sollte persönlich erscheinen, günstige Gelegenheiten hin oder her."
Er zog die Augen grimmig zusammen.
"Eine Solche lässt er sich im übrigen grade möglicherweise entgehen.“
Der dratige Handlanger sah unsicher zwischen Lukar und seinen beiden Kumpanen hin und her. Offenbar hatte er nicht mit einer solchen Reaktion seitens Lukar gerechnet.
„Was auch immer mein Boss euch für eure Ware bezahlt hätte, ich bezahle es ebenfalls. Wo liegt der Unterschied von wem ihr es erhaltet, wen das Gold am Ende in eurer Tasche klimpert?“
Fragte er freundlich und lächelte.
„Der Unterschied? Ich werde es euch sagen. Ich will sicher sein, dass ich meine Ware an jemanden verkaufe, der dichthalten kann und der sich nicht erwichen lässt. Jemanden professionelles. Und nicht an irgendwelche Handlangern.“
Der krumme Kerl grinste schleimig und offenbarte seine erstaunlich gepflegten Zähne.
„Aber wir sind professionell, wen ihr es so wollt. Professionelle Handlanger.“
Das Grinsen wurde für einen kurzem Moment fast unnatürlich breit.
„Wir arbeiten schon lange für... für ihn. Wir sind mit dem Geschäft vertraut. Also seid nicht so widerborstig, werter Herr. Zeigt uns also was ihr mitgebracht habt und dann lasst uns über den Preis verhandeln.“
Der Geschäftsmann fixierte den kleinen Schergen vor sich kurz mit einem beinahe wütendem Blick, dann fuhr er mit seiner rechten in seine Manteltasche.
Unter seinem Mantel zog Lukar unter dem fast fieberhaften Blick der drei Handlanger ein kleines Packet hervor, deutlich kleiner als das eigentliche Sumpfkrautpacket welches er von Noctal erhalten hatte. Aus Gründen der Vorsicht hatte er es auseinander genommen und zu mehreren kleinen gebunden, die er einzeln verkaufen konnte.
„DAS ist die Ware die ihr uns anzubieten habt?“ Fragte der Kerl mit den umherhuschenden Augen etwas zweifelhaft. Lukar achtete jedoch nicht auf seine Worte, sondern öffnete unbeirt die Schnüre die um das Packet gewickelt waren und offenbarte den Dreien schließlich die kostbare Ladung Sumpfkraut, von augenblicklich der typisch harzige Geruch ausging.
„Sumpfkraut?!“ Prustete einer der beiden Kumpanen des Dratigen und erntete dafür strafende Blicke der Anwesenden.
Nach eienr kurzen vergewisserung, dass niemand ihn gehört hatte, nickte Lukar.
„Feinstes Kraut von bester Qualität.“
Die Augen des krummen Schergen waren zum ersten Mal still auf einen einzigen Punkt gerichtet. Nachdenklich fuhr er sich mit seiner Zunge über die Oberlippe und zog die ohnehin schon runzlige Stirn in Falten.
„Da war schon mal jemand wie ihr.“ Murmelte er kaum hörbar.
„Hat auch Kraut verkauft. Aber in kleineren Mengen. Kennt ihr den Typen? Macht ihr Geschäfte?“
Lukar zuckte mit den Schultern und offenbarte dem Schergen die Wahrheit, gefolgt von einer Lüge.
„Keine Ahnung von wem ihr redet. Ich arbeite allein.“
Der Scherge nickte abwesend.
„Sumpfkraut ist selten. Und wertvoll. Besonders seitdem die Rotröcke in dieser Stadt sitzen. Jedem noch so kleinen Stängel jagen sie nach und jedem Anzeichen auf den Handel damit wird sofort nachgegangen. Es ist gefährlich geworden, Sumpfkraut zu besitzten . Und genau das machte es für meinen Boss so intetesant.“
Gierig befeuchtete er sich die Oberlippe erneut mit der Zunge und nickte einem seienr Kumpanen zu. Dieser griff an seinen Gürtel und band den Beutel, den er bei sich trug, ab. Tonlos reichte er ihn an den schleimigen Kerl weiter, der den Beutel Lukar unter die Nase hielt.
„Mein Angebot ist einfach.“ Versprach er gönnerhaft. „Den Beutel gegen euer Packet und unsere Wege trennen sich. Was sagt ihr?“
Um seine Worte zu untermalen schüttelte er den Beutel einige Male und lies die Münzen im innern Klimpern, bevor er ihn bereitwillig über Lukars offene Hand hielt.
Lukar schnappte sich den Beutel und wog ihn mit der freien Hand, um zu schätzen wie viele Goldmünzen in ihm ungefähr enthalten waren. Eine beachtliche Anzahl dem Gewicht nach zuurteilen. Doch um ganz sicher zu gehen, dass sich darin wirklich Goldmünzen befanden, steckte er das Packet kurzzeitig zurück in die Tasche, band den Beutel auf und durchwühlte ihn ein wenig, um zu prüfen, ob sich nicht falsche Münzen aus Bronze, Kuper oder anderen Metallen darunter befanden. Auf den ersten Blick schien alles seine Richtigkeit zu haben...
„Verlockend. Aber meine Ware ist mindestens fünfunzwanzig Prozent mehr wert als der Inhalt dieses Beutels.“
Stellte er trocken und gespielt unzufrieden fest.
„Mein Angebot ist bereits sehr großzügig! Wen ich euch noch mehr bezahle, wird mein Boss am Ende wütend auf mich sein.“
Erwiederte der krumme Kerl und imitierte dabei den trockenen Tonfall Lukars erstaunlich gut.
„Vielleicht verzeiht er es euch, wen ihr ihm sagt, dass dort, woher dieses Packet stammt, noch weiter auf ihn warten könnten?“
Der Scherge sah Lukar zögerlich in die Augen und schien seinen Ohren kaum zu trauen.
„Es findet sich noch mehr Sumpfkraut in eurem Besitzt? Wieviel?“
Lukar grinste beinahe höhnisch und sagte:
„Das werde ich vielleicht mit eurem Boss besprechen, wen er den das nächste Mal persönlich vorbeikommt...“
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»Was meint ihr, Noctal?«
Der Bleiche blieb eine Weile stumm, seine Augen waren nur auf die drei Ziele gerichtet, die sich vor Lukar postiert hatten. Das Gerede konnte er nicht hören. Leider, aber dafür hatte er die perfekte Sicht auf die Individuen, die mit Lukar verhandelten. Wie die aussahen, konnte man nicht davon ausgehen, dass sie viel Gold durch sie verdienen würden. Die Gestalten waren viel zu abgerissen aussehend und erschienen nicht wie Leute, die Geld in den Taschen hatten.
»Wir warten weiterhin ab, bis etwas passieren sollte«, entgegnete nun endlich die bleiche Gestalt.
Die Augen waren weiterhin auf die abgerissenen Gestalten gerichtet. Sollten sie Lukar angreifen, würde Noctal keine einzige Sekunde mehr warten, denn dann würde er ohne Kompromisse dazwischengehen, um den alten Herren zu verteidigen. Das war seine Aufgabe und die nahm er sehr ernst. Die Verhandlungspartner von Lukar sahen zwar nicht gerade reich aus, nicht mal ansatzweise, aber sie konnten gefährlich werden. Selbst der kleinste Mann der Gruppe konnte eine ernsthafte Bedrohung werden, falls er einen Dolch dabeihaben sollte und bei solch Geschäften hatte jeder einen Dolch oder ein Messer dabei. Es wäre auch zu gefährlich, falls man ohne aus dem Haus gehen würde. Geduldig im Schatten lauerten Noctal und Grimm auf potentielle Gefahren. Sie waren für alles bereit.
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„Also sind wir ihm Geschäft?“
Der Geschäftsmann hielt dem noch imemr etwas zögerlichen Schergen das Krautpacket unter die Nase. Ein wenig widerwillig nickte der Mann und gab seinem anderen Kumpanen ein Zeichen, welcher ebenfalls einen Geldsack am Gürtel hatte. Doch der Mann machte keinerlei Anstalten, der Aufforderung nachzukommen und starrte Lukar stattdessen feindseelig an. Seine Hand legte er an etwas an seiner Hürte, was nur der Griff einer Waffe sein konnte. Lukar fiel dabei auf, dass die Hand des Mannes leicht zitterte, so als sei er nervös. Doch er wirkte keineswegs nervös, eher das Gegenteil schien der Fall zu sein. Was konnte er nur haben?
„Was, wen er uns verarsch? Wen er garkein Kraut mehr bei sich hat?“
Grimmig wand er dem Kopf zwischen seinen Kameraden hin und her und verstärkte den Griff um seine Waffe, nicht um seine Bereitschaft zur Gewalt zu verdeutlichen sondern vielmehr um das Zittern unter Kontrolle zu bringen.
„Der Boss macht uns das Reich Beliars heiß, wen der Alte kein Kraut mehr hat!“
Fuhr er schließlich fort als könnte Lukar ihn nicht hören.
„Ich sag`, er soll erst beweisen das er noch welches auf der hohen Kante liegen hat und dann kriegt er seine Prozente.“
„Arnulf! Vergiss nicht, wem der Boss die Führung dieses Auftrags überlassen hat.“ Kneifte der schleimige Kerl gereizt und streckte die Hand auffordernd aus. Doch Arnulf lies sich nicht beeindrucken.
"Ich werde mich hüten, dem Urteil vom Boss zu wiedersprechen." Arnulf hob Anklagend den Finger und streckte ihn in Richtung Lukar.
"Aber ich trau dem Alten nich` über`n Weg!" Erklärte er beinahe wie ein trotziges Kleinkind.
"Ob du ihm traust oder nicht tut hier nichts zur Sache! Der Boss gab mir freie Hand bei diesem Handel und du hast mir gefälligst nicht dazwischen zu reden."
Fauchte der Unterhändler mit einer Authorität in der Stimme, die Lukar nicht von ihm erwartet hätte. Offenbar steckte in dem Kerlchen mehr, als die blosse, schmierige Fassade erahnen lies.
"Arnulf." Brummte schließlich auch der letzte der drei ruhig und Arnulf, der einsah das er mit seiner Meinung ziemlich alleine dastein, gab mit einem bedauernden Seufzer nach.
Grummelnd band er den Lederbeutel von seinem Gürtel und drückte ihn dem Unterhändler grob in die Hand.
"Da! Ist zum Glück ja nich`meine Kohle!"
Den wütenden Ausruf seines Untergebenen ignorierend, öffnete der Oberscherge den Beutel und holte mit der freien Hand eine beträchtliche Summe Goldmünzen heraus, die zusätzlich in Lukars Geldbeutel verschwanden. Zufrieden band Lukar seinen prallen Beutel an den Gürtel und legte das Packet in die ungeduldig wartenden, fettigen Hände.
"So, ich hoffe das war das letzte Mal das wir uns getroffen haben. Die nächste Ladung geht direkt an euren Boss... oder niemanden, ist das klar?"
"Oh. ja ja, wir werden es ihm ausrichten." Versprach der Unterhändler eilig und wand sich, dass Packet grob unter seinem Oberteil verstauend, zum gehen. Sein anderer Kumpan, dessen Namen Lukar nicht kannte, folgte ihm auf den Fuß, lediglich Arnulf blieb noch zurück und starrte Lukar feindseelig an. Erst als Lukar auffordernd die Augenbraue hob, wand er sich ebenfalls zum Gehen, wen auch nur langsam. Ausgesprochen langsam. Viel zu langsam.
Kaum hatten seine beiden Komplizen die Gasse hinter sich gelassen und waren in die nächste abgebogen, drehte er sich wieder herum, legte seine Hand wieder an den Griff seiner Waffe, zog sie in einer unerwartet schnellen Bewegung aus der Halterung und richtete sie drohend auf Lukars Brust.
"Ok Alter! Die beiden kannst du vielleicht verarschen aber bei mir klappt das nicht!, kapiert?" Presste er zwischen den Zähnen hervor und fuchtelte mit der Waffe herum. Seine Hand zitterte schon wieder.
"Also sag schon, wo sind deine geheimnissvollen Krautvorräte, wen es sie den überhaupt gibt, hä?"
Lukar sah mit seiner befremdlichen Maske der völligen Gelassenheit auf die Waffe, die ebenso wie die Hand Arnulfs zitterte, wohlwissend, dass er nichts weiter brauchte als ein wenig Zeit, um diesen naiven Dreckskerl loszuwerden. Er machte sich nichteinmal die Mühe, zu seiner eigenen Waffe zu greifen.
"Was willst du? Deinem Boss erzählen, wo ich meine Vorräte lagere, damit er sie sich kostenlos abholen kann und du deine Belohnung für diese Heldentat erhältst?"
Fragte Lukar langsam und scheinbar gelangweilt.
"Schnauze, Mann! Mir gehts hier nicht um irgendwelche Geschäfte die mein Boss macht! Er ist ein mieses Schwein und zahlt sowieso nie genug! Ich will verdammt noch mal wissen, wo du dein Kraut bunkerst, Alter!"
"Scheint dir verdammt wichtig zu sein mein Kraut." Murmelte Lukar leise und fuhr freund fort. "Bist du etwa süchtig?"
Arnulf begann am ganzen Körper zu zittern und schnappte wütend nach Luft, während ihm einige Schweistropfen an der Schläfe hinabrannen.
"WO!? IST!? DAS!? KRAUT!?"
Geändert von Lukar (02.04.2014 um 19:55 Uhr)
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Es war wohl Beliars Eingriff in die Welt, dass es endlich etwas zu tun gab.
Sie konnten sich aus ihrem komatösen Zustand lösen und nun selbst Hand anlegen. Gerade Noctal hatte die ganze Zeit brennend auf diesen einen Moment gewartet und nun war er eingetroffen. Sie mussten nun nicht länger Beobachter spielen, sondern durften in das Geschehen aktiv eingreifen.
Lukar wurde von einer Gestalt bedroht, die vorher an der Seite des kleinen schmierigen Typens stand. Die beiden anderen Gestalten hatten die Gasse verlassen, doch dieser eine Kerl blieb zurück, um den alten Herrn zu bedrohen. Die Worte, die er laut ausspuckte waren getränkt in Zorn und wenn Noctal und Grimm nicht in Kürze etwas tun würden, würde es vielleicht zu spät sein. Lukar war in dieser Situation total gelassen. Nicht mal seine Waffe zog er. Wahrscheinlich konnte er es in die Länge ziehen und wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen oder er wusste, dass Noctal und Grimm ihm helfen würden. Sie würden ihn auf keinen Fall im Stich lassen, deswegen betraten die beiden Beschützer die Gasse. Hier herrschte nicht der Wind, da er durch die Gebäude abgefangen wurde. Man war hier ungestört und niemand außer die Anwesenden würden etwas mitbekommen. Es war also der perfekte Ort. Sie könnten schnell wieder abhauen, falls Blut vergossen werden sollte. Noctal stand einige Meter weiter von dem Typen entfernt, der noch immer seine Waffe hielt und sie bedrohlich gegen Lukar richtete. Der Bleiche räusperte sich extra laut, damit der Kerl auf ihn aufmerksam wurde.
»Was wollt ihr hier? Verschwindet! Das ist eine Sache zwischen mir und ihm!«, giftete der fremde Typ die beiden Gestalten an. Noctal konnte nicht anders, als seinen Kopf langsam zu schütteln und wieder seine Augen bedrohlich auf die Gestalt zu richten.
»Ihr seid immer noch hier? Jetzt verschwindet endlich oder ich mache euch Beine!«, entfuhr es der Gestalt wieder zornig.
Doch Noctal und Grimm verließen nicht ihre Position. Ihre Gesichter erschienen wie die einer Statue. Ihre Fassade regte sich nicht.
»Seid ihr taub? Verpisst euch sofort!«
Nach jedem Wort wurde der fremde Kerl wütender. Noctal konnte sehen, dass er zitterte und gerade das war ein Ausdruck von Angst oder irrte sich der Bleiche und der Kerl hatte etwas anderes? Noctal fühlte sich jedenfalls sicherer, wenn der Kerl zitterte, denn wenn der Fremde Angst haben sollte, konnte er schnell einen Fehler in seiner Angst machen, aber auch so waren sie in der Überzahl und konnten nur gewinnen.
Alles andere sollte nicht zur Debatte kommen.
»Ihr habt ein ziemlich großes Mundwerk«, erwiderte Noctal nach einer Zeit des Wartens und des Beobachtens.
»Und dazu wisst ihr wohl nicht, was hier läuft, nicht wahr?«, kam es weiter aus ihm heraus.
Noctal schüttelte wieder seinen Kopf. Der Kerl wusste wirklich nicht, was los war oder er tat nur ahnungslos.
»Mir doch egal! Vollkommen egal sogar!«, erwiderte der Fremde in seinem Zorn.
Noctal kam ein paar Schritte näher. Es sah so aus, als würde der fremde Kerl noch mehr zittern, als vorher.
Die Waffe hielt er immer noch in seiner Hand. Er dachte nicht daran, sie runterzunehmen.
»Wisst ihr eigentlich, dass ihr zittert? Was ist mit euch los?«, sprach der bleiche Mann kühl aus.
Danach entfuhr dem Verstossenen ein lautes Lachen.
»Haut ab oder ich schlitze euch auf! Euch alle!«, drohte der Fremde.
Der Mann mit der großen Klappe zitterte immer mehr und seine Blicke huschten umher. Erst wieder zu Lukar, dann zu Grimm und zu Noctal. Das wiederholte sich einige Male. Er wurde immer hektischer und Schweißperlen rannten seine Stirn hinunter.
Als er seine Aufmerksamkeit für einige Sekunden verlor, nahm Noctal die Gelegenheit wahr, zog seinen Dolch und trat mit Schnelligkeit an den Mann heran, um ihm den Dolch aus der Hand zu schlagen. Dann hielt Noctal seinen Dolch an die Kehle des Fremden. Ein Schweißtropfen des Fremden fand den Weg auf den Boden und er blickte dem Bleichen in die Augen, doch der Fremde sagte kein Wort.
»Jetzt habt ihr wohl keine so große Klappe mehr«, sagte der Verstossene mit einem Lachen.
»Ich könnte euch die Klappe auch herausschneiden, dann wärt ihr bestimmt erträglicher.«
Die Zähne des Verstossenen blitzten auf. Das sadistische Lächeln lag ihm auf der Visage.
»Aber ich könnte euch auch die Kehle durchschneiden. Das wäre der klassische Weg.«
Die Schweißtropfen auf dem Antlitz des Fremden lieferten sich ein Rennen.
Doch von ihm kamen keinerlei Wörter mehr. Er erschien, als wäre er stumm.
Als der Fremde aber mit seinen Augen nach seinem Dolch auf dem Boden suchte, trat Noctal den Dolch weg, sodass der Fremde nicht einfach seinen Dolch aufheben konnte, um das Blatt zu wenden. Noctal wiederrum steckte seinen Dolch weg, packte den Hals des Mannes und warf ihn mit Schwung gegen ein Fass, das dadurch umgestoßen wurde.
»Verschwindet und kommt nie wieder! Solltet ihr aber dennoch so dumm und dreist sein, werde ich euch eure ganze Familie nehmen, nachdem ich sie endlos gefoltert habe!«, spuckte Noctal ihm entgegen. Als der Mann zögerte aufzustehen, sprach Noctal weiter.
»Immer noch hier? Soll ich euch töten oder soll ich es in eurer Gossensprache sagen, damit ihr das versteht? Verpisst euch, Abschaum! Sonst beende ich auf der Stelle euer Leben!«, spuckte er weiterhin aus.
Endlich stand der fremde und dreiste zittrige Typ auf, um seine Beine in die Hand zu nehmen und zu verschwinden. Als er weg war und die Situation somit geklärt war, nickte Noctal und Grimm dem alten Mann zu, ehe sie dann selbst verschwanden, um im Schatten wieder über Lukar wachen zu können.
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In der Ferne hatte sie die 2 Leuchttürme schon gesehen. Endlich war Land in Sicht. Endlich war dieses grausame Schiffsfahrt vorbei. Succa griff mit beiden Händen um die Reling und blickte gespannt zum Hafen. Käpt'n Spickow hatte mittlerweile schon das große Segel einholen lassen und das kleine Schiffchen näherte sie langsam dem Hafen. Die Schwarzhaarige blickte gespannt auf den Hafen und würde wohl voller Freude zugleich aus dem Schiff springen sobald sie angelegt hatten.
"Mr. Flurner los gehts", brummte der Käpt'n und der junge Bursche sprang über das Deck. Innerhalb weniger Augenblicke herrschte ein reges Treiben an Deck. Auch wenn nicht viele Männer an Deck waren. "Ihr solltet eure Waffen etwas verhüllen. Ich weiß nicht was die Stadtwache zu Fremden mit solchen Waffen sagt", murmelte Käpt'n Spickow neben ihr in seinen Bart. Die Schwarzhaarige nickte. Eine kühle Brise wehte ihr ums Haar und Succa wickelte ihr Schwert in das Stofftuch welches sie unter Deck gefunden hatte. Auch wenn es deutlich verschmutzt war, würde es vorerst wohl reichen ohne Stress sich in der Stadt zu bewegen.
Mit dem großen Ruder drehte Käpt'n Spickow das Schiff ein wenig um den Kurs direkt auf den Holzsteg zu halten. Succa blickte am Schiffsrand her runter und grinste. Land, sie würde sogleich endlich wieder Land unter ihren Füßen spüren. Bewegungsloses Land. Kein auf und ab mehr in den Wellen. Einfach ein starres Land. Sie grinste innerlich und trippelte nervös mit ihren Füßen auf dem Holz herum. "NEY so geht dat nit. Geh wech da", motzte der Bursche einen Jüngling an und die Schwarzhaarige blickte zu Mr. Flurner. Er hatte den Jüngling beiseite gestoßen und nahm das Seil in die Hand "Käpt'n ich warte", murrte er in Richtung des Käpt'n und dieser erschreckte sich kurzerhand. "Auf wassn?" Käpt'n Spickow hob die Augenbraue und blickte fraglich seine Flasche Rum an. "Hab ichs vergessen? Auf was wartet der denn?" Er rieb sich den Nacken und hob den Finger in die Luft. Er riss die Augen auf und grinste breit "ANKER ... errmmm..." kratze sich am Kopf und biss sich auf die Lippe "Runter damit. Runter mit dem Anker!", brüllte er und Succa blickte ihn verwundert an. Sie waren noch nicht einmal angelegt und der wollte schon den Anker runter lassen? War der denn nun total bescheuert "Jetzt schon?!" Verwundert schaute Mr. Flurner ihn an und der Käpt'n nickte hastig "SOFORT" Er erhob wieder den Zeigefinger und blickte stolz gen Hafen.
Succa hielt sich ruckartig fester am Holz fest und kniff die Augen zusammen. "Na wenn de Käpt'n so meint, dann meint er so", murrte Mr. Flurner und lies das Seil los. Ein kurzer Platscher und man hörte deutlich, dass der Anker unter Wasser gegangen war. Gleich...Sie wusste es. Gleich würden Sie stoppen. In aller Wahrscheinlichkeit sogar mit einer kräftigen Erschütterung. Succa krallte ihre Fingernägel ins Holz und wartete.
Ein lautes Knarren des Holzes. Das Schiff senkte sich mit der Vorderseite ins Wasser. Ein großer Ruck ... RUMMS! Sie standen. Im Wasser. Sie hatte es geahnt. Nur Idioten auf diesem Schiff. Das Schiff neigte sich stark und einige Holzfässer rollten über das Deck. Das laute Knarren des Holzes war schon fast unerträglich. Dann ein lauter Knall. Die Reling in der Nähe des Ankers hatte nachgegeben. Das Holz zerberstete und einige Holzsplitter flogen durch die Luft. Mr Flurner sprang mit schützenden Armen in Deckung und schrie auf. Und das nannten die anlegen? Was war das eigentlich hier für ein Sauhaufen? Dann Blickte die Schwarzhaarige zum Holzsteg.
Der Holzsteg war nur noch einen Sprung entfernt. Einen Sprung trennte Succa von dem Land.
"MR. FLURNER. SEID IHR DENN DES WAHNSINNS?", brüllte Käpt'n Spickow über sein Schiff und Succa schmunzelte. Er hatte doch den Befehl dafür gegeben. Wahrscheinlich war er so betrunken von seinem Rum, dass er sich schon das halbe Hirn weggesoffen hatte. "AYE Wahnsinn! Mein 2. Name. Ihr wusstet doch davon", murrte der Jüngling zu seinem Käpt'n und Succa konnte sich einen kleinen Lacher nicht verkneifen. "Männer!", sprach sie und führte Ihre Hand gen Schläfe. "Ich sehe schon ihr kommt sicher ohne mich klar", sprach Succa und blickte den Käpt'n an. Etwas verdutzt schauten beide die Schwarzhaarige an, als sie auf die Reling an der Vorderseite kletterte.
Ein Sprung. Nicht weit, aber doch eine kleine Herausforderung. Sie landete mit Ihren Füßen auf dem Holzsteg und breitet die Arme aus. Ihr Gleichgewicht hatte gelitten die letzten Tage. War ihr immer noch schlecht von der grausamen Überfahrt. Doch sie war endlich runter von diesem Schiff. Sie versuchte die Schwankung der Landung auszubalancieren und scheiterte kläglich. Als Sie die Augen öffnete saß sie auf ihrem Hintern auf dem Holzsteg. Hoffentlich hatte das jetzt niemand gesehen. Vollen Mutes erhob Sie sich und richtete Ihr Hab und Gut. Just in dem Moment machte Sie kehrt und schritt auf das richtige Land. Weg vom Holzsteg. Endlich Land. Festes gutes Land dachte Sie und atmete tief an.
"Mhh und jetzt?", fragte Sie sich selber und hob fragend die rechte Augenbraue.
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Ebenso schnell wie Noctal und Grimm aus den Schatten ausgtaucht waren, hatten sie sich auch schon wieder verzogen, bevor sie noch unnötig jemand zusammen mit dem alten Lukar zu Gesicht bekam.
Der nunmehr verängstigte, eindeutig nach Sumpfkraut süchtige Handlanger hatte sie zwar gesehen, doch Lukar machte sich nicht all zu große Sorgen das nur weil er sie beobachtet hatte, schon bald in aller Munde sein würde das Lukar über zwei sadistische Schutzengel verfügte, denen jedes Mittel recht war um den Alten, und noch wichtiger, das Kraut, zu beschützen. Lukar war natürlich klar das mehr als die Hälfe der Drohungen, die Noctals an den Süchtigen gerichtet hatte, in gewisser Weise nur leere Drohungen gewessen waren. Sie sollten nur einen Zweck erfüllen, nähmlich den Mann verschrecken und zur Flucht treiben.
Es war Noctal durchaus zuzutrauen, all jene Taten zu begehen von denen er sprach, doch hätte er dem Mann wirklich Schaden zufügen wollen, hätte er ihm ohne zu zögern die Kehle durchgeschnitten und die Leiche entsorgt. Soviel war sicher. Sein Job als heimlicher Aufpasser war aber anders ausgelegt. Er brachte statt dem sicheren Tod die Furch vor diesem, und bei gewissen Menschen war es egal mit welcher der beiden Varianten sie behandelte, das Ergebniss war auf geschäftlicher Ebene das gleiche: Der Kerl würde Lukar nicht mehr behelligen.
Zufrieden über den Ausgang der kleinen Außeinandersetzung und des Geschäfts zuvor besah Lukar seine stattliche Ausbeutean Goldmüzen. Es war ein ziemlicher Haufen Geld den er nun besaß und es sollte noch mehr werden. Wieviel des Profits er später an den Auftraggeber weiterreichen musste, daran wollte er lieber jetzt nicht denken. Vielmehr wollte er die weiterhin positiven Aussichten auf Reichtum weiter verfolgen: Das nächste Gespräch mit den Gebrüdern stand an, in dem er über einen weiteren Kontakt verhandeln würde. Ihm war klar, dass er sich deutlich dominanter zeigen musste, nachdem sie ihn so sehr hatten warten lassen. Es ging nicht an das sie mit ihm spielen wie es ihnen beliebte, weil sie der Meinung waren er wäre von ihnen abhängig. Es galt, ihnen klar zu machen, dass sich ihre Aufsichten auf Profit merklich schmälern würden, wen sie nicht so kooperierten wie Lukar es von ihnen verlangte. Sie mochten mächtig sein und diese Stadt kenne wie ihre Westentasche. Aber Lukar war es, der sie am Ende bezahlen würde.
Und er wusste genau, dank seiner beiden finsteren Schutzengel, brauchte er die beiden nicht zu fürchten...
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Innos ist das Feuer, und das Feuer ist Innos.
Er ist die Leben spendende und verbrennende Sonne.
Das Wissen und der Geist sind in ihm, und er ist im Geiste der Menschen.
Er ist der Anfang und das Ende.
Die Fackel prangte hoch erhoben über dem Kopf des Mannes, der wie ein Getriebener durch die Straßen streunte. Zugegeben, das lichtbringende Utensil war angesichts der immer noch herrschenden Helligkeit ziemlich sinnlos, doch es ging um das Symbol. Innos war das Feuer!
Vicktar blickte sich mit verkniffener Miene in den Gassen Thorniaras, seiner Heimstatt und dem Sitz des Königs unter der Sonne des einen Gottes, um, starrte mit bohrenden Augen in die Gesichter der Menschen. Sie mussten glauben, sie mussten sehen, was er gesehen hatte! Sie mussten bereuen, so wie er es tat! Keinen Moment dachte der Weber daran, dass es für seine heilige Mission hilfreich gewesen wäre, sich wieder ein gepflegteres Erscheinungsbild zuzulegen, nachdem er die letzten Tage unentwegt alle erwerbbaren Glaubensschriften in sich aufsaugend in seiner Schlafkammer zugebracht hatte. Aber die Menschen sollten ohnehin nicht auf ihn achten, seinen zerlumpten Arbeitsmantel oder den wild sprießenden Zehntagebart, der ihm bereits nach acht Tagen im Gesicht prangte, die ungesunde Blässe seiner Haut ob der Missachtung körperlicher Bedürfnisse in seiner Studierzeit oder das fanatische Flammen in den Augen, deren Blick trotz seines voranschreitenden Alters scharf wie der eines Falken und schneidend wie ein Schwert war. Sie sollten das Feuer schauen, Innos erblicken! Und dann sollten sie wie er erkennen, wem sie ihren Lebenszweck widmen mussten.
Ein halber Mondlauf war vergangen, seit das Unfassbare geschehen war. Der Weg durch das Bluttal in Begleitung der angeheuerten Söldner war mühselig gewesen, doch es war die Reise wert gewesen. Ein Vertreter der Baronie Stewark hatte sich an den Meisterweber gewandt mit dem Auftrag, Brokattapeten verschiedener Farben für mehrere Zimmer des Barons anzufertigen, und bei solch einem Abnehmer reiste man selbstredend persönlich an, um die Waren abzuliefern und einen guten Eindruck zu machen. Ohnehin war Vicktar damals noch nur allzu gern aus Thorniara fortgegangen, um der Schmach, die ihm der in den letzten Jahren aufflammende Konflikt zwischen dem Myrtanischen Reich und dem Setarrifischen Reich gebracht hatte, zu entgehen. Er hatte die Anhänger Innos' gehasst, das musste er zugeben - aus vollem Herzen. Wie so viele auf der Insel war auch er im schlichten Glauben eines frommen Handwerkers an die Güte Adanos' aufgewachsen, und so hatte er es über all die Jahre gehalten, ohne dass die Religion für ihn eine besondere Rolle gespielt hätte. Bis der Konflikt der Reiche ihm als Bewohner Thorniaras einen Strich durch so viele Rechnungen mit den Schneidern Setarrifs gemacht hatte. Und dann kam diese Nacht im Bluttal.
Als wäre es gerade erst geschehen, sah Vicktar es immer noch klar vor sich. Es war ein kurzer Augenblick nur, ohne sonderliche Aufmerksamkeit oder Erwartungen, als ihn das Schicksal packte und sein Leben durcheinander wirbelte. Ein Blick in das Feuer der Fackel vor ihm, der mit einem Schlag all sein Denken zerstörte, all seine Empfindungen und Sinne raubte. Nur der Anblick des Feuers brannte sich in seinen Geist. Und als er sich wieder bei Sinnen fand, lag er auf dem fruchtlosen Boden des Bluttals, umringt von seinen Mietschwertern. Innos, der Gott des Feuers, hatte ihn erwählt, das war ihm immer klarer geworden, je mehr er über das Geschehene nachdachte. Er hatte nicht mit Worten zu ihm gesprochen, doch die Botschaft, die er ihm hinterließ, war deutlich.
Geh in die Stadt und diene mir, und es wird dir klar werden, was du tun sollst!
Überrollt von der Gewaltigkeit der göttlichen Präsenz war Vicktar weiter nach Stewark gereist, um sein Geschäft abzuschließen, doch noch nie hatte er den Weg zurück nach Thorniara so schnell bewältigt wie nach jenem Tage. Mit allem Eifer und aller Inbrunst hatte er die Schriften über den Glauben studiert, die er in der Kürze erwerben konnte, um zu prüfen, wie er über all die Jahre nur so falsch liegen konnte. Und er begann zu bereuen. Er bereute, den Lügen Adanos' erlegen zu sein, der sich als Mittler ausgab und doch nur den Konflikt suchte. Er bereute, dass erst Gott selbst zu ihm kommen musste, damit er anfing, zu glauben! Nun aber war er sich sicher, und er wollte, dass alle Bürger der Stadt bereuten, wie er es tat. Sie alle mussten glauben und im Glauben an Gott vereint sein, damit sie den Kampf gegen die letzte Bastion des heuchlerischen Dämons gewinnen konnten.
Endlich erblickten seine Augen einen geeigneten Kandidaten, der wirkte, als sollte Vicktar seinen Glauben auf die Probe stellen. Ohne Zögern schritt er auf den Mann, der ihm den Rücken zugewandt auf der Straße verharrte, zu und packte ihn an der Schulter.
"Glaubst du an den einen Gott?", sprach der Weber ihn mit seiner lauten, einnehmenden Stimme ohne jeden Gruß an.
"Glaubst du an das Feuer Gottes? Sieh her!"
Ruckartig hielt er dem Mann die Fackel direkt vor das Gesicht.
"Sieh das Feuer! Glaubst du an deinen Gott?"
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Der Tag gestern hatte ein wenig Schwung hineingebracht, doch nun mussten sie wieder die Beobachter spielen, aber vielleicht würden sie oder besser gesagt Noctal wieder eingreifen können. Noctal dachte jedenfalls schon daran, dass bald wieder etwas passieren würde, doch nun hieß es wieder, sich im Schatten zu verstecken, den Blick immer aufrecht zu erhalten und aufzupassen, damit nichts geschehen konnte.
Das Paket und auch Lukar mussten geschützt werden und nichts konnte Noctal davon abhalten, seine Aufgabe zu erfüllen. Erst recht nicht solche schwachen Gestalten von gestern waren dazu nicht in der Lage. Wenn es nötig sein sollte, würde der Bleiche einem Störenfried die Kehle durchschneiden. Das würde er tun, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Gefühle würde er dabei nicht hegen. Die waren unnötig und konnten einen daran hindern.
Man musste also die Gefühle vollkommen ausschalten können, dann war man auf der sicheren Seite.
Grimm sah nun zu dem Bleichen herüber. Er hatte eine Frage, das konnte man sehen.
»Hättet ihr diesem Typen eigentlich wirklich all das angetan, was ihr ihm gedroht habt?«
Ein Grinsen schlich sich über das Gesicht des verstossenen Prinzen, der nun unter seiner Kapuze hervorsah.
»Würdet ihr mir das denn zutrauen?«, fragte der Bleiche grinsend nach.
»So wie ihr ausseht, ganz bestimmt«, lachte Grimm ihn an.
Das Grinsen von Noctal verschwand nicht. Es wurde breiter. Dann lachte die Gestalt.
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In dieser Stadt liefen vielerlei Leute herum. Bettler und Schmuggler standen ganz unten, dann kamen die arbeitenden Bürger. Händler und Kaufleute waren gutsituierte Menschen und nur dem Adel und der Herrschaft ging es besser. Zu welchen dieser Stände wohl dieser Mann gehörte, der ihm einen gehörigen Schrecken einjagte, als er unversehens an der Schulter packte und ihn diese abstruse Frage stellte. „Glaubst du an den einen Gott?“ Obwohl die Frage an Calan gestellt war, verriet sie viel über den Mann, der sie fragte. Ein tief gläubiger Mensch. Manche würden ihn einen Fanatiker nennen, doch diese Menschen wussten nicht von der Macht Innos‘
Obwohl er kurz zurückwich, damit die Fackel ihm nicht das Gesicht verbrannte antwortete er „Mit all meinem Herz.“ Er packte die lodernde Fackel des Mannes am Schaft und drückte sie etwas zurück. „Ich habe in seinem Namen gekämpft und ich habe in seinem Namen getötet. Ich bin in seinem Namen in das Kloster zu Nordmar gepilgert und ich habe mein Leben unter seine Herrschaft gestellt. Ja, ich glaube an unseren Herren und Erlöser, wie es jeder gute Mensch in dieser Stadt tut. Wenn ihr missionieren wollt solltet ihr die ungläubigen Städte besuchen, allen voran Setarrif unter ihrem falschen König. Dort ist das Geschwür, dass es auszubrennen gilt, nicht in meinem Gesicht.“
Wieder drückte er die Fackel etwas weg, die der Mann immer näher an seinen Kopf hielt.
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Nachdem die Antwort des Fremden in der sich abkühlenden Abendluft verhallt war, blickte Vicktar ihm lang und tief in die Augen, bevor er anerkennend nickte.
"Gut. Gut."
Während sein Gegenüber sich schon wieder geringfügig genervt an ihm vorbei in Bewegung setzte, wandte sich der Weber eilfertig zu ihm um und tat einen Schritt hinterher.
"Doch wenn du glaubst, dass alle so sind wie du, täuschst du dich gewaltig! Die innere Schwäche ist es, die den Sieg des Feuers aufhält, nicht der Widerstand in Setarrif!"
Als der Fremde keine Reaktion darauf verlauten ließ, brach Vicktar seinen zugegebenermaßen recht forschen Missionierungsversuch ab und lief die Straße weiter entlang. Von Zeit zu Zeit näherte er sich einigen Menschen, die nicht allzu gottesgläubig aussahen, und warf ihnen Sprüche in der Art von "Deine Seele gehört Beliar, wenn du nicht den Worten des einzig wahren Gottes folgst!" oder "Siehe ins Feuer, sieh Gott! Nur gemeinsam können wir seine Lehre überall verkünden!" zu.
Die Zeit verging wie im Fluge, während Vicktar, der sich so mangels besserer Einfälle ein Ventil für seinen Glaubenswillen gesucht hatte, durch die Gassen schritt. Ob er es vielleicht eher im Hafenviertel versuchen sollte? Dieser Ort war der Hort der Sünde, das Geschwür dieser Stadt - willige Huren, gepanschter Alkohol, Glücksspiel, Lug und Trug, streitsüchtige Säufer... er kannte die Gegend nur zu gut. Ob er auch sie dzau bewegen konnte, zu bereuen, so wie er es tat?
Unbeirrt setzte er seinen Weg fort - nicht ohne die Menschen mit einem gelegentlichen "Bereue!" zu belästigen.
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In aller Ruhe saßen Noctal und Grimm im Schatten und beobachteten das Treiben.
Im Hafenviertel war so einiges los. Die Menschen arbeiteten und freuten sich schon jetzt auf den Feierabend.
Zwei Menschen waren zu sehen, die Kisten schleppten, um sie an einem Lagerhaus zu stappeln und wieder von vorne zu beginnen. Wahrscheinlich taten sie dies für einen Hungerlohn. Für Noctal war dies keine Arbeit. Man würde schuften bis zum Ende und selbst dann hätte man nicht so viel Gold verdient. Da waren die Arbeiten, die Noctal erledigte, nicht nur lukrativer, sondern auch spannender, zumal man sich nicht seinen Rücken kaputt machte.
Er ließ nun seinen Blick nach rechts schweifen. Ein Mann kam auf die beiden zu.
»Hey!«, rief er zu den beiden. Noctal tat so, als hätte er die Person nicht gehört.
Sie sah dreckig und ärmlich aus. Fast schon zu dreckig und sie kam immer näher.
»Ihr da! Hey!«, sprach sie weiter, nun aber leiser als vorhin. Dann blickte sie sich um.
»Habt ihr Sumpfkraut zu verkaufen?«
Noctal und Grimm blickten die Person an, ohne dabei die Miene zu verziehen.
»Was wollt ihr?«, fragte der Bleiche nach, als hätte er die Frage nicht richtig verstanden.
»Sumpfkraut! Habt ihr was da?«
Paranoid ließ die komisch wirkende Person ihre Blicke nach links und rechts schweifen.
»Nein, haben wir nicht«, entgegnete Noctal gelassen.
»Kommt schon. Ich weiß, dass ihr was habt«, hakte die Gestalt weiter nach.
Der Bleiche blickte der Gestalt direkt in die Augen.
Mittlerweile war er genervt von dem Kerl und Noctal hatte schon so ein Gefühl, dass hier was nicht stimmen konnte.
Der Kerl war viel zu aufdringlich und nervig.
»Bitte! Ich kann euch auch viel Gold dafür geben!«
Wieder blickte er ihn an.
»Wie oft denn noch? Wir haben kein Sumpfkraut!«
»So Leute wie ihr es seid, habt doch immer was dabei. Das weiß ich ganz genau!«
Genervt atmete Noctal aus. Er wusste, dass dieser Typ irgendetwas versuchen wollte.
Kurz blickte er zu Grimm herüber, dann wieder zu der nervigen Person.
»Also gut. Wir haben Sumpfkraut dabei«, erzählte Noctal.
»Na endlich! Wie viel verlangt ihr?«
»Sollen wir das etwa hier verhandeln?«
Mit einer Kopfbewegung machte Noctal der Person klar, dass sie den beiden folgen sollte.
Sie bogen in eine finstere Gasse ab.
»Was ist jetzt mit dem Sumpfkraut? Wie viel wollt ihr dafür?«
Grinsend stand Noctal der Gestalt gegenüber.
»Wollt ihr uns verarschen?«, wollte der Bleiche wissen.
Verdutzt blickte der Kerl Noctal entgegen.
»Wovon redet ihr?«, fragte der Kerl.
»Glaubt ihr etwa, dass ich solche Typen wie euch nicht kenne?«
»Ich verstehe nicht! Was meint ihr damit?«
Noctal rollte die Augen. Der Kerl war ein Spitzel. Das konnte er riechen.
»Verfluchter Spitzel!«, fauchte er dem nervigen Typen entgegen.
Bevor der vermutliche Spitzel reagieren konnte, hatte Noctal ihm bereits in den Magen geschlagen.
Vor Schmerzen sank der Kerl auf die Knie.
»Bitte! Ich habe doch nichts getan!«
»Hört auf mich zu verarschen!«
Ein weiterer Schlag folgte.
»Okay, okay. Ich gebe auf. Ich gebe auf, aber hört auf zu schlagen! Bitte!«
Noctal blickte ihn voller Erwarten an.
»Wer hat euch geschickt? Antwortet mir, sonst reiße ich euch in Stücke!«
»Ich weiß nicht! Ich konnte ihn nicht erkennen!«
»Wollt ihr mich wieder verarschen? Redet!«
»Ich lüge nicht! Es war so ein Typ in dunkler Kleidung. Er hat mir Geld angeboten! Ich schwöre es!«
»Sagt mir alles was ihr wisst!«
»Ich kann nicht mehr viel dazu sagen. Mir wurde Geld angeboten, damit ich euch Sumpfkraut abkaufe. Dann hätte man Beweise dafür, dass ihr in illegalen Machenschaften verwickelt seid. Somit hätte die Miliz dann das Recht gehabt euch in den Kerker zu sperren!«
»Hat die Miliz euch also das Geld angeboten?«
»Glaube ich nicht. Der Typ machte nicht den Eindruck, dass er zu der Miliz gehören würde. Er machte eher den Eindruck, als würde er einer von euch sein. Also wie ein Krimineller.«
»Ich habe genug gehört! Verschwindet!«
Sofort war der nervige Kerl verschwunden.
Fragend blickte sich Noctal und Grimm an.
Noctal vermutete, dass die Gebrüder Althoff etwas damit zu tun hatten.
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Die Faust Lukars hämmerte lautstark auf den Tisch des kleinen Besprechungsraums und lies die unzähligen Krümmel, die vermutlich schon seit Jahrne auf der hölzernen Platte verweilten, in die Höhe springen.
Der Alte hatte eine einschüchternde Maske des Zorns aufgesetzt und die Augen weit aufgrissen, was seine beiden Gesprächspartner zumindest nach außen hin vollkommen kalt lies. Die Gebrüder zeigen, wie damals beim Glücksspiel, nicht einmal ein kurzes Zucken in ihrem Gesicht. Doch Lukar war das egal. Er musste seinem Unmut Luft machen und gleichzeitig zeigen, dass er nicht mit sich spielen lassen würde.
„Ich weis das auf diesem Gebiet nicht immer alles glattläuft und man mit Spontanität gesegnet sein sollte, um in dieser Branche zu bestehen!“
Fuhr er die Beiden scharf an und gestikulierte dabei wild umher.
„Aber ich erwarte bei einer solchen Geschäftsbeziehung, dass die Leute, die mein Gold in ihren Taschen sehen wollen, sich gefälligst an die zuvor getroffenen Abmachungen halten, ansonsten hat sich das mit weiteren Geschäften auf diesem Gebiet. Mit unzuverlässigen Leuten arbeite ich nicht zusammen!“
Schwer atmend beendete Lukar seine Tirade und lehnte sich mit einer Hand auf die Tischplatte, die Gebrüder weiterhin auffordernd anstarrend. Die beiden reagieren lange Zeit nicht, so als warteten sie auf weitere Anklagen seitens des Geschäftsmannes. Als keine solche mehr kam und er ungeduldig die Augenbrauen hochzog, schickte sich Berthold endlich an, Lukar zu antworten.
Lässig lehnte sich der Kriminelle zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und brummte.
„Ich weis nicht was ihr von uns wollt. Wir haben getan, wonach ihr verlangt habt und euch den Kontakt besorgt, ganz wie abgemacht.“
Lukar schüttelte energisch den Kopf und erwiederte scharf; „Nein, eben nicht.“
„Das müsst ihr uns erklären." ,- grummelte Alfred gelangweilt.
„Es ist folgendes: Erst habt ihr mich tagelang hier sitzen lassen, statt mir die Information zeitig zu übermittteln wie zuvor vereinbart. Das Treffen, welches ihr engagiert habt, fand ebenfalls nicht zu der Zeit statt, die wir abgemacht hatten. Und in gewisser Weise famd es sogar nie statt, weil mir nicht der versprochene Kontakt gegenüberstand, sondern schmieriges Gesindel, einfache Schergen, die ein hohes Sicherheitsrisiko einstellen.“
Lukar lies sich wieder auf seinem Hocker nieder, ohne dabei den Blick abzuwenden.
„Dafür können wir nunmal nichts.“ Erwiederte Berthold und zuckte mit den Schultern.
„Hier in Thorniara ist diese Art von Geschäften eben ein gewaltiges Risiko. Nicht alles lässt sich in der Zeit erledigen, die man vielleicht irgendwann man vereinbart hat. Und ebenso haben wir keinerlei Einfluss darauf, ob unsere Kontakte persönlich Erscheinen oder ihre Helfer schicken.“
„Wenn ihr das schon im Vorraus wisst,“ ,- grummelte Lukar, „wieso verspracht ihr mir vor einigen Tagen noch hoch und heilig, zu welchen Zeiten und Bedingungen alles ablaufen soll? Wenn ich es selbst nicht mit sicherheit sagen könnt, erwartete ich, darüber informiert zu werden, ohne nachfragen zu müssen, verstanden?“
Berthold öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Lukar schnitt ihm das Wort zuvor ab.
„Außerdem habt ihr sehrwohl Einfluss darauf. Ich erwarete beim nächsten Treffen das mein Kontakt persönlich zu mir kommt und nicht irgendwelche unterbezahlten, kurzsichtigen Diener zu mir schickt. Ansonsten gibts kein Geschäft und kein Kraut, so einfach ist das. Ihr werdet wohl noch im stande sein, diese Botschaft zu überbringen wen ihr das nächste Treffen engagiert, oder muss ich einen bezahltes Kleinkind als Boten losschicken damit ich nicht wieder vor drei zerlumpten Gestalten stehe?“
Die beiden Gebrüder schnaubten beleidigt und starrten Lukar widerwillig an. Dennoch nickte Berthold schließlich zustimmend, auch wen sein Blick eine ganz andere Sprache sprach.
„Wir werden es ausrichten.“
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"Hier ist euer Bier und euer Eintopf. Guten Appetit!", sprach die freundliche Bedienung und stellte behände die Schüssel und den Humpen mit einer Hand auf der Theke ab.
Mit einem Nicken murmelte Grimbar ein "Dankeschön" in seinen Bart und zog die dampfende Schüssel zu sich ran. Er hatte den ganzen Tag für Meister Vestos Bücher herumschleppen und indizieren dürfen, da in der gut besuchten Bibliothek des Tempels stets Ordnung herrschen musste. Nach einem Tag zwischen staubigen Papieren und gewaltigen Regalen wollte sich der Novize ein wenig Abwechslung gönnen und hatte sich entschieden sein Abendessen auswärts einzunehmen. Die gut gefüllte Marktschänke bot genau die richtige Geräuschkulisse um ein wenig Abwechslung nach den drögen Stunden in der dunklen, stillen Bücherei zu finden. Heute war sie besonders gut besucht und es war fast kein Platz mehr frei. Die Bedienung hat alle Hände voll zu tun und der Wirt schenkte ein Bier nach dem anderen aus, während sich im Hintergrund ein Fiedler zu schaffen machte und das gesellige Beisammensein mit fröhlicher Musik begleitete.
Es war nun schon ein paar Tage her- oder waren es Wochen?- dass er aus der Gefangenschaft befreit worden war. Seitdem hatte er sich im Tempelviertel nützlich gemacht und versucht überall sein Bestes zu geben, um sich seinen Platz in der Gemeinschaft wieder zu verdienen, wobei kein Tag verging an dem er nicht noch eine Schippe Arbeit mehr als alle anderen zu tun hatte und gerade Icarion schien Sorge zu tragen, dass der Novize ja nicht zu viel Freizeit hatte.
Zwar war er dankbar dafür wieder da zu sein und eine Beschäftigung zu haben, doch heute brauchte er ein wenig Abstand und Gelassenheit. Er konnte nicht jeden Tag dem idyllischen Idealbild eines frommen Innosdieners der nichts anderes tat als zu arbeiten und beten entsprechen, das würde ihn auf Dauer aufzehren.
Heute war er einfach nur Grimbar. Ein Mann der sein Bier und seinen Eintopf genoss.
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Nachdem seine unausgereiften Missionierungsversuche am Vortag wenig Wirkung gezeigt hatten, war der seit kurzem eifrigste Diener des Herrn - zumindest war das nach seinem Denken die neue Definition von seiner selbst - am heutigen Tage dazu übergegangen, es mit sanfteren Methoden zu versuchen. Die Menschen schienen auf einfühlsamere Gespräche besser anzusprechen als auf die unumwundene Wahrheit, dass sie Innos nicht stark genug in ihrem Herzen trugen. Vermutlich war es die schlagartig präsente Schande, die den Menschen ins Gemüt stieg und ihnen deshalb eine ablehnende Haltung verlieh.
Vicktar stellte fest, dass die zufälligen Gespräche mit den Menschen Thorniaras einige interesante Geschichten für ihn bereit hielten. Da war der fromme Fischer gewesen, der jedes der Tiere mit einem Gebet auf den Lippen aus den Fluten zog; der Schneider, den er als Weber bereits von früheren Geschäften kannte und dessen Lippenbekenntnisse aufgrund des offenen Geheimnisses, er sei ein Ehebrecher, ein mehr als bröckelnder Schein waren; und der feiste Stadtwächter, der auf die Frage nach der Bedingungslosigkeit seines Glaubens einen schlagartigen Wutausbruch erlitt, danach aber, als er sich in eine finstere Gasse zurückzog, ein leises Schluchzen nicht unterdrücken konnte. Ein jeder in Thorniara beteuerte, an Innos zu glauben - und dennoch war er den Leuten aus den verschiedensten Gründen nur selten wirklich präsent, wenn sie die Entscheidungen ihres Lebens trafen.
Schlussendlich hatte sich der Weber dazu durchgerungen, auf einen Humpen Bier in eine Taverne abzusteigen, wenngleich er den grobschlächtigen Trubel und das derbe Miteinander dort noch nie hatte ausstehen können. Zusammen mit einer Schüssel voll mit einer dickflüssigen Pampe aus Hülsenfrüchten nahm er sich das Gesöff mit an einen Tisch, an dem bereits ein anderer Mann saß, der leichte Spuren von Überarbeitung aufwies - ein Mann des Ordens, wie Vicktar an seiner Kleidung auszumachen meinte.
"Nichts geht über einen gemütlichen Feierabend nach einem Tag im Dienste des Herrn, was?", raunte er mit einem fratzenartigen Lachen und stürzte einen Schluck des dünnen Bieres in den Rachen.
"Er ist die Arbeit wert. Der Weg zum Segensreich ist hart, doch der Preis wird umso süßer sein, nicht wahr?"
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Grimbar hatte in seiner gedanklichen Abwesenheit gar nicht gemerkt, wie sich eine zweite Person zu ihm gesetzt hatte. Erst als diese ihn ansprach kehrte seine Aufmerksamkeit wieder zurück und richtete sich auf den Fremden.
Bei diesem handelte es sich um einen Mann fortgeschrittenen Alters in bürgerlichen Klamotten und einem Gesicht, das den erlebten Jahren entsprach. Er hatte ebenfalls eine Schüssel Eintopf vor sich und grinste sein Gegenüber in Erwartung einer Antwort an, während Grimbar nur verwirrt zurückblickte. Erst als der Mann mit seinem Löffel auf den Eintopf vor ihm zeigte, wusste der Novize was er zu antworten hatte.
"Ja, äh, sicher. Je härter die Arbeit, desto besser der Feierabend. Es lässt einen die Freizeit die man hat viel mehr schätzen. Und selbstverständlich wartet am Ende Innos, unser aller Hüter und Erschaffer. Was könnte schöner sein, als die Wiedervereinigung eines Vaters mit seinen Kindern. Dafür lohnt sich jeder noch so beschwerliche Weg.", antwortete Grimbar, prostete seinem Gegenüber zu und nahm einen großen Schluck Hellen Paladiner. Als er wieder absetzte sah er dem alten Mann noch mal in die Augen und stockte. Irgendetwas an ihm schien die Aufmerksamkeit des Innosdieners zu wecken, doch konnte er selbst den Grund dafür nicht erkennen.
"Nichtsdestotrotz ist Seeligkeit nicht allein der Mühe Lohn. Das Hier und Jetzt sollte euch mindestens soviel interessieren wie euer Seelenheil im Leben nach dem Tod. Es geht schließlich nicht nur um euch und Innos, sondern auch um die anderen Menschen. Das sollte man nicht vergessen.", sprach der Braunhaarige und ließ ein kleines Lächeln aufblitzen, um nicht wie ein rechthaberischer Prediger rüberzukommen. Er wollte ja nur ein kleines Gespräch führen und niemandem die Leviten lesen.
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"Aber sagte nicht Karabus der Ältere schon: 'Gesegnet seist du, der im Leben leidet, denn alles Leben ist Leiden, und der Lohn harrt deiner im Paradies'?", entgegnete Vicktar mit einer gewissen Spur Stolz in den Augen, verbunden mit dem strahlenden Glück, eine geistreiche Konversation über Innos führen zu können.
"Und ebenso sagte er: 'Nur das Segensreich zählt wahres Glück für alle Seelen unter der Sonne'. Unser Augenmerk sollte also auf dem liegen, was nach dem Tode kommt, nicht wahr?"
Dass er nicht mehr tat, als die Texte der Glaubensbücher zu rezitieren, die er wie ein Besessener studiert hatte, war ihm bei alldem nicht wirklich klar. Ob tatsächlich Geist darin steckte, die Gedanken anderer als Schwert und Schild für seine eigene Meinung vor sich her zu führen? Nach Vicktars Vernehmen war dem so.
"Doch am besten wäre es freilich, würden wir das Segensreich bereits im Hier und Jetzt schaffen, nicht wahr? Wenn wir uns alle mit Inbrunst vereinigen, werden wir auch die letzten Bastionen des Scheinheiligen im Nu hinweg fegen!"
Genüsslich stopfte sich der Weber einige Löffel des Abendmahls in den Mund, wenngleich der Geschmack eher mittelprächtig war. Aber in seinem Leben hatte er bereits so einigen Fraß gesehen - wenngleich auch ebenso manch edle Speise - und hatte gelernt, auch die kleinen Dinge zu schätzen. Zumindest schätzte er sie dann, wenn ihm gemütsmäßig danach war, und das war in letzter Zeit häufiger der Fall.
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Erneut verdutzt warf Grimbar seinem Gegenüber einen überraschten Blick mit hochgezogenen Augenbrauen zu. Er hatte nicht erwartet einen derart frommen Mann vor sich zu haben, der auch noch alte Sprüche bereits toter Prediger rezitieren konnte. Ein wenig überrumpelt von dem neuen Level der Konversation musste der Innosdiener kurz nachdenken und seine Gedanken sammeln bevor er antworten konnte.
"Karabus in allen Ehren, können seine Worte doch oft Hoffnung in dunklen Stunden spenden, jedoch sollte man dabei nie vergessen, dass er ein Kind seiner Zeit war. Selbstverständlich spricht er vom Paradies in höchsten Tönen und erhebt es zum Ziel jedes Lebens, hatte er doch in Seinem nur Kummer und Leid. Krieg, Krankheit und Hungersnöte raubten dem guten Mann jede Hoffnung auf Glück in diesem Leben, sodass er es eben im Leben nach dem Tod suchte.", erwiderte der Innosdiener und brach sich ein Stück von seinem Brot ab, um den restlichen Eintopf aus der Schale zu wischen.
"Wie ihr schon sagtet, es wäre das Beste wenn man das Himmelreich auf Erden etablieren könnte, doch dafür steht sich die Menschheit wohl selbst im Weg. Im Moment ist es vielleicht Ethorn, der den Frieden für das Reich unmöglich macht und dafür bekämpfen wir ihn. Und wir werden siegen. Doch er wird nicht der Letzte sein. Auf jeden innostreuen Menschen kommt ein Fehlgeleiteter und für jeden Bekehrten auf unserer Seite, fällt ein Anderer von seinem Glauben ab. Es ist ein ewiger Kampf zwischen zwei Brüdern mit einem Dritten der immer dazwischen geht wenn das Ende nahe scheint.", sprach Grimbar und winkte mit seinem leeren Humpen nach der Bedienung um ein neues Bier zu bestellen.
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Wirklich sicher war sich Vicktar nicht, was er davon halten sollte, dass dieser Ordensbruder die Worte Karabus' derart relativierte, ein böswilliger Geist mochte vielleicht sogar von Geringschätzung sprechen. Natürlich lag das nur daran, dass ihm damit jegliche Argumentationsgrundlage entzogen war, doch immerhin hatte der Mann ihm das Ziel des Paradieses auf erden zugestanden. Das machte den Gesprächsverlauf zumindest ein wenig angenehmer für ihn.
"Ja, ja, ich stimme zu. Selbst hier in Thorniara gibt es zu viele, die vom Glauben abfallen. Wir müssten hier an der Schwertspitze des Reiches mehr Einigkeit erreichen, dann könnten wir Ethorn besiegen."
Er nahm einen tiefen Schluck Bier.
"Ich frage mich, ob es wirklich drei Götter gibt", platzte er ohne wirklich Zusammenhang heraus.
"Ich muss zugeben, dass ich im Glauben an Adanos erzogen wurde, bis das Licht mich fand, doch je mehr ich darüber nachdenke, glaube ich, dass er nur eine andere Inkarnation Beliars ist. Beliar als der Täuscher, der Lügner von Ausgleich und Leben. Der Versucher, der mit Wasser und Brot in der Wüste lockt."
Auch dies waren freilich nicht seine eigenen Gedanken, doch als Vicktar die Abhandlung des unbedeutenden Klostergelehrten Pharos dem Geringeren gelesen hatte, war er Feuer und Flamme für diesen Gedanken gewesen, der ihm das Schwarz-Weiß-Denken nur mehr vereinfachte und ihm das wertende Denken ersparte.
"Wäre das nicht Grund genug, dass sich alle gegen seine Lügen vereinigen? Um Licht in die Herzen derer zu bringen, die der Dunkle durch Lügen auf seine Seite gebracht hat? Welchen Grund hätte schließlich ein Gott des Lebens, die Ordnung zu bekämpfen, die das Leben der Menschen schützt und den Frieden bringt?"
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Nachdenklich dreinblickend lauschte Grimbar den leicht fanatisch angehauchten Worten des alten Mannes, während er an seinem Paladiner nippte. Seine Gedanken schweiften vom Gespräch ab und sein Blick traf Den seines im glänzenden Bier wabernden Spiegelbildes, das genau wie er die Stirn runzelte. Das kribbelnde Gefühl des Alkohols war schon in seinen Extremitäten zu spüren und eine wohlige Wärme machte sich in ihm breit, doch gleichzeitig wurde ihm dabei mulmig. Es war nicht allzu lange her dass er sein Bewusstsein für lange Zeit mit Fusel getrübt hatte und er hatte nicht vor dieses Erlebnis zu wiederholen. Mit einem genervten Kopfschütteln vertrieb er die Gedanken und konzentrierte sich wieder auf sein Gegenüber, das gerade dabei war über Adanos herzuziehen. War ihm sein Gegenüber vorher nur als sehr frommer Herr vorgekommen so wandelte sich das Bild nun eher zu einem Fanatiker, einem Freund der "Feuer und Schwert"-Taktik.
"...die Ordnung zu bekämpfen, die das Leben der Menschen schützt und den Frieden bringt?", sprach der Bürgerliche.
"Ihr müsstet eigentlich zu alt sein, um die Diener Adanos' und ihn selbst als Schergen Beliars zu verteufeln, haben sie doch bereits Seite an Seite mit uns gegen die Orks und die Assassinen gekämpft. Insofern kann ich nur vermuten, dass ihr auf dieser Insel geboren wurdet und nicht viel vom Rest der Welt gesehen habt, denn die Wassermagier sind alles andere als Lügner und Verführer. Sie mögen im Moment auf der falschen Seite stehen, aber sie tun dies, weil sie es für richtig halten. Sie handeln ihrem Glauben entsprechend, genau wie wir versuchen dem Unsrigen zu entsprechen. Dass sie dabei vergessen, wer diesen Krieg angezettelt hat, verstehe ich auch nicht so recht, aber Bosheit kann man ihnen nicht unterstellen. Ich war erst vor Kurzem ein Gefangener in Setarrif und obwohl sie wussten, dass ich ein Diener Innos' bin haben sie mich gut behandelt und mir sogar das Leben gerettet.
Nein, Adanos' und seine Anhänger sind keine Feinde des Lebens, ganz im Gegenteil, sie versuchen es zu bewahren. Wer weiß. Vielleicht ist es am Ende gut, dass sie auf der feindlichen Seite stehen. Vielleicht wird ihre Anwesenheit ein größeres Blutvergießen verhindern."
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"Vielleicht ist es..."
Dem Weber blieb die Luft weg. Dieser Mann wirkte doch so fromm und gläubig, und nun brachen solche Worte aus seinem Munde hervor? Wie konnte er es gut heißen, dass sich die Diener Ethorns gegen die Ausbreitung des Myrtanischen Reiches stellten?
"Das kann nicht dein Ernst sein, guter Mann! Wie kann es gut sein, wenn sich diese Leute der gerechten Sache entgegen stellen? Es mag richtig sein, dass ich auf dieser Insel geboren und aufgewachsen bin, aber wenn ihnen mit Worten nicht beizukommen ist, müssen sie eben das Schwert schmecken! Sie haben die Sache Innos' verraten! Mitgefühl ist eine Sache, aber mit falscher Sentimentalität kann dieser Kampf nicht gewonnen werden."
Unzufrieden hob Vicktar seinen Humpen an, musste aber feststellen, dass er bereits leer war. Selbst der Glaube derjenigen, die Innos folgten, schien nicht fest genug zu sein, um alles zu tun, was notwendig war. Es war kein Wunder, dass dieser Konflikt derart stecken bleiben konnte, wenn man sich zierte, den Gegner ernsthaft anzugreifen. Es wollte dem Weber nicht einleuchten, wie man den derzeitigen Zustand einer klaren Ordnung vorziehen konnte, die einen verlustreichen Einsatz sicherlich bedingen würde, aber es allemal wert war.
"Basilius der Kalte sagte es schon! 'Schrecke nicht zurück, Leben im Namen des Herrn zu nehmen! Es ist die Erlösung aus dem Dunkel der Lügen.' Und Lazaros Khorensis, sprach er nicht davon, dass der Besitz dieser Welt im Paradies nichts mehr wert ist? Warum sonst lebt ihr Glaubensbrüder in Besitzlosigkeit? Und sind deine Sympathien mit den Predigern des Wassers nicht ebenso Besitzstände? Wie sonst willst du deinem Gott Innos dienlich sein, wenn nicht im steten Bemühen, seine Lehre unter allen Menschen dieser Welt zu verbreiten? Du magst kein Ende darin sehen und verzweifeln, aber er blickt weiter als wir!"
Es war Vicktar nicht bewusst, doch die in seiner Tirade versteckte Frage, wie er seinem Gott sonst dienen sollte, war vielmehr ein Aufschrei seiner Seele, die mit ihrem entfachten Eifer nichts anzufangen wusste und sich durch diese Diskussionen gegen die Falschen zu richten drohte. Aber woher sollte er schon wissen, wie er Innos genügen konnte? Die Worte des Größten aller Großen waren ob gewaltig, dass kein menschlicher Verstand sie fassen konnte. Und so wusste er nicht mehr, als dass Innos ihn erwählt hatte. Zu welchem Zweck jedoch, war ihm nicht im Mindesten klar.
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