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Lange wurde sie ignoriert, doch irgendwann war die Arbeit erledigt. Die Männer packten ihre Arbeitsgeräte ein und sprachen mit einem der Jungen, die heran gerannt kamen. Dieser Junge steuerte dann direkt auf Viraya zu.
"Wir gehen zu uns nach Hause, es gibt Abendessen und Wein. Du bist auch eingeladen."
Sprach er und die Frau mit den bläulich schimmernden Haaren schaute ihn skeptisch an, doch der Junge ignorierte es einfach.
"Komm ich zeige dir den Weg."
Meinte er und rannte stolz voran, während Viraya sich fragte, warum Kinder sie eigentlich meistens zu mögen schienen, obwohl sie im Umgang mit ihnen nicht sehr geschickt war. Kurz darauf sass sie zwischen einer Bauernfamilie und ihren Verwandten. Einfaches, aber vortreffliches Essen fand den Weg auf ihren Teller und Wein floss in strömen, wobei sie da nicht zulangte. Das war ihr zu gefährlich, denn die Kontrolle zu verlieren, das würde sie sich niemals erlauben können.
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Al Shedim - Geheimnisse der Magie
Es wurde wirklich Zeit. Sie hatten schon viel zu viel Zeit mit Getrödel verschwendet, auch wenn Maris die Zeit der Ruhe inmitten seiner Heimat genoss, mit seiner Tochter an seiner Seite, die alles in sich aufsog wie ein Schwamm. Es schien dem Nomaden fast, als konnte sie spüren, dass sie von hier stammte, hierher gehörte, und mit einer unstillbaren Wissbegier nahm sie alle Ratschläge und Geschichten auf, die Maris, die Nomaden oder die Wassermagier ihr erzählten.
Nichtsdestotrotz mussten sie sich wieder auf ihre Aufgaben konzentrieren. Mittlerweile war Djafar wieder nach Al Shedim zurückgekehrt und hatte die Nachricht mitgebracht, dass Azad und Hussain, die immer noch Shakyors Löwen verfolgten, ein Lager nahe der Karawanenstraße genau östlich des Tafelberges aufgeschlagen hatten, auf dem Mora Sul lag. Sie durften keine Zeit verlieren, zu ihnen zu stoßen, wenn sie die Spur des Löwen nicht erkalten lassen wollten, doch zuvor musste der Nomade noch einmal mit den Druidinnen sprechen. Mit Bartimäus und Melford hatten sie nun zwei weitere Männer auf ihrer Seite, die dem Waldvolk angehörten und ihre Sache unterstützen würden, wenngleich Maris' Sippenbrüder noch nicht recht überzeugt davon waren, dass es sich bei ihnen um vertrauenswürdige Personen handelte, doch Maris brauchte noch einen Rat von denen, die Wissen über die Magie der Natur besaßen.
"Suzuran!", rief er schon von weitem, als er sie im Sand herumfuhrwerken sah, "Betest du neuerdings auch zum Sand?"
Sie verneinte, wollte mit irgendeiner Geschichte ausweichen, laut der sie Sandburgen baute. Doch so naiv war der Nomade dann doch nicht.
"Der Sand ist viel zu trocken, um irgendetwas Vernünftiges aufzubauen", entgegnete er, während er im Näherkommen versuchte, zu erkennen, woran sie dort gearbeitet hatte. Der Sand wirkte seltsam an dieser Stelle, ganz so, als hätte eine Spinne oder ein Skorpion dort sein Versteck aufgeschlagen. Hatte sie vielleicht die Natur der Wüste kennenlernen wollen? Doch irgendetwas an diesem Anblick machte ihn stutzig. Das Versteck war viel zu gut sichtbar für die Arbeit eines Tieres, dessen Überleben davon abhing, dass seine Tarnung perfekt war.
"Freundest du dich mit den Skorpionen an? Was ist das für eine seltsame Art da? Die fängt so niemals etwas, das ist viel zu schlampig gebaut. Oder hast du ihr Versteck etwa aus Versehen beschädigt?"
Sicherheitshalber machte er einen kleinen Bogen um diese Stelle, denn für den Fall, dass Suzuran aus welchem Grunde auch immer in diesem versteck herumgestochert haben sollte, wollte er seine Beine nicht unbedingt als erstbestes Ziel für den Verzweiflungsangriff eines verängstigten Spinnenwesens zur Verfügung stellen, so lange er nicht wusste, um was für ein Tier es sich handelte.
"Komm da lieber weg. Ich hab so etwas bisher noch nicht gesehen, das lässt sich nicht richtig einschätzen."
Maris setzte sich neben Suzuran nieder und blickte ihr in die Augen.
"Kommst du zu Recht mit der Wüste? Ist ja nicht das erste Mal für dich."
Ohne ihr eine Möglichkeit zur Antwort zu geben, kam er schließlich direkt zum Kern seines Anliegens.
"Hör zu: wir werden bald aufbrechen, um den Löwen meines Freundes Shakyor zu suchen. Shakyor wird in Mora Sul gefangen gehalten und der Löwe umkreist die Stadt, gebunden durch das Seelenband zwischen ihnen. Meine Sippenbrüder wissen wo er ist und wir werden uns mit ihnen treffen, doch ich fürchte, dass er zu aufgeschreckt und scheu sein wird, als dass ich mit ihm in Kontakt treten und seine Erlebnisse erfahren könnte. Hast du eine Idee... Pantherin?"
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Sie schnaubte enttäuscht auf, als er das Loch umging und ihr Werk als schlampig bezeichnete, jedoch ging sie nicht weiter darauf ein. Sie wollte keine Schwäche vor ihm zeigen, nicht hier in dieser fremden Umgebung, wo sie nicht einmal genau wusste, was genau die Zukunft hier bringen würde.
„Man muss sich an die Wüste gewöhnen, aber es geht schon. Es wird nicht mein Lieblingsort werden.“, meinte sie und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Vor der Reise hatte er sie mit wenigen Schilderungen zur derzeitigen Situation gelockt, das was er jetzt erzählte, machte das ganze nur noch verwirrender, weil er seinen beiden Haremsdamen in den letzten Wochen auch nicht wirklich über die neusten Entwicklungen aufgeklärt hatte.
„Wieso lassen wir den Löwen nicht außen vor, befreien deinen Freund Shakyor, erfahren von ihm was geschehen ist und bringen ihn somit auch wieder mit seinem Löwen zusammen? So besänftigt wie er dann sein wird, wird es auch eher möglich sein mit ihm in Kontakt zu treten.“ Wie würden sich die Dinge hier entwickeln? War es Zufall, dass sie sich hier zusammengefunden hatten? Cécilia und Maris, die Luchs und Löwe in sich trugen, sie selbst dem Panther verbunden.
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Al Shedim - Geheimnisse der Magie
Sie wollte also nicht über das sprechen, was sie hier gerade getrieben hatte. Nun gut, dann mochte es eben so sein. Dennoch beschloss Maris, Suzuran künftig mehr im Auge zu behalten als noch in den letzten Wochen.
"Sollen wir hinein spazieren, hallo sagen und Shakyor mitnehmen? Die Myrtaner werden eine reiche Stadt wie Mora Sul gut bewachen, und Shakyor ist nicht irgendein Nomade. Er ist unser Anführer", entgegnete Maris ernst.
"Es gibt etwas die Löwen Betreffendes, das ich von seinem Gefährten erfahren muss, aber genauso muss ich wissen, was er weiß über die Gefangennahme Shakyors. Vielleicht können wir so noch etwas in Erfahrung bringen, das uns dabei hilft, die Lage besser einzuschätzen. Wir haben keine gewaltigen Heerscharen an todessehnsüchtigen Kriegern, wie du hier in Al Shedim siehst, sondern sind nur eine handvoll Freiheitskämpfer, die ihre Kräfte genau am richtigen Punkt einsetzen müssen. Deshalb will ich den Löwen befragen, bevor wir seinen Herrn befreien."
Seufzend legte sich der Nomade im Sand nieder. Die Sonne war zwar bereits untergegangen, doch die unzähligen, winzigen Körner hatten immer noch genug Wärme in sich gespeichert, um ein wohliges Gefühl zu verbreiten.
"Es gibt doch sicher eine Möglichkeit, ihn anzulocken und zu besänftigen, oder? Falls ja, musst du mir zeigen, wie es funktioniert!"
Die Aufforderung war nicht eindringlich formuliert und Maris schaute nicht einmal auf, doch sie war ernst gemeint. Doch es war sinnlos, Suzuran darauf hinzuweisen, dass sie es ihm schuldig war angesichts dessen, was damals mit Marik in den Sümpfen Tooshoos geschehen war. Sie würde nicht im Geringsten darauf eingehen. Es war ja nicht so, als hätte er diese Taktik nicht bereits schon versucht.
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Palast des Statthalters, Mora Sul, Varant, Provinz des Großreiches Rhobars III.
"Milord?", Osgar, den sie den Schwarzmagierjäger nannten, seitdem er die südliche Wüste von Mora Sul bis Ishtar nach deren Fall von dem Beliar anbetenden Geschmeiß gesäubert hatte, sah besorgt zu seinem Vorgesetzten, der sich, das Gesicht schmerzverzerrt, die Seite hielt.
"Verhängt sofort eine Ausgangssperre, Hauptmann, und sorgt dafür, dass ..." Das Blut hatte die Brokatweste Lord Hectors, des Statthalters seiner Majestät Rhobars III. in Varant, rund um die Einstichstelle tiefrot gefärbt. Er atmete schwer und kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Dennoch versuchte er sich weiterhin des Zugriffs des Heilers zu entziehen, der mittlerweile sein Schlafgemach im Palast der ehemaligen Festung der Sklavenhalter betreten hatte und nun hilflos die Szenerie betrachtete.
"Milord, bei allem Respekt, ich muss die Wunde versorgen.", versuchte der Feuermagier mit unsicherer Stimme einzuwenden.
"Nichts da ..." Lord Hector verzog seinen Mund abermals, als ihm der Schmerz die Luft raubte. "Erst muss ich ..."
Es reichte Dantero. Der hagere Mann mit den dunklen Haaren, den hohen Geheimratsecken und der Augenklappe über dem rechten Auge hatte keine Zeit für diesen Affenterz. Sein Auftrag war es die Interessen des Königs zu wahren. Und im Augenblick hieß das, dafür zu sorgen, dass Lord Hector am Leben blieb und nicht vor seine Augen verblutete.
"Milord, bei allem angebrachten Respekt, Ihr werdet euch jetzt von Meister Icarius helfen lassen. Am Ende war der Dolch vergiftet und Euer Zieren kostet uns wertvolle Zeit, die wir brauchen, um ein Gegenmittel zu finden."
Lord Hector schien zunächst wenig begeistert, aber vielleicht war das auch nur der Schmerz, der sich schon wieder seine Gesichtsmuskulatur entgleisen ließ, denn schließlich nickte er und ließ den Feuermagier an die Wunde. Dantero hingegen winkte Osgar, ihm aus dem Zimmer zu folgen.
Draußen auf dem Gang wandte sich der Spion an den Hauptmann. "Schickt eilends einen Boten nach Bakaresh. Sir Cruz muss hiervon so schnell wie möglich erfahren. Und gebt ihm das hier mit." Dantero kramte einen Umschlag aus seiner Tasche und gab ihn Osgar.
Der nickte und stellte so klar, dass er verstanden hatte. Die Nachrichten würden von einem seiner zuverlässigsten Männer verwahrt in spätestens zwei Tagen die Hafenstadt erreichen.
"Und lasst ihn nicht aus den Augen.", meinte der Spion mit einem Nicken zur Tür hinter ihnen. Die Lage im Süden und Westen Varants war zu angespannt, als dass sie es sich leisten konnten, plötzlich ohne Statthalter dazustehen.
Yared
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Sie legte sich neben ihn auf die wärmende Sandfläche, ehe sie ihm im gleichen ernsten Tonfall anwortete. "Ich meinte damit auch nicht, dass es einfach sei, jemanden in dieser Situation zu befreien. Aber du bist ein Narr, wenn du glaubst dass es einfacher wird, einen Löwen anzulocken, der aufgewühlt, verwirrt, wütend und wahrscheinlich auch ängstlich ist, weil ihm vielleicht das wichtigste in seinem Leben auf unbestimmte Zeit entrissen wurde. Natürlich haben wir Möglichkeiten ihn anzulocken, allerdings müssten mehrere Fähigkeiten miteinander verbunden werden. Was weißt du über unsere Magie, was beherrschst du schon?“, fragte sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie wusste nicht wie weit er mit seinen magischen Fähigkeiten schon war und welche Erfahrungen er gesammelt hatte. Vielleicht stellte er sich das alles zu einfach vor?
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Al Shedim - Geheimnisse der Magie
Es mochte fast schon friedlich und idyllisch wirken, wie sie dort nebeneinander lagen und in den Himmel starrten, doch zumindest die Gedanken des Nomaden waren hellwach. Suzuran war eine Freundin, doch er wusste sie immer noch nicht richtig einzuschätzen. Tatsächlich war Maris fast schon überrascht, als sie endlich auf sein Flehen einging. Sie hatte ihm wirklich zugehört!
"Ich glaube, du vergisst, dass ich weiß, wie es sich anfühlt, durch das Seelenband an einen Anderen gekettet zu sein. Ich kann die Unrast und das Gefühl, nicht ganz zu sein, weit besser nachfühlen als du, denke ich. Und eben das ist es, was mir dabei nutzen soll, ihn zu beruhigen. Außerdem kennen der Löwe und ich uns. Shakyor und er haben Marik und mir damals beigebracht, was es heißt, im Rudel zu jagen, eine Einheit zu sein. Würdest du nicht ein vertrautes Gesicht sehen wollen, das genau weiß, wie du dich fühlst, wenn du hoffnungslos und verzweifelt bist?"
Maris schloss die Augen und fuhr mit den Fingern durch den Sand. Er liebte dieses Gefühl.
"Cécilia brachte mir ein paar Dinge bei. Ich kann die Gefühle Anderer verstärken und mit Tieren sprechen, wenn sie sich auf mich einlassen. Außerdem hat sie mir gezeigt, wie ich die Tiergeister von Katzen herbeirufen kann - falls du dich erinnerst: ich habe den Löwen gerufen, als wir auf dem Weg nach Al Shedim waren."
Seine Fingerspitzen gruben sich in den Boden, bis seine Hände den Sand umfassten.
"Außerdem hat mir der oberste Wassermagier Tinquilius gezeigt, wie ich die magischen Pfade der Welt nutzen kann, um mich zu teleportieren. Alles in allem beherrsche ich also schon ein paar Kniffe, bin aber noch ziemlich am Anfang, denke ich. Aber ich habe das Gefühl, dass ich hier in der Wüste besser bin, stärker – dass ich hier mehr wagen kann als an anderen Orten."
Als er geendet hatte, knallte er der verdutzten Druidin den Sand um die Ohren und rollte sich lachend zur Seite weg.
"Wer sich an die Wüste gewöhnen will, muss sandig sein!"
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Was hatte sie auch anderes erwartet. Sie wurde nach Strich und Faden ausgefragt, denn die Bauern waren froh jemanden zu haben, der etwas von der grossen, weiten Welt erzählen konnte. Das hingegen wollte sie genau vermeiden.
"Habe immer mal wieder auf einem Bauernhof ausgeholfen."
Meinte Viraya eher knapp.
"Und warum bist du nirgendwo geblieben?"
Die Diebin verfing sich immer mehr in ihren Geschichten. Es war gar nicht so einfach dieser weiter zu spinnen.
"Ich träume noch immer davon eines Tages einen Hof und eine Familie dort zu haben."
Log sie und sogleich bekam sie einen Mann angepriesen und angeboten. Sie lachte und musterte ihn. Eine direkte Absage lag nicht drin. Blieb bloss zu hoffen, dass sie es nicht ernst meinten. Alle lachten mit. Höchste Zeit endlich etwas über die Lage in Vengard zu erfahren und dann endlich von hier zu verschwinden.
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Auf diese Frage hin überlegte Medin einen längeren Augenblick, bis Redsonja erneut ihren Mund öffnete.
"Oder wird es dir doch zu heiss? Das Ganze kann nach hinten losgehen. Vielleicht hören sie dich erst gar nicht an, vor allem wenn du mit einer gesuchten Mörderin auftauchst - übrigens für das einzige Verbrechen, das ich tatsächlich nie begangen habe."
Sie lachte bitter auf, liess ihr Gegenüber aber nicht zu Wort kommen, sondern fuhr gleich fort.
"Im Vergleich dazu ist Gorthar doch schön. Deine Familie ist da, du hast da sozusagen eine reine Weste. Dein Name wird sogar im gleichen Atemzug mit Jun gesprochen. Einem nahezu Heiligen. Ihr steht für die gerechte Hand der Inquisition, habt keinen auf der Strasse einfach hinterrücks ermordet, sondern tut es in aller Öffentlichkeit. Richtig aufrichtig. Der wahre Fanatismus, darauf kannst du doch stolz sein."
Nun lächelte sie ein süsses, aufmunterndes Lächeln, das genau auf Medin zugeschnitten war.
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Im Moment war ihr nicht nach Spaß zu Mute, denn zum einen hatte er ihr unterstellt nicht nachvollziehen zu können, wie es war an jemanden auf besondere Art und Weise gebunden zu sein, zum anderen gab es kein schlimmeres Gefühl als Sand zwischen den Zähne und in den Augen zu haben. „Das Lachen wird dir gleich vergehen“, murmelte sie gereizt, ehe sie damit begann dem unerfahrenen Burschen eine Lektion zu erteilen. Reine Magie wirkte von Emotionen geleitet intensiv und schnell, Dinge, die man nur gut beherrschte, gingen plötzlich leicht von der Hand, als würde sich ein Knoten lösen, der den eigentlichen Zauber bisher im Zaum gehalten hatte. Während Maris noch dabei war, sich kichernd über die Situation zu erfreuen, war sie aufgesprungen, um sich mit ausgebreiteten Armen über ihn zu beugen. Die blauen Fäden formten sich zu einem magischen Netz aus reiner Magie, das sich endgültig mit all seinen Eigenschaften ausformte, als sie tief einatmete und es in seine Richtung schoss, indem sie ihre Handflächen mit einem letzten magischen Impuls auf seinen Körper zubewegte. Magische Fäden bildeten sich im Flug und spannten das Netz, wie eine zweite, klebrige Haut über den Körper ihres Begleiters. Lächelnd betrachtete sie ihr Werk, es war nicht für die Ewigkeit, aber es schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein und es war unangenehm jene Fäden wieder zu entfernen. Hämisch grinsend setzte sie sich wieder neben den sichtlich perplexen Maris.
„ Nur weil du dich hier stärker fühlst, solltest du hier nicht übermütig werden. Magie kann gefährlich werden, wenn man zu leichtfertig mit ihr umgeht. Selbst wenn dir das Tier einmal vertraut hat, weißt du nicht, wie es jetzt auf dich reagieren wird, schließlich hast du selbst gesagt, dass du nicht wüsstest, was alles geschehen ist. So wie es die Möglichkeit gibt einen Tiergeist zu rufen, haben wir auch die Möglichkeit Tiere anzulocken. Stell dir vor eine Frau will dich in ihr Bett locken, wirst du nicht möglichst schnell zu ihr kommen wollen, wenn du ihren betörenden Duft riechst?“ Während ihr Begleiter begonnen hatte, sich laut fluchend zu befreien, ließ sie erneut Magie aufkommen. Die Lehre lebte von den praktischen Dingen, wie oft hatte Ornlu ihr das schier unbegreifliche Magische so näher gebracht. „Vielleicht ist dir in den letzten Tagen ein besonderer Duft nicht entgangen?“, fragte sie beiläufig, während sich nach und nach der süßliche Duft der Erdbeeren ausbreitete, als wären sie nicht in der Wüste, sondern mitten in einem Erdbeerfeld. Für einen Moment schloss sie die Augen und gab sich diesem Bild hin. „Es wäre eine Möglichkeit den Löwen damit zu locken. Wie würdest du es magisch anstellen?“
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Zentralmyrtana
Ein Lächeln so ehrlich, wie nur Feinde es einem zeigen konnten. Mit einer Mischung aus Freude ob der Unterhaltsamkeit, Belustigung und einer ordentlichen Portion Häme. Doch Medin lächelte zurück, während er eine Felsstufe mit einem großen Schritt hinauf überwand, um den Weg näher an den Berggrat fortzusetzen.
„Glaube nicht, dass es den Fanatikern so gut ergeht“, erwiderte er mit angemessener Ironie in der Stimme. „Die Zeiten, als man sie auf Händen durch die Straßen Quasars zu den Tempeln trug, sind vorbei. Auch Jun ist von der Realität der unfanatischen Machtpolitik eingeholt worden und hat sein Fürstentum an gierigere Standesgenossen verloren. Da vertraue ich doch lieber auf meine eigene Blauäugigkeit und meinen eigenen Fanatismus und suche mir die Leute, die gegen mich intrigieren, gut aus.“
Einen Moment lang blickte er sie wieder direkt an. Der Moment war Aussage genug.
„Mein Plan beruht aber in der Tat nicht nur darauf, mit einer gesuchten Mörderin um Gnade zu bitten“, fuhr er dann fort. Sie hatten höheres Gelände erreicht. Die Bäume waren spärlicher geworden und das Gestein zerklüfteter. Irgendwo hier würde sich ein Lagerplatz finden.
„Ich möchte vielmehr auf dein Wissen zurückgreifen, um diesen Justizirrtum aufzuklären. Du warst damals an der Intrige beteiligt; hast ja gar den wichtigsten Part übernommen. Nein, leugnen musst du das vor mir nicht und ich habe auch gar nicht vor, dich als Zeugin anzurufen. Aber ich hoffe mit deiner Hilfe Leute zu finden, die ich zu einer Aussage vor der Krone heranziehen kann. Hinter- und Mittelsmänner, gedächtnisstarke Dienstboten und aufmerksame Nachbarn. Vielleicht sogar vielsagende Korrespondenzen oder politische Gegner … wir haben ja gesehen, dass so was immer wieder auftaucht. Du warst dabei und wie ich hörte, kennst du die Residenz des verstorbenen Lords von Trelisberg auch von innen. Wenn ich meinen Namen reinwaschen will, brauche ich Hilfe, wo ich dafür ansetzen muss – und genau darum will ich dich bitten.“
Nun lag vor allem Ehrlichkeit in seiner Stimme. Vielleicht etwas flüchtig, aber sie war da. Einen Moment herrschte Stelle.
„Das dort sieht mir nach einem guten Platz für die Nacht aus, oder was meinst du?“, fragte er dann und deutete auf einen Felsvorsprung, unter dem es etwas weiche Erde gab.
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Träume von Familie kamen immer gut an. Viraya lächelte unsichtbar und horchte den Gesprächen. Es wurde über die letzte Ernte gesprochen, über die Nachbarin, die bald ein Kind bekam und darüber, dass der Fuchs kürzlich zwei Hühner gerissen hatte. Das war ein herber Verlust gewesen. Im Anschluss wurde diskutiert, was dagegen unternommen werden konnte. Die ehemalige Schwarzmagierin hörte nur mit einem Ohr hin, obwohl es gut war mehr über das Leben eines Bauern zu lernen. Alles war irgendwo interessant. Dann machte ihr einer ein Angebot für ihr Pferd, doch sie meinte, dass es ein Erbstück sei und damit unverkäuflich. Alle nickten und die Sache war gegessen. Dazwischen gab es Salat, Brot und ein Gericht aus verschiedenem Gemüse in einem Eintopf und einen Brei aus Mais und Milch.
"Und Vengard?"
Fragte Viraya dazwischen.
"Ich habe gehört, dass da einzelne Angst vor der Pest haben. Sie soll auf Argaan ausgebrochen sein, wird gemunkelt. Aber genaueres weiss ich nicht. Wir sind dann erstmals nicht auf den Markt gegangen."
Erklärte einer der Bauern.
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Al Shedim - Geheimnisse der Magie
Mit angeekelter Miene versuchte sich der Nomade langsam aus dem widerlich klebrigen Spinnennetz zu befreien, mit dem Suzuran ihn eingefangen hatte.
"Du bist abartig, Mädchen..."
Ein wenig angewidert versuchte er sich nach und nach von den hartnäckigen Fäden zu befreien, die ihm scheinbar überall am Körper zu kleben schienen. Was war das denn nur für ein ekelerregendes Zeug?
"Wenigstens weiß ich jetzt, wer die unfähige Spinne war."
Die Kritik hatte sie definitiv verdient. Diese Spinnweben waren gemeiner als Sand zu werfen - und gefährlicher, wenn man bedachte, dass die Ruinen Al Shedims immer dafür gut waren, irgendeinen gefährlichen Bewohner genau zur falschen Zeit auszuspucken.
Als die Druidin aber plötzlich begann, diesen intensiven Geruch von Früchten zu verströmen, den er vor wenigen Tagen schon einmal vernommen hatte, war er zugegebenermaßen tief beeindruckt.
"Du kannst... einfach so Gerüche verströmen, ganz nach Belieben? Das ist beeindruckend."
Es machte Sinn, wenn er es sich recht überlegte. Die Nase vieler Tiere - auch die von Raubkatzen - war ein extrem feines Werkzeug, das viel mehr wahrzunehmen vermochte als die eines Menschen. Gerüche konnten viel mehr Botschaften übermitteln, als so mancher glauben mochte - und sie konnten über große Entfernung hinweg wirken. Konnte er tatsächlich mit Hilfe der Magie einen Duft erzeugen, der Shakyors Löwen anzulocken vermochte?
"Ein Duft, der Geborgenheit ausstrahlt... vielleicht der einer fürsorglichen Löwenmutter."
Maris hatte eine ganz bestimmte im Sinn - die Sumpflöwin aus seinen Träumen. Sie hatte wie der Inbegriff der Fürsorge und Geborgenheit auf ihn gewirkt, und die Träume waren so real gewesen!
"Oder ich täusche ihn, um ihn anzulocken - über Shakyors Körpergeruch oder die Imitation seiner Geräusche. Auch wenn ich dann mit einer heftigen Reaktion rechnen muss, wenn der Schwindel auffliegt."
Die Täuschung war ein gefährlicher Weg. Sie konnte sowohl über den Geruch Shakyors funktionieren, als auch über die Imitation seiner Schritte und Rufe, denn Katzen waren durchaus in der Lage, verschiedene Personen - egal ob menschlich oder tierisch - nur anhand des Klanges ihrer Bewegungen zu unterscheiden. Doch nicht nur, dass der Löwe sich Maris gegenüber völlig verschließen würde, wenn er den Betrug bemerkte, auch das magische Band zwischen Shakyor und ihm stellte dabei ein Problem dar.
"Vergiss die Täuschung. Das Seelenband, das Gefühl der Zerrissenheit, wenn ein Teil von dir unerreichbar ist, lässt sich nicht durch irgendwelche Gerüche übertünchen. Die beiden werden immer wissen, wie nah oder fern sie von ihrem Gegenpart sind."
Auch er hatte einst so gefühlt, wenn Marik gezwungenermaßen fern von Siedlungen bleiben musste, um die Menschen nicht aufzuschrecken. Und selbst nun, nach seinem Tod, hatte er manchmal das Gefühl, dass er immer noch diese Nähe oder Ferne spüren konnte. War seine Seele etwa immer noch mit dem Körper seines Gefährten verbunden, in dem nun der Große Löwe steckte? War er so stark an den Löwengeist gefesselt?
"Gut, also die Beruhigung, indem ich die Sanftheit der Löwin ausstrahle. Wie stelle ich das an? Die stellst du das an? Aus deiner bloßen Erinnerung heraus, verbunden mit deiner Magie? Ich habe eine sehr klare Erinnerung vor mir, die genau das richtige Gefühl ausstrahlt - wie kann ich sie nutzen?"
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Er war wütend, sie konnte das verstehen. Sie wäre es auch gewesen, wenn man sie in ein klebriges Netz gewickelt hätte, aber er hatte es nicht anders verdient und schließlich konnte er sich dann doch recht schnell wieder beruhigen. Sie nickte zustimmend, während er sich seine Gedanken dazu machte, mit welchen Gerüchen man den Löwen anlocken könnte. „Ich hatte auch an den Geruch Shakyors Körpergeruch gedacht, allerdings muss ich dir auch zustimmen, dass es ein großes Risiko birgt, ihn damit zu locken und zu täuschen. Ich denke, dass es vielleicht einfacher wäre, einen Geruch zu imitieren, der seine grundlegendsten Bedürfnisse anspricht. Ich könnte mir vorstellen, dass er in letzter Zeit wenig zu fressen hatte. Man könnte den Geruch potentieller Beute so intensivieren, dass er sich uns auch von weiter Entfernung nähert, wenn er erst einmal gefressen hat, könnte er auch empfänglicher für dein Anliegen werden. Natürlich kannst du es auch durch dieses bestimmte Gefühl versuchen, dass du vor Augen hast. Aber eins nach dem anderen, zunächst musst du lernen deine Magie auf diese Art und Weise zu formen. Es ist eigentlich nicht schwer…du kannst deine Magie ausströmen lassen, nehme ich an?“, fragte sie und zeigte ihm, was sie damit meinte. Magisch formierten sich zwei Stränge an ihren Händen, umkreisten sich wie ein Strudel aus blauem Licht, ehe sich jene Stränge wandelten und in einem Wechselspiel aus farbigem Licht zu leuchten begannen. „Du kannst reine Magie austreten lassen, du kannst sie formen, zu einem Licht, zu einem Geruch, zu einem Gefühl und auch Geräusche sind möglich…wie Sand, den du zu einer Sandburg aufhäufst, ihn formst, bis er zu dem geworden ist, was du dir vorgestellt hast.“ Ihre Magie verändert sich als sie erneut ihre Hand erhob, sie schien sich in hellen Nebelschwaden unter der Sonne aufzulösen. „Wenn du es geschickt anstellst, wirst du den Löwen anlocken.“, meinte sie und leckte sich über die Lippen, als sich der Duft, den sie erschaffen hatte, intensivierte und es plötzlich nach frischem Braten roch, der an den Abenden des Samhainfestes immer über dem Feuer gebraten wurde. „Versuch es einfach, je besser du dich hineindenkst, desto schneller wirst du es beherrschen.“
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Viraya zog die Augenbrauen leicht hoch, was sie dachte wusste keiner. Was sie wirklich dachte, würde niemals einer erfahren. Sie beschloss auf alle Fälle noch hier Essen und Wasservorräte anzuschaffen. Panisch werden lohnte sich allerdings nie, aber etwas Vorsicht schadete ebenso wenig. Sie lauschte den Gesprächen noch eine Weile, musste dann aber feststellen, dass hier nichts zu erfahren war. Andreja war viel zu diskret. Dennoch hatte seit langem kein Reisender hier Halt gemacht. Sie hoffte, dass es auch in Zukunft so bleiben würde und wartete noch etwas, bis es Zeit war zu gehen.
Sie schlug den Weg Richtung Vengard ein, direkt. Ihr Gesicht war hier nicht bekannt und sie konnte sich sogar das Bürgerin der Stadt ausweisen. Nun blieb nur noch zu hoffen, dass Darla dieses Mal nicht so bestimmt darin war sie zu verjagen.
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Varant - Die Angst des Löwen
Er hatte sein Ziel genau im Blick - und er spürte, dass sein Ziel ihn genauso beobachtete.
Endlich waren sie aufgebrochen, um die vor ihnen stehenden Aufgaben anzugehen, und hatten sich mit Azad und Hussain, die dem Löwen des obersten Nomaden nachgesetzt hatten, östlich von Mora Sul getroffen. Sie alle waren mitgekommen - Bartimäus und Melford, Djamal und Thamar, Suzuran, Cécilia und natürlich Runa. Nun jedoch waren nur Suzuran und seine Tochter an der Seite des Nomaden, während der Rest in sicherem Abstand kampierte, denn das, was sie vorhatten, war ein sensibles Unterfangen mit einem alles andere als leicht berechenbaren Mitspieler. Shakyors Löwe war geschwächt und verängstigt, vereinsamt und ratlos. Maris kannte das Gefühl nur zu gut, das die Raubkatze nun plagen musste - er selbst hatte es am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als Marik noch an seiner Seite gestanden und sich vorübergehend von ihm getrennt hatte. Wie es sich anfühlen mochte, wenn man über mehrere Monde hinweg von seinem Seelenpartner getrennt war? Er wollte es sich nicht vorstellen, konnte es auch nicht. Seit Marik gestorben und der Löwengeist in seinem Körper auferstanden war, hatte sich die Bindung zwar nicht gelöst, doch sie war weitaus schwächer als früher geworden. Die Beziehung zu einem solchen Wesen war ohnehin nicht auf einer räumlichen Ebene zu greifen - der Löwe war nirgends und überall zugleich.
Maris hatte die Aufgabe, die Suzuran ihm gestellt hatte, bereits in einigen Versuchen anzugehen gewagt und feststellen müssen, dass die Erzeugung von Gerüchen tatsächlich recht einfach erschien, ganz so, wie sie es gesagt hatte. Mit ein wenig Sammlung hatte er es vollbracht, die Magie aus sich entströmen zu lassen und in einen Duft zu verwandeln. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert und die Gerüche waren zu Beginn weder besonders prägnant, noch allzu treffend gewesen, doch als er sich am Gestank eines Kamels versucht hatte, war es ihm endlich gelungen. Nachdem er einmal herausgefunden hatte, wie es sich anfühlte, die magische Kraft auf diese Weise umzusetzen, hatte er nach und nach mehr Sicherheit mit der Technik erlangen können, bis es ihm gelungen war, charakteristische Gerüche wie den gebratenen Fleisches oder eines Haufens Kameldung zu erzeugen. Die Erinnerung an diese Gerüche in jeder Einzelheit war ein essenzieller Bestandteil der Nachbildung, und so war es umso einfacher, einen Geruch zu erzeugen, den er schon hunderte Male vernommen hatte und dessen Erinnerung ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, als einen, an den seine Erinnerung nur trübe und dunkel war. Den Duft von Kleinkindern, den Runa und Sinan dereinst getragen hatten, als sie noch zu klein waren, um wegzulaufen, den würde er zu jeder Tages- und Nachtzeit erzeugen können. Und zu seinem Glück war die Erinnerung an den unterschwelligen Duft einer behütenden Löwenmutter, den er nutzen wollte, in aller Klarheit ganz tief in seinem Geiste präsent, obwohl es nicht einmal ein wirkliches Ereignis gewesen zu sein schien... so glaubte er jedenfalls. Doch der Traum der Sumpflöwin, die ihn warnte, hatte sich damals so fest in sein Gedächtnis gebrannt, dass er genau wusste, was er zu tun hatte.
Wie lange mochte Maris wohl schon hier stehen und seine magischen Kräfte bündeln? Er wusste es nicht. Der Nomade hatte sich gegen den Vorschlag seiner Mentorin entschieden, denn das, was er im Sinn hatte, war weit subtiler und forderte den ganz und gar nicht dummen Löwen, der einen nach Beute riechenden Menschen von wirklicher Beute unterscheiden konnte, nicht erst unnötig heraus. Der Diener al-hamzas entließ einen steten Strom der Magie aus allen seinen Poren, während er die Arme weit ausbreitete, und formte die indifferente Urkraft entsprechend seiner Erinnerungen. Er sah die Löwenmutter genau vor sich, wie sie ihm im Traum erschienen war, und es schien ihm, als befände er sich erneut in dem stillen, lichtdurchfluteten Hain, der auch in seiner traumhaften Vision die Kulisse für ihre Zusammenkunft geboten hatte.
Der Duft, den er erzeugte, war nicht zu erfassen für den Menschen. Nur ein kümmerlicher Teil der gesamten Geruchspalette stieg ihnen scheinbar in die Nasen, doch die um so vieles bessere Nase des Löwen würde die Fährte aufnehmen.
Maris konzentrierte sich auf seine Magie, bis er seine angestaute Kraft weitestgehend aufgebraucht hatte, und schaute schließlich wieder in die Ferne, um Shakyors Löwen und dessen Reaktion auszumachen.
"Wo ist er denn?"
Die drei Menschen starrten in die trockene Weite der Sanddünen, doch der Schemen, den sie als den Löwen ausgemacht hatten, war verschwunden. Maris ärgerte sich darüber, dass Suzuran ihn nicht im Auge behalten hatte, während er mit der Magie beschäftigt gewesen war. Doch ein leiser Kommentar seiner Tochter brachte ihn schnell von diesem Pfade ab.
"Da vorn ist er!"
Der Nomade schaute genauer hin, und in diesem Moment trat Shakyors Löwe auf den Kamm der niedrigen Düne ein Stück vor ihnen und damit wieder in ihr Sichtfeld. Er hielt direkt auf sie zu.
"Seht euch das an... er kommt!"
Einen Moment lang war er unschlüssig, wie er reagieren sollte, dann wandte er sich zu Suzuran um.
"Du bleibst mit Runa hier. Ich gehe ihm allein entgegen. Das geht nur ihn und mich etwas an."
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Sie hatten zwei weniger angenehme Nächte in den Bergen verbracht. Einmal hätte Redsonja ihren Begleiter um ein Haar den Berghang hinunter gestossen und sie würde es noch bereuen, dass sie es nicht getan hatte, doch ein hinterhältig nagender Skrupel hatte sie erfasst. Sie verfluchte sich selber einige Male ob der verpassten Gelegenheit im Verlauf der folgenden Tage.
"Ein guter Plan."
Gestand sie schlussendlich dennoch und nickte. Sie würde also das Versprechen tatsächlich einlösen. Er hatte sich also vielleicht doch nicht die Falsche ausgesucht, um kurz vor den Toren Vengards halt zu machen. Sie versteckten sich im Gebüsch, während sie angestrengt auf den Fuhrweg hinunter starrten. Dort bewegte sich eine Frau mit anmutigen Bewegungen und leicht bläulich schimmerndem Haar. Die rothaarige Kriegerin erblasste. Konnte das Viraya sein? Ihr Atem stockte einen längeren Moment. Angestrengt starrte sie zum Tor, versuchte im fahlen Schein der Laternen etwas zu erkennen und bemerkte gar nicht, wie Medin ebenfalls aufmerksam geworden war. Erst als sich das Tor hinter der Reisenden schloss, schüttelte sie den Kopf und betrachtete den Begleiter, als würde sie eben erst feststellen, dass er ja auch noch da war. Doch hatte sie sich schnell wieder gefasst. Sie lächelte und fragte:
"Dann führe uns mal in die Stadt."
Forderte sie ihn auf und war gespannt darauf, welche Lücke in der Bewachung er ihr offenlegen konnte.
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Teehaus, Bakaresh, Varant, Provinz des Großreiches Rhobars III.
Es war sinnlos. Sie waren bereits seit knapp einem Dutzend Tagen in Bakaresh und hatten immer noch kein Spur von Sianna gefunden. Mitunter lag dies natürlich auch daran, dass man nicht so einfach auf offener Straße nach einer Spionin des myrtanäischen Geheimdienstes fragen konnte. Dennoch war Yared mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass sie sie nicht in der varantischen Hafenstadt finden würden. Auch wenn sie sie nicht gefunden hatten - wäre Sianna in Bakaresh, sie hätte seine Bemühungen mit Sicherheit schon längst bemerkt und ihm zumindest eine Botschaft zukommen lassen. Nein, entweder war sie in gehörigen Schwierigkeiten oder aber einfach wirklich nicht in der Tempelmetropole.
Immerhin hatte er Zeit gefunden, einen Barbier aufzusuchen. Obgleich er dann doch beschlossen hatte, sein graues Haar nach so langer Zeit mal wieder lang zu tragen, hatte sich der Kapitän wenigstens den Bart etwas stutzen lassen.
"Findest du etwa, Virgo ist ein besonders schöner Name für ein Schiff?", Donna sah Goya entgeistert an.
"Das nicht gerade. Die Gortharer sind da sowieso etwas speziell. Aber man kann ein Schiff, ist es erst einmal getauft, nicht mehr umbenennen. Du weißt doch, Seeleute sind ein abergläubischer Menschenschlag.", dozierte der Navigator.
Bram setzte den Teebecher vor sich ab. "Das stimmt nicht ganz, Goya. Es ist gute Tradition im Kampf erbeutete Schiffe umzubenennen, um den Wechsel der Seiten symbolisch zu unterstreichen. In Teilen des östlichen Gorthars soll das sogar als höflich dem Feind gegenüber gelten.", verbesserte er seinen Vorredner.
Yared hörte seinen drei Begleitern nur am Rande zu. Er hatte sich in die Ecke hinter dem flachen Tisch zurückgezogen, sich an die Wand gelehnt und saß, das eine Bein angewinkelt, das andere auf den weichen Kissen und Teppichen des varantischen Teehauses ausgestreckt im Halbdunkel, während er nachdachte.
Vielleicht sollten sie einfach nach Trelis weiterreisen. Yared konnte schließlich nicht mit seinen drei Begleitern die ganze Wüste durchkämmen und die Lage wurde auch nicht gerade gemütlicher. Erst gestern hatte die Nachricht über das Attentat auf den Statthalter in Mora Sul die Runde gemacht. Der Anschlag auf die Garnison am Pass in Braga war allen noch in guter Erinnerung und seit Neuestem waren sogar hin und wieder Anfeindungen zwischen myrtanischen Soldaten und Assassinen zu beobachten - ein für die für ihre stets überaus freundliche Fassade bekannten Wüstenbewohner absonderliches Verhalten.
Ach, was sollte das. Die Angelegenheit hier sollte doch als teambildende Maßnahme abgerechnet werden. Da konnte er doch nicht einfach nur dasitzen und vor sich hin sinnieren.
"Das stimmt, Goya. Wer ein Schiff ehrlich erbeutet, hat jedes Recht es auch umzubenennen.", bestätigte der Kapitän die Ausführung Brams. Dann nahm Yared einen Schluck des dampfenden Tees, beugte sich vor, aus seiner Ecke heraus und stellte den Becher auf den Tisch.
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Varant - Rastplatz
Die Nomaden und Waldläufer waren aufgebrochen, Al Shedim lag weit hinter ihnen und somit der letzte Ort Varants, der Melford ein Begriff war. Braga, die Pforte ins fruchtbare Myrtana und Bakaresh, die ehemalige Schwarzmagier Hochburg, waren die einzig anderen Städte, die er kannte. Nicht viel, wenn man bedachte wie groß Varant war und welchen Einfluss die Händler hier auf die nördlicheren Länder hatten. Andererseits waren seine Reisen und sein Interesse für diesen Teil der Welt sehr begrenzt, was unter anderem an dem schrecklich heißen Klima lag, welches ihn auch Heute plagte. Schwer vorstellbar, dass es hier jemand sein ganzes Leben lang aushalten konnte.
Während Suzuran, Maris und dessen Tochter irgendein Tier ausfindig machen wollten, hatte sich der Rest der Gruppe zur Rast gesetzt. Sehr zur Erleichterung Melfords. Ihm ging unter diesen ungewohnten Bedingungen leider schneller die Puste aus, als sonst…oder hatte er im Laufe der Zeit einfach zu stark nachgelassen? So gesehen wäre ein härteres Training keine schlechte Idee, doch hier in der Wüste würde er mit Sicherheit nicht damit anfangen.
„Sag mal,…“ begann der Kämpfer und drehte sich leicht zu Bartimäus hinüber. „Wie ist es so auf Argaan und Tooshoo? Ich war vor ein paar Jahren das letzte Mal dort, als viele des Waldvolkes hinüber gesegelt sind. Kannst du mir ein bisschen berichten, wie es ihnen ergangen ist?“
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Varant - Rastplatz
Es war also so weit gewesen, Al Shedim hatten sie verlassen und sich auf den Weg Richtung Mora Sul gemacht. Doch noch bevor es wirklich etwas zu tun gegeben hatte warteten sie auch schon wieder. Zumindest die meisten, denn Maris und Suzuran hatten sich abgesondert und taten vermutlich etwas sehr Druidisches und somit automatisch auch etwas streng Geheimes.
In der übrig gebliebenen Gruppe suchte Melford währenddessen das Gespräch mit Barti über die Lage in Tooshoo. Kurz musste der Waldläufer an die Zeit dort nachdenken.
"Ich denke es erging ihnen ganz gut", begann er schließlich, "erinnerst du dich an den Grund warum wir dorthin sind? Der Ruf von Tooshoo oder etwas in die Richtung? Was genau daraus geworden ist weiß ich nicht, was solche übernatürlichen Dinge angeht sind ja alle immer sehr schweigsam. Was mein bescheidenes Urteilvermögen angeht kann ich dir sagen der Baum sieht immer noch aus wie ein gesunder Baum, der nur ein paar Dimensionen zu groß geraten ist und beeindruckend ist wie eh und je. Die allgemeine Situation auf der Insel war etwas angespannt. Die Rotröcke wollten mal wieder mehr als ihnen zustand und sind so wohl in den Krieg mit den Setarriffern gelangt. Zwar waren auch in Schwarzwasser ab und an Boten oder Diplomaten aus Setarrif gewesen und wir hatten uns Gedanken über den Krieg gemacht, aber wirklich direkt betroffen waren wir zum Glück nicht.
Was mich angeht gefällt es mir sehr gut dort und freue mich wieder zurück nach Hause zu kommen und ich denke den meisten anderen geht es ähnlich."
Noch einmal dachte Bartimäus nach ob er noch irgendetwas vergessen hatte, doch glaubte er das Wichtigste erwähnt zu haben. Alles in allem war es ihnen ja auch sehr gut ergangen.
"Wie kommt es, dass du jetzt in Varant bist und nach Spuren des Waldvolks suchst? Sehr viel Wald hab ich hier zumindest noch nicht zu sehen bekommen!"
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