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    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Endlich war es vorbei. Ihre Beine und Arme glühten und hatten keine Haare mehr. Nun hatte sie Angst, dass sie sich als nächstes ihren Rotschopf vorknöpfen würden, doch wurde ihr Kopfhaar bloss gekämmt und sie wurde getrocknet und in ein weisses Unterhemd gehüllt, dann kam Puder auf ihre Wangen und ihre Lippen wurden gefärbt und ihre Augen mit Kohle nachgezogen. Die Damen kicherten immer wieder und Redsonja verstand wirklich nicht warum. Bis plötzlich Unruhe ausbrach.

    "Ein Lüstling am Fenster."

    Flüsterte ihr eine der Matronen ins Ohr und Redsonja verstand noch weniger, nickte allerdings.

    "Wir kümmern uns darum."

    Versicherte ihr die Dame. Dann winkte sie eines der jüngeren Mädchen zu sich. Diese verschwand und kam, just als Redsonja fertig angezogen war mit Gorr zurück.

    "Das ist er und er ist sogar freiwillig gefolgt."


    Nun war es an Redsonja zu lachen.

    "Der? Niemals würde er nur einen Blick auf mich werfen wollen." Sie konnte sich kaum einkriegen. "Haha neinein, der macht andere Sachen, aber bestimmt nicht mir nachstellen."

    Davon war sie felsenfest überzeugt. Die Damen, allerdings etwas weniger. Eine von ihnen erhob einen Spiegel und meinte dann.

    "Also wie du vorher ausgesehen hast bestimmt, aber so, gar nicht so schlecht oder?"

    Nun war es an Redsonja zu staunen. Sie erkannte sich selber nicht wieder. Sie näherte sich dem Spiegel, blickte hinein, zupfte an ihren Haaren, ging etwas näher. Versuchte ein Lächeln. War sie das? Es war gewöhnungsbedürftig. Als Kind hatte sie sich so gekleidet, aber das war lange her, dennoch irgendwie war die Erinnerung da. Ihre Postur änderte sich. Ihre Bewegungen ebenfalls. Sie drehte sich einmal. Und das machte die wirkliche Veränderung aus. So würde sie die Stadtwache tatsächlich nicht wieder erkennen.

    "Vielleicht solltet ihr dasselbe mit Gorr machen." Schlug sie mit zuckersüssem Lächeln und einem Augenaufschlag vor.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Das Reiten bereitete Viraya schon lange keine Schmerzen mehr. Sie hatte sich daran gewöhnt. Dennoch war sie müde und ausgezehrt. So sehr, dass sie der Umwelt kaum Beachtung schenkte. Allerdings gab es an jenem Tag so einen schönen Sonnenuntergang, den selbst sie nicht widerstehen konnte. Die Wolken am Himmel bildeten ein blutrot gefärbtes Meer. Sie blickte in die Ferne, sog die kalte, klare Luft ein und lächelte ganz fein. Auch die anderen beiden schienen den Anblick zu geniessen.
    Dann wirkte Castor plötzlich unruhig. Er musste etwas entdeckt haben. Ein verrammelter Eingang zu einer Höhle. Ein schweres Schloss hing daran. Castor schaute etwas ratlos, dann kickte er gegen die Bretter, prüfend nicht unkontrolliert. Nichts bewegte sich. Es war massiv.
    Viraya zog ein gebogenes Stück Metall aus ihrer Tasche und meinte, dass er sie mal versuchen lassen soll. Geduldig setzte sie den improvisierten Dietrich an. Sie fühlte einen der Mechanismen, tastete das Ganze Innenleben des Schlosses ab.

    "Kann noch ein Weilchen dauern."

    Gab sie den anderen zu bedenken, sodass diese sich entschieden einen Lagerplatz zu suchen und das Abendessen vorzubereiten. Medin kümmerte sich um die Pferde. Castor machte sich auf zur Jagt. Sie hatten eine Herde Gämsen gekreuzt und er erhoffte sich endlich etwas nahrhafteres zwischen die Zähne zu bekommen. Und Viraya stocherte in dem Schloss herum. Sie hatte einen Teil des Mechanismus erkannt und versuchte einen der Stifte zu bewegen. Langsam gab der Widerstand nach, der Stift liess sich hinein drücken, aber nichts geschah. Sie suchte einen zweiten Metallstift und fühlte nun mit beiden im Schloss herum. Immer wieder traf sie etwas, doch als gesamtes bewegte sich nichts. Ihre Hände wurden ungelenkiger und steifer von der Kälte und Anstrengung und immer wieder glaubte sie kurz vor dem Ziel zu sein, aber am Schluss, bewegte sich doch nichts. Irgendwann rief Castor zum Abendessen. Er hatte während den erfolglosen Versuchen von Viraya tatsächlich eine Gämse erlegt, diese mit Medin zusammen zerlegt und gebraten. Es roch herrlich und ein paar Kräuter waren auch darauf. Virayas Magen frohlockte. Man musste sie nicht zweimal bitten ihre Versuche aufzugeben. Biss sie in das zarte Fleisch und sie merkte wie hungrig sie war. Die anderen beiden ebenso, denn es war ganz still. Erst nach einiger Zeit durchbrach sie die Stille.

    "Ich schaffe es nicht. Der Mechanismus ist unglaublich kompliziert. Ich frage mich sogar, ob er Magisch verstärkt ist." Sprach sie und biss erneut zu. "Was erwarten wir in der Höhle? Können wir es vielleicht mit Feuer versuchen oder hat jemand von euch noch eine andere Idee?"

  3. Beiträge anzeigen #343 Zitieren
    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Das Essen war köstlich, das musste Medin neidlos anerkennen. Als er das erste Mal in das frisch gebratene, noch mit Fett triefende Fleisch der Gams gebissen hatte, war ihm erst klar geworden, mit welchen Entbehrungen er in den letzten Wochen gelebt hatte. Nichts was er nicht gewohnt war, aber die Abwechslung war sehr willkommen. Und die Kulisse des Hochgebirges mochte in diesem Moment am wärmenden Lagerfeuer den Eindruck erwecken, dass sie einfach auf einer abenteuerlichen Bergreise waren. Ein unschuldiger, vollkommen aus der Zeit gefallener Gedanke. Aber der zweite Bissen schmeckte ebenso gut wie der erste.

    "Das würde ich auch gerne wissen", pflichtete er Viraya bei, als er gerade so runter gekaut hatte. "Wir sind hier ganz schön weit oben und die Pfade, die wir gesucht und gefunden haben, waren keine Handelswege. Und dann stehen wir auf einmal an einem Stolleneingang unweit der Baumgrenze."

    Castor versuchte nicht von seiner Mahlzeit aufzusehen. Er war sichtlich zufrieden mit seinem Jagdglück gewesen, aber die Fragen der beiden anderen schienen ihm nun etwas die Stimmung zu vermiesen.

    "Ihr seid jetzt Söldner", bemerkte er. "Aber für's Fragen stellen werdet ihr nicht entlohnt." Das vermieste Medin nun die Stimmung. Er nahm es nicht persönlich, aber er hatte auch keine Lust mehr auf diese Adelsmarotten. Nicht nach allem, was sie bisher durchgemacht hatten.

    "Wir haben einen Vertrag unterzeichnet, aber wir sind keine Söldner", entgegnete er. "Wir sind eure Lebensversicherung. Außerdem wolltet ihr eure Informationen mit uns teilen, also könntet ihr durchaus demonstrieren, dass ihr das Prinzip verstanden habt. Also", er holte kurz Luft, "warum gibt es hier oben so einen gut gesicherten Stollen, dass selbst sie an dem Schloss verzweifelt?" Er nickte zu Viraya.

    Castor kaute eine Weile schweigend weiter.

    "Silbermine", antwortete er dann schließlich. "Mit eigener Schmelze und Prägung. Ihr könnt euch vorstellen, dass eine Prägerei an so einem Ort wohl kein Münzprivileg hat. Warum es sie hier gibt und warum ich das weiß, gehört aber zu den Informationen, die ich nichts angehen. Ohne das Wissen seid ihr ohnehin besser dran, glaubt mir."

    Medin nickte. "Dann will ich euch glauben. Und wie kommen wir hinein?"

    "Es gibt meines Wissens nur den einen Eingang und es dürfte eigentlich nicht magisch verstärkt sein. Wenn ihr es nicht knacken könnt, sollten wir morgen versuchen, es aufzubrechen oder wir versuchen es mit Feuer."

    Aber heute war es zu spät dafür. Das letzte Licht der bereits untergegangenen Sonne war geschwunden und im Schein des niederbrennenden Feuers verkrochen sich alle drei in ihre Decken. Es tat gut, mit gewärmtem Magen sich schlafen zu legen und als er die Augen schloss hatte er das Gefühl, dass es eine gute Nacht werden würde. Er lag falsch. Von tiefer Unruhe erfasst erwachte er immer wieder halb aus dem Schlaf, ohne richtig zu Bewusstsein zu kommen. Als ob eine Stimme nach ihm rief, er ihre Worte aber nicht verstehen konnte. Mal klang es wie eine Warnung, mal wie eine Drohung. Die Wärme schwand schnell aus seinem Inneren und er spürte durch jede Schicht von Decke und Kleidung die eisige Kälte der Bergnacht dringen. Hier und da schnaubten die Pferde, während er sich immer wieder hin und her wand, und ein konturloser Albtraum dem nächsten folgte.

    Dann erwachte er auf einmal, die Augen weit geöffnet. Etwas Schweiß stand ihm auf der Stirn und er versuchte auszumachen, was ihn geweckt hatte. Ein Geräusch? Das Rauschen des Bergwindes? Das Scharren eines der Pferde? Er hob den Kopf leicht. Die Glut in ihrem Feuer war erloschen und die Umgebung war in bleiches, schwaches Mondlicht, das kaum durch die Wolken durchdrang, getaucht. Die anderen beiden schienen noch zu schlafen. Und dann wanderte sein Blick zum Stolleneingang. Die Bretter waren immer noch verrammelt, das Schloss schien noch dort zu sein, wo es vorher war. Und trotzdem schien ihm, dass sich etwas verändert hatte. Er konnte nur nicht greifen, was es war.

    Behutsam und leise kroch er aus seiner Decke hervor und schlang sie wie einen engen Mantel um sich. Er prüfte, ob sein Schwert noch in Reichweite war und bemerkte dabei, wie sehr er seine geweihte Klinge vermisste. Ohne sie fühlte er sich schutzloser und verletzlicher. Sein Blick ging zur Feuerstelle, in der sich die letzten Glutfünkchen tapfer gegen das erkalten wehrten. Leise, um die anderen nicht zu wecken, kroch er näher und machte sich daran, das Feuer wieder etwas zu entfachen. Nur ein wenig, nicht zu hell, aber er hatte das Gefühl, dass er es nicht ausgehen lassen sollte.

    Als schließlich wieder ein paar kleine Flämmchen aufflackerten, kniete er sich davor und schloss die Augen. Nicht um zu schlafen, sondern um zu beten. Schlafen konnte er jetzt ohnehin nicht mehr.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Viraya wirkte äusserlich ruhig, aber ihre Träume waren alles andere als das. Sie träumte von einem Schloss. Es hatte viele Windungen und wann auch immer sie die richtige Stelle zum Drücken gefunden hatte, veränderte sich der Mechanismus wieder. Sie gab aber nicht auf. Wieder und wieder versuchte sie es. Erst mit dem Dietrich, dann auch mit ihren Fingern. Das Schloss nahm ihre Fingerspitzen auf. Sie drückten erst hinein und dann wurden sie langsam hinein gesogen. Sie bemerkte es erst, als die Finger bis zum ersten Gelenk vom Schloss aufgefressen waren. Es schmerzte nicht. Kein Blut, aber stetig, mit jeder Mutation des Schlosses wurden ihre Finger weiter hinein gesogen, bis die Handfläche erreicht war. Dann ging es an die Hand, das Handgelenk, der Arm. Sie versuchte verzweifelt dagegen zu halten, doch ihr Arm wurde langsam verschlungen. Nun drohte das Schultergelenk aufgesogen zu werden und Viraya hatte das ungute Gefühl, in einem entfernten Winkel ihres Kopfes, dass falls sie sich dem im Traum nicht stellen konnte, dies auch in der realen Welt Konsequenzen haben wurde.

    Mit aller Kraft stellte sie sich also dagegen. Die Stimme eines Gebets dran zu ihr durch. Es verlangsamte das Verschlingen ihrer Gliedmasse, vermochte es aber nicht zum Stillstand zu bringen, geschweige denn war es stark genug, dass sie Ihren Arm zurückholen konnte. Sie wollte aufwachen, hämmerte gegen die Wand, die sie umgab, wie ein kleines Kind mit beiden Fäusten, wie sie es sich vorstellte, doch dann merkte sie, dass da gar keine Fäuste waren und sie dem Traum nicht entkam, sie die Augen nicht öffnen konnte.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Das Gebet war schon eine Weile beendet und Medin fühlte sich ein bisschen ruhiger, ein bisschen ausgeglichener. Aber von Müdigkeit war nichts mehr zu spüren, also hatte er begonnen, ein paar zusätzliche Fackeln zu basteln, indem er einige Latschenkieferäste mit altem Stoff umwickelte. Doch unwillkürlich schnaubte auf einmal Virayas Pferd, und das stärker als sonst.

    Der Paladin blickte auf. In der Umgebung war nichts neues zu entdecken. Wilde Tiere? Dann wären die Pferde wahrscheinlich noch unruhiger. Dann fiel sein Blick zu seinen beiden schlafenden Begleitern. Im schwachen Mondlicht wirkten ihre Gesichter unnatürlich bleib. Die Wangen wirkten durch den Schattenwurf eingefallen. Fast sahen sie aus wie aufgebahrte Tote in einer Gruft, bis Medin ihre Atmung ausmachen konnte. Auf Castors Stirn stand ebenfalls etwas schweiß, aber er atmete langsam und ruhig. Doch bei Viraya fiel ihm auf, dass sich etwas veränderte. Ihre Brust hebte und senkte sich immer schneller und ein leises Schnaufen schien durch ihre Nase zu dringen. Leicht zuckte ihr Kopf ein kleines bisschen zur Seite, während der Atem immer schneller wurde. Etwas stimmte mit ihr nicht. Einen Augenblick zögerte Medin, dann kroch er zu ihr, fasste ihre Schulter und rüttelte leicht.

    "Viraya", raunte er, damit Castor es am besten nicht hörte, "wach auf!"

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    Ehrengarde Avatar von Gorr
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Jetzt war der Schmied völlig verwirrt. "Ich..", begann er zu stammeln. "Ich dachte du wirst hier bis auf's Blut gefoltert?!" Sein Kopf war immer noch knallrot wie die Kehrseite eines Scavenger-Weibchens zur Brunft. Er schwitzte. Die ganze Situation war ihm sichtlich unangenehm. Obwohl er hätte erleichtert sein sollen.
    "Verdammt noch eins, du hast geschrien wie am Spieß!"

    "Und das wirst du auch tun", lachte eine der matronenhaften Kokotten und rieb sich spitzbübisch ihre feisten Finger.
    "Kein Spanner kommt hier UNGESCHOREN davon."
    Gorr wurde von hinten von zwei weiteren kräftigen Armen gepackt. Ein starke Umklammerung war das, selbst für den Schmied. Man hätte meinen können, dass er von einem Mann erfasst worden war, aber der zarte Duft nach Rosenwasser und Lavendel Parfum betrog diese Annahme. Das hinter ihm war ein ganz anderes Geschoss.
    Der Wachskessel wurde erneut erhitzt.

    Gorr wagte kaum, Redsonja in die Augen zu blicken, nach dem, was er zuvor alles gesehen hatte. Doch er musste. Und seine Augen flehten still: Hilfe!

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    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Redsonja ist offline
    Redsonja genoss den Moment sichtlich. Zumindest zu Beginn, dann wurden Gorrs Augen so gross und es war ernsthafte Verzweiflung darin zu sehen. Sie erinnerte sich an Ragnar. Wenn er etwas ausgefressen hatte und wusste, dass er jetzt wahrscheinlich zu Recht dafür bestraft wurde.

    "Ich glaube es reicht wenn wir ihn neu kleiden und seinen Bart etwas stutzen. Er sollte nur nicht wieder erkannt werden."

    Wandte sie dann ein und schaute die Damen erwartungsvoll an.

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    Veteran Avatar von Kiyan
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Kiyan ist gerade online

    Schwefelmine 'Beliars Hauch', nordöstliches Herzogtum Gorthar

    „Sie trug mir auf, dich zu töten.“
    Auf dem Weg zur Mitte des Talkessels, in dem der Mineneingang sowie die Ansammlung von Hütten lagen, blieb Kiyan stehen. Heric war einige Schritte voraus stehen geblieben und wandte sich nicht um. Seine Haltung war steif, fast wie die eines Menschen, der gerade dabei erwischt wird, wie er etwas verheimlicht. Der Gortharer schluckte, machte einen Schritt, wollte die Hand ausstrecken, rührte sich dann aber dennoch nicht weiter.
    „Ich weiß.“, sagte der Jugendliche mit gefährlicher Ruhe, „Ihr sagtet es mir, Meister.“
    „Habe ich …“, dem Wächter versagte die Stimme, „… ich ...“
    „Glück“, Heric achtete nicht im Ansatz auf die kläglichen Versuche Kiyans, erzählte einfach. „Ich hatte einfach Glück. Vielleicht ging die magische Kraft der Hexe zur Neige, vielleicht wart Ihr nicht völlig unter ihrem Bann oder … ich hatte schlicht Glück.“ Ein Schulterzucken. „Wie ich bereits sagte, Meister, schlug ich Euch nieder.“
    Endlich wandte er sich um und der Blick, den er dem Wächter zuwarf, war getränkt von Misstrauen und Enttäuschung. Eine Mischung, die Kiyan einen Stich versetzte. Er öffnete den Mund, suchte nach Worten, schloss ihn wieder und blickte leer zu Boden.
    „Können wir nun weiter?“, drängte der Bursche und deutete ungeduldig voran.
    „Ja“, brachte sein Lehrmeister fast tonlos hervor.

    Schweigend setzten die beiden den Weg fort. Rauch hing nach wie vor in der Luft. Er mischte sich mit dem Nebel, der über den Rand des Kessels quoll, und erzeugte so eine fast schon unheimlich stille Szenerie. Kiyan war, als würden Gestalten durch den Nebel wanken. Hörte er Schluchzen? Wehklagen in der Sprache des Schlangenvolkes, langgezogene und von Trauer vereinnahmte Töne. Er wollte nicht dran denken, nicht ein bisschen. Es war nicht die ganz vor den Rasenden, die ihn beten ließ, keiner Menschenseele zu begegnen, sondern die Angst davor, anklagende Blicke und die endlos tiefe Trauer von Leidenden zu ernten.
    Im Innern wusste Kiyan – Bann hin oder her – das Blut an seinen Händen klebte.

    Kraftlos fiel der Leib zu Boden. Der Rasende war zur Ruhe gekommen. Die Hände des Wächters hatten dafür gesorgt. Das Leben hatte er dem Verfluchten schlicht aus dem Körper gepresst, ganz so, wie er der Hexe versprochen hatte, dies auch Heric angedeihen zu lassen. Der klitzekleine, freie Teil seines Geistes bordete fast über vor Hass. Nicht auf die Hexe, sondern sich selbst. Die Schwäche des Geistes, die der Knochenhexe Tür und Tor geöffnet hatte.
    „Sehr gut, mein Hund“, lobte der Quell allen Übels. „Das hast du ausgezeichnet gemacht. Für eine körperlich so schwache Rasse besitzt ihr morras überraschend viel Macht. Euer Zorn, in die richtige Bahn gelenkt, kontrolliert wie eine Waffe …“ Sie brach kopfschüttelnd ab. „Nun sag mir, morra, wo wir hier sind. Ich kenne dieses Land nicht, obwohl … ich das Gefühl habe, bereits an diesen Gestaden gewesen zu sein. Wenn auch … kurz.“
    Kiyan machte sich nicht die Mühe, sich das Blut von den Händen zu wischen. Er schritt zu der Meisterin hin, legte sich ihr zu Füßen. Diese lachte, streckte sich und platzierte ihre nackten, bleichen Beine auf seinem Rücken.
    „Gorthar“, sprach er atemlos, „Ein Kontinent nahe Khorinis. An der Uniform der Wärter erkenne ich, dass wir nicht weit von der Hauptstadt des Herzogtums entfernt sind.“
    Gorthar“, wiederholte sie und für einen Moment wunderte sich ein Teil von Kiyans Gedankenwelt, wie seltsam die Frau den Namen artikulierte. „Weit östlich meiner Heimat“
    Fast schien es ihm, als hätte die Hexe mehr zu sich gesprochen als zu ihm. Sie blickte ins Leere, bewegte den Mund wie im lautlosen Gespräch.
    „Nein, es ist meine Heimat … oder …“ Ein energisches Kopfschütteln, Zuckungen in der Mimik. Ihre großen, gelben Augen weiteten und verengten sich abwechselnd. „Nein, nein, nein, elende morra. Meine Heimat ist das Nordland!“
    „Meisterin“, Kiyans Worte kamen voll Sorge aus seinem Mund, „Ist alles gut?“
    „Ja, morra!“, herrschte sie ihn an, hob ein Bein und ließ es heftig auf seinen Rücken niederfahren. „Ich bin nur etwas müde. Das Werk des Schöpfers fordert Kraft.“
    „Sehr wohl, grash-varrag“, ächzte der Wächter unterwürfig.
    „Gut“, die Hexe nickte mehrmals, „Ich ruhe mich nun aus. Und du, Hund, suchst den Welpen. Bringe ihn zu mir. Und dann, tötest du ihn. Langsam, qualvoll. Das wird dich endgültig brechen, du renitentes Biest.“ Sie beugte sich vor, bleckte die Zähne. Als der Wächter aufschaute, war ihm, als hätte sich das Gebiss der Hexe verändert. Die Zähne schärfer, auch die Anzahl wirkte verändert. Irgendwo in seinem Geiste kam ihm endlich der Vergleich, der ihm schon bei den Augen und den fremden Worten durch den Kopf gegangen waren.
    Ork …
    Ein kaltes, bestialisches Lächeln. „Ganz genau, morra“, sprach sie leise, „Es überrascht mich, dass du so lange dafür gebraucht hast. Aber nun, deine Heimat kennt mein Volk nicht so wie deine Artgenossen in Myrtana.“ Sie lachte ihn aus. „Aber wenn dem Schöpfer der Weg bereitet wird, werden sie uns kennenlernen. Denn Er hat uns alle Länder der morras versprochen, Herrschaft über alles Leben auf dem Land, im Wasser und in der Luft.“
    Sie beugte sich vor, griff nach ihm. Ihre Hände hatten sich verformt, die Fingernägel ähnelten nunmehr Krallen. „Du darfst dich glücklich schätzen, morra, dass du einem Seiner Propheten dienst. Das erhebt dich ein Stück über deine restliche, widerliche Rasse.“
    Geändert von Kiyan (11.02.2024 um 19:11 Uhr)

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    Veteran Avatar von Kiyan
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    Schwefelmine 'Beliars Hauch', nordöstliches Herzogtum Gorthar

    In Gedanken war Kiyan noch immer bei seiner Suche nach Heric.
    Ich vermisse Tooshoo. Ich vermisse den Sumpf. Götter, mir fehlen die Leute und das Leben dort.

    Der fremdgesteuerte Teil seines Geistes, der wie eine Marionette dem Willen der Puppenspielerin folgte, bewegte den Körper unnachgiebig voran. Wie ein pirschender Jäger bewegte er sich durch Nebel und Rauch, blieb stehen, kniete sich hin, untersuchte Spuren. Der übrig gebliebene Rest freien Willens war dennoch beeindruckt von der Effizienz, mit der sein Körper sich ohne sein Zutun bewegte, fehlerfrei funktionierend wie ein Gortharisches Uhrwerk. War das sein Unterbewusstsein, waren das die Instinkte des Jägers, die unter dutzenden Schichten Zivilisation verborgen lagen?
    Und doch bete ich, dass ich scheitere. Dass Heric genug Verstand besitzt und geflohen ist um Hilfe zu holen. Alles andere bedeutet unseren sicheren Tod.
    An einer Stelle blieb Kiyans Körper stehen, beugte sich herab und untersuchte den übel zugerichteten Leichnam eines Wärters. Seine Hände griffen nach einer Tasche, die er am Gürtel hängen hatte. Es war die Munitionstasche eines Armbrustschützen. Der Wächter spürte, wie der Teil seines Verstandes, der an den Fäden der Hexe hing, fieberhaft versuchte, die leere Tasche mit seiner Beute in Verbindung zu bringen.
    Götter, die Hexe kennt ihn nicht. Sie weiß nicht, dass er ein exzellenter …
    Ihm war, als würde sein Kopf bersten, als er das Gefühl hatte, das schwarze, schmierige Fühler durch seinen Geist schlängelten, als würden sie die Antwort auf die Frage suchen. Der Gortharer brachte alle Willenskraft auf, die er besaß, um die Information so tief zu vergraben, dass sie genauso gut hinter einer Tür aus magischem Erz ohne Schloss versteckt sein könnte. Nach einigen Augenblicken hörte das Ringen auf, Kiyans Körper erhob sich wieder und ging weiter auf die Jagd, während der freie Wille still jubelte und zugleich den närrischen Burschen verfluchte. Die Marionette suchte weiter, folgte Spuren und je weiter sie sich von der Hexe entfernte, vor allem außer Sicht, spürte Kiyan, dass die Kontrolle ein wenig nachließ, als hätte sie nur eine unterbesetzte Nachtwache in seinem Kopf zurückgelassen.
    Das muss ich nutzen. Sicht. Köder. Beute.
    An einem weiteren Leichnam blieb er stehen. Es war einer der jungen Schlangenvölkler, einer von denen, die in Herics Alter waren. Sein Körper war vom Feuer entstellt, fast vollständig verbrannt, aber Statur und Größe passten zu Herics schlaksiger Figur.
    Heric. Das ist er. Götter, wieso, wieso, wieso, wieso?!
    Der freie Wille wehklagte und schrie, trauerte und wütete. Die Marionette verspürte dies. Die Lippen bekamen einen enttäuschten Zug. „Der Welpe ist zu nah ans Feuer gegangen“, knurrte sie und lachte dann, ehe die Puppe zurück zu ihrer Fädenzieherin schritt.

    Dort angekommen, kniete sich Kiyan hin und drückte erneut die Stirn in den Staub.
    „Große Herrin“, sprach er, „grash-varrag. Bedauerlicherweise ist der Welpe verbrannt. Ich …“
    „Bring mich zum Leichnam“, die rothaarige Hexe sprang auf. In den gelben Augen blitzte Triumph. „Selbst mit seinem verbrannten Kadaver vermag ich noch Stoffe für meine Rituale zu sammeln. Los, Hund!“
    Als sich Kiyan erhob, schloss sie blitzschnell die Finger um seine Kehle, drückte zu. „Und glaube ja nicht, dass ich nicht noch eine Möglichkeit finde, deinen Widerstand zu brechen.“
    Sie stieß ihn von sich, dass er stolperte. Dabei stand sie selbst nicht derart sicher da, wie sie den Anschein zu machen versuchte. Kiyan verneigte sich unterwürfig und marschierte dann los.
    Folge mir nur, Monster …
    Geändert von Kiyan (14.02.2024 um 03:12 Uhr)

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    Veteran Avatar von Kiyan
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    Schwefelmine 'Beliars Hauch', nordöstliches Herzogtum Gorthar

    Das Lächeln auf den Lippen der Hexe hatte nichts Menschliches an sich. Es war mehr ein Blecken der Zähne, wie bei einem Primaten, der scharfe, lange Fangzähne zeigte. Nur dass der Primat drohte, während dieses … Wesen in der Hexe voller Genugtuung lachte.
    „Dank gebührt dir dafür nicht, Hund“, die Hexe sah ihn an und schüttelte dann tadelnd den Kopf. „Du hast mich nur wie ein Köter zur Beute geführt, vielmehr nicht.“
    Kiyan stand unterwürfig da, den Kopf eingezogen. Aus dem Nichts holte die Hexe aus und schlug dem Wächter kräftig ins Gesicht, dass er wankte und in die Knie ging.
    „Danke, Herrin“, sprach sein Körper mechanisch und richtete sich wieder auf. Der nächste Schlag, der ihn wieder niederzwang. Es war ein makabres Schauspiel. Aufstehen, Schlagen, Aufstehen, Schlagen. Ein Kreislauf, den die Hexe kontrollierte. Erst als sie – zur Verblüffung des unkontrollierten Willens in Kiyans Verstand – schwer atmend dastand, ließ sie von ihm ab. Sein Körper erhob sich erneut, neigte den Kopf.
    „Danke, Herrin. Verzeiht, Herrin.“
    Ungeduldig mit der klauenartigen Hand wedelnd, scheuchte sie ihn weiter. Während sie ihm folgte, beobachtete Kiyan aus den Augen seines fremdgesteuerten Körpers die Gegend, suchte Anzeichen nach Verstecken, in denen sich ein geübter Schütze niederlassen würde, um sein Ziel treffen zu können. Wo er den Vorteil besitzt, in Ruhe das Opfer ins Visier nehmen kann und das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat.
    „Nun, wo ist der Kadaver deines Welpen?“
    Kiyan deutete mechanisch in Richtung des Toten, am Rande des Gerümpels einer Hütte liegend. Das Gebäude war in der Raserei von der Menge gründlich zerlegt worden. Zuvor hatte es sich wohl um ein Lager für Schwefel gehandelt, zumindest wenn man den intakten Säcken und Fässern glauben konnte, die in den Trümmern lagen und standen. Über allem lag der schmierig-gelbliche Film des Rohstoffes, der Beliars Hauch so wertvoll machte. Achtlos hob die Knochenhexe eine ihre prankenartigen Hände, ließ einen Stuhl, der das Chaos überstanden hatte, in die Luft schweben, sich drehen und wieder auf den Boden stellen. Wenige Schritte entfernt lag der verbrannte Tote. Barsch lachte die Hexe.
    „Wie fühlt sich das an, Hund?“, fragte sie. „Deinen Welpen so zu sehen? Ihr morras … habt den Wert des Todes nie verstanden. Entweder betrachtet ihr ihn als Feind oder Jäger, gegen den man kämpfen oder davonlaufen muss, ohne dass ihr die Sinnlosigkeit von beidem erahnt.“
    Sie sah ihn offen an. Ja, dachte der freie Wille leise, die Augen eines Orks. Es kann nicht anders sein.
    „Mein Volk jedoch verehrt den Tod. Im Namen des Schöpfers zu sterben, ist die größte Ehre, die es gibt. An Seine Seite zurückzukehren, wissend, dass man Sein großes Werk vollbracht hat … Der jüngste Welpen und der älteste orak, beide würden dir die gleiche Antwort geben: Für den Schöpfer sterbe ich mit Freuden!“
    „Ja, Herrin“, antwortete Kiyan an den Fäden. Sie nickte mehrmals, sah dann nochmal auf die Leiche hinab.
    „Du wirst eine Axt oder ähnliches brauchen, um die Gliedmaßen abzuschlagen. Ich benötige vor allem die Knochen, also gehe dabei vorsichtig zu Werke und nicht wie ein Schlachter, verstanden?“
    „Natürlich, Herrin.“
    „Dann an die Arbeit, Hund“, - die Knochenhexe spuckte aus – „Ich will so bald wie möglich fort von hier!“

    Kaum dass die Hexe ihren Wunsch ausgesprochen hatte, schien es Kiyan, als würde sich die Welt plötzlich langsamer drehen. Ein flackernder Schemen schoss an ihm vorbei, nicht sehr groß aber schnell, und traf mit einem dumpfen Geräusch eines der Fässer, die in den Trümmern standen. Ein zweiter Schemen pfiff heran, ebenfalls flackernd, und traf die überrascht aufschreiende Knochenhexe rechts in den Brustkasten. Der Schwung warf sie vom Stuhl und ließ sie in den Trümmern niedergehen.
    Dem Wächter war einen Augenblick lang so, als hätte sich die Leine um seinen Hals, die Fäden an seinen Gliedern, gelöst. Lange genug, um realisieren zu können, dass das Flackern keine Einbildung gewesen war.
    Der Bursche hat die verdammten Bolzen irgendwie angezündet!
    Und in diesem Moment entschied sich das Schwefellager – unfreiwillig – in Brand zu geraten. Mächtig sogar. So sehr, dass es einen Knall tat. Und das Nächste, was Kiyans Augen sahen, war nichts. Finsternis. Die wunderbare Umarmung der Ohnmacht.

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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Schwefelmine 'Beliars Hauch', nordöstliches Herzogtum Gorthar

    Schlagartig kam Kiyan zu sich. Das Lösen der Fäden der Puppenspielerin hatte ihn geweckt wie der Schlag eines Hammers auf einer gigantischen Glocke in seinem Geist. Schmerzimpulse schossen durch sein Hirn, während er die Augen aufriss, um sich am Boden liegend wieder zu finden. Krampfhaft atmete er ein und aus, ehe er das bisschen Essen der letzten Tage erbrach. Ihm war, als verspürte er eine Leere. Eine tiefe Leere, bodenlos wie der Abyss.
    Als sein Verstand realisierte, wo er sich befand, was geschehen war, schrie er auf. Er rappelte sich auf, erhob sich und wankte zu den Trümmern des Gebäudes, die fast nicht mehr vorhanden waren. Die Explosion, die dem brennenden Schwefel (und wussten die Götter, welchen Stoffen noch) gefolgt war, hatte mehr oder weniger dafür gesorgt, dass selbst von den Überresten nicht mehr viel vorhanden war. Die verbrannte Leiche des Jüngers von Slaassik gab es nicht mehr.
    Verzeih mir, dass ich dich als Köder genutzt habe, dachte der freie Wille Kiyans, der vorsichtig die Tür zum Rest seines Verstandes öffnete. Gähnende Leere, wo zuvor die Herrschaft der Knochenhexe gewesen war.
    Da erblickte er sie. Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er an ihre Seite wankte. Ihr Leib war entstellt. Ihr rechter Arm war zerfetzt, der linke sah ebenfalls nicht viel besser aus, gleichwohl dort die klauenartige Hand noch intakt war. Ihre Beine waren fort. Das einst blutrote, seidige Haar verschwunden, auf dem Kopf, der von Brandwunden übersät war, fanden sich nur noch ein paar rötliche Stoppeln. Göttliche Gerechtigkeit hatte dafür gesorgt, dass ihr rechtes Auge verschwunden war.
    Sie atmete nicht mehr, reagierte nicht, als der Hund an ihrer Leine neben ihrem Leichnam auf die Knie fiel. Er weinte ungehemmt, wehklagte, schüttelte sie, bat sie aufzuwachen. Jemand rief nach Hilfe und erst da wurde ihm klar, was er tat. Kiyan zuckte zurück, als hätte ihn jemand geschlagen.
    „Götter, was mache ich hier …“, stammelte er und wollte auf Knien zurückweichen, als plötzlich die Klaue vorschoss und nach seinem linken Arm griff. Mit einer Anstrengung, die ein Mensch in ihrem Zustand nicht mehr zu leisen imstande wäre, zog sie sich hoch, schaffte es ihr Gesicht an seines zu bringen. Diese entstellte Visage, die nur noch wenig Menschliches besaß. Das große, gelbe Auge, welches aufgrund von geplatzten Gefäßen blutrot gesprenkelt war. Der Mund, der Zähne zeigte, die nie in eines Menschen Gebiss gehörten.
    „Du glaubst es endet hier?“, die Stimme war nun nicht mehr die der Frau, die warme Altstimme. Es war das gutturale Knurren eines Orks, der bellende Ton dieser Rasse. „Hältst du mich für bezwungen, weil ihr mich aufs Kreuz gelegt habt?“
    Die Kreatur lachte, spuckte dabei einen Schwall rötlich-schwarzen Blutes. Ein letztes Mal begann das Wesen einen tiefen, kehligen Singsang und die Stelle, an der die Pranke lag, fühlte sich plötzlich an, als hätte jemand dort ein weißglühendes Eisen aufgelegt. Der Wächter wollte zurückspringen, aber das Wesen im Kadaver der Hexe war zu stark. Kiyan schrie auf, als er spürte, dass sich etwas bewegte. Dass die Berührung etwas in ihn eingepflanzt hatte. Einen Schmarotzer.
    Plötzlich lockerte sich der Griff der Pranke, als ein Bolzen aus nächster Nähe den Horror beendet. Schwer atmend kam Heric in sein Sichtfeld, trat zu der Leiche, der ein Bolzenschaft aus der Stirn ragte wie ein Mahnmal.
    „Bei Adanos“, der Junge atmete aus, „endlich.“
    Als er sich Kiyan zuwandte, legte sich ein roter Schleier über dessen Augen. Er sprang hoch, die Fäuste geballt. „Du hast sie getötet!“, zischte er, „Du hast die Herrin ermordet, du dreckiger Welpe! Ich werde dir mit diesen Händen die Gurgel zerquetschen und jeden einzelnen Knochen in deinem Körper zermahlen, du räudiger Köter!“
    Aber bevor Kiyan auch nur eine Drohung in die Tat umsetzen konnte, sah er das Schulterstück der Armbrust auf sich zurasen. Im Stillen dankte sein – freier? – Wille dem Burschen für diese Handlung. Obgleich ein Bolzen zwischen seine Augen ein gnädigeres Geschenk gewesen wäre.
    Als das Holz seine Schläfe traf, umhüllte Finsternis Kiyan ein weiteres Mal.

    Später, viel später, nachdem Heric Kiyan in Sicherheit gebracht hatte und er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, nachdem die Worte des Burschen und die Erinnerungen seines eigenen Verstandes die Teile des Rätsels zusammengefügt hatten, standen die beiden Angehörigen des Waldvolkes da.
    Leer blickte er auf den Leichnam herab. Irgendwo in der Tiefe seines Geistes (und womöglich auch seines Körpers) wand sich etwas bei dem Anblick. Einen Augenblick wollte der Wächter wieder Tränen vergießen. Er atmete schwer aus, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, vermengte Schweiß und Schmutz.
    „Wir brechen auf“, sagte er leise, „Vorher schauen wir, ob es noch Ausrüstung gibt, die das Chaos überstanden hat. Kleidung, Waffen, Proviant. Dann geht’s nach Gorthar.“
    Der Bursche sah ihn an. „Diejenigen aufspüren, die uns hier hereingebracht haben?“, fragte er, für Kiyans Geschmack zu hoffnungsvoll.
    Der Wächter ließ die Schultern hängen. „Nein, Junge, wir gehen nach Hause. Die Rache kann noch warten. Wenn ich Barenzia und seinen Auftraggebern den Tod bringe, macht das meinen Bruder und Jakob auch nicht wieder lebendig.“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich will einfach nach Hause.“

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    Gorthar

    „Was seid ihr für Herumtreiber?“ Der Torwächter in den Farben der herzoglichen Stadtwache trat Kiyan und Heric in den Weg, dirigierte sie geschickt an den Rand der gepflasterten Straße, hin zu zwei Kameraden, die mit Hellebarden bewaffnet waren. „Na los, macht’s Maul auf und redet schnell.“
    Heric setzte schon zu einer heftigen Erwiderung an, die der Wächter aus dem Waldvolk jedoch durch das Auflegen seiner Hand auf der Schulter des Burschen unterband. Wütend knurrte dieser und wandte das Gesicht ab. Lange hatten sie auf dem Weg zurück ins Herzogtum gestritten, wie ihr Vorgehen sein würde, sobald sie die Tore Gorthars erreichten. Heric war für Lügengebilde, den Raub von besserer Kleidung gewesen. Wir geben uns als Händler aus, Ihr wart doch mal Kaufmann.
    Kiyan hingegen war für die Wahrheit gewesen. Die Gegend um Halvung war für jeden Einheimischen als nahezu gesetzloser Ort bekannt. Das Hafendorf nahe der Mine wurde von einer üblen Miliz beherrscht, der gewählte Bürgermeister war nur eine Strohpuppe, um gegenüber dem Rat von Gorthar gute Miene zu zeigen. Beliars Hauch war eine sogenannte freie Mine gewesen, keinem Kaufherren oder Adeligen des Herzogtums zugehörig. Gerüchte über Sklaverei hatte es immer gegeben und in Kiyans jüngeren Jahren war der eine oder andere Offizier der Gortharischen Stadtwache heiß darauf gewesen, einige hundert Mann dort hinzuschicken und die Mine mitsamt ihrer verbrecherischen Betreiber einzustampfen. Am Ende hatte aber das schöne Gold dafür gesorgt, dass nichts dergleichen geschah.
    An dieser Stelle setzte der Einäugige nun an.
    „Wir kommen aus Halvung.“
    Der wortführende Wächter legte die Hand an den Schwertgriff. „Soso“, sagte er langsam, „aus Halvung also. Und was führt jemanden aus Halvung nach Gorthar? In diesem Aufzug?“ Er musterte die beiden Flüchtlinge von oben bis unten.
    Kiyan lachte kurz auf, spürte die Erschöpfung und einen Moment den unsagbar starken Wunsch, einfach aufzugeben. Sich hinzusetzen und zu kapitulieren.
    „Wir sind aus Beliars Hauch geflohen, der Schwefelmine.“ Er deutete auf sein fehlendes, rechtes Auge. „Das nahmen mir die Hurensöhne, als ich mich auflehnte. Als sie wahllos auf Mitgefangene eindroschen.“
    Der Wächter nickte. „Ein Bote teilte uns mit, dass die Mine dieses Mal wohl endgültig … Geschichte ist. Aber wer sagt mir, dass ihr nicht welche von den Hundsföttern seid, die dort auf Gefangene eingedroschen haben.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Vertrauen ist heutzutage ein kostbares Gut.“
    Der Gortharer hob schlicht die Hände, präsentierte sich in all seiner abgerissenen Gestalt. Die Wangen eingefallen, hohl. Ein Schatten unter dem verbliebenen Auge, merklich blass. Auch seine Statur – vormals kräftiger – spiegelte nun die Gefangenschaft wider.
    „Herr Wachtmeister …“, einer der Hellebardenträger räusperte sich, „… die beiden armen Schweine sehen wirklich nicht aus wie Verbrecher. Wenn sie welche sind, dann keine erfolgreichen.“ Als er den scharfen Blick seines Vorgesetzten spürte, unterbrach er sich kurz, fuhr dann aber fast entschlossen fort: „Und er hat einen Gortharer Dialekt.“
    Der Wachhabende seufzte, musterte Kiyan erneut. „Name?“
    „Kiyan“
    „Kiyan und weiter?“, fragte der andere, etwas ungehalten.
    „Calveit.“, krächzte er. Der Soldat sah ihn mitfühlend an.
    „Es tut mir leid um Euren Verwandten, Calveit. Er starb bei einem Brand. Wie auch immer Ihr zu Euren Leuten hier in der Stadt standet, Obdach werdet Ihr durch sie nicht mehr bekommen.“ Er schüttelte betrübt den Kopf.
    Kiyan zwang sich zu einem dankbaren Lächeln für das Mitleid. „Wir reisen nur durch, keine Sorge. Hier lebten nur … entfernte Verwandte, mehr nicht. Dank Euch, Herr Offizier.“
    Der Wachtmeister sah die beiden Gestalten noch einmal lange und prüfend an. Dann nickte er schicksalsergeben. „Weiter mit euch. Jarusch? Greif dir mal den Taschendieb, der dem Fellhändler an den Beutel will. Ich hab ‘ne Quote zu erfüllen!“

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