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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    »Was ist dein Plan, Tezet?«
    Der aufgegebene Stollen, in dem nichts mehr gefördert wurde, war zur Unterkunft für die Arbeiter umgebaut worden. Hier hatten sich nun gut hundert Männer und Frauen eingefunden, jung und alt. Tezet und Isegrim waren die einzigen, die standen. Natürlich gab es in der Mine auch Arbeiter anderer Völker, aber die hatten ihren Willen und ihren Mut verloren. Isegrims Geschichte jedoch hatte die Anhänger Slaassiks aufblicken lassen, hin zum Licht und zur Hoffnung, die es versprach. Der Ritter gleichwohl verspürte nichts. Ihm ging es um seine Freiheit. Und die würde er nur mit diesen Gefangenen hier erringen können, durch einen Aufstand.
    »Slaassiks Plan, Verbrannter.«, korrigierte ihn der Alte. Isegrim knirschte mit den Zähnen.
    »Nenn mich nicht so, Alter.«
    »Aber du bist es. Der Verbrannte. Unser Befreier.«
    Im Kreise der Gläubigen vermied Isegrim es, entnervt zu seufzen und den Alten mit Beleidigungen zu bedenken. Er nickte nur und schwieg, forderte damit Tezet auf, sich auszusprechen. Dies tat der Alte räuspernd: »Unseresgleichen ist hier schon seit zwanzig Jahren eingesperrt. Viele unseres Volkes, die jungen, sind hier geboren worden. In diesem Lager. Sie kennen nicht mehr als Qual und Bosheit der Aufseher und des Lagermeisters. Sie kennen nur den kalten, grauen Himmel dieses Landes, das so fernab unserer Heimat liegt. Aber wir haben diese Zeit genutzt, haben Vorräte angelegt, Lager in alten Stollen. Haben über die Jahre Werkzeuge dort verstaut, haben sie zu Waffen umgebaut. Ohne das die Aufseher es gemerkt haben, schufen wir uns eine Armee. Zwar aus Sklaven und Geknechteten, aber auch eine Armee von Ratten kann eine Stadt entvölkern. Und wir werden siegen. Dank dir, Verbrannter. Und dank des Schlangengeists. Slaassik wird uns führen. Durch dich.«
    Isegrim lachte krächzend. »Ich habe nie eine Armee angeführt. Und erst recht keinen Aufstand.«
    »Aber du bist ein Ritter. Ein Kämpfer!«
    Der Ritter und Kämpfer spuckte aus. »Ich war ein Dieb. Ein Verbrecher. Und nur die Tatsache, dass ... mein Bruder ein Paladin im fernen Westen war, hat dafür gesorgt, dass ich Ritter wurde. Er und ... eine Niederlage im Land von Eis und Dunkelheit im weiten Norden meiner Heimat. Aber ... das macht mich nicht zu einem General, zu einem Heerführer und Kriegsmeister. Ganz im Gegenteil: Dank mir besteht die große Möglichkeit, dass wir verlieren. Und wir alle sterben ...«
    Unruhiges Gemurmel in der Menge, welches aber von Tezet beruhigt wurde. »Gamet!«, rief er. Ein stämmiger Kerl sprang auf. Das Gesicht war tätowiert, das Haar kahl geschoren. »Gamet ist ein Kriegsherr unseres Volkes.«
    »Kriegsherr«, wiederholte Isegrim ungläubig und schüttelte den Kopf. »Ihr kommt aus den Dschungeln, oder?«
    »Dem schwarzen Dschungel von Catharsys, weit, weit im Osten. Jedoch nördlich von Al Sherim, der Gnadenlosen, der Knochenwüste.«
    »Ah, also ein Dschungelvolk. Wie viele Kriege habt ihr gekämpft? Richtige, mein ich. Mit großen Armeen.«
    »Keine. Im Dschungel sind nur Scharmützel möglich. Überfälle, Guerillakämpfe ...«
    »Also ist euer Kriegsherr Gamet hier ... was? Führer eines Jagdtrupps? Bei den Göttern, er ist etwa so alt wie ich! Heißt also, er wurde hier geboren.«
    Tezet hustete. »Gamet war eins der ersten Kinder, die geraubt wurden. Sein Vater war Lamet. Einer unserer legendären Kämpfer!«
    Isegrim schüttelte erneut den Kopf. »Das macht Gamet zum Sohn eines Mannes, der nicht viel mehr getan hat, als andere Stämme mit Stock und Stein zu bekämpfen. Wir sind verloren, wenn wir ihm das Kommando über irgendwas geben. Denn mit eurer Logik, Freunde, wäre ich ja auch ein Berserker, weil mein ... mein Vater einer war.«
    Er spuckte aus, blickte Tezet geradeheraus an. »Ich werde versuchen an die Oberfläche zu kommen. Mich dort umschauen, die Lage auskundschaften. Ihr werdet mir dabei helfen. Und so die Götter wollen, überleben wir diese Hölle.«
    Überlebe ich sie, heißt das. Ich scheiße auf euch und euren Schlangengeist und euer Volk.
    Geändert von Isegrim (07.07.2019 um 16:36 Uhr)

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Faules Essen flog ihm entgegen. Obst, Gemüse, alles schon jenseits der Essbarkeit. Das Dschungelvolk bedachte ihn mit Spottnamen und machte Zischlaute, etwas, dass sie nur den Verhasstesten zukommen ließen. Der Aufruhr sorgte dafür, dass alsbald Aufseher auftauchten und mit Knüppel und Peitsche für Ruhe sorgten. Dann befahlen sie Tezet nach vorne, da er der Wortführer des Volkes war. Die Miene des alten Mannes war hasserfüllt, als er auf Isegrim deutete, der sich schwächer gab als er war.
    »Ihr habt uns einen Aussätzigen hinab geschickt!«, keifte Tezet und baute sich gestikulierend vor einem der Aufseher auf. »Seht ihn euch an! Nässende Wunden, hustend und krank! Reicht es euch nicht, dass ihr unsere Würde gebrochen habt und wir für euch schuften? Jetzt wollt ihr uns auch noch mit Seuchen plagen! Die Große Schlange möge euch alle bei lebendigem Leibe verschlingen!«
    Die Menge wogte und rumorte. Es flogen kleinere Steine. Die Aufseher antworteten darauf, wie sie es gelernt hatten. Knüppel kamen reichlich zum Einsatz und der eine oder andere des Volkes bekam die Peitsche zu spüren. Dann trat der Anführer der Truppe vor und verschaffte sich brüllend Gehör.
    »Ruhe, ihr Heiden!«, keifte er, »Dreckiges Pack! Der Mann ist offensichtlich verbrannt! Na und, hindert das euch Ratten daran, an seiner Seite zu arbeiten?«
    »Der Mann ist der Verbrannte! Er bringt Unglück! Schwarze Seele, entstellter Leib! Der Schlangengeist hat ihn verflucht!«
    Der Anführer trat einen Schritt näher, beugte sich nah an Tezet. »Ich kann ein Dutzend deiner Angehörigen abschlachten lassen. Bringt euch das wieder zur Arbeit?«
    Der Alte lachte grimmig. »Dann werden die deinen und die meinen im Blute ertrinken. Wenn ihr das wollt, bitte. Der Lagermeister wird sich freuen, wenn die Produktion zusammenbricht.«
    Da hatte Tezet wohl einen wunden Punkt getroffen, bemerkte Isegrim. Der Aufseher wurde plötzlich blass und nickte. Er zeigte auf zwei seiner Kollegen, dann auf Isegrim.
    »Schafft ihn hoch. Soll oben entschieden werden, was er macht. Holzhacken oder die Latrinen reinigen, mir egal. Hauptsache unsere Schlangenfreunde ackern weiter. Zurück an die Arbeit, ihr Hunde!«
    Tezet und Isegrim tauschten einen letzten Blick und ein Nicken aus, ehe der Ritter wieder an die Oberfläche kam und frische Luft atmen durfte.
    Ein bisschen näher an der Freiheit, endlich!

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Natürlich war das Glück Isegrim hold gewesen. Hatte er noch die leise Hoffnung gehegt, zu den Holzfällern zu kommen, wo eine Fluchtmöglichkeit wahrscheinlicher war als anderswo im Lager, erwies sich die Realität als wesentlich dreckiger. Natürlich durfte er Scheiße schaufeln. Und auch hier nicht den Mist irgendwelcher Tiere, der ja noch irgendwie erträglich gewesen wäre, sondern die Hinterlassenschaften der Aufseher und Lagerverwalter. Aus dem Eisenwolf, dem Meisterdieb und Nekromantenbekämpfer wurde der Scheißeschaufler. Als hätten sich die Götter gedacht, dass ihm eine verbrannte Visage nicht reichen würde. Aus Sicht der geplanten Revolution Tezets war der Einsatz innerhalb des Lagers logischerweise gewinnbringender. Schnell hatte sich der Ritter die Ronden gemerkt, das Verhalten der Aufseher und wusste wann der Lagerverwalter - der pelztragende Hundesohn - sein Geschäft verrichtete. Im Innern Isegrims brannte nun das Feuer der Wut und der Rache. Er würde hier fliehen, ja, er würde überleben und entkommen. Und vorher dieses gesamte Schandmal der Menschheit abfackeln, brennen lassen wie er selbst gebrannt hatte.

    Irgendwann lief ihm ein junger Bursche über den Weg, dessen Tätowierungen Schlangen darstellten. Einer von Tezets Volk. Der Verbrannte hielt den Jungen auf, packte ihn mit eisernen Griff am Arm.
    »Der Verbrannte!«, keuchte er, »Verfluche mich nicht!«
    »Schnauze, Idiot. Sag Tezet ... dass ich eine Waffe brauche. Ein Messer, irgendwas. Und eine Säge. Und eine Ablenkung. Ich sorge dafür, dass der Lagerverwalter das Zeitliche segnet. Ohne die Führung ist diese ganze Bande hier nichts als ein Haufen knüppelschwingender und peitscheschlagender Affen. Kapiert? Hast du dir gemerkt, was ich brauche? Dann beweg dich, Junge!«
    Der Bursche schoss los. Isegrim seufzte und bereitete sich darauf vor, alsbald einen widerwärtigen, dreckigen Ort aufzusuchen. Oh Götter, dachte er sich, nicht mal Adanos' Wasser wird den Mist abwaschen können.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Tage waren wieder ins Land gegangen, Tage und Nächte in denen Isegrim die ehrenvolle Aufgabe des Scheißeschauflers (wie die gängige Fachbezeichnung im Lager lautete) übernommen und führte sie hingebungsvoll mit einigen anderen derlei gesegneten Recken aus. Im Gegensatz zu ihm waren die jedoch ausgemachte Dreckskerle, weshalb die Bestrafung durchaus passend erschien. Er hingegen, Isegrim, war das personifizierte Unschuldslamm. Gegen seinen Willen geraubt und versklavt, ohne dafür etwas Unrechtes getan zu haben. Sicherlich hatte er einige Untaten auf der Haben-Seite, aber nicht unbedingt so viele, um sein Dasein an diesem Ort zu fristen. Aber zum Glück glaubte er weder an das Schicksal noch an ausgleichende Gerechtigkeit, sondern daran, dass er selbst etwas ändern konnte. Und dies hatte er getan. Der Junge, den er zu Tezet geschickt hatte, war vor wenigen Minuten zurückgekehrt und hatte mitgebracht, was er zur Durchführung seines Plans brauchte. Er kannte - leider - die Zeiten, zu denen der Lagerverwalter die Latrinen aufsuchte. Er kannte ebenfalls - leider - die Lieblingslatrine des Mannes und wusste damit, welche er mit der Säge zu präparieren hatte. Natürlich würde dies den Abstieg in unschöne Tiefen erfordern, was aber ein geringer Preis für die Freiheit war. Unten würde er den Mann erstechen, während Tezets Ablenkung - hoffentlich natürlich schon ein handfester Aufstand - Chaos im Lager bringen würde.
    Isegrim machte sich auf zu den Latrinen und wartete einen Moment vor dem Zugang zur Grube, über der die hölzernen Latrinen standen. Er atmete tief durch, verfluchte die Götter und machte sich ans Werk.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    In der Wildnis

    Isegrims Herz raste wie ein wild gewordener Stier. Seine Nerven, seine Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt und allein das Knacken eines Astes im Unterholz schien ihm durch die Knochen zu fahren wie das Brüllen eines Drachens oder der blutrünstige Schrei einer ganzen Armee. Tezet lag an einen Stein gelehnt und bewegte sich nicht mehr, das Blut auf der Brust war getrocknet. Die Augen des Alten blickten trübe in die Ferne, als wäre er tief in Gedanken versunken und nicht von zwei Bolzen nieder gerungen worden. Sie waren weit gekommen, keine Frage. Aber zu welchem Preis, fragte sich der Ritter. Teures Blut war vergossen worden. Blut eines Volkes in Gefangenschaft. Gleichwohl Isegrims Meinung von Tezet und den Seinen nicht allzu hoch gewesen war, schockierte ihn die unnötige Brutalität der Lagerwachen bei der Unterdrückung des Aufstands und der Jagd auf die Entflohenen. Er und Tezet hatten fliehen können, andere auch, jedoch nicht weit genug. Die Bastarde waren beritten gewesen und gnadenloser als der Henker eines Königs. Isegrim hatte gesehen, wie einer dieser Hunde Gamet - Tezets 'General' - einfach und widerwärtig nieder geritten hatte. Die beschlagenen Hufe hatten das Schicksal des Mannes besiegelt. Das Leid des Dschungelvolkes hatte jedoch Isegrims und Tezets Überleben gesichert, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Viele Meilen hatte der Ritter den alten Mann mit sich getragen, ehe er bemerkt hatte, dass dieser immer schwerer geworden war und nicht mehr geatmet hatte.

    Bei Innos, diese Flucht ist eine einzige Katastrophe gewesen. Ich danke dir, dass ich zumindest diesen Hund von Verwalter erwischt habe. Aber ... Tezets Volk. Auch wenn sie nicht zu dir beten, Innos, wieso beim Beliar hast du sie dennoch nicht gerettet? Gott der Menschheit, aber nur für die, die an dich glaubt?

    Isegrim blickte sich um, beruhigte sich langsam. Nichts deutete auf seine Verfolger hin. Viel eher hatten sie wohl die Jagd auf den Ritter und Tezet aufgegeben, um die lohnenderen Flüchtigen zu jagen. Einige Zeit stolperte er noch durch das Unterholz, ehe er auf eine Straße traf. Vielleicht würde ihn jemand aufgabeln und für das Opfer irgendeiner Katastrophe halten, so zugerichtet wie er aussah. Verbrannte Fresse einbezogen. Und dann ... würde am Ende der Straße vielleicht ein Hafen warten, ein Schiff ... und die Heimat. Seine Heimat.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    In der Wildnis

    Die Straße führte Isegrim erst einige Meilen durch relativ unbesiedeltes Land. Die Wälder waren dicht und dunkel, selbst in dieser sommerlichen Zeit. Ein perfekter, abgeschiedener Ort für eine Mine in der Sklaven arbeiteten, um anderenorts die Nachfrage für ahnungslose Kunden zu stillen. Während die Gortharer in ihrer Stadt fröhlich dem Leben frönten, starben anderswo Menschen für sie an Unterernährung, Krankheit oder durch bloße Willkür. Natürlich war Isegrim kein idealistischer Narr, der die Hoffnung in sich trug, dass die Welt eines Tages frei von Grenzen und Klassen wäre; nein, er war sogar ganz und gar realistisch, was die Sicht der Dinge betraf, dennoch erfüllte ihn der Gedanke mit Wut, dass es in einer Zeit wie dieser noch Menschen wie Tiere gehalten wurden.

    Während er der Straße folgte, hörte der Ritter plötzlich das Trampeln und Dröhnen von Hufen. Er fuhr zusammen, fragte sich einen Moment ernsthaft, ob die Verfolger aus dem Lager nun doch ihre Beute gefunden hatten. Es waren jedoch bewaffnete Männer, die einheitliche Waffenröcke trugen, eine Axt und ein Schwert in Weiß auf schwarzem Grund. Ihr Anführer rief etwas, als er den Verbrannten auf der Straße erblickte. Die Männer johlten und zügelten die Tiere, während ihrer Führer das Pferd im lockeren Trab näher kommen ließ. Es war ein untersetzter Kerl mit schwarzen Haaren und Dreitagebart.
    »Bei den Göttern, wo kommst du denn her? Aus dem Hort eines Drachen?«, fragte er mit dröhnender Stimme. Seine Männer verteilten sich, schienen die Umgebung im Auge zu behalten. Eine so sichere Gegend war dies hier also scheinbar auch nicht. »Rede schon, Mann!«, forderte er Isegrim auf. Dieser verzog das Gesicht, was nicht gerade angenehm war. Er überlegte einen Moment, ehe er alles auf eine Karte setzte.
    »Kennt Ihr ... die Mine Beliars Hauch, Herr?«, fragte er heiser und ließ seine Stimme schwächer scheinen als sie war. Der Mann lehnte sich im Sattel zur Seite und spuckte aus.
    »Natürlich kenne ich die. Jeder hier kennt die. Sie ist den meisten Menschen ein Dorn im Auge, aber diese Bande, die das Ding führt ...« Er schüttelte den Kopf und bedeutete dem Ritter, weiter zu reden.
    »Es gab dort Kämpfe, einen Aufstand ... alle Welt spielte verrückt in dieser Mine. Ich konnte fliehen ...«
    Langsam nickte der Berittene. »Und die Fresse ... die ist von dort?«
    Isegrim schwieg düster und starrte zur Seite, in die Ferne. Er nickte knapp.
    »Hurensöhne.«
    Der Ritter hob die Schultern. »Ich komme vom Festland. Dem Myrtanischen, weit im Westen.«
    Ein kurzes Schnauben war die Antwort. »Myrtaner, na klar. So weit segeln die Schweine um Sklaven zu finden. Was bist du dort in deinem Myrtana?«
    Ein schiefes Grinsen verzerrte die verbrannte Visage und ließ sie schrecklich erscheinen. »Ritter des Feuergottes, mein Freund. Ein Streiter für das Licht und die Flammen.«
    Und während er das sprach, drang ihm ein fast hysterisches Lachen aus der Kehle. Der Kerl nickte nur.
    »Dann komm mit uns. Wir reiten gen Halvung. Ein Hafenort in der Nähe. Von dort sollte ein Schiff Richtung Gorthar gehen ... und dann vielleicht in deine Heimat.«

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Halvung

    Halvung unterschied sich in keiner Weise von anderen abgeschiedenen Hafenstädten. Es gab einen recht großen Anleger, etwa fünfzig Hütten und Häuser. Eine Kaserne, ein Rathaus und eine Kirche Innos'. Überall stand der Dreck in den Straßen und die Mauer der Stadt sah nicht gerade aus, als hätte sie vorhergehende Raubzüge ohne Probleme eingesteckt. Ganz im Gegenteil, der Ort wirkte, als würde er regelmäßig Schauplatz von Kämpfen sein. Die Menschen in den Straßen wirkten abgerissen und mitgenommen. Isegrim räusperte sich, während er neben dem Anführer der Reiter ging, dem untersetzten Schwarzhaarigen, der sich ihm auf dem Weg als Vreemde vorgestellt hatte.
    »Was ist los, Bruder?«, fragte dieser und sah den Verbrannten von der Seite an, während er sein Pferd am Zügel führte.
    »Ihr kämpft hier oft.«
    Der Reiter schnaubte. »Offensichtlich. Eine florierende Hafenstadt sieht anders aus, nicht wahr?«, fragte er und sah Isegrim an, als wolle er eine sarkastische Antwort erwarten. Der Ritter hingegen nickte nur und lief schweigend neben Ross und Reiter her. Vreemde lachte trocken auf. »Komm, Feuerfresse, wir gehen zum Hauptmann.«
    »Bist du das nicht?«, fragte Isegrim überrascht. »Wirkst so ... anführend.«
    »Am Arsch. Ich sollte mal Hauptmann werden, aber der Bürgermeister hat seinen Neffen vorgezogen, einen arroganten Sack, der der Meinung ist, dass sein Studium der Militärgeschichte in Gorthar eine Qualifikation für diese Stellung ist.«
    Isegrim grinste ebenso wie Vreemde. »Hab ich ihm gesagt, als ich ihm die Fresse polierte, nachdem er mir ins Gesicht gesagt hat, dass ich ein Aggressionsproblem habe. So wurde ich vom Leutnant, der ich war, zum Feldwebel. Aber ist mir recht. So kann ich mit meinen Jungs ausreiten und muss hier nicht auf meinem Arsch hocken.«
    Danach liefen sie schweigend nebeneinander her. Der Weg zur Kaserne war recht schnell gefunden. Der Ort sah ebenso ungepflegt und vernachlässigt aus wie der Rest. Die Rüstungen der Männer hatten bessere Tage gesehen und die Anlage war mitunter baufällig. Einzig der Galgen, der westlich im Hof stand, war gut in Schuss gehalten. Drei Gehenkte konnten dies bestätigen.
    »Na, habt ihr hier zu tun?«, fragte der Verbrannte und nickte zum Galgen. Vreemde hob die Schultern.
    »Das sind Banditen oder Männer von Lord Garing. Das ist der Hund, auf dessen Land deine wunderschöne Schwefelmine liegt. Die haben es verdient, glaub mir.«
    »Ich bestreite es nicht, Vreemde. Lass uns zum Hauptmann gehen, mal schauen ob ich hier etwas bleiben kann.«

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Halvung

    Isegrim erwachte in einem dunklen, stickigen Raum. Sein erster Gedanke war, dass die Flucht aus der Mine nur ein Traum gewesen sei und er immer noch in dieser Hölle fest saß. Dann stieg ihm jedoch der teils stechende Geruch von getrockneten Kräutern in die Nase. Seine Augen gewöhnten sich an die Umgebung, es war nicht ganz dunkel, nur abgedunkelt. Einige Meter entfernt bemerkte er glimmende Kohlen, über denen scheinbar ein Kessel hing, aus dem es dampfte. Diesen Geruch kannte Isegrim nur zu gut: Es war eine deftige Hühnersuppe. Sein Magen zog sich zusammen, als würde er Kraft für den nachfolgenden, grummelnden Ruf schöpfen. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür und ließ strahlendes Sonnenlicht hinein. Ein trat ein alter Mann, ein Greis fast, der den wachen Mann nicht bemerkte und entspannt Kerzen entzündete, ehe er sich dem auf dem Bett liegenden Isegrim zu wandte. Der war nun nämlich geistig wieder wach genug, um sich überhaupt zu fragen, wie er hier her gekommen war.
    »Warum ...«, krächzte der Verbrannte, »Warum liege ich hier?«
    »Ah, du bist wach. Ich dachte schön der Tritt an deinen Kopf, den du erhalten hast, hat dir ... na ja ...«
    Isegrim nickte nur. Der Alte seufzte und legte einen Korb ab, in dem sich einige Einkäufe vom Markt befanden.
    »Wie ist das ... passiert?«, fragte der Ritter als nächstes. Die Augen des Mannes wurden traurig, betrübt.
    »Willst du es wirklich wissen?
    Einige Augenblicke später nickte Isegrim langsam.
    »Nun, du wurdest ... mh, in der Kaserne übel zugerichtet. Von den Männern des Hauptmannes. Vreemde stand daneben, als man dich im Innenhof des Gebäudes vertrimmte. Er mag zwar immer den Eindruck eines guten Kameraden machen, aber er ist ein boshafter Hundesohn. Er hat in dir wohl nur die Möglichkeit gesehen, dem Hauptmann eins auszuwischen. Als das misslang ... nun, hatte er für dich keine Verwendung mehr. Nachdem sie fertig waren, haben sie dich ins Hafenbecken geschmissen. Ich habe dich herausgefischt und aufgepäppelt.«
    Wieder vergingen einige Augenblicke, ehe der Ritter mit belegter Stimme sagte: »Gut. Und nun? Was passiert nun?«
    Der Alte hob die Schultern. »Das musst du wissen. Ganz sicher bist du hier in der Stadt natürlich nicht, da die Wachen ihre Prügelknaben gerne ... regelmäßig aufsuchen. Also solltest du verschwinden.«
    Isegrim seufzte und blickte zur Seite. »Aber der Bürgermeister, der Hauptmann und die Wache ... dieser Lord Garing ... die Schwefelmine ... man ... ich hätte hier Ordnung bringen können. Den Sumpf austrocknen ... Innos ... zeigen, dass ich trotz meiner Fehler ein Diener bin. Einer seiner Streiter.«
    Dem Greis wich die Farbe aus dem wettergegerbten Gesicht, als er vorsichtig näher trat und die Decke zur Seite schlug. Erst jetzt spürte Isegrim, dass seine rechte Hand taub war, was das Gefühl der Stoffdecke seltsam machte. Seine Kehle schnürte sich zusammen.
    »Vreemde war das.«, erklärte der Heiler tonlos, »Der Hauptmann bemerkte, wie gesagt, was der Feldwebel vor hatte. Also sollte Vreemde dich ... unbrauchbar für den Waffengang machen. Ich ... ich habe genäht, was ging ... aber ... nun, ich bin kein Magier, ich verfüge nicht über die heilende Magie ...«
    »Geht.«, kam es nur aus Isegrims Kehle, »Geht, bitte. Lasst mir einen Augenblick.«
    Der Alte nickte und trat aus dem Haus. Isegrim hatte das Verlangen zu schreien, aufzuspringen und alles kurz und klein zu schlagen. Aber er tat es nicht. Er schloss die Augen, kämpfte gegen das Brennen darin. Dann betete er. Zu Innos. Nicht um Hilfe und Rettung, sondern die Mittel, diese selber zu bewerkstelligen. Er bat um die Chance, sich dem Gott irgendwie anders dienbar zu machen. Als Krieger würde er jedenfalls nicht mehr dienen können, nach Vreemdes Behandlung.
    Denn der Hundesohn hatte ihm den kleinen und den Ringfinger der rechten Hand genommen.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Obwohl die Nacht nicht mehr viele Stunden für die müden Rätselnden bereit gehalten hatte, waren sie im Stroh des Pferdestalls einigermaßen friedlich eingeschlafen. Die Gewissheit, für den nächsten Tag einen Plan zu haben und eventuell nicht noch länger im Trüben fischen zu müssen, hatte Medin nach dem anstrengenden Abend eine wohlige Schwere auf die Augen gelegt, die ihn bald ins Reich der Träume geleitet hatte. Es waren unruhige Träume gewesen, aber dennoch trauerte er im ersten Moment der erholsamen Ruhe hinterher, als er durch ein unsanftes Rütteln aus dem Schlaf geholt wurde.

    Der Südländer blinzelte. Sonnenlicht fiel in den Pferdestall vor den Mauern Usas, aber nicht nur durch die zahlreichen Ritzen und Löcher in Wänden und Dach, sondern auch durch die weit geöffnete Stalltür, hin zu dem Heuhaufen bis, in dem die drei Reisenden ihr Lager gefunden hatten. Gegen das helle Licht von draußen zeichneten sich die Umrisse von einem dutzend Gestalten ab. Zu viele, um alle Stallknechte zu sein …

    Gerade wollte Medin aufschrecken, als er von einer der Gestalten noch einmal einen unsanften Tritt in die Rippen bekam.

    „Aufstehen!“, bellte ihn die Stimme eines Mannes an und der Schmerz in der Seite des Paladins verriet ihm sofort, dass es sich um beschlagene Stiefel handelte. Nicht nur die Beine, wie Medin sogleich feststellte, sondern der gesamte Soldat war in eine Metallrüstung gekleidet. Der glänzende Harnisch, die mit einer Schlagkante versehende Spangenhaube und der lange, blaue Umhang zeigten auch, dass es sich hier nicht um einfache Briganten oder Waffenknechte handelte, sondern die selig Schlafenden sich mindestens von Gardisten hatten überrumpeln lassen. So nahe bei der Stadt und in einem unscheinbaren Pferdestall hatten sie – nach den Anstrengungen – eine Nachtwache nicht für nötig befunden. Pech gehabt, dachte Medin.

    „Im Namen seiner Majestät und der Stadt Usa, ihr seid hiermit fest genommen“, führte der Gardist neben ihm aus und hielt eine Hand am Griff seines Schwertes, keinen Zweifel lassend, dass er es sofort ziehen konnte. „Folgt uns friedlich, oder wir legen euch in Ketten – eure Wahl.“

    Der Paladin blickte umher. Kortis und Viraya schienen auch überrascht worden zu sein und sie waren zwei zu eins in der Unterzahl. Selbst mit weniger gut ausgerüsteten und ausgebildeten Gegnern wäre das ein Kampf, den man lieber vermeiden wollte.

    „Was wird uns vorgeworfen?“, fragte er den Gardisten.

    „Das erfahrt ihr noch früh genug. Mitkommen.“

    Ohne Wahl und eine spontane Chance auf eine Flucht fügten sich die drei Gefangenen und folgten den Gardisten in Richtung Stadt. So schnell würde Medin nicht mehr auf eine Nachtwache verzichten, schwor er sich noch und hoffte, dass er diese Erkenntnis später noch einmal gebrauchen können würde.

  10. Beiträge anzeigen #270 Zitieren
    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Viraya fluchte innerlich und brauchte keine Blicke mit ihren Begleitern auszutauschen, um zu wissen, dass sie dasselbe taten. Bald darauf konnten sie auch keine Blicke mehr austauschen, denn ihnen wurden die Augen verbunden. Das war schon einmal sehr seltsam. Nach einem ewig dauernden, nicht gerade sanften Marsch landeten sie schlussendlich alle zusammen in einer Zelle, die Augenbinden wurden ihnen abgenommen und die drei alleine gelassen.

    "Sie wollen uns also aushorchen."

    Schlussfolgerte Viraya in Gedanken, denn sonst hätte man die drei isoliert. Sie musste also unverfänglichen Gesprächsstoff bieten, um nicht sogleich separiert zu werden. Dass sie allerdings nicht bis auf die Knochen untersucht wurden, hiess, dass diese widerlichen Soldaten entweder wussten, dass der Brief beim Alchemisten war oder dass sie nichts von seiner Existenz wussten. Aber was wussten sie. War sie Irma oder Viraya in ihren Augen? Sie waren eindeutig im Informationsnachteil.

    "Was denkt ihr, dass sie uns vorwerfen werden?"

    Fragte Viraya nach einigem Grübeln in die Runde.
    Geändert von Viraya (17.03.2020 um 22:14 Uhr)

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Kerker kannte er genug, die waren sich eigentlich immer ähnlich. Feucht, eng, stinkend nach Exkrementen, voll mit Ungeziefer und voll mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen eingesperrt waren. Das gelegentliche Jammern und das gelegentliche Schreien der Insassen gehörten ebenso zum Ambiente, aber meistens waren Kerker keine lauten Orte. Die zuständigen Wachen sorgten meistens für Ruhe, um sich den Dienst angenehmer zu machen. Ja, Kerker kannte Medin genug, auch von beiden Seiten der Gitterstäbe. In seiner Zeit als Milizsoldat in Khorinis hatte er so manchen Tunichtgut hinter Gitter gebracht, in Vengard oft genug Verhöre geführt. Aber jetzt saß er erst einmal selbst in einem fest.

    Die Kerker von Usa waren dahingehend auch nichts besonderes. Lediglich die Größe zeigte, dass sie zu einer florierenden Handelsstadt gehörten. Der Bereich, in dem die drei Reisegefährten untergebracht waren, bestand aus mittelgroßen bis großen Zellen, die durch Gitterwände in einem langen Gewölbe voneinander abgegrenzt wurden. Keine Privatsphäre, ständig patrouillierende Wachen, aber zumindest hatten sie eine Zelle für sich alleine und obwohl die anderen Zellen auch moderat gefüllt waren, sorgten die Wachen dafür, dass sich keine Gespräche zwischen den Gefangenen entwickeln konnten.

    „Gute Frage“, raunte Medin, als die Wache gerade etwas weiter entfernt ihre Runde machte. „Aber ich glaube nicht, dass das eine große Rolle spielen wird. Wahrscheinlich werden sie versuchen alles wichtige aus uns rauszubekommen und dann loswerden wollen. Als Zwangsarbeiter in irgendwelchen Minen oder als Sklaven verkauft – in solchen Städten dienen auch Gefangene als Kapital.“

    „Dann sollten wir versuchen, uns so wichtig wie möglich zu machen“, ergänzte Kortis.

    „Ja, aber ...“

    „Ruhe!“, brüllte der inzwischen wieder gekehrte Wachmann und schlug scheppernd mit seiner Hellebarde gegen die Gitterstäbe. Die drei verstummten, tauschten aber noch ein paar vielsagende Blicke aus.

    Eine neuerliche Gelegenheit zum Austausch bot sich nicht mehr. Schwere Stiefel kündeten von Besuch und wenig später tauchten drei Gardisten, die wie jene, die sie verhaftet hatten, gerüstet waren, vor der Zelle auf. Die Tür wurde aufgeschlossen und die drei schoben sich durch die enge Öffnung, die Hände auf den Knäufen ihrer Kurzschwerter.

    „Du da“, meinte einer der drei und deutete auf Medin. „Mitkommen!“

    Der Südländer erhob sich zögernd und musste dann seine Arme nach vorne strecken, um sich Ketten anlegen zu lassen. Dann führte man ihn aus der Zelle, deren Tür hinter ihm mit einem lauten Geräusch wieder ins Schloss fiel.

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    Seine Bewacher führten Medin durch einige verwinkelte Gänge, die die unterschiedlichen Abschnitte des Kerkers miteinander verbanden. Während er darüber nachdachte, wie das Verhör, zu dem man ihn nun zweifelsohne brachte, aussehen würde, bemerkte er, dass sie noch sehr viel schlimmere Zellen hätten erwischen können. In einem Gang gab es eine Reihe von Einzelzellen, die tiefer als der Wachgang lagen und hinter deren dicken Eichentüren man das Tropfen von Wasser in der Dunkelheit hören konnte. Die meisten Menschen hielten es bestenfalls ein paar Stunden in solchen Verließen aus, bevor sie bereit waren, jedes Familienmitglied zu verraten, nur um wieder herausgeholt zu werden.
    Kurze Zeit später kamen sie an einer wahren Folterkammer vorbei, in der allerlei Verhörtechniken möglich schienen. Neben den gängigen Folterinstrumenten in Klein und Groß gab es auch in den Boden eingelassene Rinnen, um Flüssigkeiten abfließen zu lassen, und sowohl Wände als auch Decken schmückten verschiedene Vorrichtungen, um einen Menschen an verschiedenen Körperteilen daran zu fixieren.
    Aber auch diesen Raum ließen die Gardisten mit ihrem Gefangenen links liegen und führten ihn stattdessen zu einer Treppe, die in höhere Stockwerke der Festungsanlage – Medin vermutete, dass sich da der Kerker befinden musste – führte. Auch dort folgten verschiedene, fensterarme Gänge, aber man hatte nun nicht mehr das Gefühl in einem Gefängnis zu sein, sondern in einem Teil der Burg, der auch für andere Zwecke genutzt wurde. Hier und da gab es ein paar verrußte Wandteppiche und einige Regale säumten so manchen Erker. Schließlich machte der Trupp vor einer Tür halt, die ebenfalls durch zwei Gardisten bewacht wurde. Der Anführer verschwand kurz hinter der Tür, nur um wenige Augenblicke später Medin hereinzuholen.

    Hatte der Südländer mit einer klassischen Verhörkammer gerechnet, so wurde er enttäuscht. Der Raum, in den er eintrat, erinnerte eher an das geschäftige Sekretariat eines Handelskontors. An den Wänden war kein Platz für Teppiche oder anderen Behang, denn sie wurden fast vollkommen von raumhohen Regalen verdeckt, die wiederum voll waren mit Folianten, Schriftrollenbündeln, Kisten voller Pergamentblätter und einiger Schreibgeräte. In der Mitte des Raumes hing ein großer Kerzenleuchter an der Decke, der den Mangel an Fenstern auszugleichen versuchte. Darunter stand ein massiv wirkender Holztisch, der schon bessere Jahre gesehen hatte. Obwohl sowohl die Regale als auch der Tisch voll von Schriftstücken waren, schien alles eine gewisse Ordnung zu haben. Wer immer hier verantwortlich war – gewiss kein Sekretär eines Kaufmanns – fand sich vermutlich recht schnell in dieser Fülle an Lektüre zurecht.

    Viel interessanter als ein etwaiges Ordnungssystem waren für Medin in diesem Moment jedoch die beiden Personen, die auf der anderen Seite des Tisches waren. Ein etwas beleibterer Mann saß in einem Sessel nicht ganz mittig, während ein hagerer daneben stand. Beide waren in Höflingskleidung gewandet, die in einer Kaufmannsstadt wie Usa sicher nicht zum oberen Ende der Modewelt gehörte, aber auch keinen Zweifel zuließ, dass es sich hier um irgendwelche Pagen handeln könnte.

    Beide musterten Medin erst schweigend, während der Wachmann wieder den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Dann deutete der Sitzende auf einen Schemel auf Medins Seite des Tisches. „Bitte, setzt euch.“
    Der Paladin tat wie ihm geheißen und nahm Platz. Der Schemel war ihm ein bisschen zu niedrig und so musste er mangels Lehne in einer unangenehmen Haltung darauf Platz nehmen, die Hände immer noch in Ketten.

    „Wir wollen gleich zur Sache kommen“, fuhr der Mann fort. „Ihr habt seit eurer Ankunft in unserer Stadt ein wenig Aufsehen erregt und wir wollen dem auf dem Grund gehen. Gegen euch oder eure Gefährten hegen wir keinen Groll, solange ihr uns keinen Grund dafür gebt. Kooperiert, und ihr könnt mit einer fairen Behandlung rechnen. Weigert euch, und wir werden aus euch allen dreien jede Information herauspressen – und noch viel mehr, bis nicht mehr viel von euch übrig ist.“
    Die Stimme des Mannes ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht zum ersten Mal ein Verhör leitete und Medin war sofort auf der Hut. Auch wenn es in diesem Raum keine sichtbaren Folterinstrumente gab, konnte er davon ausgehen, dass er sich in ebenso unmittelbarer Gefahr befand wie ein paar Etagen tiefer.

    „Was wirft man uns vor?“, fragte er seinen Gegenüber, um ihm nicht ganz die Initiative zu überlassen.

    „Spionage gegen die Stadt und König.“ Der Mann nahm ein Pergament vor sich zur Hand, tauchte eine Feder in ein Tintenfass und begann zu schreiben. „Und bevor ich unhöflich erscheine und ihr euch noch einer weiteren Frage bemüßigen müsst, mein Name ist Marlo. Ich bin hier um herauszufinden, ob an diesem Vorwurf was dran ist und natürlich auch sämtliche anderen Dinge in Erfahrung zu bringen, die von Belang für die Sicherheit und Interessen unserer Stadt sind. Also, fangen wir an. Wie ist euer Name und woher kommt ihr?“

    „Coën“, antwortete Medin, als wäre es wirklich sein Name, denn er hatte ihn schon oft benutzt. „Ich und meine Begleiter sind über die Berge gekommen, aus Richtung Gorthar.“

    „Hm“, brummte Marlo ohne aufzublicken und die Feder flog über das Pergament. „Gehen wir vorerst davon aus, dass das wirklich euer Name ist. Woher stammt ihr?“

    „Aus Myrtana.“ Nun war Medin noch mehr auf der Hut. Das Pergament füllte sich weiter und er hatte das Gefühl, dass viel mehr niedergeschrieben wurde, als er in Wirklichkeit preisgab. Oder wusste Marlo einfach schon so viel über ihn?

    „Habt ihr auf eurem Weg über das Gebirge und zur Stadt etwas auffälliges bemerkt?“

    Die Formulierung der Frage ließ Medin kurz überlegen. Was konnte er sagen, was verschwieg er lieber? Welche Fragen würden die anderen beiden wohl erhalten und wie würden sie antworten? Er ging nicht davon aus, dass sie Gelegenheit bekommen würden, ihre Geschichten abzugleichen. Marlo wahrscheinlich schon.

    „Nun, das Wetter war rau, genau wie die Leute. Wir haben Spuren des Krieges, von Marodeuren und Banditen gesehen. Die Menschen können sich dieser Tage wohl nicht viel Gastfreundlichkeit leisten“, berichtete er seinen Eindruck.

    „Fürwahr“, pflichtete Marlo ihm bei. Der Hagere stand regungslos neben ihm und ließ Medin nicht aus den Augen. „Nun zu einer wichtigen Frage: Habt ihr auf eurer Reise einen Mann namens Beno getroffen?“

    Medin wusste, dass leugnen hier zwecklos war. Zuviel war anscheinend an Marlos Ohr gedrungen. „Kann man so nicht sagen“, erwiderte er daher. „Bloß seine Leiche.“

    Kurz hielt die Feder in Marlos Hand inne, bevor sie ihr Werk fortführte.

    „Wo habt ihr seine Leiche gefunden?“

    „In einer Schutzhütte am Bergpass, einige Tagesritte nach Nordwesten.“

    Wieder eine kurze Pause. Dann wurde Marlos Stimme schneidender, behielt aber die Ruhe und Souveränität des Mannes, der die Kontrolle hatte. „Das fällt mir schwer zu glauben. Aber dann sagt mir, warum ihr einen Brief von ihm bei euch geführt habt und versucht, den Adressaten in Usa ausfindig zu machen?“

    „Wir haben den Brief bei seiner Leiche gefunden. Nachdem wir ihm ein innosgefälliges Begräbnis verschafft haben, wollten wir ihn den Hinterbliebenen überbringen. Schien ein Abschiedsbrief oder so etwas in der Art.“

    „Aus purem Altruismus?“, hakte Marlo nach.

    „Nennt es Altruismus, Nächstenliebe oder Anstand“, sprach Medin nur für sich, denn auch der monetäre Wert des Briefs war im Gespräch gewesen. Vorausgesetzt, er war mehr als eine bloße Ansammlung von Worten eines Sterbenden an seine Geliebte. Aber das war nun ihre geringste Sorge. Der Brief war ihnen abgenommen worden und ohnehin mussten sie eher darum fürchten, heil aus der Stadt zu kommen als sich über Informationen oder deren gewinnbringenden Verkauf Gedanken zu machen.

    „Wo habt ihr Beno begraben?“ Überrascht stellte Medin fest, dass die Frage diesmal nicht von Marlo, sondern der anderen Person gestellt worden war.

    „Etwas unterhalb des Passes auf dieser Seite“, antwortete Medin nach kurzem Zögern. „Wir mussten ihn eine Weile tragen, denn weiter oben war der Boden zu stark gefroren.

    „Hm, das verkompliziert die Dinge“, war es nun wieder Marlo. Er steckte die Feder zurück in das Tintenfass, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme auf dem rundlichen Bauch. Seine Augen musterten Medin eisern. „Ich bin geneigt euch zu glauben, zumindest in einigen Belangen eurer Geschichte. Den Wesentlichen. Ihr eröffnet eine Perspektive auf die Ereignisse, die wir bisher noch nicht in Betracht gezogen haben, aber durchaus Sinn ergibt.“ Wieder verstummte er, als warte er auf eine Antwort.

    „Verzeiht, wenn ich euch nicht folgen kann“, entgegnete der Paladin. „Heißt das, wir sind nicht mehr angeklagt?“

    „Ihr seid nach wie vor unter Verdacht“, versetzte Marlo, „aber ich glaube es würde nicht viel bringen, euch auf die Streckbank zu legen und Daumenschrauben hinzu zu ziehen. Zumindest würde das nicht alle Fragen klären. Ihr seid da – wenn ihr nicht lügt – über mehr gestolpert, als ihr begreift. Das zeigen eure stümperhaften Versuche hier in Usa etwas in Erfahrung zu bringen. Das ist auch gut so, denn ansonsten wärt ihr wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Allerdings habt ihr wahrscheinlich den Schlüssel dazu. Wir brauchen den Leichnam.“

    Medin blickte zwischen den beiden hin und her. „Nun, ihr wisst ja, wo ihr den finden könnt ...“

    „Wahrscheinlich werden wir einen Trupp entsenden. Das wäre doch eine Mission für unseren jungen Sir Castor“, wandte sich Marlo nun an den Anderen.

    „Sein Vater wäre sicher wenig erfreut“, entgegnete dieser trocken.

    „Unsinn, der Junge brennt doch darauf sich zu beweisen. Er bekommt einen Trupp erfahrener Soldaten, dann wird er das schon schaffen.“ Dann wandte sich Marlo wieder an Medin. „Entschuldigt, das soll nicht eurer Belang sein. Ihr dürft vorerst wieder in eure Zelle zurückkehren. Vorausgesetzt, eure beiden Begleiter erweisen sich ähnlich hilfreich wie ihr und bestätigen eure Geschichte, werden wir vielleicht sogar etwas an eurer Unterbringung verändern. Wenn nicht, wird die Veränderung auch stattfinden, aber nicht zu euren Gunsten.“

    Marlo wirkte beinahe ein wenig vergnügt, aber Medin maß sich nicht an, diesen Mann bereits einschätzen zu können. Während die Wache wieder eintrat und ihn hinausbegleitete, um ihn zurück in den Kerker zu führen, hoffte er, dass sie in dieser Sache vielleicht noch Glück haben würden.

    Als er zurück in der Zelle angekommen war, waren die anderen beiden schon fort. Zweifelsohne waren sie die nächsten beim Verhör.

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    Zuerst war Medin geholt worden, dann wurde Kortis und zu guter Letzt Viraya. Letztere hatte viel Zeit sich Gedanken darüber zu machen was sie tun sollte. Die anderen ausliefern? Das war die grosse Frage, aber wie ohne sich selber eine Schlinge um den Hals zu legen. Und genau da war der Haken, dies schien unmöglich. Für einmal tappte sie komplett im Dunkeln, ohne Andrejas Informanten war sie aufgeschmissen. Klein und nichtig. Die einzigen wahren Verbündeten hier waren Medin und Kortis so schmerzhaft das war und diese waren sogar so etwas wie Freunde geworden. Sie hatte Redsonja deshalb immer für sentimental gehalten, doch vielleicht hatte sie Recht.

    "Nun du, Irma."

    Sprach sie plötzlich einer der Wachmänner an und betonte Irma etwas zu scharf. Er wollte wohl zeigen, dass er wusste, dass sie lügen würde bezüglich ihres Namens. Sie war auf der Hut, aber ihre schlimmste Befürchtung, dass sie direkt in der Folterkammer landen würde, traf nicht ein. Sie wurde einem Mann, der sich als Marlo vorstellte gegenüber gesetzt.

    «Woher kommst du?»
    «Aus Gorthar.»
    «Und dein Begleiter Coën?»
    «Aus Myrtana.»


    Die Fragen begannen leicht, als liessen sie ihr Zeit sich ein wenig aufzuwärmen. Dann ganz beiläufig kam sie die Frage:
    «Habt ihr auf eurem Weg über das Gebirge und zur Stadt etwas auffälliges bemekert?»
    Was wollten sie wissen. Es gab mehrere Dinge.
    «Nichts, woraus ich mir hätte einen Reim bilden können.»
    Antwortete Viraya ausweichend.
    «Dann erzähl mir doch eure ganze Reisen in jedem Detail.»
    Und so begann es. Viraya begann sich daran heraus zu tasten was sie auslassen konnte und was nicht. Alles mit Andreja liess sie aus. Den Rest erzählte sie in so viel Detail, dass sie hoffte sie würden irgendwann einfach die Geduld verlieren. Es dauerte Stunden, bis sie am Pass angelangt waren. Viraya erzählte von jeder Mahlzeit, diese gegessen hatten, liess aber alles aus, was irgendjemanden belasten konnte und sie vermied jegliche Namen. Dann erwähnte sie die Leiche.

    Marlo reagierte darauf, ohne es zu wollen. Sie verstand nicht warum sie ausgerechnet an Beno so interessiert waren. Sie erzählte von der Schutzhütte, dem Begräbnis. Sie wurde noch detailierter als sonst schon. Wobei sie mitten drin meinte. «Oder warte war das anders?» Sie überlegte. «So ganz genau weiss ich es nicht mehr.» Sie schienen auf etwas zu warten. War es der Brief? Sie dachte nach, und schilderte Details der Gesichtszüge des Mannes, um sich Zeit zu verschaffen. Da brach es schon aus einem der anderen Anwesenden heraus.
    «Was habt ihr bei dieser Leiche gefunden.»
    Sie wussten es also.
    «Einen Brief.»
    Entgegnete Viraya. Es folgten weitere Fragen. Aber sie schienen zufrieden zu sein und Viraya wurde wieder in die Zelle zurück gelassen. Dort wartete Medin. Sie atmete auf. Es war gut ihn zu sehen. Kurz darauf brachten sie auch Kortis. Erschöpft sanken alle zusammen nieder. Sie sprachen nicht über das Geschehene. Sie waren einfach allesamt froh wieder zusammen in einer Zelle zu sein. Irgendwann sank Viraya in einen traumlosen Schlaf, bis sie das Umdrehen eines Schlüssels aufweckte. Ein Mann mit einer Lampe in der Hand hatte den Schlüssel gedreht. Es war Marlson.

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    Die Verhöre der anderen schienen zumindest keine Katastrophe gewesen zu sein, denn an der Unterbringung und Behandlung der Gefangenen hatte sich bisher nichts geändert. Sie hatten sogar eine dünne, lauwarme Suppe erhalten, seit Viraya zurückgekehrt war. Und wenn nun eine Verlegung in schlimmere Haftbedingungen angestanden hätte, wäre sicher nicht Marlo persönlich in ihre Zelle gekommen, sondern nur die Wachen, die sich nun in respektvoller Distanz zur Tür entfernt aufhielten. Zweifelsohne waren sie bereit einzugreifen, wenn Marlo das wünschte, aber vielleicht war nicht alles, was er sagen wollte, für ihre Ohren bestimmt.

    „Bitte verzeiht, dass ich euch solange habe warten lassen“, sagte er mit so viel Höflichkeit, wie sie ein Kerkermeister seinen Gefangenen gegenüber zeigen konnte. „Es mussten Dinge organisiert und Vorkehrungen getroffen werden, aber nun haben wir wahrscheinlich eine Verwendung für euch gefunden. Nachdem ihr bereitwillig Auskunft gegeben habt, hoffen wir auch weiter auf eure Hilfsbereitschaft.“ Er pausierte kurz und schaute im Schein der Öllampe zwischen den dreien hin und her, als erwarte er eine Reaktion, doch keiner sagte etwas.

    „Der Brief, den ihr gefunden habt, hat allein leider nicht so viel Wert, wie ihr ihm vielleicht beigemessen habt“, fuhr er daher fort. „Glücklicherweise habt ihr Beno eine angemessene Bestattung zukommen lassen, weshalb nicht alles verloren ist. Für unsere Zwecke ist es unerlässlich, dass wir seine Leiche und seine Habseligkeiten finden. Da nur ihr die Ruhestätte kennt, werdet ihr den Weg weisen. Wachen!“

    Die Gardisten, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten, traten näher.

    „Diese beiden hier werden uns in meine Kanzlei begleiten.“ Er deutete auf Viraya und Medin. Dann wandte er sich zu Kortis. „Bringt diesen Gefangenen in eine Einzelunterkunft in den oberen Stockwerken. Sorgt für gute Bewachung und gute Versorgung. Er ist als wertvolle Geisel anzusehen.“

    Medin warf Kortis einen Blick zu. Die Verwirrung stand dem langjährigen Begleiter ins Gesicht geschrieben, doch sie hatten keine Gelegenheit mehr noch ein paar Worte auszutauschen oder eine Vereinbarung zu treffen. Zwei Gardisten führten Kortis hinaus in Richtung Treppe, bevor die übrigen Marlo mit Viraya und Medin im Schlepptau ebenfalls den Weg nach oben eskortierten. Auf dem Weg versuchte sich Medin einen Reim darauf zu machen, warum Marlo diese Konstellation gewählt hatte. Normalerweise wurden Frauen als Geiseln in solchen Situationen gewählt. Oder hatte er bereits mehr über Kortis‘ Herkunft herausgefunden und sah einen ganz eigenen Wert in ihm? Vielleicht glaubte er aber auch nur, dass Viraya und Medin besser geeignet waren, um den jeweils anderen im Feld unter Druck zu setzen, wenn es nötig sein sollte. Ob er die Beziehung der beiden zueinander da richtig einschätzte?

    Es gab verschiedene Möglichkeiten und nur Marlo kannte die Kalkulation, die stattgefunden hatte. Schließlich kamen sie wieder zu dem Raum, in dem Medins Verhör stattgefunden hatte. Als sie den Raum betraten, warteten diesmal aber mehrere Personen.

    „Seid gegrüßt, Sir Castor“, begrüßte Marlo einen jungen – auch seiner Kleidung nach zu urteilen – Adeligen. „Verzeiht, dass ich euch habe warten lassen, aber hier sind die beiden Gefangenen, die euch begleiten werden.“

    „Warum zwei?“, entgegnete Sir Castor und musterte beide mit Verwunderung. Er war höchstens achtzehn Jahre jung, schlank, groß gewachsen und hatte kurz gehaltenes, schwarzes Haar. Die feinen, fast makellosen Züge seines Gesichts verrieten ein wenig Nervosität, gleichzeitig aber auch Tatendrang und die Gewissheit, etwas Besonders zu sein. Sein mit Brokat durchwirkter Wams zeigte ein Wappen, das Medin dieser Tage in Usa schon einige Male gesehen hatte: ein zweimastiges Schiff, das statt eines Bugs den Kopf eines Löwen zeigte. Sie hatten anscheinend den Spross eines recht einflussreichen Adelsgeschlechts oder einer Handelsfamilie vor sich – obgleich die Trennung zwischen diesen beiden Kategorien in dieser Stadt wohl fließend war.

    „Sie werden sich beide als sehr nützlich erweisen, wenn Ihr gut auf sie acht gebt“, versicherte Marlo. „Beide kennen den Ort des Grabes und können euch hinführen, auch wenn dem anderen etwas zustoßen sollte.“

    „Nun gut, wir werden sehen“, erwiderte Castor, der dem Tonfall nach zu urteilen gesellschaftlich ein gutes Stück über Marlo stand. „Mein Vater ist von eurem Vorhaben nicht sehr erfreut, auch wenn ich seine Bedenken nicht ganz teile. Dennoch besteht er darauf, dass eine Abordnung unserer Hauswache die Expedition begleitet. Flavius hier als meine persönliche Wache sowie noch einige andere. Natürlich nur gute Männer, die absolut verlässlich sind.“ Dabei wies er auf einen Mann, der leicht versetzt hinter ihm stand. Er war in etwa genauso groß wie Castor, aber wesentlich kräftiger. Anstatt der Kleidung eines Adeligen trug Flavius eine Metallplattenrüstung. An seinem rechten Arm trug er einen Schild, der das gleiche Wappen wie das von Castor zeigte. Mit dem linken Arm hielt er einen Spangenhelm, aus dessen Bruchkante ein Schweif aus rot gefärbten Rosshaar entsprang. Das gebräunte, bärtige Gesicht war wettergegerbt und zeigte die eine oder andere kleinere Narbe.

    „Dem steht nichts im Wege“, stimmte Marlo zu, und obwohl er gesellschaftlich unter dem Adeligen zu stehen schien, schwang in seiner Stimme genug Selbstsicherheit mit um deutlich zu machen, dass er sich nicht als Befehlsempfänger verstand. „Doch bedenkt, dass ein größerer Trupp euer Vorankommen erschwert und wahrscheinlich auch mehr Aufmerksamkeit erregen wird. Ich werde euch einige Gardisten mitgeben, um die Bewachung der beiden Gefangenen und natürlich auch eure Sicherheit zu gewährleisten. Wenn ihr wollt, könnt ihr bereits morgen aufbrechen.“

    Sir Castor nickte und damit schien dieser kleine Schlagabtausch auch vorüber zu sein. Als sie den Raum wieder verlassen hatten, war sich Medin umso sicherer, dass diese Stadt eine wahre Schlangengrube war und sie wahrscheinlich Glück hatten, noch nicht von einem der besonders hungrigen Exemplare verschlungen worden zu sein.

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    Ein dichter, leicht salzig schmeckender Nebel hatte sich am nächsten Morgen über die Stadt und das Umland gelegt. Noch in der Dunkelheit hatte man Viraya und Medin aus ihrem deutlich verbesserten Quartier geholt. Sie hatten all Ihre Habseligkeiten – außer ihre Waffen – wieder erhalten. Gewissenhaft hatte der Südländer seinen Rucksack und die Satteltaschen überprüft und mit Erstauen festgestellt, dass wirklich noch alles da war. Natürlich in etwas anderer Ordnung, denn zweifelsohne hatte man alles einmal umgedreht und durchsucht. Nachdem sie sich reisefertig angekleidet und alles wieder verstaut hatten, wurden sie von einer kleinen Wachabordnung durch die frühmorgendlichen Straßen Usas geführt. Erste Händler zogen gen Hafen, um die von Nachtfahrt zurückkehrenden Fischer um ihren Fang zu erleichtern, die letzten Betrunkenen wurden aus den Kneipen gekehrt und die Bettler begannen, sich die besten Plätze für den kommenden Tag zu sichern. Aber all das nahm Medin nur am Rande wahr. Während sowohl die Wachen als auch Viraya und er schwiegen, fragte er sich, was sie nun tun sollten. Fliehen? Oder diese Expedition einfach begleiten und hoffen, dass man sie danach aus Desinteresse würde gehen lassen?

    Als die kleine Gruppe die Stadttore erreichte, wurden diese gerade aufgesperrt. Es war dasselbe Tor, durch das sie einst Usa betreten hatten. Auf der Zugbrücke und dem Weg dahinter hatte sich bereits eine kleine Schlange von Reisenden, Händlern und Gesinde gebildet, die auf Einlass in die Stadt warteten und nun einer nach dem anderen von den Gardisten abgefertigt wurden. Den umgekehrten Weg nahm außer der Gruppe keiner.

    Ihre Pferde am Zügel führend erklommen die Gefangenen und ihre Bewacher einen nahen, flachen Hügel, auf dessen Kuppe sich eine größere Gruppe Reiter vor dem Morgenhimmel abzeichnete. Es war ungefähr ein Dutzend, deren Silhouetten durch die aufgehende Sonne, die durch die Nebelschleier zu drücken versuchte, eindrucksvoll in Szene gesetzt wurden. Als sie näher kamen und deutlicher zu erkennen waren, musste Medin anerkennen, dass sie an Eindruck nichts einbüßten. Die Männer schienen bestens für den Ausritt gerüstet zu sein. Einige trugen Kettenrüstungen, andere sogar einige Platten oder zumindest gehärtetes oder doppelt wattiertes Leder unter den Waffenröcken. Der Fachmann in ihm erkannte auch die Qualität der Arbeit. Neben den ein oder anderen Verzierungen schienen auch die Nähte ordentlich gepflegt und auf die Schnelle konnte er keine Ringe oder Ösen ausmachen, die irgendwo fehlten. Hinzu kam, dass alle gut bewaffnet waren. An den Gürteln hingen Lang- oder Kurzschwerter, hinzu kamen einige Piken, Schilde, Bögen und sogar zwei Armbrüste. Die Satteltaschen sahen nach großen Decken und Proviant für mehrere Tage aus. Kein Zweifel, das war kein Haufen von leibeigenen Waffengängern, die schnell zusammengetrommelt worden waren, sondern – den Wappen nach zu urteilen – Mitglieder der königlichen Garde und Soldaten aus dem Gefolge Sir Castors.

    Während Medin überlegte, ob sich ihre Kampferprobtheit mit dem Wert ihrer Ausrüstung messen konnte, schien ihn letzterer wohl ähnlich zu taxieren. Der junge Adelige saß auf einem schwarzen Hengst, der unruhig den Nassen Erdboden aufscharrte und immer wieder den Kopf zurückwarf, und musterte die beiden Gefangenen von Kopf bis Fuß. Dann nickte er Flavius neben sich zu. Der saß von seinem Pferd ab, kramte in den Satteltaschen und zog zwei Paar Eisenschellen, die jeweils durch eine Kette miteinander verbunden waren, hervor.

    „Damit ihr nicht auf eigene Faust euer Glück versucht“, erklärte der Adelsspross, während Viraya und Medin die Handschellen angelegt wurden. „Die Ketten sollten euch genug Platz zum Reiten lassen, aber wenn ihr versucht zu fliehen, werden wir euch jagen und töten. Ihr werdet sie nicht so schnell los und sie werden euch überall in diesen Ländern als vogelfrei ausweisen.“ In der Tat prangte in den beiden Ringen, die sich mit einem schweren Schnappen um ihre Handgelenke schlossen, eine grobe Gravur des königlich-städtischen Siegels von Usa. Medin schüttelte kurz die Hände und hörte, dass auch die zwei Glöckchen ihren Dienst taten und bei jeder Bewegung ein festliches Klingeln von sich gaben. Fragend blickte er erst zu Viraya, die ein ähnliches Exemplar erhalten hatte, und dann hinauf zu Sir Castor.

    „Gewöhnt euch dran“, sagte dieser nur und wandte sich dann an die ganze Reiterei. „Ihr wisst alle, warum wir hier sind. Der Pass ist einige Tagesritte von hier entfernt und der Weg führt durch das Gebiet von Wilden und Banditen. Sie werden es vermutlich nicht wagen, einem Trupp wie uns auch nur nahezukommen, aber seid dennoch auf der Hut. Gebt auch auf die Gefangenen acht. Wenn alles gut geht, sind wir in weniger als zehn Tagen wieder in der Stadt.“

    Nach seiner Ansprache gab er den beiden das Zeichen zum Aufsitzen. Die Ketten behinderten dabei kaum, aber Medin schaute zu Viraya, die nun gleich lernen würde, mit eingeschränkten Händen zu reiten. Eigentlich eine ganz gute Übung, fand er, und sie ließ sich nichts anmerken. Die beiden wurden in die Mitte genommen und der ganze Tross setzte sich in Bewegung, während die übrigen Gardisten sich auf den Rückweg zur Stadt machten. In der – das konnte man von diesem Hügel aus gut sehen – begann gerade das Leben eines neuen Tages zu pulsieren.

    „Bin ich froh, dass wir da wieder raus sind“, sagte der Paladin so leise, dass es vermutlich nur Viraya hören konnte. Die anderen Mitglieder des Trupps schienen, auch wenn sie sich stark und selbstbewusst gaben, aber gar nicht so froh zu sein, die vertrauten Schutzmauern hinter sich zu lassen.

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    Viraya lächelte nur kurz. Das tat sie sehr selten. Es war nicht ihre Art, nicht ein aufrichtiges Lächeln, ein aufreizendes vielleicht wenn sie eine Person um den Fingern hatte wickeln wollen, bevor sie eliminiert worden war. Aber das waren noch andere Zeiten gewesen und das sie mit diesem Trupp mit ging hiess entweder, dass Marlo nicht von ihrer Vergangenheit wusste und sie für ungefährlich hielt oder aber, dass er eine Person in diesem Tross eliminiert haben wollte und eine Person brauchte um die Schuld in die Schuhe zu schieben. Oder würde er ihr sogar zur gegebenen Zeit einen Schlüssel zukommen lassen? Sollte dies passieren musste sie extrem vorsichtig sein und sogar diesen Bengel, Castor, im Notfall beschützen. Dachte sie, während sie von eben dieser Person gemustert wurde. Sie lachte innerlich, ohne aber nur die geringste Mine zu verziehen oder etwas in ihren Augen aufblitzen zu lassen. Darauf war sie trainiert worden. Wenn jemand ihre Regungen kontrollieren konnte, dann sie. Darum hatte Andreja sie damals so gefördert. Das hatte sie ihr zumindest gesagt. Über die wahren Beweggründe von Andreja wusste niemand Bescheid.

    Dachte sie bis das Pferd sich in Bewegung setzte. Danach war nichts mehr mit den eigenen Gedanken nachhängen. Zum Glück hatte sie Medin schon mit Pferden vertraut gemacht. Sonst hätte sie nun keine Chance gehabt. Dennoch, das Tier zu führen wurde keineswegs einfacher durch die Handschellen. Vor allem weil die Berührung der Kette das Tier zu irritieren schien. Zwischendurch bockte es gar. Sie kämpfte damit im Sattel zu bleiben und Castor beobachtete sie. Sie versuchte entspannt und ruhig zu bleiben, was das Tier auch beruhigte. Sie konnte es fühlen und das war irgendwie schön.
    Sie beugte sich zum Hals des Pferdes hinunter und flüsterte: "Gutes Tier. Gutes Tier. Wir können vielleicht bessere Freunde werden, als ich es jemals mit Menschen sein kann."

    Die Worte waren beinahe gehaucht und gingen im restlichen Lärm unter, während Castor sie musterte. Sie tätschelte den Hals des Pferdes und feierte still ihren kleinen Triumph. Er sollte sich daran gewöhnen, dass sie mit dem Pferd sprach. Dann war es auch einfacher da und dort eine Nachricht an Medin zu übertragen.

    Dennoch sollten die nächsten Tage wirklich hart für die noch ungeübte Reiterin werden.

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    Zwei Tage waren sie nun schon unterwegs, doch Medin kamen sie eher wie ein ganzes Jahr vor. Hatte sich der Trupp anfangs noch relativ zügig fortbewegt, waren sie, als das Gelände hügeliger geworden und die Stadt endgültig aus der Sicht entschwunden war, immer langsamer geworden. Medins erster Eindruck, dass es sich um relativ gut ausgebildete Soldaten handelte, schien sich zu bestätigen. Sie wirkten diszipliniert und hielten in unterschiedlichem Gelände über lange Zeiten ihre Marschformation vorbildlich. Lager aufschlagen, Pferde anleinen und versorgen ging auch schnell und eingeübt von statten, auch wenn diese Männer kaum in der Wildnis groß geworden waren. Dafür klammerten sie sich zu sehr an ihre Ausrüstung oder ihre Umhänge, wenn es kälter wurde. Aber sie schlugen sich gut.

    Zwei Schwachstellen machte Medin dennoch aus. Zum einen der Umstand, dass der Trupp zu Teilen aus der Leibgarde des jungen Adligen und aus städtischen Soldaten bestand. Beide Gruppen beäugten sich misstrauisch. Es war keine offene Feindseligkeit zu sehen und auch die Soldaten Usas fügten sich anstandslos den Befehlen Sir Castors. Aber es war dennoch zu bemerken, dass beide Gruppen innerhalb der Stadtmauern meist wohl eher gegeneinander operierten und dazu da waren, ein wachsames Auge aufeinander während eines brüchigen Burgfriedens zu halten. Und die andere Schwachstelle war Sir Castor selbst. Auch wenn gerade Flavius allen Anschein nach ein gestandener Veteran mit schneller Auffassungsgabe war, der mit knappen Worten die richtigen Anweisungen zu geben vermochte, verlor sich sein Herr immer wieder in zu ambitionierten, zu nachdrücklich gegebenen Anweisungen, wobei ihm der eine oder andere Fehler unterlief. Dorthin ein Späher auf den Hügel, das Ende rascher aufschließen, ihr da, sammelt Holz! Man merkte ihm an, dass er einerseits nicht so viel Erfahrung in der Führung im Feld hatte, und andererseits seine Sache zu sehr wirklich gut machen wollte. Flavius sorgte dafür, dass der Trupp dennoch funktionierte und die Männer sich nicht zu murren trauten, aber sollte es zu einem Kampf kommen, könnte sich das als Problem herausstellen.

    Ob das für Viraya und Medin ein Problem oder eine Chance sein würde, müsste sich erst noch zeigen. Für den Anfang gefiel ihm die Rolle der behüteten Gefangenen ohne Aufgabe ganz gut, weil er so Zeit zu beobachten hatte. Außerdem hatte Viraya mit dem Reiten immer noch genug zu tun. Inzwischen hatten sie und ihr Pferd sich aneinander gewöhnt und schlugen sich ganz gut. Ab und zu ritt Medin etwas dichter an sie heran und machte sie auf eine Nachlässigkeit in der Körperhaltung aufmerksam – und dabei auch auf die eine oder andere Beobachtung, die er über ihre Bewacher angestellt hatte.

    Die Sonne war gerade wieder im Sinken begriffen und nährte sich den Bergketten, als einer der ausgesandten Späher scharf zurückgeritten kam und an der Spitze des Trupps halt machte. Sie ritten so dicht, dass alle ihn hören konnten.

    „Ein Dutzend voraus auf unserem Weg, bewaffnet, zu Fuß. Keine Wappen, entweder Bergwilde oder Banditen. Sie scheinen nicht zu wissen, dass wir hier sind.“

    Der junge Castor dachte kurz nach. „Wohin ziehen sie?“, fragte Flavius.

    „Scheinbar in dieselbe Richtung wie wir. Wenn wir sie umgehen wollen, müssten wir weitläufig herum.“
    Eine missliche Lage. Entweder man brach den Marsch für heute ab, lagerte und verlor somit Zeit. Oder man versuchte sie zu umgehen und verlor ebenso Zeit. Oder man bereitete sich auf einen Angriff vor und riskierte damit, dass man selber Leute verlor oder der Feind Verstärkung holen und an den darauffolgenden Tagen Jagd auf einen machen konnte.

    „Gefechtsbereit machen!“, rief nach einiger Zeit Sir Castor an den Trupp gewandt und setzte seinen Helm auf. Die anderen taten es ihm gleich und begannen, die Schutzüberzüge von ihren Schilden zu entfernen. „Wir schließen zu ihnen auf. Lasst sie weiter unter Beobachtung. Wenn wir sicher sind, dass es sich um Feinde Usas handelt, werden wir sie mit einem schnellen Überraschungsangriff ausschalten! Zu Fuß dürften sie uns nichts entgegenzusetzen haben. Gebt acht, dass niemand entkommen darf, sonst hetzen sie uns Verstärkung auf den Hals.“

    Medin blickte etwas überrascht zu Flavius, aber der gab nur die Instruktionen weiter und schien nicht gegen seinen Herren intervenieren zu wollen. Auch die anderen Soldaten machten sich weiter kampfbereit und schienen von ihrer Schlagkraft überzeugt. Nun wurde der Südländer doch etwas unruhig. Er hatte keine Lust, an den Händen gefesselt in einen Angriff zu reiten, der auf viele verschiedenen Wegen schief gehen konnte. Sein Blick traf den von Viraya. Die ließ sich mal wieder nichts anmerken.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Harrowgate-Anwesen in der Stadt Gorthar

    »Verdammter Mist!«, mumelte der Barde zu sich selbst.
    Jetzt saß er hier im Obergeschoss dieses Anwesens fest und die Wachen waren schon auf dem Gang vor der Tür zu hören. Der einzigen Tür in diesem Teil des Ganges.
    Totsicherer Auftrag, hatten sie gesagt. Rein und raus in wenigen Augenblicken. Ha, von wegen! Er hätte es wissen müssen. Na gut, er hatte es gewusst. Er war ja nicht doof. also zumindest nicht so doof. Aber was hatte er für eine Wahl? Dumak fluchte innerlich.
    »Verdammte Götter!«
    Das war jetzt auch egal. Selbst Beliar konnte ihn jetzt nicht mehr retten. Er hatte ihn ja schon verdammt. Die Götter hassten ihn! Oder wie sollte man die Situation sonst beschreiben?
    Niemand war in den letzten fünfzig Jahren ins Harrowgate-Anwesen eingebrochen. Zumindest niemand, der auf seinen eigenen Beinen wieder herausgelaufen war. Jeder wusste das. Was für eine dumme Idee!
    ›Für mich ist das kein Problem‹, hatte er gesagt. ›Vor Vengard hab ich den Orks ihre Standarte vor der Nase weggeklaut‹, hatte er gesagt. Dass da schon ein Krug Archolos und nicht unerhebliche Mengen Branntwein im Spiel gewesen waren, bevor er all das und noch mehr solche Dinge sagte, hatte Dumak leider nicht bedacht. Aber komisch, das war irgendwie immer so, wenn er solche Sachen trank, fiel ihm jetzt ein.
    Ein paar etwas seltsam aussehende Typen am Nachbartisch hatten sich über Harrowgate unterhalten. Sie klangen wie Leute, die sich auskannten. Besonders diese Schwarzhaarige mit dem Schlafzimmerblick und den schnippischen Bemerkungen ...
    »Verdammter Mist!«
    Dumak wich zurück, bis an die Rückwand des kleinen Saales, die standesgemäß mit einem prächtigen Kamin ausgestattet war. Das Familienwappen von Harrowgate war kunstvoll in den Kaminsims hineingemeißelt. Irgendwas mit Einhörnern und Geldsäcken. Schmiedeeiserne Gitter hielten im Fall der Benutzung die Holzscheite an Ort und Stelle. Alles atmete die Anmutung von Geld und Geschichte. Gortharische Handelsgeschlechter waren eine Mischung aus Adel und Reichtum. Anders als woanders, wo sich manche Leute nur noch auf ihr von, van, de oder di berufen konnten, gab es in Gorthar nur reichen Adel. Vermutlich hatten sie alle irgendwann vor vielen Generationen einmal als Händler auf dem Markt angefangen, hatten dann entschieden, sich auch außerhalb umzusehen, bemerkt, dass damit viel Geld zu verdienen war und sich nach und nach Einfluss und Titel gekauft und nun saßen diese Familien auf ihren Familiensitzen wie Burgen inmitten der Stadt und schoben ihre Schiffe auf dem Myrtanischen Meer hin und her, je nachdem wo die Waren in ihren Bäuchen den höchsten Gewinn versprachen. Und im Rat von Gorthar, wo sie alle saßen, hackte auch keine Krähe der anderen ein Auge aus. Alles blieb, wie es war.
    Dumak hatte kaum bemerkt, dass er nun direkt im Kamin stand. Ob er es ganz nach oben aufs Dach schaffte? Aber dort saß er auch nur in der Falle. Er musste nach unten, um vom Anwesen verschwinden zu können.
    Seine Hand blieb an einem der Ziegelsteine hängen. Er war viel kleiner als die anderen, man konnte es durch den Ruß, der die Wand geschwärzt hatte, deutlich sehen. Was war das? Von einem unerklärlichen instinkt verleitet, befühlte Dumak den vorspringenden Stein, drückte darauf und er gab nach, verschwand in der Wand. Der Boden klappte geräuschlos weg und Dumak fiel nach unten.
    ›Aber so schnell doch auch nicht!‹, dachte er noch, ehe er auf einer Schräge landete und die Rutschpartie in einer Art Keller endete. Es war dunkel - was Kellergewölbe für gewöhnlich so an sich hatten. Wenn er nur noch eine von diesen Spruchrollen mit dem Lichtzauber hätte ... Aber die waren schon lange verbraucht. Es war viel Zeit vergangen, seit er sich so etgwas zum letzten Mal leisten konnte. Selbst seine geliebte Laute hatte er versetzen müssen. Nun gut, das hatte dazu beigetragen, dass er sich auf dieses bescheuerte Abenteuer eingelassen hatte. Der Barde sah sich um. Langsam gewöhnten sich die Augen an das kaum vorhandene Licht, das von irgendwo oben schummerig einfiel.
    Nein, das war kein Keller, es war eine Gruft. Ha! Beliar hatte ihn gerettet. Das hatte er ja gleich gewusst! Die Götter liebten ihn.
    Dumak tastete sich an einigen steinernen Sarkophagen vorbei, die verziert waren mit irgendwelchen Reliefs, deren Einzelheiten in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren. Vermutlich waren es die Beschreibugnen all der guten Taten der teuren Toten. Es war ja immer das Selbe. Ein Leben lang taten die Leute aus Eigennutz fragwürdige Dinge, aber am Ende wurde sich plötzlich an moralische Grundsätze erinnert, die bis dahin meist hinderlich waren. Über die Toten nur Gutes ...
    »Jetzt muss ich nur noch einen Ausweg finden.«
    Dumak sah sich um, nachdem sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Viel war nicht zu erkennen.

  19. Beiträge anzeigen #279 Zitieren
    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Viraya wirkte ruhig, allerdings nur gegen aussen. Sie dachte genau wie Medin, es war keine gute Lage in der sie sich befanden. Sich selbst überschätzende Männer mit Waffen in den Händen, waren nie eine gute Ausgangslage vor allem wenn sich in der Nähe andere bewaffnete Männer befanden. Sie prüfte ihre Fesseln, doch diese waren selbst für ihre zierlichen Handgelenke etwas zu eng geschnürt, um die Hände herauszuwinden. Die Aufmerksamkeit ihrer Bewacher hatte allerdings etwas nachgelassen. Sie wollte das Pferd etwas in Medins Nähe lenken, allerdings gelang ihr das nur mit den Beinen nicht. Sie fluchte innerlich. Aber Medin schien einen ähnlichen Gedanken gehabt zu haben. Er kam näher.

    "Wir müssen hier weg. Aber sollen wir einfach davon reiten, sie überzeugen, dass sie uns als Unterstützung brauchen oder hast du eine bessere Idee?"

  20. Beiträge anzeigen #280 Zitieren
    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Medin ist offline
    Medins Pferd scherte ein bisschen zur Seite aus, als er es versuchte nur durch den Einsatz seiner Beine in Richtung Viraya zu dirigieren. Was vor wenigen Minuten noch problemlos geklappt hatte, erwies sich nun als schwieriger. Das Tier nahm die Unruhe, die um sie herum aufgekommen war, auf und gab sie direkt an seinen Reiter weiter. „Ruhig“, flüsterte der Südländer ihm zu und strich ihm über die Mähne, ohne dabei zu sehr mit der Kette über den Hals zu rutschen. Das Glöckchen klingelte dabei leise.

    „Ich bin versucht, es einfach drauf ankommen zu lassen“, raunte er Viraya zu, als beide Pferde nebeneinander etwas zur Ruhe gekommen waren. „Aber wie sind unsere Chancen, gefesselt, ohne Verbündete? Sie würden uns jagen und wahrscheinlich auch kriegen.“ Ein schneller Seitenblick, niemand schien zu lauschen. Alle aufgeregt und mit sich selbst beschäftigt. „Es ist besser erst einmal bei ihnen zu bleiben. Wenn sie den Kampf gewinnen, sind wir erstmal sicher und wenn nicht … vielleicht werden wir dann ja befreit ...“ Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, denn Optimismus war sonst so gar nicht sein Markenzeichen. Aber hier hatte er wirklich das Gefühl, dass sie diese Situation doch als Chance nutzen konnten.

    „Hey!“, rief er dem Soldaten zu, der ihnen am nächsten war. „Kriegen wir auch Waffen oder sollen wir die Wilden zu Tode klingeln?“ Er hob dabei beide Arme, um auf die glöckchenbewehrte Kette aufmerksam zu machen.

    „Das hättet ihr wohl gerne“, gab der Soldat zurück, der unruhig wirkte und sich gar nicht mit den Gefangenen beschäftigen wollte.

    „Ist das dein Ernst? Die hören uns doch zwei Meilen gegen den Wind, wenn wir da mit unseren Ketten und Glöckchen drauf zu reiten. So geht euch die Überraschung verloren.“ Medin sprach nun ein bisschen lauter, damit es auch andere hörten. Der Soldat blickte fragend die Befehlskette nach oben, bis Flavius schließlich antwortete.

    „Krest“, sprach er den Soldaten an, „du bleibst mit den beiden Gefangenen etwas zurück. Wir brauchen sie, also pass auf, dass ihnen nichts passiert. Wenn sie versuchen zu fliehen oder uns zu verraten, halt sie auf. Sie kennen beide den Weg, also brauchen wir nur einen von ihnen lebendig.“

    Krest blickte missmutig zu ihnen hinüber und Medin wiederum zu Viraya.

    „Na immerhin besser als frontal da reinzureiten“, meinte er. Außerdem hatten sie jetzt nur noch einen Bewacher und auch wenn der ein gut ausgerüsteter Soldat aus der Leibgarde Sir Castors war, doch eher etwas, mit dem sie fertig werden konnten.

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