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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Es folgte eine kurze Diskussion. Aber Viraya war beharrlich, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, was sie plante. Dann war sie verschwunden. Sogleich verfiel sie in einen leicht trabenden Trott, denn sie wollte die letzte Sonnenstrahlen noch nutzen, um die Distanz, zwischen sich und diese Banditen, die sich Soldaten schimpften, so weit als möglich zu reduzieren. Schon bald sah sie die Rauchsäule und etwas später roch sie es auch. Aber es roch nicht nur nach verbranntem Holz, sondern auch nach Fleisch. Wieder ballte sie eine Faust. Dieses Mal aber nicht mit der leeren Hand, sondern mit dem Doch zwischen den Fingern. Dies war nicht Redsonjas Dolch, der sein Ziel zu verfehlen pflegte, sondern jener von Viraya, der zu treffen pflegte.

    Sie blickte grimmig, denn als sie noch näher kam, sah sie wie erwartet, dass ein Festschmaus mitten im Gang war. Die Soldaten taten was Soldaten immer taten. Sie forderten ihren Sold. Stürzten sich auf die Vorräte der Besiegten und verschmähten auch die zuvor als Hexen verdammten barbarischen Frauen nicht. Nun, jene die überlebt hatten zumindest. Dachte Viraya bitter. Sie war zu spät, um das Dorf zu retten, doch das hatte sie von Anfang an gewusst. Sie war keine Heldin und wollte auch keine sein, aber in einem war sie gut. Sie konnte geduldig auf den richtigen Moment warten. Nichts, was sie sah oder hörte, konnte sie dazu bewegen voreilig aus ihrem Versteck zu stürmen. Und sie sah viel in jener Nacht, noch bevor der Mond den Zenit erreicht hatte. Irgendwann schleppten einige Soldaten den Übersetzer herbei. Er wehrte sich, was die Soldaten in Verzückung zu versetzen schien. Ein Redensführer begann die anderen an zustacheln ihn zu foltern. Zum reinen Vergnügen. Er konnte nichts verraten, was ihnen von Nutzen war. Aber es schien sie zu amüsieren. Sie verspürte bloss Verachtung für Menschen die es nötig hatten zu so etwas an zustacheln und Mitleid für jene, die den Mut nicht aufbrachten sich dagegen zu wehren oder zumindest nicht daran teil zu nehmen. Auch sie beobachtete einfach, alle Vorbereitungen waren schon längst getroffen und sie brauchte nur noch zu warten. Einatmen, ausatmen. Ja, noch ein Schluck Bier und noch einer. Wenigstens das machten sie gut. Viraya brauchte noch nicht einmal etwas bei zusteuern. Wie war das nochmals, sie liess sich von nichts von ihrem Vorhaben abbringen? Der Redensführer von eben musste nämlich seine Blase erleichtern. Er taumelte in Richtung der Bäume unweit ihres Verstecks und erleichterte sich mit wohligem Grunzen. Ihre Finger zuckten. Er hatte eine Strafe verdient. Wie gut würde es sich anfühlen, wenn er in ihren Armen zusammensackte. Wenn sie ihm ins Gesicht spucken konnte wofür sie ihn bestrafte. Sie zitterte, war sprungbereit, verflucht sei ihr Vorhaben. Was wenn er nicht kam? Der Redensführer war zwar nicht der Ritter, aber immerhin ein Redensführer mit einem kleinen Gefolge. Auch das würde Eindruck machen. Besser er als niemand sprach das zweifelnde Stimmlein. Nein. Beschloss dann aber die gewohnte alte Stimme. Ihn musste sie anderen überlassen, denn sie lauerte auf etwas Anderes, etwas ganz Bestimmtes. Nichts sollte sie davon abhalten.
    Erst eine halbe Ewigkeit später erhob sich der Ritter. Auch er suchte die Büsche und fand sie. In der Ferne tanzte das Feuer. Viraya erkannte sogleich, dass er nicht schwankte wie die Meisten. Er hatte nicht getrunken, daher brauchte er sich auch nicht so oft zu erleichtern wie die anderen. Nein, er war einer jener, die kaltblütig berechneten, in jeder Situation ihre Sinne beisammen hatten und denen schlicht und ergreifend jegliche Art von Skrupel fehlte. Sie hatte genug Menschen dieser Sorte getroffen. Menschen, die nur nach dem eigenen Nutzen und einer Vermehrung ihrer Macht strebten. Die Gottesgläubigkeit nur vorhäuchelten, um die Gläubigen hinter sich zu scharen und sie für ihre Zwecke einzusetzen. Die nichts auf dieser Welt jedoch längerfristig glücklich machen konnte, denn hatten sie einmal Macht über andere erlagt, so wollten sie nur noch mehr davon. Sie waren der Krebs dieser Welt. Sie kniff die Augen zusammen, schaltete sämtliche dieser Gedanken aus und näherte sich vorsichtig. Sie brauchte sich allerdings nicht speziell Mühe zu geben keinen Laut zu machen, denn obwohl der Ritter nicht betrunken war, so fühlte er sich so sicher, dass er selber genug Lärm verursachte und dass er seine Rüstung abgelegt hatte. Sie war schnell hinter ihm, schoss hoch und rammte ihm ohne ein Wort zu verlieren den Dolch in den Rücken. Er war perfekt platziert. Das musste man Andreja lassen. Sie war eine Mordwaffe wenn es darauf an kam. Sie hatte gelernt den Menschen nicht vorher zu erklären, warum sie sterben mussten. Sie waren sowieso uneinsichtig und es gab ihnen nur die Möglichkeit um Hilfe zu schreien. Das alles nur für etwas Dramatik und Genugtuung. Das war es nicht wert. Stattdessen vollbrachte sie einfach ihre Tat, ohne diese Genugtuung, ohne Stolz. Wie sie es gelernt hatte fing sie seinen Sturz auf, sodass der Aufprall keinen zu grossen Lärm verursachte und zog ihn etwas weiter in den Wald. Dort ritzte sie ihre Rache in den Boden. Wenn sie schon an Geister glaubten, dann sollten sie das doch. Dachte sie grimmig.

    «IHR SEID VERFLUCHT»

    Kritzelte sie mit nicht gerade eleganten, aber leserlichen Buchstaben in den Schlamm zu seinen Füssen. Man erkannte schon, dass sie erst vor einigen Jahren gelernt hatte zu schreiben. Aber dadurch erschien es umso glaubwürdiger. Nun war aber Eile geboten, denn der Ritter würde inzwischen normaler Weise zurückkehren. Also holte sie schnell die Puppen, die sie während des Wartens aus getrocknetem Heu und ein paar Ästen gefertigt hatte, steckte sie hinter dem Verstorbenen in den Boden, friemelte mit ihrem Feuerstein herum und entflammte die Puppen.
    Hätte sie die Zeit dazu gehabt, hätte sie eine Szene wie aus dem Theater gesehen. Die Puppen fingen schnell Feuer, am Lager kam Unruhe auf, denn die ersten schienen den Ritter bereits vermisst zu haben. Der erste ganz betrunkene schrien einen Sprich in den Wald. Dann kam langsam Unruhe auf, denn die Puppen hatten richtig Feuer gefangen, sodass nun vom Lager aus zu erkennen war, dass etwas nicht stimmte. Die ersten starrten neugierig in den Wald. Der Redensführer liess einer seiner Lakaien den Helden spielen und voran gehen. Dieser kam schreiend zurück. Er war bleich im Gesicht und stammelte etwas Verstörtes. Nun zogen betrunkene Männer Waffen. Gemeinsam waren sie stark und mutig. Aber nur gemeinsam. Sie kamen rechtzeitig um im gespenstischen Schein der lichterloh flammenden Puppen den Ritter in seinem eigenen Blut liegen zu sehen. Sie entzifferten die Schrift und eine Interpretation jagte die anderen.
    Aber das alles konnte Viraya nur vermuten, denn sie rannte erst geduckt und leise, dann einfach nur so schnell wie sie konnte davon und sie würde nicht aufhören zu rennen, ehe sie ihren Lagerplatz mit brennender Lunge erreichte. Dort würde sie sich zu den anderen legte, als wäre sie niemals fort gewesen und mit geschlossenen Augen, aber ohne Schlaf zu finden auf den Morgen warten. Innerlich zitterte sie, war ausgelaugt und erschöpft. Aber es war vollbracht.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Als Viraya noch in der Nacht schließlich wieder zurückgekehrt war, hatte Medin noch wach gelegen. Ihre Rückkehr hatte gemischte Gefühle hervor gerufen. Einerseits war er beruhigt, dass sie es anscheinend geschafft hatte. Andererseits konnte er sich denken, dass das, was sie erledigt hatte, nicht weniger Ärger bedeutete. Doch er war liegen geblieben und hatte sich nicht geregt. Auch am Morgen, als sie bereits mit den ersten Sonnenstrahlen ihr Lager abbrachen und rasch weiter zogen, wurde nicht über die vergangene Nacht gesprochen. Schweigen legte sich genau wie der Morgennebel über die Gruppe, deren Reittiere die gesprächigsten Mitglieder waren.

    Erst als sie schon einige Zeit geritten und davon auch etwas aufgewärmt waren, löste sich die Verschwiegenheit in Medin langsam. Er kannte Viraya nicht besonders gut, obwohl sie nun schon eine Weile unterwegs waren. Ihr Verschwinden letzte Nacht war eine Offenbarung der ganz eigenen Art gewesen.

    „Hast du letzte Nacht gefunden, wonach du gesucht hast?“, fragte er sie, nachdem er sein Pferd neben ihres hatte zurückfallen lassen.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya nickte. Es folgten zwei Herzschläge der Stille. Dann fügte sie, um es noch zu verdeutlichen hinzu:

    "Ja."

    Dieses Ja hallte wieder in ihrem Inneren. Mehr sagte sie nicht, denn sie wusste nicht, was ihre Gefährten davon halten würden und wenn sie dazu befragt würden, dann wäre es besser, wenn sie nichts wussten. Sie ritten eine Weile schweigsam nebeneinander. Dann durchbrach Viraya die Stille, ehe Medin weiter fragen konnte.

    "Was machen wir in Usa?"

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Eine knifflige Frage. Sie waren mit einem konkreten Auftrag losgeschickt worden, aber Medin fühlte sich mehr und mehr nicht willig diesem noch zu folgen. Wenn sie schon in einem kleinen Gebirgsdorf in solche Konflikte verwickelt werden konnten, dann dürfte eine Handelsstadt sich als echtes Wespennest erweisen. Und gerade Viraya bewies mehr und mehr Talent darin sich in solche Konflikte hinein ziehen zu lassen.

    „Den Kopf unten halten und uns ein wenig mit der Lage vertraut machen“, antwortete er vage. „Auf alle Fälle sollten wir versuchen nicht mehr diesen Rittern zu begegnen, die uns vor dem Dorf gesehen haben. Ich habe wenig Lust mich in Streit und Politik der Stadt hineinziehen und instrumentalisieren zu lassen – für niemanden“, fügte er bestimmt hinzu. „Wir könnten uns auch nach einem Schiff umhören. Richtung Festland oder Argaan – ich würde selbst nach Khorinis fahren, um mehr Distanz zwischen mich und Gorthar zu bringen.“

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    Viraya nickte, doch ein dumpfes Gefühl sagte ihr, dass es anders kommen würde. Sie liess dem Gefühl allerdings keinen Platz, sondern fokussierte sich auf das sanfte Wiegen des Pferdes unter sich. Sie mochte dieses Schaukeln auch wenn das Biest sie manchmal spontan abschütteln wollte. Und als hätte das Pferd diesen Gedankengang gespürt, begann es unruhig zu werden. Also fokussierte Viraya noch stärker auf das Geschaukel und versuchte darin auf zu gehen, ihre Bewegungen damit in Einklang zu bringen, als wären sie eins. Und plötzlich ging es besser. Weniger Reibung, weniger Widerstand. Sie lächelte sanft.

    "Was kannst du mir eigentlich noch über das Reiten beibringen?"

    Wechselte sie dann das Thema.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    „Eine Menge“, entgegnete er, um die Stimmung etwas aufzulockern. Es stimmte auch. Viraya war in der Lage längere Strecken souverän im Sattel zu verbringen, was von Neulingen auf dem Rücken von Pferden oft unterschätzt wurde. Vor allem aber konnte sie inzwischen öfter dem Pferd ihren Willen aufzwingen als umgekehrt, auch wenn sich ihr Tier in Stresssituationen noch immer stark an dem das Medin ritt orientierte. Wahrscheinlich war das etwas, an dem sie arbeiten sollten.

    „Wenn ihr beide in die selbe Richtung wollt klappt es ja schon ganz gut, aber du musst langsam lernen das Pferd auch bei Gefahr gefügiger zu machen“, erklärte er und steuerte sein Pferd dichter neben das von Viraya, bevor er hinzufügte: „Das könnte bald nützlich sein. Der Instinkt gebietet dem Pferd vor einer Bedrohung zu fliehen oder ihr auszuweichen. Wenn du kontrollieren willst, das es in so einer Situation tut, musst du es davon überzeugen, dass deine Idee besser ist als die kopflose Flucht. Das Prinzip ist dabei dasselbe wie sonst auch. Versuche deine Bewegungen an den Rhythmus des Pferdes anzupassen. Es darf dich unter Druck nicht als Störfaktor empfinden. Das ist schwieriger, da es unvorhersehbarere Bewegungen machen wird, aber wenn du es schaffst, wird es auch auf Impulse hören, die du ihm gibst.“

    Der Pfad auf dem sie ritten folgte den Böschungen eines kleinen Bachbetts, das aufgrund der Schneeschmelze schon einiges an Wasser führte.

    „Aufgepasst!“

    Ohne ihr Zeit zur Vorbereitung zu geben ritt Medin noch näher an Viraya heran, sodass die Flanke seines Pferdes die des anderen tuschierte. Es wich ein wenig in Richtung Bachbett zurück, aber viel Platz war nicht mehr. Der Ritter ließ nicht locker und drückte sein Reittier noch ein bisschen stärker gegen die Schulter des anderen Pferdes. Das wieherte nervös auf und schien in Richtung Wasser ausbrechen zu wollen.

    „Folge mit deinem Körper seiner Bewegung, aber versuch es vom Wasser wegzulenken.“

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Das war interessant, manchmal wusste man etwas im tiefsten Innern, aber die Worte fehlten, um es zu erkennen und damit auch umzusetzen und genau so war es nun bei Medins Erklärung. Er vermochte das in Worte auszudrücken, wonach sie die letzten Monate vergeblich gesucht hatte und sie liess sich darauf. Sie versuchte die Bewegungen des Pferdes zu erraten, ging mit und gab dann nur genau in dem Moment, wo sie nicht einverstanden war einen kleinen Impuls mit den Fersen. Und genau das war der kleine Unterschied. Sie wurden eins und doch diktierte Viraya und schaffte es tatsächlich das Pferd am Wasser vorbei zu lenken. Als Medin sah, dass es ihr gelang, bedrängte er sie erneut. Wieder blieb Viraya ruhig und merkte, dass die Ruhe auch auf ihr Tier über ging. Dadurch vermochte sie es zu lenken. Nun, da sie das erfasst hatte, legte sich ein feines Lächeln auf die Lippen der Diebin und sie begann langsam Medins Pferd zurück zu drängen, wie er es vorher getan hatte. Sie merkte, wie die Situation langsam angespannter wurde und dann geschah es. Sie wusste nicht genau, wie er das getan hatte, aber als nächstes flog sie wie in Zeitlupe aus dem Sattel und landete Hintern voran im Wasser. Sie lachte. Ein Versuch wars wert und irgendwann würde dies auch dem stolzen Ritter passieren.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Viraya lernte schnell und wie alle schnellen Lerner war sie übermütig geworden. Doch auch wenn Stürze von einem Pferderücken nicht mit Leichtsinn riskiert werden durften, war es gut wenn sie sich daran gewöhnte. Lieber in einem Bachbett als in einem Graben mit Verfolgern auf den Fersen. Sie nutzten diesen und die nächsten Tage noch weiter, um auf ihrer raschen Reise immer wieder ein paar ähnliche Übungen einzustreuen. Mal versuchte Medin sie in eine Hecke zu drängen, mal musste Viraya eine sandige Halde hinab reiten. Sie machte beständig Fortschritte.

    Währenddessen veränderte sich auch die Landschaft. Immer mehr Vegetation hielt Einzug in die Hochebene, die langsam aber sicher weiter in Richtung eines näher kommenden Meeres abfiel. Das Klima wurde etwas wärmer, auch wenn das vorerst nur bedeutete, dass der schneidend kalte Wind nicht mehr ganz so tief durch die Mäntel der Reiter drang. Sie wagten es noch nicht das Reisetempo zu verringern, denn die Ritter aus dem Dorf mochten noch immer ihren Spuren folgen.

    Am Abend des dritten Tages schlugen sie ihr Nachtlager unterhalb einer Böschung auf. Der Hang war mit Sträuchern bewachsen und bot guten Schutz vor dem Wind, während der Untergrund weich genug war, um als angenehmer Schlachtplatz zu dienen. Als Medin mit den Pferden von einem nahen Bach zurückkam, hatten Kortis und Viraya bereits ein kleines Feuer entfacht. Es würde nicht lange brennen, aber ihnen zumindest in der Abendstunde etwas Wärme spenden.

    „Die Pferde sind erschöpft“, teilte er den anderen beiden mit und band die Tiere an einem toten Baumstamm fest. „Wir sollten es etwas ruhiger angehen lassen, sonst beginnen sie noch zu lahmen. Ich habe den Eindruck, das meines schon kleinere Schritte als sonst macht. Also keine Experimente und keine Übungen mehr, bis wir die Stadt sehen können.“

    Am Morgen hatten sie einen Ziegenhirten getroffen, der ihnen versichert hatte, dass sie auf dem richtigen Weg waren und wahrscheinlich nur noch zwei Tagesritte von Usa entfernt. Wenn das stimmte, dann müssten sie morgen bereits das Hochland nahe der Küsten und die ersten Höfe und Felder erreichen. Von allem was er gehört hatte war Usa an einer felsigen Küste gelegen und lebte vom Seehandel, doch im Landesinneren würde es sicher viele Höfe, Dörfer und Weiler geben, die die Nähe zum Markt suchten.

    „Nach allem was uns dies- und jenseits der Berge widerfahren ist, sollten wir nicht unter unseren wahren Namen reisen“, gab der Ritter zu bedenken. „Ich für meinen Teil werde mich als Coën aus Myrtana vorstellen.“

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya nickte. «Ich bin Irma und bin dazu da mich um die Pferde zu kümmern.»
    Sie hatte keine Lust die feine Dame zu mimen und bei den Dienstboten war sowieso meist mehr interessante Information zu finden. Zudem hatte sie ihr störrisches Pferd ins Herz geschlossen. Der Umgang war viel einfacher als mit Menschen und der Charakter dies Tiers gefiel ihr. Es war so richtig listig, doch im Endeffekt wusste es genau, wann es Viraya abwerfen konnte und wann nicht. In den entscheidenden Momenten hatte es sie nämlich nie im Stich gelassen. Bisher zumindest. Kortis entschied sich dazu ihr Mann zu sein und das war wahrscheinlich eine sehr weise Wahl, denn dadurch waren sie nicht mehr drei Einzelreisende. Sie verstauten die Kleidungstücke, die nicht zu ihrer neuen Rolle passten, in den Satteltaschen und stapften leicht klopfenden Herzens auf Usa zu.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin ist offline
    Der erste Anblick von Usa, den die drei Reisenden erhaschten, war wehrhaft und majestätisch zugleich. Von der Landseite her schon seit Stunden durch Felder und Weiden zwischen Wirtshäusern und Höfen hindurch reitend hatten sie schon länger ihre Mäntel hinten auf den Sätteln verstaut, denn die Sonne wärmte hier nahe des Meeres wesentlich stärker als auf der Hochebene im Hinterland. Irgendwann dann tauchte die Stadtmauer von Usa auf.

    Die Mauer verriet auf den ersten Blick, dass diese Stadt sich dem Meer hin zugewandt hatte und das Hinterland eher als eine Art bedrohlichen Raum wahrnahm. An jeder Stelle mindestens sechs Meter hoch war sie außen glatt gearbeitet und sauber verfugt. Ein durchgehender, trocken liegender Graben erhöhte sie noch zusätzlich und wurde nur an den Stellen der beiden kleinen, massiven Torhäuser von einer Steinbrücke überwunden, deren Enden in einer hölzernen Zugbrücke mündeten. Auf den dicken Zinnen flatterten hier und da rot-blaue Banner im Wind.

    Am späten Nachmittag waren die Tore offen, sodass sich Coën, Irma und Hrolf – wie sich Kortis hier nennen wollte – in den überschaubaren Strom einiger Händler und Reisender mischten. Die Torwächter hielten jeden an, stellten ein paar obligatorische Fragen und untersuchten Karren auf ihre Ladung. Obwohl sie die Reisenden nach Herkunft und auch ihrer Bewaffnung fragten, wirkten sie nicht grundsätzlich abweisend. Aus dem Norden sei man über das Gebirge gezogen, antworteten sie wahrheitsgemäß, um Korrespondenzen zu überbringen und dann Überfahrt auf einem Handelsschiff zu suchen – nicht mehr ganz so wahrheitsgemäß. Aber viele Reisende kamen wohl aus diesem Grund und so durfte man schließlich passieren.

    Usa selbst war eine florierende Stadt. Obwohl sie bei weitem nicht so groß wie Vengard oder Gorthar war, schien der Seehandel sie reich gemacht zu haben. Viele der auf den steilen Küstenhügeln aneinander gedrängten Häuser waren komplett aus hellem und rötlichem Stein gebaut worden und so einige Straßen waren gepflastert. Es gab mehrere kleinere Handelsplätze und einen größeren Marktplatz, an dem sich die Häuser der reichen Bürger und der Stadtobrigkeiten aneinander reihten. Geschützt in der Bucht zwischen mehreren hohen Klippen lag der Hafen, der ohne Zweifel das Herz dieser Stadt war. An Kaimauern und Holzstegen lagen allerlei Handelsschiffe und auch die eine oder andere Galeere. Türme auf den Klippen ließen keinen Zweifel daran zu, dass die Zufahrt von See her ohne Probleme kontrolliert werden konnte. Auf dem höchsten Hügel, der auch in einer fast senkrechten Klippe am Meer endete, thronte ein wehrhafter Palast.

    Nachdem sich die drei Neuankömmlinge noch etwas in der Stadt orientiert hatten, mieteten sie sich in einem der zahlreichen Gasthäuser ein, die für Durchreisende, Kleinhändler und kleinere Geldbeutel gedacht waren. Im Hinterhof gab es einen Stall für die Pferde, während sich ihre Reiter in einem Schlafsaal im Obergeschoss niederlassen konnten. Zunächst aber suchten sie bei etwas Dünnbier und Brot Rast an einem abgelegenen Tisch in der Schankstube, die sich noch nicht gefüllt hatte. Der Abend brach gerade erst herein.

    „Wir sollten Benos Brief überbringen“, meinte Medin, nachdem er den ersten Bissen von einem Kanten Brot hinunter gekaut hatte. Es tat gut mal wieder etwas anderes als Reiseproviant zu essen. „Bedeutet wahrscheinlich viel Herumfragerei, aber so lernen wir auch etwas über die Stadt. Und deine Kontakte – so du welche hast – möchte ich eigentlich nicht nutzen“, fügte er an Viraya gewandt hinzu.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin ist offline
    Zwei Tage waren sie nun schon in Usa und hatten bisher relativ wenig über Beno herausgefunden. Die Suche glich der nach einer Nadel im Heuhaufen. Obwohl der Name hier nicht so häufig war, waren sie von Schankwirten und Händlern schon an mindestens drei so genannte Personen verwiesen wurden, die sie aber nicht weiter ausfindig machen konnten oder bei denen es sich einfach nicht um die gesuchte Identität des Toten handelte. Die äußerliche Beschreibung der gefrorenen Leiche, die sie unterhalb des Passes begraben hatten, gab auch nur bedingt Aufschluss.

    „Auch keine Anzeige nach einem vermissten Beno von einer vermissenden Emma, liebe Irma“, schloss Medin nach dem Studium der Aushänge und Pamphlete am schwarzen Brett eines der Handelsplätze im Duktus der Lektüre. „Mir scheint wir brauchen doch die Hilfe deiner Freunde, um mit diesem Brief nicht wieder die Stadt zu verlassen.“

  12. Beiträge anzeigen #252 Zitieren
    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Natürlich hatte Viraya nicht auf diese Aussage gewartet, sondern vorher schon ein bisschen etwas arrangiert. Sehr diskret, denn Medin und Kortis waren beide zu scharfsinnig, als dass sie so einfach ihre Spielchen treiben konnte und sie war auf die beiden angewiesen. Es hatte sich allerdings als schwieriger gestaltet, als sie gedacht hatte, denn Viraya hatte Andreja den Rücken zugewandt. Sie musste vorsichtig sein. Sie quittierte die Aussage also nur mit einem vielsagenden Lächeln und nickte.
    Zwischen diesem Zeitpunkt und jenem von dem hier berichtet wird, verstrichen mehrere Wochen vollkommen ereignislos, bis Viraya es endlich schaffte ein Treffen zu arrangieren. Nicht für alle drei, nur für sich und sie war leicht nervös. Denn diese Treffen waren immer gefährlich. Vor allem weil sie den anderen nichts davon erzählen durfte. Auch das ignorierte sie. Sie berichtete Medin davon, als sie während eines Sturms auf der Stadtmauer standen und zuschauten, wie die Wellen gegen die Mauer schlugen und schäumend ins Meer zurück flossen. Bei dem ganzen Getöse, konnte sie sich sicher sein, dass niemand in ihr Gespräch hinein horchte. Sie gab ihm den genauen Treffpunkt an und die Zeit und war inzwischen sehr froh darüber, denn ein düsteres Gefühl sagte ihr, dass etwas mit ihrem Kontakt nicht stimmte. Dennoch ging sie. Wegen eines Briefs. Sie war wirklich verweichlicht. Früher hätte sie ihn verwendet um jemanden zu erpressen, heute wollte sie ihn ernsthaft übergeben und fragte sich, wie sie die Witwe trösten konnte. Sie seufzte unhörbar, überprüfte ihren Dolch und ging voran.

    In einem Durchgang zwischen zwei Häusern wurde sie erwartet. Sie mussten ihre kaum hörbare Schritte schon gekannt haben. Sie das waren zwei vermummte Gestalten. Sie kannte weder einen Namen, noch ein Gesicht, doch sie waren unvorsichtig, denn eine der beiden Stimmen erkannte Viraya. Oder war das Absicht? Sie liess sich auf jeden Fall nichts anmerken und beantwortete einige Fragen, die eher im Plauderton daher kamen, als wären sie alte Freunde. Dann überreichte sie ein winziges Säcklein. Darin war Asche. Die Asche eines geliebten Menschen von einer Person in dieser Stadt. Es war Virayas einzige Devise und sie musste sie schon so früh verpulvern und dafür. Aber sie konnte nicht nach Beno und Emma fragen, denn das würde Emma augenblicklich in Lebensgefahr bringen. Jede Person hier würde vermuten, dass Emma in irgendetwas wichtiges verstrickt war. Stattdessen lernte sie über die Machtverhältnisse in Usa und wer am verwundbarsten ist. Wem man nicht in die Quere kommen sollte weil sie zu stark waren und wem man nicht in die Quere kommen sollte weil sich sonst die vermummten Gestalten gegen einen wenden. Sie waren erstaunlich gesprächig.

    "Warum erzählt ihr mir das alles?"
    Fragte Viraya irgendwann und kniff die Augen zusammen.
    "Weil du eine jener bist, die noch lebt."
    Sie nickte. Das war ein Argument.
    "Noch."
    Entgegnete sie indessen.
    "Noch."
    Antwortete die bekannte Stimme der beiden. Viraya überging das, was man als Drohung hätte sehen können komplett und fragte stattdessen.
    "Habt ihr Kontakte zu den Banditen in den Bergen?"
    Die beiden bejahten.
    Viraya:"Worauf machen sie jagt."
    Vermummte: "Geld?"
    Viraya: "Du weisst, was ich meine."

    Die beiden schauten sich an, obwohl da nicht so viel zu sehen war. Viraya musste lachen und unterdrückte es nicht. Es löste ein bisschen die Anspannung, tat gut.
    Vermummte: "Der König scheint sie zu bezahlen. Wie weisst du davon?"
    Viraya: "Ich habe eine Leiche gefunden."

    Nun waren es plötzlich die beiden, die sehr interessiert waren. Zu interessiert. Viraya weigerte sich Informationen ohne Bezahlung heraus zu geben. Die beiden boten ein paar Münzen, doch Viraya schüttelte bloss den Kopf.
    "Das ist viel wichtiger als ein paar Münzen und das werde ich sicher nicht nur mit euch beiden besprechen und auch nicht alleine."
    Sie pokerte hoch, denn sie hatte keine Ahnung wie weittragend es war. Sie folgte ihrem blossen Instinkt und behielt recht. Dieser Brief konnte sehr viel wert sein. Nur schade, dass darin nicht mehr Information war. Sie würde das ganze mit ihren beiden Gefährten an einem sicheren Ort besprechen müssen, denn nun waren alle Augen auf sie gerichtet. Sie hatte in ein Wespennest gestochen.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin ist offline
    Ein wenig unruhig kratzte Medin mit seinem Finger auf dem Holz des Fensterladens, neben dem er seinen Posten bezogen hatte, herum. Der alte Soldat hatte Erfahrung darin zu warten, stundenlang in einem Versteck auszuharren und dabei darauf zu achten, dass die Sehnen warm blieben und das Schwert locker saß. Seine Sinne waren auf die Umgebung gerichtet, aber nicht vollends. Etwas beschäftigte ihn dieses Mal auch von innen heraus. Er wusste nicht, wie Virayas Treffen verlief. Zwar hatte er angeboten, den Ablauf von einem verborgenen Beobachtungsposten aus zu überwachen, aber die Intrigantin hatte vehement dagegen insistiert. Man hatte es hier nicht mit Amateuren zu tun und sie wären in größerer Gefahr, wenn die merken würden, dass etwas nicht stimmte. Das hatte sie ihm zumindest gesagt. Vielleicht handelte sie mit ihren Kontakten gerade auch einen Deal aus, der Medin und Kortis verkaufte. Oder sie hatte sich verkalkuliert und lag nun mit einer Klinge im Bauch im Dreck einer einsamen Gasse. Er war sich nicht sicher, welche Vorstellung ihn mehr beunruhigte.

    Natürlich hatten Medin und Viraya sich nicht in ihrem Quartier verabredet, sondern Ort in der Nähe ihres Kontakttreffens als Sammelort vereinbart. Es war eine um die Abendstunden recht verlassene Gasse, wie es in diesem Teil Usas viele zu geben schien. Umgeben von teilweise wild gewachsenen Hafenarbeiterquartieren, die die Zwischenräume zwischen älteren Steinhäusern aus einer besseren Zeit füllten wie der Sand den zwischen Steinen in einem Holzeimer, hatte der Paladin einen Wachposten in einem kleinen, schuppenartigen Holzverschlag bezogen. Das einzige Fenster, das zu Gasse hin zeigte, war durch besagten Laden verschlossen, doch die Bretterwand verfügte über genügend Astlöcher und Ritzen, um die Umgebung in vielen Winkeln im Blick zu behalten, während die Dunkelheit eine eigene Entdeckung unwahrscheinlich machte. Kortis war nicht mit dabei. Er hielt in der Schänke die Stellung.

    Eine gefühlte Ewigkeit wartete er schon, bis er Schritte vernahm. Es waren nicht die ersten seit seiner Wache, doch dieses Mal kamen sie ihm vertraut vor. Kurz darauf bog tatsächlich eine Person von Virayas Gestalt in die Gasse ein, die sich auch wie sie bewegte. Ohne sich umzusehen ging sie an dem Verschlag vorbei. Medin wartete – wie vereinbart – noch einige Minuten um sicher zu gehen, dass niemand folgte. Als niemand weiter zu kommen schien, schob er leise die Brettertür des Verschlags auf und glitt in die Nacht hinaus. Kurze Zeit später erreichte er den Treffpunkt, an dem Viraya bereits wartete. Es war der Rand eines alten Friedhofs – man konnte sich nicht immer auf der Mauer über den Klippen treffen.

    „Der Brief könnte kodiert sein“, war sein erster Gedanke, nachdem sie ihm die wichtigsten Erkenntnisse aus ihrem Treffen mitgeteilt hatte. „Auch wenn das ein ziemlich guter Schlüssel sein müsste, denn das wäre eine ziemlich glaubhafte Tarnung, die von einem Sterbenden verfasst wurde. Aber damit hätten wir zumindest eine Erklärung, warum hier einfach kein Beno und keine Emma zu finden sind.“

    Oder aber, und das war auch eine recht plausible Erklärung, an diesem Todesfall war wirklich nicht mehr dran als es erst den Anschein hatte. Aber selbst dann konnte man den Fund als Vorwand nutzen, auch wenn Medin immer noch wohler dabei wäre, wenn sie den Brief einfach an diese Emma übergeben konnten. In jedem Fall war die Frage, was Viraya hier tun wollte.

    „Wenn du recht hast, scheinen Andrejas Tod und die ganzen Kämpfe selbst hier ein Vakuum hinterlassen zu haben. Du könntest die Gelegenheit nutzen, dieses Vakuum ein bisschen zu füllen – die Frage ist, ob du das willst?“, fragte er sie direkt heraus. „Wenn du meine Meinung dazu wissen willst: Ich glaube, dass diese Stadt über kurz oder lang zu einem Pulverfass wird. Der König bezahlt Banditen in den Bergen und schickt Ritter in das Umland, um die Stämme dort zu terrorisieren. Ich will mir gar nicht vorstellen, was für Intrigen in den Salons der Händler und Hinterzimmern des Palastes gesponnen werden … aber ich bin mir sicher, dass man hier noch einen sehr viel schnelleren Tod finden kann als Beno in den Bergen.“

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    "Wir oder der König."

    Sprach Viraya ganz ruhig.

    "Aber darüber können wir später wer weissen, erstmals sollten wir diesen Brief entschlüsseln, denn ich denke du hast Recht. Da muss irgendetwas kodiertes mit drin sein. Oder..." Viraya hielt inne. "... sie wollen dass wir glauben, dass es etwas kodiertes ist, doch es gibt irgendein Gift, das herauskommt, wenn man versucht das Pergament mit etwas zu manipulieren. Zum Beispiel mit einer Kerze."

    Viraya blickte Medin etwas ratlos an.

    "Es passt einfach alles nicht ganz zusammen. Emma und Beno könnten beides Abkürzungen sein oder Kosenamen."

    Sie schüttelte erneut ratlos den Kopf. Als Kortis wider der Abmachung hinzu kam. Er schleppte ein Kind mit sich, das Beno wie aus dem Gesicht geschnitten schien.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Die beiden staunten nicht schlecht, als Kortis mit dem Jungen zu so später Stunde zu ihnen kam. Sie hatten ihm für den Notfall Bescheid gesagt, wo sie sich treffen wollten, und dass er von diesem Wissen nun Gebrauch machte, unterstrich die Dringlichkeit. Der Junge war die Antwort auf die Frage nach dem Warum, warf aber auf der anderen Seite wieder eine Reihe neuer Fragen auf.

    Ein Friedhof war jedoch nicht der passende Ort, um sich mit einem Jungen zu unterhalten. Der Knabe mochte gerade einmal zehn Winter gesehen haben und müsste um diese Zeit eigentlich schon längst im Bett liegen. Da dem nicht so war, verlegten sie den Ort des Gesprächs wieder in die Schänke. Der Schankraum war bereits leer und nachdem sie dem schlaftrunkenen Wirt versichert hatten, dem Jungen nicht mehr als etwas Dünnbier zu geben, konnten sie sich an einen einsamen Tisch in der Ecke zurückziehen.

    „Der Wirt hat sich erinnert, dass wir nach einem Beno gefragt haben und einen seiner Gäste zu mir geschickt“, antwortete Kortis auf die Frage, wie er den Jungen gefunden hatte. „Es stellte sich heraus, dass dieser Gast ein Baumeistergeselle ist, der gerade bei den Ausbesserungsarbeiten an einem Kloster direkt vor der Stadt beschäftigt ist. Und in diesem Kloster erhält er hier gerade seine innosgefällige Schulbildung. Da seine Eltern beide verschwunden sind, haben sich die Mönche seiner angenommen. Junge, sag den beiden, wie du heißt.“

    Der Junge schien von der Situation reichlich überfordert zu sein und Medin wollte gar nicht wissen, wie Kortis ihn so schnell aufgetrieben und hierher gebracht hatte, oder wann er ihn wieder in der Klosterschule abliefern musste. Aufgeregt blickte das Kind mit verquollenen Augen zwischen den dreien hin und her. „N-Ninett, Herr“, antwortete er dann.

    „Und wie heißt dein Vater?“

    „Beno“, antwortete er wieder und Medin schmerzte der Gedanke, dass dieses Kind seinen Vater wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Zu sehr erinnerte es ihn an seinen eigenen Verlust, als dass die Abgestumpftheit eines Kommandanten, der zahlreiche Witwen und Waisen gesehen hatte, die Oberhand hätte behalten können.

    „Was ist denn mit deiner Mutter?“, fragte er den Jungen, um hoffentlich zu einem erfreulicheren Thema zu wechseln. Laut Kortis Erzählung war der Junge ja nun allein.

    „Weiß nicht“, antwortete das Kind nur. „War nicht mehr da seit Vater weg ist.“

    „Erinnert ihr euch an den Brief?“, intervenierte Kortis, der die vorherige Unterhaltung über eben dieses Briefstück und seinen Inhalt ja verpasst hatte. „Passt auf: Ninett, wie heißt deine Mutter?“

    Ninett schaute ihn an, eine Mischung aus stumpfer Gleichgültigkeit, Traurigkeit und Unverständnis in den Augen. „Asa“, antwortete er dann. Da hatten sie ihr erstes Puzzlestück.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Inzwischen hatten sie den kleinen Ninett wieder im Kloster abgeliefert. Die Wachen hatten sie zu diesem Zweck zwar aus der Stadt raus, aber nicht wieder hinein gelassen. Nachts waren die Tore für Reisende versperrt und so mussten Viraya, Kortis und Medin im Pferdestall eines der Gasthäuser vor der Stadt übernachten. In einer leeren Pferdebox hatte sich jeder ein bisschen Stroh so zusammen gerafft, dass es als passable Schlafstatt reichen würde. Doch da sie die letzten Gestrandeten der Nacht waren – andere Reisende schienen noch ein Zimmer oder gar Einlass in die Stadt gefunden zu haben – hatten sie auch die Gelegenheit noch etwas allein ihre neuen Erkenntnisse auszutauschen.

    „Mir dreht sich der Kopf“, brummte Medin. „Konspirative Treffen, codierte Briefe, ein Kind ohne Vater und ohne Mutter, und obendrein auch noch mit der falschen Mutter.“

    „Der Brief scheint eine geheime Nachricht zu beinhalten, wenn er an eine Emma adressiert ist, die es gar nicht zu geben scheint“, resümierte Kortis, der inzwischen auf dem neuesten Stand von Virayas Treffen war.

    „Oder Beno hat einfach mehrere Kinder mit mehreren Frauen … wäre auch eine Möglichkeit“, gab Medin zu bedenken. „Aber ich habe das Gefühl, dass wir hier einer Sache auf der Spur sind und obgleich ich mir nicht sicher bin, ob ich da weiter hinein geraten will, müssen wir die Sache mal pragmatisch betrachten. Wir sind eine ganze Weile unterwegs und haben nicht mehr viel Geld übrig. Entweder wir verkaufen die Pferde, dann sitzen wir aber erst einmal hier fest. Oder wir treiben anderweitig Geld auf und du scheinst ja bereits Interessenten für die brisanten Informationen gefunden zu haben“, wandte er an Viraya.

    „Dann brauchen wir aber schleunigst einen Plan. Denn wenn wir hier weiter im Dunkeln herum stochern, bekommen die ihre Informationen wahrscheinlich von woanders.“ Damit hatte Kortis recht.

    „Wir müssen den Brief entschlüsseln. Sobald wir morgen wieder in die Stadt kommen, suchen wir einen Alchemisten, der sich mit solchen Dingen auskennt.“ Medin gähnte. „Und wenn wir die Informationen an den Mann gebracht haben, lassen wir diese Stadt hinter uns.“

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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Vier Tage.
    Isegrim blickte mit stumpfen Augen auf den näher kommenden Pier, der nicht unbedingt wie der Anleger in einem Hafen einer rechtschaffenen, zivilisierten Region aussah. Ganz im Gegenteil, die Ortschaft, die sich aus dem Nebel schälte, wirkte heruntergekommen und baufällig, als hätten die Bewohner wenig Zeit und noch weniger Material, ob auch nur die kleinste Instandsetzung in Angriff zu nehmen. Der Ritter schlurfte vorwärts, bewegte sich für den Riesen jedoch nicht schnell genug übers Deck in der Reihe mit sechs anderen unglücklichen Seelen, die im fernen Varant oder sonstwo gekauft worden waren und hier nun ihr Dasein fristen sollten, irgendwo im Osten, vier Tagesreisen zu See entfernt. Der Hüne verpasste ihm einen Schlag mit einem Knüppel zwischen die Schulterblätter, der ihn vorwärts stolpern und fast das Gleichgewicht verlieren ließ.
    »Los, Ritterchen, mach zu!«, rief er und lachte schallend. Die restliche Crew stimmte in das Gelächter mit ein. Ja, die Sklavenhändler hatten sich auf seine Kosten blendend amüsiert. Nachdem der Kapitän ihnen mitgeteilt hatte, dass es sich in Isegrims Fall um einen Ritter Innos' handelte, war er zur Zielscheibe für Spott und Schläge geworden. Unfaire Schaukämpfe ebenso wie willkürliche Angriffe. Die restliche 'Ware' war darüber insofern glücklich gewesen, als dass sie weniger schikaniert worden waren. Isegrim hätte nie im Leben gedacht, dass man vier Tage derart mit Qualen füllen konnte, fühlte sich nun aber eines besseren belehrt.

    Das Schiff legte an, wurde vertäut und die Ware an Land gebracht. Ein ungepflegter Hüne kam ihnen entgegen, gekleidet in Fell und Leder. Das Haar war dunkelgrau, fettig und strähnig. Stoppeln verunzierten das Kinn und dem breiten Froschmaul fehlten mehr als nur ein paar Zähne.
    »Ah, Tradzi, du bringst mir frische Kräfte?«, rief er lachend aus. Er und der Hüne umarmten sich wie alte Freunde.
    »Türlich. Frischfleisch für dich. Is sogar'n Ritter dabei. Der da vorne, der so fertig aussieht.« Tradzi lächelte hämisch. »Der Käpt'n meint, du sollst uns den üblichen Preis geben.«
    »700 Münzen?«
    »Dumme Frage, du Depp. Natürlich 100 pro Kopf.«
    Der Ungepflegte spuckte aus, fuhr sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Die freundliche Heiterkeit war verschwunden. Nun stand da Verachtung.
    »Dreckiges Piratenpack. Na dann, 700 Goldmünzen. Werd mir aber wohl nen neuen Zulieferer holen.«
    »Kannst auch Schweinemist fressen.«, knirschte Tradzi, nachdem er das Gold entgegen nahm und sich umdrehte.
    Nun baute sich der ungepflegte Käufer vor seiner Ware auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und grinste sie alle verschwörerisch an.
    »Oh, meine Freunde, ihr dachtet bei Tradzi hattet ihr Spaß? Dann werdet ihr hier vor Freude umkommen! Willkommen in der Schwefelmine mit dem schönen, passenden Namen Beliars Hauch. Ihr werdet hier schuften und verrecken, damit weit im Westen die Gortharer Alchemisten mit dem Schwefel werkeln können. Seht es so, ihr Ratten: Ihr sterbt hier für die Wissenschaft. Ein Hoch darauf!«
    Er machte eine Handbewegung und ebenso abgerissene Gestalten wie er trieben die Gefangenen vorwärts.
    Isegrims Mut sank, verschwand, tauchte in die tiefsten Tiefen hinab.
    Ich werde hier sterben.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Isegrim stolperte durch den Stollen und hustete heiser und kratzend vor sich hin. Die Luft war schlecht, roch stets faulig und war trocken wie der Atem Innos'. Es wurde während der Arbeit nicht viel geredet und darüber war der Ritter mehr als froh, denn jeder Ton, den er aus der Kehle pressen musste, verursachte Schmerzen. Innerhalb weniger Tage war er abgestumpft und fast schon apathisch geworden, einem Seelenlosen gleich, der rein mechanisch die geforderte Aufgabe verrichtete. Der einzige Lichtblick in dieser Mine war der Wunsch, nicht geschlagen oder getreten und - bei allen Göttern - nicht ausgepeitscht zu werden. Nie im Leben hätte er gedacht, dass es nicht mehr als ein, zwei Wochen brauchte, um einen Menschen zu brechen und auf die Knie zu zwingen. Jeglicher Stolz, der in diesem Körper existiert hatte, war verflogen wie Sand. Kein Witz trat über seine Lippen, kein dummer Spruch oder hochmütiges Gerede. Nein, da waren nicht mehr viel Worte als Danke und Jawohl, Meister. Mehr gab es nicht. Alles andere war ihm ausgeprügelt worden wie bei einem Köter, den es stubenrein zu machen galt. Nun war Isegrim stubenrein und bellte zudem nicht mehr. Der Eisenwolf war gebrochen worden.

    Nun schob der schwächelnde Mann einen Karren durch den Stollen, weit hinab, um eine Ladung Schwefel abzuholen, die dort gefördert worden war. Seine Haut an den Händen war rissig, blutig und schwielig. Am kompletten Körper hatte er wunde Stellen, wo die trockene Haut aufgescheuert war. Jede Bewegung schmerzte und zerrte an den Nerven wie ein ungeübter Barde an den Saiten einer Laute. Irgendwann erreichte er den Stollen und stellte den Karren ab, atmete kurz durch. Der Geruch nach faulen Eiern war zum Glück endlich verschwunden. Isegrim ging langsam in den Abschnitt des Stollens, in dem sich mehrere abgerissene Sklaven aufhielten und schürften wie die Teufel. Keiner, wirklich niemand, achtete auf den Käfig, der an einem Balken hing. Darin lag ein toter Sittich.
    Gerade wollte er an dem Käfig vorbeigehen, als passierte, was passieren musste. Es knallte, es rumpelte und plötzlich schob sich ihm eine feurige Wand entgegen. Isegrim hatte das Gefühl, mit brennendem Pech übergossen zu werden, warf sich jedoch trotz der höllischen Schmerzen nach hinten. Bevor er aufkam, versank er in der Dunkelheit der Ohnmacht.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weit Nordöstlich von Gorthar, Schwefelmine Beliars Hauch

    Isegrim erwachte in der Dunkelheit und öffnete die Augen. Sein Körper war ein einziger Hort der Schmerzen, aber ein tierischer Teil seines Wesens kämpfte sich ehrgeizig voran, bezwang den Schmerz und verlangte zu wissen, was passiert war und wo er sich befand. Da entkam seiner Kehle der erste Schrei. Seine Augen waren offen, aber er sah nichts. Gar nichts. Nur Dunkelheit. Sein ganzes Gesicht fühlte sich taub an, als hätte er Stunden im Schnee gelegen. Er bewegte sich unruhig, panisch, weinte und jammerte, da er blind war. Seine Bewegungen wurden eingeschränkt, aufgehalten.
    »Ruhig, mein Sohn.«, sprach da eine Stimme in der Nähe. Alt, brüchig und heiser. »Beruhige dich.«
    »Was ... bitte ...«, Isegrims Lippen und sein Mund waren ebenso betäubt wie der Rest des Körpers.
    »Ruhig, sag ich. Ich bin Tezet, einer der Sklaven hier in der Mine. Der Älteste werde ich genannt. Und wieso? Weil ich der einzige Weise meines Volkes bin, das hier in großen Zahlen eingepfercht lebt. Ich ... bin ein Heiler. Mit Magie. Die der Natur. Slaassik, der Schlangengeist der Dschungel, hat mich gesegnet.«
    Gleichwohl Isegrims Gedanken rasten, wusste er, dass der Mann vor ihm einem Druiden des Festlandes ähnlich war, den seltsamen Mitgliedern des Waldvolks. Wer wusste schon, wie viele Waldvölker es auf der Welt gab?
    »Ich habe dich geheilt so gut es ging, mein Sohn. Aber ... ich musste auch an meine versteckten Vorräte heran. Salben und Verbände nutzen. Aber ... oh, ihr Geister, dir wird nicht gefallen, was aus dir geworden ist.«
    Trotz der Taubheit im Leib griff Isegrim fast zielsicher nach dem dünnen Handgelenk des Alten. Er erhob sich trotz der Schmerzen leicht und zischte dem Greis undeutlich ins Ohr.
    »Was ist aus mir geworden, Alter?!«, Verzweiflung und Angst färbten die Stimme des Ritters, »Was hast du aus mir gemacht?«
    »Du ... du bist verbrannt. Was für ein Schönling du auch immer in deiner Heimat gewesen sein magst, Ritter, Beliars Hauch hat dich entstellt. Unsere Legenden sagen, dass dies der Preis des Lebens ist, der Wille des natürlichen Kreislaufs. Die mit dunkler, böser Seele ... bekommen im Laufe ihres Lebens einen Körper, der der Dunkelheit im Herzen entspricht. Die Verbrennung ist die gerechte Strafe für die Taten, die du begangen hast.«
    Aber Isegrim hörte ihn schon gar nicht mehr. Kraftlos sank er zurück auf die Bettstatt und verwünschte im Innern alle Götter und Geister des Universums.

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    Isegrim ist offline

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    »Du wirst uns befreien, Sohn!«, Tezets Stimme war drängend und fast flehend, »Slaassik hat unserem Volk eine Prophezeiung geschenkt, vor Äonen, da noch das Alte Volk auf Erden herrschte. Sie besagt, dass irgendwann eine Zeit kommt, da unser Volk in Ketten liegt und in der Hölle gefangen ist. Und es wird einer kommen, ein Fremder, der nicht Teil des Volkes ist, und er wird uns befreien und jene strafen, die uns geknechtet haben.«
    Isegrim blickte starr gerade aus, sah nicht mehr als den Stoff vor den Augen. Mit jedem Wort, dass der Heiler namens Tezet von sich gab, steigerte sich seine Wut und die innere Verzweiflung. »Ich scheiße auf dich und dein Volk, Alter. Ich ... ich will hier weg. Ich will raus. Wieder frei sein«, knurrte er, »Sieht ein Held aus wie ich? Ein vorhergesehener Befreier und Sprenger der Ketten?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Eher wirke ich wie der böse Antagonist einer solchen Legende ...«
    »Aber Slaassik hat gesehen, dass der Held der Verbrannte sein wird! Entstellt vom Feuer der Hölle, die uns festhält! Du musst für uns kämpfen!«
    Die Taubheit in den Gliedern war langsam verschwunden und hatte nun den Schmerzen Platz gemacht. Mit fahrigen Bewegungen hob der Ritter die Hände und riss sich die Binden vom Kopf, da er die Geduld verlor. Er keuchte und zischte vor Schmerz.
    »Habt ihr hier einen Spiegel? Irgendwas?«, krächzte er und schluckte schwer, um das Brennen in der Kehle zu lindern. Nun sah er Tezet auch zum ersten Mal. Der Alte war gedrungen und besaß einen südländischen Teint, obgleich seine Augen mandelförmig und smaragdgrün waren. Der Alte nickte nur hastig, ging zu einem Sack, kramte darin herum und zog eine Spiegelscherbe hervor. Bevor er sie Isegrim gab, zögerte er kurz.
    »Ich ... ich tat, was ich konnte, Verbrannter. Aber auch ... mir sind Grenzen gesetzt. Verstehe das bitte ...«
    Isegrims verbrannte Lippen bildeten eine gerade Linie. »Den Spiegel.«, grollte er. Tezet schluckte und reichte ihn an Isegrim weiter.
    Ein weiterer verzweifelter Schrei entfloh der Kehle, verursachte ein Brennen. Sein Spiegelbild war wie das aus einer alptraumhaften Anderswelt. Das Gesicht wirkte auf der einen Hälfte wie geschmolzen, alles wirkte rot und wund und nässend. Das linke Auge blickte wie brennend aus der verheerten Gesichtshälfte. Die andere Hälfte war gezeichnet von den letzten Tagen in Gefangenschaft, wirkte aber um Welten ansehbarer als der Rest. Die Haare auf der linken Kopfseite waren allesamt verschwunden, rechts zeugten nur einige Büschel und lange Strähnen von der einstigen dunklen Haarpracht.
    »Ihr ... habt mich entstellt«, hauchte er, »Du räudiger Bastard hast mich zu einem Monster gemacht.«
    »Es war das Schlagwetter. Die Explosion. Gase, die keiner mehr roch. Ein Funke, ein Knall. Fünfzehn gute Männer meines Volkes sind erschlagen oder verbrannt worden. Du hast überlebt. Weil Slaassik es so will«
    Isegrim richtete den brennenden Blick auf den Alten. »Weil ich zurücksprang. Weil ich Reflexe habe. Gute.«
    »Weil der Schlangengeist dich so geschaffen hat.«
    Der Ritter schüttelte den Kopf. »Verschwinde, Alter. Lass mich nachdenken ...«
    Tezet wollte scheinbar noch etwas sagen, besann sich aber eines besseren. Er nickte und verschwand. Isegrim schluckte schwer, spürte den Kloß im Hals. Dann ließ er den Tränen freien Lauf, auch wenn sie brannten. Tränen der Wut, des Hasses und der Verzweiflung.

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