Zitat von
Luceija
Bereits seit Stunden lernte sie die Kacheln über ihrem Kopf auswendig, die sich in gewohnt glänzend weisslackiertem Metall über die gesamte Fläche zogen. Sie sah allerdings nicht die perfekten Quadrate. Die Sicht wurde ihr immer noch von der schon lange über alle Berge befindlichen Gestalt des Turianers verdeckt, dessen Form sie noch immer an ihrem Bett stehen und mit diesem beängstigend fremden Blick auf sich hinab sehen sah. Jeder kleinste Gesichtszug, der bei seinesgleichen so selten und so unscheinbar war, meisselte sich fest in ihr Gedächtnis. Jede Platte. Jeder Quadratmillimeter seiner Haut. Das schlimmste war jedoch nicht der Anblick, das schlimmste waren die Worte, die sie für all diese Zeit lahmlegten wie ein Codewort für eine Maschine, das die Selbstzerstörung initiierte.
Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so leer gefühlt.
So ausgesaugt bis auf den letzten Tropfen Seele. Das konnte nicht sein ernst sein. Das, was er da eben gesagt hatte war nicht er. Konnte nicht er gewesen sein. Oder doch? Einerseits hatte sie es doch gefühlt. Hatte die Vorahnung inne gehabt, dass die Beziehung zerbrechen würde, doch hatte sie so sehr gehofft und so sehr damit gerechnet, dass sie diesen Zeitpunkt niemals miterleben müsse. Dass sie nicht spüren müsse wie es war, wenn man nicht nur den Rest ihres Körpers, sondern tatsächlich ihr Herz bei lebendigem Leib aus ihr herausschnitt und es in kleine Teile zerfetzte. So taub wie ihr innerstes war, hatte sie nichtmal Zeit für einen klaren Gedanken. In absolut schneller Folge, sah sie Nahaufnahmen von ihnen beiden vor ihrem inneren Auge. Sah ihre Küsse so intensiv, so überdeutlich und real. Konnte die Emotionen von ihren Gesichtern ablesen, in Slow-Motion die verschiedenartigen Lippen dabei beobachten, wie sie kollidierten, sich fast schon überschwänglich lustvoll in die des anderen bissen, wie ein Grollen aus ihm trat, dass so animalisch war, dass man nur zu genau daran erinnert wurde, dass es sich um eine Alienspezies handelte. Sie hörte jedes Wort jeder noch so kleinen Liebesbekundung in ihren Ohren. Jedes Stöhnen, jedes Betteln ums Überleben, jede Bitte, den jeweils anderen nicht zu verlassen. Und alles davon riss noch tiefere Gräben in ihr Herz.
Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so einsam gefühlt.
Er hatte sie betrogen? Er? Wann - wann in aller Welt - sollte das gewesen sein? So gut wie nie waren sie getrennt voneinander, auf Trident kannte er nichteinmal jemanden. Hatte er das wirklich getan? Oder hatte er es gesagt um es einfacher zu machen. Damit sie keinen Grund hatte, ihn aufzuhalten? Er. Betrogen.
Unaufhaltsam kroch Träne für Träne aus ihren Augenwinkeln, kreuzten die Wangen und ihre Schläfen, je nachdem, ob sich die Träne dazu entschloss dem Rinnsal des Vorgängers zu folgen oder eben nicht. Es zerstörte sie. Er hatte sie zerstört. Das konnte nicht passiert sein. Er konnte diese Worte nicht eben benutzt haben, bevor er ging. Konnte sie nicht verlassen, wo er einen Bruchteil zuvor noch sagte, er würde sie lieben!
Oder...war Liebe - und diese Frage stellte sie sich zuletzt am Anfang ihrer Beziehung - in der Definition eines Turianers vielleicht doch etwas völlig anderes?
Man konnte beim besten Willen nicht ausmachen, was Luceija alles durch den Kopf ging. Man erkannte nur, dass ihr Gesicht erstarrt schien, dass sie weinte ohne sich zu einem Laut oder gar Schluchtzen hinreissen zu lassen, dass ihre viel zu helle, mit noch leichtem Gelbstich versehene Haut vor Feuchtigkeit glänzte. Dass sie mit sich rang. Einfach nicht mehr wollte.
Erst, als sie den Klang von neuem Treiben aufschnappte und über dreissig Wege Leif als Wieder-Anwesenden erkannte. Und machte kurzen Prozess. Die Halbitalienerin besass nichtmehr viel Kraft in sich. Aber die letzte Kraft die sie hatte, ging nun dafür drauf. Dafür, dass sie Leifs Bewegung abpasste und ihn dann, als er nah genug an ihrem Bett vorbeikam, an seinem Arm packte wie ein Habicht seine Beute. Erstmalig nach diesen mehreren Stunden, durchfuhr Lucis Körper ob der Aktion eine extreme Spannung und sie taxierte den Schweden unmissverständlich. "Warum..tun sie...mir das an? Warum...lebe ich?! Warum haben-...sie nicht GETAN, was-...sie sagten!?", wurde sie immer lauter.
Jedes Wort kostete Anstrengung genug um sie fast keuchen und die letzte Luft aus ihren Lungen pressen zu lassen. Und das klang unschön. Ungut. Ungesund. Schnappte nach Luft. Oh nein. Nicht jetzt. Seit Monaten hatte sie keinen Anfall mehr gehabt. War durch mit der Sache. Ende aus und vorbei. Oder...zählte das überhaupt noch? Besser war es so. Besser wäre, er würde diesmal Nägel mit Köpfen machen und ihr nicht wieder das Leben retten.