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    [Bild: Tristan_small.jpg] & [Bild: Isolt_small.png]

    Mit einem silbrigen Zischen glitt die geschenkte Klinge aus der Scheide. Das Licht der Kerzen tanze spielerisch auf dem feinen Stahl und während Ser Godfrey die Waffe im Schein wendete und bewundernd begutachtete wie jeder ordentlich Beschenkte es tat, fragte sich Tristan, wieso ein Mann mit derlei Reichtum wie Matthias auf Söldnerfahrt war. Familientragödie hin oder her, es erschien ihm eigentlich nicht logisch. Matthias mochte in etwa Tristans Alter haben und war damit mehr als heiratsfähig. Der Mann war nicht hässlich, wenn auch kein Augenschmaus aber höflich und korrekt. Und sein Stand würde sicherlich einige gutaussehende Damen locken. Natürlich konnte er nicht auf die Gunst einer Adligen hoffen, aber auch bei den Händlern gab es zum Verlieben schöne Frauen. Isolt, ganz am untersten Ende des Standes – zumindest hier im Norden – war das beste Beispiel. Auch Frauen unterhalb von Prinzessinnen, Gräfinnen und anderen Hoheiten verhießen Schönheit und konnten einem Mann die Sinne rauben. Wäre Isolt nicht in sein Leben getreten, er würde heute vermutlich eine der var Attres geheiratet haben und sicherlich schon die erste Schwangerschaft seiner Angetrauten feiern – zur Freude der Familie. Aber das Schicksal war ein launisches Wesen und anstatt Edna oder Rosa ein Kind zu zeugen saß er nun mit einem Feind des Reiches – ob offiziell oder nicht – zu Tisch, Schmuck und Herz an eine Elfenhure verloren und auf der Suche nach ehrlosen Aufträgen, die wenige Münzen in die dünne Geldbörse spülten. „Das ist eine feine Waffe und ein gutes Geschenk.“ Ser Godfreys Stimme holte Tristan aus seinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. „Ich danke Euch, Herr von Lauenstein. Diener, Wein!“ Sofort wurden Gläser mit rotem Traubensaft gefüllt und Ser Godfrey hielt ein wenig Smalltalk mit Matthias.

    Wenig später kamen die restlichen Gäste. Wie von dem roten Ritter angekündigt handelte es sich um den Adel der Stadt, zugleich der höheren Bürgerschicht. Von Blut oder Stand waren sie den beiden Rittern zwar nicht ebenbürtig, ihr Geld und ihre Macht aber erkaufte ihnen Privilegien und Stellungen. Ser Godfrey übernahm das vorstellen. Tristan und Isolt stellten sich brav auf und beantworteten die ihnen gegenübergebrachte Höflichkeit mit dergleichen. Die Elfe erntete dabei fragende bis misstrauische Blicke, die Anwesenheit eines Nilfgaarders war angekündigt aber dennoch verwunderlich und die Kombination schon fast skandalträchtig. Tristan war sich sicher, dass Godfrey genau dies beabsichtigt hatte und am kommenden Tag das ein oder andere Lästermaul zerrissen werden würde. Der Tisch füllte sich rasch mit Männern und Frauen in edlen Stoffen und behängt mit allerlei Preziosen. Eine der Damen trug einen Kopfschmuck, geformt wie Hörner. Vielleicht waren es auch merkwürdig gebundene Haare. Jedenfalls versuchten die Anwesenden Eindruck zu schinden. Tristan erkannte sogar einige Stoffe aus Nilfgaard, mit nilfgaardischen Abzeichen der dortigen Händler. Er wusste nicht, ob dies Zufall oder Höflichkeit war, doch zweifelte er daran, dass es in dieser Konstellation überhaupt Zufälle gab.

    Ein untersetzter Mann mit weißem Backenbart und schütterem Haar erklärte Tristan gerade, dass seines Vaters Vater die ersten Handelskontakte der Stadt nach Nilfgaard geknüpft hatte, als ein anderer Gast – ein hochgewachsener Kerl mit schmalem Gesicht, langen Fingern und hellhäutiger Glatze – laut fragte: „Ser Godfrey, seit wann ist es gute Sitte eine von den Elfen am Tisch sitzen zu haben? Sollten die nicht alle entweder in der Küche, ihrem gestohlenen Dol Blathanna oder dem Grab sein?“ Aus dunklen Augen funkelte er Isolt finster an. „Nur mit der Ruhe, Herr Bekker, die Dame ist Ser Tristans Verlobte.“ „So ist es“, warf Tristan empört ob dieses Angriffes ein. „Ich kann durchaus für mich selbst sprechen. Sagt, Herr, woher die Feindseligkeit?“ Der Händler schaute die Elfe böse an. „Das kann ich dir sagen, Elfe! Mein ältester Sohn und mein Bruder wurden im Krieg gegen Nilfgaard von den verfluchten Eichhörnchen ermordet.“ „Ich gehöre nicht zu den Scoia’tel und habe auch nie mit ihnen sympathisiert“, gab Isolt scharf zurück. „Doch deine Ohren sind spitz.“ „Und die Scoia’tel so gut wie vernichtet. Damit müssten wir quitt sein.“ „Findet es denn niemand sonst beschämend, dass wir mit derlei Gesindel speisen?“, rief Bekker noch immer aufgebracht. Tristans Stuhl wurde heftig fortgeschoben und kratze laut über den Boden, als der Ritter in die Höhe schoss. „Wie könnt Ihr es wagen? Wir kamen als geladene Gäste und Ihr schmäht unseren Besuch mit solchen Worten.“ Auch Bekker erhob sich. Seine spinnenartigen Finger breiteten sich auf der dunkelroten Tischplatte aus. „Ich war neugierig, ob ein Nilfgaarder seine Aggression wohl im Zaum würde halten können. Anscheinend nicht. Ser Godfrey, Euch schuldet unser Volk dank für den Einsatz im Krieg gegen Nilfgaard. Nun sitzt er hier mit seiner spitzohrigen Mätresse und trink unseren Wein. Nein, in dieser Gesellschaft will ich keinen Augenblick länger verweilen.“ „Dann fort mit Euch!“, keifte Isolt und wies zur Tür. Jetzt erst viel Tristan auf, dass Godfrey das Spiel mit belustigter Miene verfolgte. Er fing Tristans Blick auf und erhob sich. „Nun, Herr Bekker, dann ist an dieser Tafel wohl kein Platz mehr für Euch. Diener, geleitet ihn heraus.“ „Ich finde schon selbst raus“, giftete der Händler nun auch in Richtung des Ritters, dem er vor wenigen Atemzügen noch so inbrünstig gedankt hatte.

    Bekker verschwand und ließ Gesichter voller gemischter Gefühle zurück. Zwei Damen schienen sogleich aufspringen und es ihm gleichtun zu wollen, die Anwesenheit einer Elfe in schicker Kleidung schien sie förmlich anzuwidern. Ihre Ehemänner hingegen betrachteten Isolt mit Entzücken und Tristan mit einer Mischung aus Neugier und Respekt. „Nun, wollen wir? Die Gans sollte nicht zu lange warten“, lenkte Godfrey das Gespräch wieder zum Abend und klatschte in die Hände. Drei Diener erschienen mit silbernen Tellern mit jeweils einem Vogel. Gebratene Gans, Kartoffeln und Soßen verwandelten den Raum augenblicklich in ein duftendes Paradies. „Nehmt auf und lasst es euch schmecken“, fordert Godfrey gut gelaunt. Der Abend schien sich genauso zu entwickeln, wie er es erhofft hatte.
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    Deus Avatar von VRanger
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    »Ban Ard« • Matthias Lauenstein • Ein Trinkspruch

    [Bild: Ava_W2RPG_Ma.png] Dem Beschenkten gefiel die Waffe. Doch er tat als Gastgeber so viel, dass der Dank für das Mitbringsel gebührlich war. Doch Ser Godfrey hatte aber auch genug an Selbstbeherrschung bei diesem Präsent, dass er es so beließ, was es war. Eine Gabe bei der Einladung. Aber für Matthias Lauenstein reichte das völlig aus. Er hatte den Moment in den Augen des Mannes erhaschen können, als sich nicht nur die Schatulle öffnete, sondern auch die Waffe aus ihrer Umhüllung gezogen wurde. Matthias hatte in seinem innersten Recht behalten. Vor ihm stand ein Waffennarr, der edle Lagerstellen für Erze und Mineralien kannte. Und genau aus diesem Zwecke hatte er sein Geschenk ausgewählt. So kam das, was er erwartet hatte. Fast ohne Standesunterschied erfolgte ein Gespräch, auch fast auf gleicher Augenhöhe bei dem es um diese wertvollen Lagerstätten und die endlosen Möglichkeiten derer Verwendung ging. Matthias besaß aber auch die Erziehung sich rechtzeitig aus dem Gespräch zu lösen. Es bedurfte keiner Ermahnung des Gastgebers sich doch bitte zu setzten.

    Vielleicht hatten dabei auch die nachfolgenden Herren und Damen ihren Anteil. Denn es folgte ein doch größerer Antrittsbesuch. Matthias war sich sicher, sie waren dazugeladen worden. Denn dass es in den Offiziersquartieren so eine Ausstattung gab, wollte ihm nicht einleuchten. Sie war für einen Zweck herbeordert worden. Das Treffen war geplant. Und vielleicht aus einer Laune heraus hatte Ser Godfrey vor allem den Nilfgaarder hier sehen wollen. Dass dieser noch eine elfische Begleiterin und einem hier aus dem Bürgertum an seiner Seite hatte, war scheinbar recht. Aus diesem Blickwinkel heraus dachte sich Matthias seinen Teil und versuchte das aufkommende Unbehagen in den Griff zu bekommen. Dann sah er Randolf Fucar. Er war etwas älter als er, gleich groß und schon einen Wohlstandsbauch. Er handelte mit guten Stoffen. Als dieser zu erkennen gab, dass er sich auch an den Lauenstein erinnerte, verlief das Folgende schnell. Die üblichen Umarmungen, die Fragen nach der Gesundheit und dem Geschäft und der Beschluss sich doch gemeinsam an den Tisch zu setzten. Nur eins wurde nicht angesprochen. Der Grund der Einladung. In dem Austausch von einem Dies und das gab es plötzlich laute Worte.

    »Ser Godfrey, seit wann ist es gute Sitte eine von den Elfen am Tisch sitzen zu haben?« Der das und Weiteres folgen lies, begleitet von grimmigen Blicken, abwehrenden Handbewegungen, war Bekker, ein hochgewachsener Kerl mit schmalem Gesicht, langen Fingern und hellhäutiger Glatze. Es gab einen merkwürdigen Disput, bei dem auch Ser Tristan Regung zeigte. Matthias wunderte sich, dass der Stuhl auf dem der Nilfgaarder saß, nicht rücklings umkrachte, mit so einer Wucht war er aufgesprungen. Randolf legte seine Hand auf den Arm von Matthias und sagte leise: »Lehn dich zurück, das wird sicher jetzt ein Schauspiel.« Lauenstein hätte der Ermahnung nicht bedurft. Aber sie zeigte ihm, wie labil die Lage war. Und sie brachte ihn zurück zu seiner Frage: »Warum waren sie eingeladen worden?« Er dachte sich bei dem Gezänk, dass es Lady Isolt nicht sein konnte. Denn davon hatte Ser Godfrey nichts direkt gewusst. Er musste etwas mit dem Nilfgaarder vorhaben. Weiter kam er nicht in seinen Gedankenspielen. Denn Randolf kommentierte das Geschehene. »Sieh er muss gehen.« Es war in der Tat, dass Bekker der Offiziersquartiere verwiesen wurde, von Ser Godfrey höchstpersönlich.

    Der Gastgeber eröffnete auch das Essen und es wurde gut aufgefahren. Auch Gänse mit knusper brauner Haut, die Keulen mit Apfelringen drapiert, wurde aufgetischt. Mit einem »Nehmt auf und lasst es euch schmecken« kam die Aufforderung seitens des derzeitigen Herrn des Hauses. Dann geschah etwas, womit Matthias nicht gerechnet hatte. Sein Nachbar erhob sich, griff sein Glas und sagte laut in die Runde: »Auf Ser Godfrey, Myladys, ihr Herren … auf die Gastfreundschaft!«

    Und weil sich seine Nachbarn erhoben, konnte Matthias nichts anderen tun, als mit aufzustehen und nachzusprechen: »Auf die Gastfreundschaft!« In dieser Haltung mit erhobenen Gläsern verblieben sie und schienen auf eine Antwort zu warten.

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    Geändert von VRanger (14.04.2018 um 10:39 Uhr) Grund: verlinkt
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    [Bild: Tristan_small.jpg]

    Zu Dutzenden knarzten die Stühle, als sie zurückgerückt wurden und sich jeder an der Tafel erhob, um in den Trinkspruch mit einzufallen. „Auf die Gastfreundschaft“, stimmten Tristan und Isolt mit ein, die schmiedeeisernen Becher gehoben und den roten Wein darin schwenkend. „Ich danke“, sagte Ser Godfrey, das Spalier an grüßenden Gästen mit den Augen abnehmend. Sein Blick haftete sich an die Elfe. „Trinkt aus!“ Er führte den Becher zu den Lippen, nicht ohne Isolt im Auge zu behalten. Die Elfe tat das Nämliche, eine Augenbraue leicht gehoben. Tristan trank, bemüht das Hin und Her zu ignorieren. Er spürte, wie sich die Finger um den Hals des Bechers verkrampften. „Ser Tristan, sagt, Ihr habt im Krieg gegen den Norden gekämpft, richtig?“ Die Frage ging von einem der Händler aus, der eher den Eindruck eines Gelehrten machte. „Das habe ich“, gab Tristan zurück. „Viele Schlachten?“ Der Ritter nickte. „Auch die Belagerung von Cintra?“, fragte die Dame zur Rechten des Händlers. Tristan schluckte. Er wusste, dass dieses Thema weder in den Annalen Nilfgaards noch bei den Nordlingen mit Ruhm bekleckert war. „Ja, ich war bei der Belagerung von Cintra dabei“, sagte Tristan schließlich. Er spürte Isolts Blick, der schwerer wog als der der anderen. Der Grund dafür war einfach: Er hatte ihr nie davon erzählt. Sicherlich kannte auch sie die Geschichte vom „Massaker von Cintra“.

    Die Banner auf den Mauern zeigten, dass Cintra noch immer kämpfte. Calanthes Truppen waren in der Schlacht von Marnadal beinahe vollständig zerschmettert worden, die Königin selbst verwundet. Ihr König, Eist, war tot. Weder Tristan noch der Generalstab hatten erwartet bei dem Einmarsch in Cintra auf eine großartige Verteidigung zu stoßen. Und doch wehrte sich die Stadt wie der Löwe, den sie in ihrem Banner trug. Die nilfgaardischen Katapulte rissen rasch große Löcher in die Mauern, die Männer waren auf Blut aus. Zuerst kamen die Fußsoldaten, dann die Ritter und dann der Rest der Armee. Tristan donnerte durch die Bresche, hinein in einen Mahlstrom aus Häusern, Gassen und zerbrochenem Gestein. Cintra brannte, überall sah er Brände wie rote Blumen. Männer und Frauen – ob Krieger oder nicht – stürzten sich auf ihn, vom Wahnsinn gepackt. Sie warfen sich auf den Ritter. Doch im Schein der Flammen war die Nilfgaarder keine Ritter mehr, sondern Männer aus brennendem Stahl. In den Liedern klingt die Schlacht edel und ehrenvoll, gar erstrebenswert. Dorf sterben die Männer einen leidenslosen, schnellen Tod; mit Freude rufend für Vaterland oder die Götter. In Wirklichkeit jedoch ist es eine mühsame Arbeit und es wunderte Tristan immer wieder, wie schwer das Töten ist. Denn Menschen sind zähe Wesen und sie klammern sich an das Leben. Fremdes Blut ließ sein Schwert glitschig werden, so viele waren schon gefallen. Und doch traten ihm immer wieder mit Streitäxten bewehrte Gegner in den Weg, bis endlich alle Hoffnung fiel. Die Königin und ihr Gefolge hatten sich in der Festung verbarrikadiert und die Städter ihrem schrecklichen Schicksal überlassen. Ein Miasma aus brennendem Holz, Stahl, Leder, Blut und Exkrementen waberte durch die von Schreien erfüllten Straßen. Der letzte Widerstand brach und die Bürger Cintras verfielen in blanke, nackte Panik. Ein Zustand, der die Infanteristen Nilfgaards in Rage trieb. Sie plünderten, brandschatzen, vergewaltigten und mordeten, wie es ihnen beliebte. Tristan und ein paar andere Offiziere versuchten von ihren Pferden aus, ihnen Einhalt zu gebieten. Doch Gnade war nicht die Losung in dieser Nacht. „Tod Calanthe! Tod Cintra! Tod der ganzen Welt!“
    Tristan ließ die sterbende Stadt hinter sich, trieb sein Pferd zusammen mit anderen Rittern gen Schloss. Dort erhoffte er sich das letzte Duell jener Ritter, die den Tod eines Edelmannes sterben wollten. Das Einhorn auf der Rossstirn seines Pferdes glomm im Schein der wilden Feuer während es über Axtblätter, krumme Schwerter, gespaltene Helme und Schilde stieg. Viele graue Meilen entfernt zog der Morgen auf, doch einen letzten Kampf wollten die Krieger von Cintra nicht liefern. Gleich ihrer Königin wählten sie den Freitod und beschämten die ritterliche Ehre jener Männer, die als Eroberer gekommen waren und nicht als Mörder. Nur wenige Tage nach dem Kataklysmus Cintras sollten die Nilfgaarder ihren Tribut in Blut zahlen.

    Tristan verstummte. Während er die Geschichte leise erzählend hatte Revue passieren lassen, war in dem Raum die Stille einer Krypta eingetreten. Niemand wagte es, etwas zu sagen, nicht einmal Ser Godfrey. Plötzlich spürte Tristan Isolt, die seine Hand drückte. Er wandte ihr den Kopf zu und erkannte Mitgefühl in ihren Augen und tiefe Zuneigung. „Ich wollte niemanden in eine unpässliche Lage bringen“, erklärte Tristan, selbst peinlich berührt. Die Erinnerungen waren zu plastisch gewesen und er musste wie ein Narr in die flackende Kerzenflamme gestarrt haben. Der Ritter rieb sich die Augen. Isolts Händedruck verstärkte sich. „Es ist okay“, schien er sagen zu wollen. „Alles wird gut.“
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    »Ban Ard« • Matthias Lauenstein • Wegscheide

    [Bild: Ava_W2RPG_Ma.png] Ser Tristan schien der Held des Abends zu sein. Zumindest war er in der Runde neu. Auch hat man nicht jeden Tag einen Ritter aus Nilfgaard als Gegenüber. Und das nicht mit einer Waffe, sondern mit einem Becher in der Hand. So sprudelten die Fragen um eins in der anderen. Vermutlich immer auf der Suche nach der Sensation oder der Desavouierung. Matthias beobachtete dieses für ihn nicht amüsante Spiel, in welches der Gastgeber nicht eingriff. Dann folgte eine Frage von einer Dame, die etwas weiter von ihm, aber sehr in der Nähe von Ser Godfrey saß: »Auch die Belagerung von Cintra?« Matthias fragte sich, wie um alles in der Welt kann ein Frauenzimmer so eine pikante Sache wissen. Zugleich noch die Courage aufbringen diese laut und vernehmlich zu äußern. So ein Thema ist etwas für ein Getuschel an den Gatten, an den sie führenden Gast. Zumal die Nordländer, und zu diesen war sie zu zählen, immer vom Massaker von Cintra sprachen. Das Vorgehen der Nilfgaardschen Truppen soll auf das Äußerste, in absoluter Brutalität gewesen sein. Nicht ohne Grund hatten die Belagerten, samt ihrer Königin Da Calanthe, als nach unsäglichen vier Tagen ihr Widerstand gebrochen wurde, den Freitod gewählt. Dabei hatte sich die zuvor schwer verwundete Königin, weil es ihren Männern an Mumm fehlte, ihr mit dem Schwert auf dem letzten Weg beizustehen, sich aus dem Fenster ihres Schlossturmes gestürzt. Dies Sache lag nun auf dem Tisch, hervorgerufen durch ein Frauenzimmer. Und Ser Tristan war am Antworten.

    »Ja, ich war bei der Belagerung von Cintra dabei, …« donnerte es Matthias in den Ohren. Und der Nilfgaarder hatte seinen Respekt. Nein! Nicht für seine Taten. Dafür nicht. Aber hier, vor allen, ohne sicheren Rückhalt sich so zu seinem Stand zu bekennen, das war respektabel. Und Matthias fragte sich, ob er so geantwortet hätte. So kam es, dass er die Dinge, die er natürlich aus einem Erzählen kannte, noch vernahm, aber die Stimme von Ser Tristan wurde bei ihm leiser und leiser.

    Matthias fragte sich, ob er all die Jahre nicht einem Phantom nachgerannt war. Beseelt von dem Wunsch seine Eltern zu retten, war er zu dem aufgenommen in der Garnison der königlichen Garde, auf einem Weg gekommen, der der Seine war? Ser Godfrey und Ser Tristan hatten ihn, ihrerseits bewusst oder unbewusst, gezeigt, er gehörte nicht dazu. Obwohl gut trainiert, erfahren im Umgang mit den Waffen, er war ein Händler, ein Kaufmann, ein Krämer für sie. Matthias erinnerte sich an die Augen und den Glanz, den seine Waffe ausgelöst hatte. Er wusste, mit den richtigen Dingen gehörte ihm und seiner Zunft die Zukunft. Der Adel würde all sein Geld, sein Vermögen und schließlich auch seinen Stolz verlieren, wenn es um seltene Waffen, Erze, Gewürze und andere kostbare Dinge gehen würde.

    »Tod Calanthe! Tod Cintra! Tod der ganzen Welt!«

    Diese harschen Worte rissen Matthias für einen Moment aus seiner erdachten Gedankenwelt. »Was war, wenn die Pfeile, die schwarzen, von denen er einen im Stiefel trug, nicht von Banditen zur Tarnung genutzt worden waren? Wenn die Pfeile Nilfgaards auch Bogner aus dem Königreich als Quelle hatten? Wenn er dem Mörder seiner Eltern gegenübersaß?« Das war eine wahnwitze Frage, aber sie erhielt mit den Schilderungen von Ser Tristan ungewohnten Aufschwung. Matthias fröstelte es, als er sich überlegte, dass er für diesen Mann und sein Weib im Gasthof vor wenigen Tagen sein Leben riskiert hatte. Doch dann fing er sich, griff zu seinem Becher und trank von dem Roten einen guten Schluck. Er fragte sich: »Bist du besser?« Die Antwort kam rasch und präzise: »Nein, bin ich nicht!« Er wusste auch, warum er so schnell antworten konnte. Er kannte seine Taktik und sein Handeln beim Kampfe. Er hatte manchen damit überrascht und so obsiegt, weil er eben nicht an die weitverbreiteten Regeln eines ritterlichen Kampfes glaubte und deshalb auch so nicht handelte. Ser Tristan handelte wie ein Ritter, er war einer. Deshalb stand er auch auf und berichtete von seinen Taten. Egal wie grausam sie waren. Aus der Sicht eines ritterlichen Kampfes war sein Agieren zu verstehen. Matthias hingehen war ein guter Schwertkämpfer, aber ein noch besserer Messerwerfer. Ein Provozieren, ein Hinnehmen des Anrennens und zwei schnell geworfene Stiletts, gut geschmiedet, für den Flug ausbalanciert, mit scharfer, auch einen Gambeson durchdringender Spitze hatte schon oft zu aufgerissenen Augen, einem Abknicken im Ansturm und einen Irrtum in einem verblassenden Augenlicht geführt. Ja, das war eine seiner Taktiken. Er beherrschte so vorzüglich. Deshalb konnte er es sich auch erlauben meist allein durch die Nordlande zu streifen und nach den Mördern seiner Eltern zu suchen.

    Doch jetzt, wo er hier sich fragte, warum das alles? Wo er sich fragte, sitzt dort der Mörder? Wo er sich fragte, wohin mit mir? Da wurde ihm bewusst, wie viele Jahre seines Lebens er mit einer Sache vertan hatte, die nichts einbringen würde. Denn seine Eltern waren tot. Und so spürte er in sich den Wunsch den Kontrakt mit den Händlern morgen zu lösen, für einen möglichen Schaden aufzukommen. Denn Kaufleute mochten das Geld. Und wie er begann den morgigen Tag auszumalen, wurde er angeschubst …

    »Matthias, es ist Schluss, die meisten gehen schon …« klang es von weit zu ihm. Sein Nachbar hatte ihn etwas unsanft gerüttelt und so aus den Gedanken gerissen.

    »Na, wieder wach?«, fragte ein gut gelaunter Ser Godfrey, als Matthias sich etwas abwesend erhob und wirklich zusehen musste, wie einer nach dem anderen den Saal verlies. Wie er versuchte die Orientierung zu gewinnen, sagte der Gastgeber: »Ser Tristan ich hätte euch und Herrn Lauenstein noch kurz gesprochen.«
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    [Bild: Tristan_small.jpg]

    Das Licht der Sonne spiegelte sich silberig glitzernd auf der ungestörten, glatten Oberfläche des namenlosen Sees. Die in Gold getauchten Baumwipfel wirkten wie Lanzen, die in einen wolkenlosen, hellblauen Himmel ragten. Es war der Beginn des Herbstes und dieselbe Sonne, die den See glitzern ließ, entfachte die Farbpracht eines bunten Kunstwerks an Laub. Tristan saß auf einer Decke, ein Bein angewinkelt, eins von sich gestreckt und blinzelte gegen die sein Gesicht wärmende Sonne an. Er sah rote und gelbe Blätter von Buche, Borke und Eiche. Der Feldahorn entflammte förmlich. Tristan lächelte beseelt.

    Die kleine Lichtung war menschenleer. Nur wenige Schritt trennten seinen Sitzplatz, in dessen Rücken sein treues Pferd stand, von dem Wasser. Isolt hatte sich die Schuhe ausgezogen, die Hosenbeine gerafft und trat nun furchtlos ins kühle Nass. Tristan hatte sich schon immer gewundert, wie sie die Kälte herbstlicher Seen und Flüsse so mühelos ignorierte. Die Elfe hob die Füßchen, spritzte Wasser über die Oberfläche und scherte sich nicht um die Unberührtheit des Sees, der nun kreisförmig feine Wellen von Isolts Position ausbrechend zeigte.
    „Du solltest reinkommen“, sagte sie. „Es ist zwar kühl, aber angenehm frisch.“
    Tristan schüttelte den Kopf. „Ich mag es hier“, sagte er. Vor etwa einer halben Stunde hatten Isolt und er einen vollen Apfelbaum gefunden und sich die Taschen mit seinen süßen Früchten gefüllt. Zusammen mit dem hellen Brot und dem guten, in Papier eingeschlagenen Käse, den sie vor zwei Tagen für einen paar Kupferlinge erworben hatten, würden sie ein ausreichendes Mahl abgeben. Isolt drehte sich um sich selbst und schenkte Tristan einen lieblichen Blick. Der konnte nicht anders, als stetig lächeln.

    Merkwürdig“, dachte er, während er Isolt dabei zusah, wie sie ihre Zehen durch das Wasser hindurch dabei beobachtete, wie sie langsam im weichen Sand versanken. „Noch vor wenigen Wochen hätte ich diesem Frieden nicht getraut.“ Die letzte Zeit war hart gewesen, konflikt- und entbehrungsreich. Er hatte sich auf ein Leben mit seiner Elfe gefreut, zusammen frei zu sein. Vor Kurzem noch hätte er Zweifel daran gehegt, dass es jemals möglich wäre. Und nun war er hier. Nur er und sie. Kein Konflikt, kein Familienname zählte. Tristan war klar, dass er nicht sein ganzes Leben auf der Flucht vor sich selbst sein konnte. Aber zumindest noch ein bisschen. Ein paar Wochen oder Monate. Und wenn auch das nicht, dann wenigstens in diesem Moment, in dem die Sonne sein Gesicht küsste und seine Geliebte freudig jauchzte.
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