[Rodeon]

„Und jetzt erwartest du, dass ich dich einfach wieder zurücknehme als wäre nichts gewesen?“
Rod musste überlegen. Die missglückte Pilgerfahrt hatte ihm damals ganz schön zugesetzt, nicht wenige Augenblicke hatte er fluchend seine eigene Naivität beklagt, vor allem aber das Verhalten derjenigen, für die er sich so ins Zeug gelegt hatte.
„Wenn ich dir eine neue Chance gebe, kann ich mir denn sicher sein, dass du sie diesmal auch nutzt? Ich werde nicht müde zu betonen, dass ich mich nicht einmal so zum Narren halten lasse. Das mag sein, dass du zu diesem Zeitpunkt krank warst, aber nach dem, was vorgefallen ist, musst du mir meine Vorbehalte verziehen.
Ich mach dir einen Vorschlag: Zeig mir, dass du es tatsächlich ernst meinst. Auf welche Art und Weise auch immer. Wenn du mich überzeugst, werde ich über das Vergangene hinwegsehen und vielleicht wird es ja doch noch was mit dem Orden.“

[Calan]

"Sir, es tut mir leid, wenn ich den Eindruck erweckte, dass ich eine Erwartung an euch hätte. Dies war nicht beabsichtigt." hörte sich Calan sagen, ehe er sich eines Besseren besinnen konnte. Warum reden, wenn man schweigen konnte? Warum ablehnen, wenn man stumm nicken konnte? Doch was der Paladin dort sagte kam einfach zu plöztlich und zu unerwartet, als dass der Varanter sich aufs Nachdenken besinnen konnte.
"Dennoch bin ich natürlich froh auf diese unerwartete Chance. Wahrlich, Innos ist großherzig! Ich hoffe euch nicht zu enttäuschen. Sagt mir nur, was ihr erwartet, und es wird geschehen. Soll ich ein weiteres Mal nach Nordmar reisen, um meine versäumte Pflicht zu erfüllen? Ihr müsst nur ein Wort sagen!"

[Rodeon]

„Ein Wort“, erwiderte Rod kurz und knapp. „Und vertu dich nicht, noch hab ich nicht ja gesagt. Ich wollte, dass du mich irgendwie beeindruckst und Worten Taten folgen lässt. Ein ‚Ihr könnt euch auf mich verlassen’ allein macht aus dir keinen Ordensbruder.“
Rod kam nicht drum herum sich Calan noch einmal etwas genauer anzusehen. War das vielleicht ein Zeichen von Innos, dass er auf einmal vor seiner Tür stand, geschickt von Waffenknechten, die er niemals losgeschickt hatte? Als demütiger Diener Innos’ musste man mit allem rechnen.
„Nun, wir werden sehen, wie weit es mit deinem neu erworbenen Eifer bestellt ist. Ich werde dich auf die Probe stellen und ja, ich werde dich zum Ordensbruder machen. Dann wirst du nach Nordmar gehen. Wenn du wiederkommst und dein Glaube gefestigt ist, wird sich vielleicht zeigen, was ich mit dir anstellen soll. Wenn du nicht wiederkommst oder wieder unerwartet krank werden solltest, nun ja, auch für das gibt es eine Antwort.“

[Calan]

Sicher. Zu viele Worte waren leer und zu vielen Worten waren keine Taten gefolgt. Er konnte Rodeon nur zu gut verstehen, auch wenn es hieß, dass ihm der Paladin in dieser Hinsicht nicht ganz traute. Doch nicht einmal das konnte er ihm verübeln, nachdem er auf der letzten Reise nicht als Ordensbruder zurückgekehrt war. Kurz schluckte er, dann fand er weitere Worte.
"Das letzte Mal wurde ich auserwählt, weil Ravenne und ich Kunde brachten, dass die Setarrifschen Ketzer Orks beherbergen...erwartet ihr diesmal ähnliches? Wie sieht die Probe aus?"

[Rodeon]

„Bleib gesund“, antwortete Rod. „Ich hab keine Lust dich groß auf die Probe zu stellen. Du warst damals geeignet und wenn du immer noch der Kerl von damals bist, bist du auch heute noch geeignet. Das trifft sich sogar einigermaßen gut, Kerdric, keine Ahnung ob du den kennst, wird auch Ordensbruder werden. Vielleicht ist es ja ganz sinnvoll, dass ihr zusammen die ersten Schritte im Orden macht und euch gegenseitig unterstützt.
Aber ja, um die Pilgerfahrt nach Nordmar kommst du nicht mehr drumherum. Das erwarte ich von dir. Wie gesagt, die wirst du aber als Bruder antreten. Innos hilf, ich hoffe mein Vertrauen in dich ist gerechtfertigt.“

[Calan]

"Kerdric?" frage Calan und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. "Ich habe ihn erst vor ein paar Tagen wiedergetroffen, er wollte, dass ich ihm ein Schild und einen Helm fertige. Sie sind fast fertig und werden ihm auch als Ordensbruder gut dienen."
Fast schon platzte der Varanter vor Stolz. Darüber, dass nun schon Ordensbrüder zu seinen Kunden gehörten und noch viel mehr darüber, dass Innos ihm eine zweite Chance gewährte. Es war wirklich wahr, was die Priester erzählten. Innos Glanz überstrahlte alles, sein Wille geschah und über seine Gläubigen hielt er eine schützende Halt. Innos war groß.
"Ich danke, Sir. Ich danke euch von Herzen!" Kurz stockte er. In Menschenkenntnis war er nie ein besonderer Überflieger gewesen. "Sir, mit eurer Erlaubnis... ich würde gerne die Neuigkeiten verarbeiten und auch mit Kerdric reden."

[Rodeon]

„Dafür brauchst du meine Erlaubnis? Na komm, jetzt mal im ernst, wozu? Das ist mir doch egal, mit wem du redest oder worüber. Scher dich halt fort, wenn das war alles war was du auf dem Herzen hattest. Ich hab sonst jedenfalls keine Punkte mehr, die ich mit dir bereden müsste. Und keine Sorge, wenn dich das nächste Mal ein Waffenknecht ruft, dann bin ich es auch wirklich der nach dir geschickt hat.“

[Calan]

Nachdem er die Tür geschlossen hatte blieb der Varanter kurz stehen, atmete einige Momente durch und versuchte sich zu fassen. War das alles eben wirklich passiert, oder war es nur ein Traum. Die Art und Weise wie sein Herz trommelte, seine Hände zu zittern anfingen und er seine Atmung hörte war zu real, um ein Traum zu sein. Sehr stoßweise ging sein Atem, rauschte aus den Tiefen seiner Kehle und verschwand wieder darin. Das war kein Traum, das war die harte Realität. In diesem Fall war sie jedoch nicht allzu hart zu ertragen.
Nur langsam nahm der Stadtwächter seinen Weg wieder auf. Eine Treppe runter, einen Gang lang, um die Biegung, durch das Portal nach draußen, nach links und schon war er wieder fast dort, wo seine Reise ihren Anfang genommen hatte. Doch etwas hatte sich verändert. Diesmal etwas, das sofort ins Auge fiel: Kerdric stand vor der Tür der Rüstkammer. Wie gerufen. „Kerdric!“ grüßte Calan den Soldaten und redete weiter, ehe er zu Wort kommen konnte. „Ihr kommt wie gerufen, kommt rein. Ich hörte, Sir Rodeon hat dich zum Ordensbruder erhoben? Setz dich... hier... nein da... irgendwo hin, wo am besten kein Nagel liegt. Ich muss mit dir reden. Ich habe heute ebenfalls das Angebot erhalten, dem Orden als Bruder beizutreten. Ich... ich...“
Ja, was wollte er eigentlich? Wollte er fragen, ob er es wirklich tun sollte? Natürlich nicht, diese Frage stand nicht im Raum. Er drehte sich hektisch um die eigene Achse, als ob er etwas suchen würde. Verwirrt griff er den Schild, den er gestern fertig gestellt hatte. „Ich habe euer Schild fertig!“

[Kerdric]

Was mache ich nur?, dachte Kerdric immer wieder, der sich von der neuen Situation irgendwie ein wenig überfordert fühlte. Es war wie nach seinem Eintritt in die Stadtwache, nur wichtiger. In der Zitadelle hatte er seine neue Ausrüstung erhalten, darunter ein echtes Kettenhemd, das wesentlich mehr Schutz bot als jede Rüstung, die man in der Stadtwache bekam. Natürlich ging das ständige Tragen dieser Rüstung auch mit entsprechenden Anstrengungen einher, so dass dem neuen Ordensbruder schon der halbe Oberkörper schmerzte, aber er hoffte, dass er sich daran gewöhnen würde. Er war kräftig und konnte noch kräftiger werden.
»Calan!«, grüßte er nun in der Bastion den Rüstungsbauer, der ihm nicht nur gute, sondern auch erstaunliche Neuigkeiten mitteilte. Offenbar verwirrten sie ihn dermaßen, dass er ständig von der Höflichkeitsanrede zum gewöhnlichen Duzen wechselte, aber das konnte Kerdric egal sein. »Äh, der Schild … gut!«, sagte er und legte Calan einfach den Geldbeutel hin, den er dabeihatte. Sollte der sich einfach die richtige Menge nehmen. Probehalber nahm er dann noch einmal den Schild und zog das Schwert – er musste sehen, wie sich ein Kampf mit dem neuen Kettenhemd anfühlte. Schwerer, stellte er schon nach ein paar Hieben fest und steckte die Waffe wieder ein.
»Verzeihung«, sagte er dann. »Aber … das musste ich einfach ausprobieren. Ungewohnt. Du … bist nun also auch ein Bruder des Ordens?«

[Calan]

Kerdric nahm den Schild entgegen und schien ihn zu testen. So ganz sah Calan nicht hin, vielmehr ruhten seine Blicke in der Ferne, gedankenverloren. Wurde ihm doch noch eine zweite Chance zuteil. Die zweite war die letzte, das war bekannt. Seine letzte Chance. Sollte Innos ihn wieder mit einer Krankheit schlagen... nein, soweit würde es nicht kommen. Er würde stark sein, er würde alle Erwartungen erfüllen und übertreffen, er würde.... „Verzeihung“ riss ihn Kerdric aus seinen Gedanken. Schöne Gedanken - er würde sicher nicht schlafen können.
„Ja, unglaublich, oder?“ plapperte Calan aufgeregt. Er musste seine Gedanken einfach mit jemanden teilen. „So ein Scherzbold wollte mir einen Streich spielen und hat mich zu Sir Rodeon geschickt. Statt einer Standpauke hab ich eine zweite Chance bekommen. Eine zweite Chance! Ich muss danach nur noch nach Nordmar pilgern, nachdem ich die erste nicht beenden konnte. Nach Nordmar. Als Ordensbruder! Kannst du das glauben? Ich jedenfalls nicht.“
Wie von der Tarantel gestochen sprang Calan auf und hätte Kerdric am liebsten vor Freude umarmt. Er konnte es selbst kaum glauben, wie sehr er sich darüber freute. 'Vielleicht ein bisschen zu sehr' dachte er, und versuchte sich zu beruhigen. Tief und ruhig einatmen. „Sir Rodeon meinte, es wäre keine schlechte Idee die ersten Schritte im Orden gemeinsam zu gehen. Was meinst du?“

[Kerdric]

Die ersten Schritte gemeinsam gehen. Das klang nach einer guten Sache, es konnte sicher nicht schaden, einen anderen Neuling neben sich zu haben, mit dem man seine Erfahrungen teilen konnte. Wobei: Hatte Calan nicht auch eine Pilgerreise nach Nordmar erwähnt? Ob Kerdric ihn dorthin begleiten sollte? Sicher war das dortige Heiligtum einen Besuch mehr als wert.
»Ja … gemeinsam ist es bestimmt leichter«, stimmte der ehemalige Ausbilder nach kurzem Nachdenken zu. Was wäre er für ein Ordensmitglied, wenn er nicht einmal das bedeutendste Heiligtum Innos’ gesehen hätte? Bestätigend nickte er noch einmal. »Und ich komme mit nach Nordmar. Ein bisschen kühleres Wetter tut mir sowieso mal wieder gut, schätze ich. Hm, hast du hier noch zu tun? Sonst kannst du gleich mitkommen in die Zitadelle. In der Kammer, in der ich schlafe, ist genug Platz für noch einen Bruder, und deine Ausrüstung bekommst du dort auch.«
Kurz hielt Kerdric inne, um zu überlegen. »Und ich denke … ich gehe danach in den Tempel. Beten …«

[Calan]

Freundlich war ein Wort, das Kerdric ganz gut umschrieb, fand Calan. Sicher, er war wie er selbst ein Kämpfer und hatte sicher auch schon Menschen getötet, doch sicher niemand, um den es schade wäre. Ketzer. Verräter. Mörder. Solche Leute. Das machte niemanden zum schlechten Menschen und so war Kerdric für ihn auch weiterhin ein netter Kerl.
„Sehr gerne.“ antwortete der Varanter nach einigem Überlegen. Immerhin würde es wohl nicht mehr lange dauern, da wäre es sicher nicht anmaßend, schon einen Tag vorher umzuziehen, viel wäre es ohnehin nicht. Was besaß Calan schon. Seinen alten Speer, einen Jagdbogen und die Ausrüstung, dazu ein wenig Sold. Dies waren die weltlichen Dinge Calans, es würde schnell gehen.

Seine sieben Sachen hatte er tatsächlich schnell zusammen. Sonderlich schwer war es nicht, und so hatten sie das schnell erledigt. Kerdric hatte Recht, die Kammer war groß genug um auch noch Calan Platz zu bieten. Sehr lange blieben sie jedoch nicht, denn kurz darauf führte ihr Weg sie aus der Zitadelle, die er so das erste Mal gesehen hatte. Ihre Schritte leiteten sie nach Norden, wo auf einer Anhöhe der Tempel ihres Gottes stand. Calan hatte ein paar Münzen dabei, er wollte dem Gott eine Gabe bringen, für seine Großzügigkeit. Doch was für ihn wichtiger war, war, dass er beten konnte. Innos im Stillen danken, ihn um Stärke ersuchen und zu innerer Ruhe kommen. Dazu war der Tempel wie geschaffen.

[Kerdric]

Der Tempel. Für einige Augenblicke hielt Kerdric vor dem großen Gebäude inne, als er und Calan es erreicht hatten. Ein wahres Zeichen der Schaffenskraft von Innos’ auserwähltem Volk. Dann erst trat er gemessenen Schrittes ein, um eine ruhige Stelle zum Beten zu finden. Auch viele andere Menschen hielten sich zu dieser Zeit hier auf – der Arbeitstag endete, so dass sie nun die Gelegenheit hatten, zu ihrem Gott zu beten, jeder für sich, doch zugleich auch gemeinsam.
An einem geeigneten Ort ließ Kerdric sich schließlich auf die Knie nieder, erst auf eins und dann, nach kurzem Überlegen, auf beide. Vor wem sonst, wenn nicht vor Innos? Schweigend starrte er daraufhin eine Weile ins Leere und ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was ihm widerfahren war. So richtig glauben konnte er es irgendwie immer noch nicht. Innos’ Wege sind unergründlich, dachte er dann mit einem innerlichen Kopfschütteln und senkte den Kopf zum Gebet.
Innos, steh mir bei,
denn zahlreich sind deine Feinde.
Gib meinem Arm Kraft,
auf dass er sie niederstreckt.
Halte deine Hand über mich,
auf dass ich ihnen standhalte.
Stärke meinen Rücken,
auf dass er sich nicht dem Bösen beugt.
Stähle meinen Willen,
auf dass er der Versuchung widersteht.
Zahlreich sind deine Feinde und ihre Tücken,
gib mir die Weisheit, sie zu erkennen,
gib mir den Mut, ihnen entgegenzutreten,
gib mir die Entschlossenheit, sie zu bezwingen,
auf dass ich ein würdiger Diener bin.
In alle Ewigkeit. In deinem Namen.
Es war ein altes Gebet, und Kerdric konnte förmlich den Glauben und die Entschlossenheit seines Verfassers spüren, als er diese Worte an Innos richtete. Seine Gedanken wanderten zu den Rebellen und zu einem vor allen. Der Schlächter von Setarrif …

[Kerdric]

Der Schlächter von Setarrif, dachte Kerdric grimmig, die Augen immer noch geschlossen. Deutlich sah er sein Gesicht vor sich und die kalten Augen, aus denen der Tod sprach. Wie oft hatte er ihn getroffen? Zu oft, doch jedes Mal ohne die Macht, ihn zu bezwingen. Die Wut der Elemente entfesselte der Schlächter, und Tod und Blut blieben zurück, wohin er den Fuß setzte.
Tod. Wie viele Tote? So viele … unter meinem Befehl. Durch seine Hand. Innos, steh mir bei! War es recht? Stumm haderte Kerdric mit sich selbst und suchte nach Antworten. Warum nur führte ihn das Schicksal immer wieder mit dem Schlächter zusammen? Wollte es seinen Tod? Oder den des Schlächters? Und das durch seine Hand?
Vielleicht ist es so, dachte der ehemalige Ausbilder, der immer noch bewegungslos verharrte. Um ihn herum betraten und verließen Menschen den Tempel, doch mehr gingen als kamen. Allmählich leerte er sich, aber nichts davon nahm Kerdric wahr, der versunken war in das Gespräch mit Innos und sich selbst. Einer von uns muss sterben. Auf dieser Welt ist kein Platz für uns beide. Innos, bin ich dein Streiter, damit ich diesen Diener Beliars erschlage? Den Boten des Todes? Aber mit welcher Kraft?
Auch seine Gedanken verstummten nun, bis sie sich mit plötzlicher Gewissheit zurückmeldeten. Innos ist meine Kraft. Nie konnte ich es mit diesem Mann aufnehmen, aber … ich werde es, Innos, in deinem Namen. Führe mich zu ihm und ich werde es tun. Lenke meine Schritte, damit ich ihn finde. Gib mir den Mut, damit ich es erneut versuche. Schütze mich, damit das Böse nicht triumphiert. Stärke meinen Arm, damit ich es vernichte. Steh mir bei und ich kann und werde es tun. Ich kann es. Deine Diener werden gerächt werden.
Immer noch kniete Kerdric im Tempel, stumm und bewegungslos, und suchte die Gewissheit im Gebet. Er bat um Kraft für seinen Kampf, um Standhaftigkeit bei seinen Vorhaben, er betete für die Männer, die gefallen waren und deren Tod er nicht hatte verhindern können. Er bat um Erlösung und um Rache, und er würde hier nicht weichen, bis seine Zwiesprache mit Innos beendet war, und sollte es die ganze Nacht dauern.

[Rodeon]

Rod fühlte sich sichtlich unwohl in seiner besten, frisch gewaschenen Ordenskleidung. Sogar den Dreck unter seinen Fingernägeln hatte er weggepult, um an diesem Tag möglichst schick auszusehen, immerhin sollte die Zeremonie ja was hermachen. Jedenfalls hatte ein Teil von ihm schnell bereut, dass er sich, mal wieder, dazu bereit erklärt hatte die beiden aufzunehmen – es gab so viele andere Paladine und Ritter und gerade letzteren hätte er das einfach auftragen können und schon wär er aus dem Schneider gewesen. Nun ja, die Chance war vertan und so stand er nun in der Kapelle zusammen mit Calan und Kerdric, die sich ebenfalls schick gemacht hatten. Es fehlte einzig und allein noch der Waffenrock mit dem Wappen des Paladinordens auf der Brust und was gestern noch in der Miliz beheimatet war, würde heute ein kleiner, feiner Ordensbruder sein.
Naben ihnen sich auch noch ein paar weitere Angehörige des Ordens in der Kapelle unterm Ordenshaus eingefunden. Ein paar kannte er persönlich, die meisten kannte er aber nur vom Hören und Sehen. Besonders die meisten anderen Ordensbrüder waren ihm eher unbekannt.
„Also, ihr beiden“, fuhr er mit dem offiziellen Teil fort. „Ich denke ich brauch euch beiden nicht groß zu erklären, weswegen ihr heute hier seid. Ihr habt euch beide verdient um diese Stadt gemacht und es folgt der logische nächste Schritt, damit ihr aus eurem Talent auch was machen könnt.
Gerade bei dir, Calan, war das ein weiter Weg bis hierhin. Normalerweise würdest du schon längst da drüben bei den anderen stehen, aber Innos hatte wohl andere Pläne mit dir gehabt. Nun, aber jetzt, wo du schon hier bist, wollen wir auch nicht länger warten.
Bevor wir mit dem wichtigsten Teil anfangen, möchte ich euch noch einmal Gelegenheit geben ein paar letzte Worte an uns zu richten, bevor ihr im Orden aufgenommen werdet. Also bitte, legt los.“

[Calan]

Jetzt, wo es soweit war, war Calan erstaunlich ruhig. Lief er gestern noch rum, als hätte er einen Schwarm Bienen in der Unterhose hatte ihn das Gebet in der Nacht innerlich darauf vorbereitet, was kommen würde. Schnell genug würde er sich daran gewöhnen, dessen war er sich sicher, doch noch war es trotz allem ein seltsamen Gefühl, all die Augen auf sich zu spüren, im Zentrum des Geschehens zu stehen. Ordensbrüder, vom Orden der Paladine. Das würden sie sein, noch bevor der nächste Morgen graute. Obwohl in der Hierarchie des Ordens selbst nur ein kleiner Fisch war es doch mehr, als er sich hätte erträumen lassen, als er über Setarrif aus Varant nach Thorniara kam. Hier hatte er eine neue Heimat gefunden, hier hatte er seinen Glauben gefunden. Den tiefen Glauben in Innos, der ihnen das Feuer gab, und an den König, der in seinem Namen kämpfte.

Erst als er aufgerufen wurde, seine 'letzten Worte' zu sagen, spürte er die kribbelnden Finger der Nervosität sein Rücken heruntertapsen. Er wechselte einen Blick mit Kerdric, dann räusperte er sich.
„Ich weiß selbst nicht so recht, was ich sagen soll. Ich bin stolz, heute mit Kerdric an dieser Stelle stehen zu dürfen. Als ich damals nach Nordmar reiste, war es nicht Innos' Wille, dass ich dem Orden beitrete. Heute ist es sein Wille, das spüre ich. Und sein Wille geschehe. Für Innos! Für den König!“
Kurz schloss er die Augen, ehe er sie wieder öffnete. Er wusste nicht, was von ihm erwartet wurde – Calan sagte einfach, was ihm auf dem Herzen lag, was ihm wichtig erschien. Vielleicht sogar das, was seine baldigen Brüder hören wollten.

[Kerdric]

Immer noch steckte Kerdric die vergangene Nacht in den Knochen, die er betend im Tempel Innos’ verbracht hatte, seine Knie waren wund und sein Kreuz schmerzte. Aber die Gebete hatten ihm dabei geholfen, sich auf diese Zeremonie vorzubereiten – und nicht nur darauf, sondern auch auf das, was danach kommen würde. Erst danach würde sein wahrer Dienst für den Orden und für Innos beginnen.
Und so fühlte er sich zwar müde und zerschlagen, aber dennoch bereit. In der kleinen Kapelle unterhalb der Zitadelle waren nur wenige Menschen anwesend, an die er nun das Wort richten sollte, aber diese waren umso wichtiger – seine Brüder.
»Ich …«, begann er unschlüssig, auf diese spontane Rede nicht vorbereitet. »Ich freue mich … und fühle mich geehrt, jetzt hier sein zu dürfen. Ich hätte nicht mit dieser Chance gerechnet, aber Sir Rodeon hat sie mir gegeben, und dafür danke ich ihm. Und ich bete zu Innos, dass ich mich seiner würdig erweisen werde und niemanden von Euch enttäusche.«

[Rodeon]

Mhm, dachte sich Rod. Ich hatte mir mehr erhofft.
Er erinnerte sich immer gerne an seine eigene Weihe zum Paladin, wo er seine größte Sünde vor seinen Brüdern gestanden hatte. Es war befreiend gewesen, als er reinen Tisch gemacht hatte. Aber vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken, Kerdric und Calan hatten vielleicht nicht diese Schuld auf sich geladen wie er es damals getan hatte.
„Gut“, fuhr er mit dem Prozedere fort. „Brüder, jetzt gebe ich euch Gelegenheit das Wort zu ergreifen. Denkt jemand, dass diese beiden es nicht wert sind in unseren Orden aufgenommen zu werden? Wenn ja, so möge er jetzt sprechen und nicht Groll gegenüber diesen beiden hegen. In unserem Orden ist dafür kein Platz.“
Mit einem Male wurde es still in der Kapelle. Hier und da wär noch ein Räuspern oder ein Husten zu hören, aber auch nach einigen Sekunden des Wartens hatte keiner das Wort ergriffen.
„Das ist nicht der Fall“, schlussfolgerte Rod. „Gut. Kerdric, Calan, kniet nieder. Brüder, kniet nieder.“
Alle außer ihm begaben sich auf die Knie. Auch wenn es Innos war, dem diese Ehrerbietung galt, er fühlte sich mit einem Mal total fehl am Platze. Ein merkwürdiges Gefühl, als letzter in einer Kapelle noch zu stehen.
Er trat ein paar Schritte vor, sodass er direkt vor den beiden baldigen Ordensbrüdern stand. Behutsam legte er seine Handflächen auf die Stirne der beiden.
„Ihr seid als Suchende eures eigenen Weges hier hergekommen. Als Angehörige unseres Ordens werdet ihr diesen Ort wieder verlassen. Innos, Reich, König, Brüder, um diese vier Begriffe dreht sich von nun an euer gesamtes Leben. Verratet eins und ihr verratet alles für das wir stehen. Ihr schwört noch keinen Eid, also gibt es für euch immer noch ein zurück, wenn dieser Weg doch nicht der richtige für euch ist. Irgendwann ist eure Zeit als Anwärter unseres Ordens vorbei und ihr werdet zum Ritter geschlagen, arbeitet und betet auf diesen Tag hin. Doch nun genug Gerede. Willkommen im Orden. Ihr dürft jetzt wieder aufstehen.“

[Calan]

'Es gibt immer noch ein zurück' Die Worte klangen noch immer in Calans Ohren. Fast hätte er den Kopf geschüttelt. Zurück? Zurück war niemals eine Option, der Mensch musste in die Zukunft blicken. Ein jeder sollte stolz sein, für eine solche Sache erwählt zu sein. Wieso sollte es jemand ernsthaft in Betracht ziehen, den Weg zurück einzuschlagen? Calan wusste, dass er nicht zurückgehen wollte. Nicht heute, nicht im Angesicht des Todes. Sein Leben für Innos.
'Innos. Reich. König. Brüder. Die Säulen des Ordens. Für all diese Dinge, für alles was Recht und Ordnung verkörperte würde er kämpfen. Während er bei der Stadtwache nur für das Reich und den König verantwortlich waren, kamen nun zwei weitere Pflichten: Seine Mitbrüder und Innos. Ein leichtes! Jedes dieser Dinge war selbstverständlich für einen rechtschaffenden Menschen. Und auf diesen Säulen baute alles auf, was den Orden ausmachte. Wenn nur eine Säule wegfiele, würde der ganze Überbau in sich zusammenbrechen.
'Ich werde dafür kämpfen!' schwor sich Calan im Stillen. Calan, der als Stadtwächter in die Knie ging. Calan, der als Ordensbruder aufstand.

[Kerdric]

Jetzt beginnt es, dachte Kerdric, als er ehrfürchtig Rodeons Worte in sich aufgenommen hatte. Seine Verantwortung erstreckte sich nun nicht mehr nur auf die Bevölkerung Argaans, sondern auf das ganze myrtanische Reich und die Menschen, die in ihm wohnten. Die Pflichten eines Ordenskriegers kannten keine Grenzen, denn er diente nicht länger nur dem König, sondern auch Innos, und dieser war allgegenwärtig.
Innos, ich danke dir, schickte der ehemalige Ausbilder noch ein kurzes Stoßgebet gen Himmel, bevor er sich schließlich aufrichtete, gemeinsam mit den anderen Angehörigen des Ordens, die nun seine Brüder waren – Brüder im Kampfe und Brüder im Geiste. Sie würden seine Familie sein, an sie konnte er sich wenden, wenn er Hilfe brauchte, ihnen würde er beistehen, wenn es in seiner Macht lag, sie alle würden kämpfen unter der Obhut Innos’, bis sie einzogen in sein Reich.
»Ich danke Euch«, sagte Kerdric, als er stand. »Möge Innos mir beistehen und meinen Pfad erleuchten, und möge ich ihn niemals enttäuschen, von jetzt an und in alle Ewigkeit.«