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Die Worte waren verklungen. Und damit hatte Theben die Kontrolle über seine Glieder und seinen Geist wiedererlangt. Er konnte nicht so genau beschreiben, was passiert war, doch die Erinnerung an das, was in den Tiefen seiner Seele passiert war, blieb. Die Gestalt hatte sich ihm nicht vollkommen offenbart, doch seine Worte hallten noch immer in seinem Innern wider. Wer oder was es war, hatte recht. Ich würde meinen Bruder töten. Für Macht. Doch ihm kam keine Reue auf, nicht wirklich. Seinen Bruder selbst zu töten, das wollte er jedoch nicht. Sollte es jemand anderes tun, selbst Hand an Ptah zu legen, kam nicht in Frage. Die Frage nach dem Warum konnte er selbst nicht so genau beantworten. Waren es die wenigen Erinnerungen die er an die Zeit hatte, da er noch nicht Mitglied der Kurie war? Oder war es wirklich die Stimme in seinem Kopf gewesen, die an sein verkümmertes Gewissen appelliert hatte.
Als er dann sah, dass sein Bruder sich wehrte, da musste er grinsen. Es machte nichts, wenn Baquìr Schmerz fühlte. Auch wenn er damit sicherlich nicht viel erreichen kann.. trotzdem Respekt! Nun lag Ptah also da, doch was würde er tun? Versuchen zu fliehen? Hohe Chancen rechnete Theben ihm nicht aus und trotzdem war er gespannt, wie sein Bruder sich schlagen würde.
Ob ich..ihm helfen sollte? Nein, das kam nicht in Frage, damit wäre sein Untergang besiegelt und das Ritual musste doch stattfinden! Aber wie Sakkara reagieren wird? Sie hing doch früher so am kleinen Ptah. Er war ihr kleines Baby. Ob sie das lange mit ansehen kann?
Und dann passierte es. Als Baquìr auf Ptah einprügelte, warf sich Sakkara dazwischen um ihren Sohn wenigstens davor zu schützen. Was dann allerdings folgte, war für Theben nicht leicht zu begreifen. Er selbst sah nur wenig, doch der Gesichtsausdruck des Mannes sagte genug darüber aus, was geschehen war. Das... das.. unglaublich
Karnak schien von diesem Trubel zwar erstaunt, doch aus irgendeinem Grund war er ruhig und zurückhaltend. Vielleicht nur die Ruhe vor dem Sturm? Theben war noch immer durch den Wind und auch Na'im schien aufgebracht. Ich sollte mich raushalten, das wäre wohl erst einmal angebracht.
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Der Atem Sakkaras ging schwer und ihr Herz war voller Trauer, ob der Worte Karnaks, die an diesem Ort so falsch klangen, wie so vieles, was sie die Tage zuvor von ihm gehört hatte. Ihre Hand fasste taub an ihre Schläfe und ihr Körper versuchte den Schwindel instinktiv zu unterdrücken. Diese leise Stimme in ihr war verschwunden, als wäre sie nie dagewesen, dafür setzte ihr Verstand langsam wieder ein und begann zu rasen. So viele Worte, die gesprochen worden waren, so viele Bedeutungen und so wenig Sinn hinter all dem, was gekommen war, was kommen mochte und was schon viel zu lange in der Vergangenheit lag, als dass ihm noch eine Bedeutung beigemessen werden sollte.
Sakkara richtete sich auf und drückte ihr Kreuz durch, während ihr Kinn sich ein Stück hob und ihr Gesicht langsam die alte, bekannte Fassung zurück erlangte. Sie hatte schon zu oft mit Karnak zu tun gehabt, um nicht zu wissen, dass er jedes Wort, was über seine Lippen drang, als ein Spiel verstand. Sie durfte sich davon nicht beeinflussen lassen, wenn sie überleben wollte.
Ein zartes Lächeln zierte ihre Lippen. „Willst du das wirklich?“, fragte die Mutter mit beinahe weicher Stimme und achtete nicht auf den lautstarken Protest des Sklavenhändlers. Dieser Mann war ein Narr und nur hier, damit man ihn benutzen konnte. Sicherlich fühlte auch die schwarzhaarige Frau sich benutzt, aber kaum von einem der anderen Männer. Lediglich von jenem, der nun direkt vor ihr stand.
„Ihr habt es selbst prophezeit.“, sprach sie mit ruhiger Stimme und erwiderte seinen Blick, „Es ist noch nicht so lange her. Vielleicht zwei. Vielleicht drei Wochen. Und vielleicht hat sich seitdem einiges geändert, was dies hier unnötig gemacht hätte, doch habt ihr eure Worte nie zurückgenommen. Und ihr habt mich gewarnt, sie zu vergessen. Also ruft euch euere eigene Prophezeiung wieder ins Bewusstsein. Baquìr musste sterben.“
Es war nicht direkt eine Lüge. Ihre Worte waren war. Wenngleich ihre Intention vor einigen Augenblicken nicht gewesen war, diese Prophezeiung zu erfüllen.
Melaine erschauderte.
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Lehrling
"Ihr redet wirr, obgleich Ihr Euch wieder beruhigt habt.", bemerkte Karnak und hatte damit abgelassen von jeder Scharade, war wieder nur noch Analyse, Kalkül, Ursache und Wirkung, "Alsob der Antrieb Eures Handelns eine vermeintlich von mir gestellte Prophezeiung sein könnte. Baquìr war nie dazuvorgesehen zu sterben. Ihr habt eigenmächtig entschieden ihn umzubringen, weil tief in Euch eine Erkenntnis gereift sein muss. Bedauern, womöglich Reue darüber, den jüngsten Sohn ans Messer zu liefern, ließen Euch selbst nach der Klinge greifen. So war es doch, Sakkara? Oder sprach verletzter Stolz durch Eure Tat, als ihr ihm den Dolch in die Brust stießt? Wut über die Kränkung? Die Schmach, in der Ihr doch wieder erkanntet?"
Etwa ein halbes Dutzend Schritte trennten ihn nur noch von Sakkara, als der Vermummte stehen blieb. Leise klirrte das Metall der Halskette.
"Nun gut. Um ehrlich mit Euch zu sein. Das alles kümmert mich nur wenig. Was mich allerdings beschäftigt, ist die Frage, ob Ihr im Stande seid Euren Teil des Paktes nun weiter zu erfüllen. Baquìr hatte mich einen Blick auf seine Übersetzungen werfen lassen, wisst Ihr? Das Chaos, welches wir mit diesem Ritual heraufbeschwören, ist ein Archon. Eine Entität, die einst den Namen Großer Fresser trug. Doch das Beste kommt ja noch. Ich habe das Bild des Handels eben nicht unbewusst gewählt. Es ist im Prinzip ein Geschäft mit dem wir den Archon in unsere Welt locken wollen, aber was Ihr noch nicht wisst, ist, dass wir von diesem Geschäft zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zurücktreten können. Dieser Odem von Rauch wird solange über unserem Kopf bleiben, bis der Handel abgeschlossen ist, bis alle Opfer gebracht wurden."
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„Es war von Blut die Rede.“, widersprach Sakkara mit eisiger Stimme und funkelte Karnak an, „Nicht davon, sein Leben zu nehmen. Das, was er in sich trägt, ist der Schlüssel, doch ihr sagtet, dass sein Blut reicht. Habt ihr mich damit belogen? Oder war dies wieder eine eurer Halbwahrheiten. Sein Blut, aber wie viel habt ihr nicht gesagt, wissend, dass die Menge sein Leben mit sich nehmen würde?“
Sakkara hatte Mühe damit, ihren Zorn zu bändigen, doch ihre Stimme blieb derart gefasst, dass man annehmen mochte, jede Gefühlregung in ihr sei bereits wieder erloschen. „Was kümmert mich eine Wolke aus, Karnak? Sagt mir die Wahrheit oder wagt es, zu nehmen, was ihr zu glauben braucht, und tragt die Konsequenzen!“
Er wird dich töten., erwiderte eine leise Stimme in ihrem Inneren und Melaine verdrehte ob dieser naiven Worte die Augen. Natürlich würde er das, wenn man ihn derart herausforderte, und dies auf eine Art, die sich erneut auf dem schmalen Grat zwischen Lüge und Wahrheit bewegte. Die Rothaarige vermochte nicht zu ergründen, ob die Worte über die Prophezeiung von der Wahrheit genährt worden waren oder bloß dem jämmerlichen Versuch geschuldet waren, den Pakt, den sie geschworen hatte, zu erfüllen, nun zu brechen.
Sie vermochte es kaum mit anzusehen und doch wagte sie es nicht, sich zu rühren. Sie wusste, dass das, was hier geschehen war, Vergangenheit war, Ptahs Vergangenheit, und sie zu verändern half niemanden, wohingegen das aufkeimende Verständnis aus der ruhigen Betrachtung derselben dazu führen konnte, das Leid zu lindern. Welches Leid auch immer den Adepten ergriffen hatte. Die Zauberin war nie gänzlich schlau aus den wenigen und zumeist noch wirren Worten Ptahs über seine Suche nach der ihm verlorengegangenen Vergangenheit geworden. Ihm fehlte etwas, er fürchtete, etwas zu vergessen. Aber war das bereits alles? Oder hatte sie etwas übersehen?
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So interessant die Diskussion auch sein mochte, die Aufmerksamkeit Thebens wurde im Moment von etwas anderem angezogen. Nämlich dem kleinen Ptah, der sich langsam, kriechend über den Boden in Richtung Ausgang bewegte, er wollte doch tatsächlich versuchen, sich wegzuschleichen, während die Diskussion immer heißer wurde.
Nur der fette Händler Na'im war gefährlich nahe an seinem kleinen Bruder, so dass es am wahrscheinlichsten war, dass er ihn entdecken würde. Und sollte er diesem nach Schweiß stinkenden Wichtigtuer diesen Erfolg zuteil werden lassen, wenn man es denn so nennen konnte? Sicherlich nicht. Dann steht er nur wieder im Mittelpunkt, wie er es immer will. Das Grinsen auf seinen Lippen weitete sich und sein Blick schwankte kurz wieder zu Ptah. Mach was draus, Bruder. Scheinst nen stärkeren Willen zu haben, als man denkt. Er sollte seine Chance bekommen.
Und so fixierte Theben wieder Na'im, streckte seine Hände ein Stück in dessen Richtung aus und sah schon im nächsten Moment, wie sich bräunliche Fäden um seine Finger sammelten, wie die Sandkörner in einer Sanduhr. Und die Zeit für sein Ziel zu ruhen war gekommen. Die sandfarbenen Stränge machten sich auf den Weg, wickelten ihn ein wie Schlangen und sammelten sich dann auf einer Kreisbahn um den Kopf des Händlers.
Mit einem einzigen Gedankenbefehl schlugen sie zu, drangen über Augen, Ohren und direkt über die Stirn in den Kopf des Mitglieds der Kurie ein und fesselten dort Gedanken, legten seine Sinne in Ketten der Trägheit, der er sowieso zur Genüge frönte.
Erfreut über sein Ergebnis zog sich der junge Theben zurück, sah wie die Augenlider nach unten fielen und sich der Kopf leicht senkte. Nun denn, dann mal los, kleiner Ptah. Würde er jetzt keine dummen Fehler begehen oder Na'im beginnen zu schnarchen, so wäre genug Zeit für ihn, einen Vorsprung aufzubauen, während Theben aufmerksam der Diskussion folgte.
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Lehrling
Irgendetwas im kleinen Ptah trieb ihn zum Ausgang und jetzt lag dieser nur noch einen Steinwurf entfernt vor ihm. Er war gleich frei. Würde... würde irgendwo hinlaufen, wo ihn niemand kannte, wo ihn diese Leute nicht finden würden, wo er sicher war. Stumme Tränen kullerten über seine Wange, als er weiterrobbte. Vielleicht noch ein guter Meter. Seine Seiten taten ihm weh, aber mit einem Biss auf die Unterlippe verkniff er sich tapfer jedes Wimmern.
Heulen kannst du später. Ein falscher Laut und sie würden ihn merken. Mama, Theben und der komische Mann unter der Kapuze. In seinen Augen blitzte die Hoffnung. Gleich... gleich war er draußen. Weg von diesem furchtbaren Ort.
Unvermittelt stieß er mit der Nase gegen etwas. Verwirrung. Der Gang war doch frei. Er konnte ja die Fackel an der rußigen Wand erkennen. Ihr flackerndes Licht. Wieso kam er hier nicht durch?
"Versucht mir nicht weiszumachen, dass Ihr so naiv wart zu glauben, dass ein paar Tropfen genug wären. Die anderen Tribute werden unwiderbringlich geopfert; weshalb sollte das Blut von Ptah eine Ausnahme darstellen?", begegnete Karnak derweil eindringlich den Fragen der Mutter,
"Doch sagt mir: Habt Ihr die Vernunft endgültig abgelegt? Was ist aus der Frau geworden, die willens war alles zu geben, um diesem Trauerspiel, welches uns alle knechtet, zwingt immer noch einer Runde teilzuhaben und doch jedes Mal aufs Neue zu verlieren, ein Ende zu bereiten? Wir wollen diese Welt befreien, das Chaos und der Schmerz werden sie reinigen von der Pestilenz des Götterglaubens und der Seuche der Mächtigen. Es liegt in unserer Hand. Hier und jetzt ist der Augenblick und da entscheidet Ihr Euch plötzlich dazu, es Euch anders zu überlegen? Euren Pakt zu brechen? Denkt nach bevor Ihr mir darauf antwortet, doch zuvor ruft Euren Sohn zu Euch oder ich muss ihn dazu bewegen sich von der Barriere zu entfernen."
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Sakkara runzelte die Stirn, die Arme vor der Brust verschränkt und das Gesicht so ausdruckslos wie möglich halten. Mit einem Mal waren all ihre Zweifel und Ängste verschwunden, doch auch all ihre Hoffnungen und Träume. Sie fühlte sich leer, als würde diese Barriere nicht bloß ihren Leib von der Welt abtrennen, sondern ihr Herz von jedweder Regung, die dereinst ihr einem Wind gleich geweht hatte, nie regelmäßig, selten Stark und manchmal doch erschlaffend. Doch nun schien es, als sei dort gar nichts mehr.
Eine Barriere. Woher kam sie? Hatte Karnak davon auch gesprochen, als er sie von dem Ritual in Kenntnis gesetzt hatte? Er spielte mit ihr. Natürlich hatte er nicht gesagt, dass es nicht das gesamte Blut Ptahs fordern würde, dieses Ritual zu beenden, er hatte aber auch nicht gesagt, dass ein paar Tropfen ausreichen würde. Sie hätte es aus dem, was er über die anderen Tribute schwadroniert hatte, schließen können, doch hatte sie es nicht getan, hoffend, dass die unausgesprochenen Fragen und Wahrheiten die Welt verändern würden und ihr ließen, was sie so tief im Herzen gebunden hatte.
„Nein.“, sprach Sakkara schließlich mit ruhiger Stimme und schüttelte sachte, ohne Aufbegehren, den Kopf, „Nehmt euch, was ihr wollt. Er bedeutet mir nichts.“
Ihre Augen fassten den Blick Karnaks mit dem gleichen emotionslosen Funkeln, mit dem sie vor Monaten diesem Ritual zugestimmt hatte. Es war der letzte Halm, nach dem ihr totes Herz griff, wissend, dass selbst dieser brechen musste.
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Lehrling
Wie eine Verlängerung seiner Arme strömte die Magie Karnaks zum kleinen Ptah und umschloss ihn und zog ihn unerbittlich zurück in den weißen Schein des Feuers. All das geschah, ohne dass der Mann sich umgedreht hatte.
"Ich will einmal ehrlich mit Euch sein, Sakkara. Es ist mir zuwider wie inkonsequent Ihr seid. Erst seid Ihr gewillt, alles zu opfern, dann entscheidet Ihr Euch wieder um, wollt das Leben Eures Kindes wahren, nur um es Euch im nächstbesten Augenblick wieder anders zu überlegen. Ihr seid ein Fähnchen im Wind und werdet es immer bleiben. Es sind Menschen wie Ihr, die der Grund dafür sind, dass diese Welt so sein kann, wie sie ist. Nichts, aber auch gar nichts über den Pakt habt Ihr verstanden und werdet es auch nie verstehen. Hätte ich die Möglichkeit Euch davonzujagen so würde ich es tun, aber die Umstände lassen dies nicht mehr zu. Solange der Rauch noch existent ist, wird es keinen Ausweg aus dieser Kammer geben. Das Ritual muss beendet werden.", fällte Karnak sein Urteil emotionslos, die Miene verborgen unter der Kapuze des schwarzen Gewandes.
Jetzt galt es. In seinem Kopf war die Entscheidung über sein weiteres Vorgehen schon vor Tagen gefallen, gewisse Faktoren wie das vorzeitige Ableben Baquìrs waren zwar nicht darin vorgesehen gewesen, aber gravierende Änderungen für das, was nun kommen würde, bedeuteten sie nicht. Diese Kammer würde für lange Zeit die Kurie und alle ihre Mitglieder begraben. Eine ganze Nacht lang hatte er mit Baquìr darüber gestritten, hatte ihn einen Esel genannt die Beschwörung anzusetzen, solange er seine Nachforschungen über die Bewandnis des Amulettes nicht beendet hatte anzusetzen, doch der Wortführer war stur geblieben, war in seiner Eitelkeit auf der eigenen Position beharrt.
Wenn er die Aufzeichnungen richtig verstanden hatte, so würde das Blut zwar den Archon freisetzen, aber um dem Chaos irgendeine Art von Gestalt zu geben, bedurfte es einer vorherigen Opferung einzelner Körperteile. Ein Auge würde seiner Sache dienen und ein Auge sollte das Chaos bekommen.
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Zwischenzeitlich hatte sich Ptahs Geist in seinem jüngeren Ich wiedergefunden. Die kleinen, grauen Augen blinzelten, als er an die Stelle von Karnaks verhülltem Kopf blickte, wo dessen Augen sitzen mussten, erkennen konnte er sie allerdings nicht im Schatten.
"Bleib jetzt ganz ruhig, Junge.", murmelte der Mann namens Karnak, welcher neben ihm auf dem Boden hockte und aus irgendeinem Grund zeigten die Worte des Fremden Wirkung. Dessen rechte Hand schien nach etwas zu greifen, doch erst als er das Stück Holz entdeckte, dessen Spitze gefährlich weiß glühte, begann Ptah zu verstehen, was nun folgen würde. Verdammt dazu mitanzusehen, mitanzufühlen, den Horror nochmal mitzuerleben.
Das Bild verschwamm, sobald das glühende Stück Holz knapp über seinem linken Auge die Haut berührte und zischend das Fleisch zu versengen begann. Ptah schrie, aus ganzer Kehle schrie er, als Karnak unbeirrt die Linie zog, hinweg über die Augenbraue, das Lid und schließlich bis zur Wange fuhr er.
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Sakkara starrte auf Karnak und ihren Sohn, der sich im festen Griff dieses schmierigen Mannes befand. Karnak hatte einen Stab glühenden Holzes umfasst und fuhr ihrem Sohn damit über das Auge und die Wange hinab, ließ Schreie geboren werden und von den Wänden der unterirdischen Halle echoen, dass die Mutter das Gefühl hatte, die gesamte Welt würde in dem Leid des kleinen Jungen erbeben. Sie zitterte am ganzen Leib, während sie versuchte, die Hände zu Fäusten geballt, ruhig stehen zu bleiben und keine Miene zu verziehen.
Melaine erstarrte und ihr Blick zuckte hektisch von einem Bild zum nächsten, dass ihr Verstand wie ein übersättigter Fluss überflutete. Hätte sie Weinen können, wäre ihr eine Träne über die Wangen gerannt, doch die Frau, deren Leib sie zu teilen verdammt war, rührte sich nicht. Einzig eine kalte, tief empfundene Wut breitete sich wie eine Decke aus Schnee über die Gefühle Sakkaras aus, während sie wie eine Statue in der Halle stand und keinen Finger rührte, ihrem Sohn zu helfen, überhaupt zu helfen und sei es nur sich selbst. Es war, als sei die Mutter in diesem Augenblick gestorben, als die Wut in einem letzten aufbegehren ihr Herz für einen Augenblick aussetzen ließ und dann für die Ewigkeit zu entschwinden schien.
Sakkara stand da. Vor ihren Augen das Bild ihres Sohnes, wie Tränen ihm ob der Schmerzen über die Wangen liefen und sein Leib vom Schmerz geschüttelt erzitterte. Sie verstand, was es bedeutete, wenn jemand, der dies sah, es als Wahnsinn bezeichnen würde, doch vermochte diese Empfindung sie nicht mehr zu rühren, indes die Welt vor ihren Augen gebrochen in Scherben da lag.
Der Rauch über ihnen verformte sich zu einer dicken, schwarzen Kugel, die genau in der Mitte eine dünnen, fast unsichtbaren Spalt aufwies, der sich nun, da der Blick der schwarzhaarigen Frau auf ihn fiel, langsam verbreiterte und eine riesige, dunkle Pupille offenbarte, die eingebettet in einem dunklen Grau noch schwärzer wirkte als die Perfektion der attributiv genutzten Farbe.
Ein Schauer sollte über ihren Rücken laufen und sie daran erinnern, dass sie noch etwas zu fürchten hatte, doch da war nichts, bis auf eine eisige Kälte, die ihren Blick zurück zu ihrem Sohn zog. Schwarzer, filigraner Rauch stieg auf den Stellen der Haut Ptahs, die zuvor, da die Rauchwolke entstanden war und der Rauch sie berührte, erbleicht waren, als hätten sie ein Gespenst gesehen. Und trotz des Anblicks, als würde die Schwärze aus dem Körper ihres Sohnes emporsteigen, färbten sich jene hellen Flecken der Haut dunkler, bis ein ebenso tiefes Schwarz wie jenes der Pupille sich gebildet hatte.
Es war vorbei… sie konnte nichts mehr tun… einzig der Wunsch, dies nicht mehr ansehen zu müssen, nicht mehr zu sein und diese tiefe, hilflose Kälte zu spüren, die alles in ihr gefressen hatte, war geblieben. Doch er tat ihr nicht den Gefallen, zusammenzubrechen und in einer erlösenden Ohnmacht davon zu sinken. Sie blieb, die Augen geöffnet und unfähig, noch Mensch, noch Mutter, noch Leben zu sein…
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Eine Barriere? Nun, das ist natürlich ziemlich großes Pech.. Theben nahm es hin, auch wenn er Ptah eigentlich eine echte Chance hatte geben wollen, doch gegen diese Barriere konnte er sehr wahrscheinlich auch nichts unternehmen und den Versuch wollte er nicht wagen, denn davon hätte Karnak sicherlich Wind bekommen.
Und so sah Theben zu seinem Bruder, der sich mit Händen und Füßen gegen den unsichtbaren Griff zur Wehr setzte, schlussendlich aber doch keine Chance hatte, dem magischen Kräften Karnaks zu entkommen. Und während der eigene Bruder die ganze Sache eher gelassen hinnahm, war ein junger Mann in seinem Innern gefangen, der die ganze Situation mitbekam und den es mit jeder Sekunde mehr ob der Grausamkeiten schmerzte und als dem kleinen Ptah dann das glühende Holz an den Kopf angelegt wurde, blieb er sprachlos, sie wären sowieso nur vergebens gewesen. Er war hier gefangen und hatte nur kaum, wenn überhaupt irgendeinen Einfluss auf Theben oder das Geschehen. Zudem wäre Theben wahrscheinlich nicht einmal in der Lage gewesen, etwas zu unternehmen, denn Karnak wirkte dafür viel zu mächtig.
Wie kann man einem kleinen Jungen so etwas antun? fragte sich der Wassermagier nun schon die ganze Zeit, fand darauf jedoch keine Antwort. Doch was war mit Theben? Zwar teilte Jaryvil in diesem Moment den Körper mit ihm, doch seine Gefühlswelt schien verborgen hinter einem Vorhang meterdicken Eisens. Versuchte er, seine Gefühle zu ignorieren? Oder war wirklich nicht mehr geblieben als ein emotionsloser Jugendlicher, der nach Macht strebte? Genauso, wenn nicht noch viel mehr erschütterte ihn das Verhalten dieser.. Mutter, wenn man denn bei Sakkara überhaupt noch von diesem Wort sprechen konnte. Sie blieb still. Zumindest versuchte sie das, doch sie krümmte keinen Finger um ihrem Sohn beizustehen und ihn von dieser Qual zu befreien. Zwar wusste er im Hinterkopf, dass Ptah das alles überstehen würde, doch momentan schien es ihm so, als wäre das Ende und damit das große Finale nicht mehr fern.
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Lehrling
"Es ist hier.", flüsterte Karnak ehrfürchtig im Angesicht des Auges, dessen Pupille die Kammer mitsamt all ihrer Insassen geradezu verschlingen zu schien. Achtlos löste er den Griff um Ptah und warf das verkohlte Stück Holz beiseite, dem einen nicht mehr Wert beimessend als dem anderen.
"Die Opfergaben sind bereitet, großer Fresser. Das Blut eines unschuldigen Kindes, edle Geschmeide, eine mächtige Waffe. Die Kostbarkeiten der Versammelten sind Dein, auf dass sie die Pforte aufreißen und Chaos die Welt überrollt.", donnerte Karnak nun und wich im Anschluss einen Schritt zurück.
Ein Strahl schwarzen Lichtes schoss aus der Pupille und suchte das weiße Feuer und den Bereich darum nach allen versprochenen Tributen ab, während der Verhüllte sich sein silbergraues Amulett um den Hals legte.
"Obwohl...", erhob er seine Stimme abermals nach einem kurzen Räuspern. "Ich glaube aus diesem Opfer wird nichts." Sofort fiel der Strahl schwarzen Lichts auf den silbernen Schmuck um Karnaks Hals, welcher die Konturen des feinen V auffällig hervorstechen ließ. Alle Opfergaben, welche hier offenbart wurden, sind nicht willentlich gegeben. Der Dolch des Fettsacks, siehst du nicht wie er schläft? Nie und nimmer hätte der Gierschlund sich freiwillig von dem Stück getrennt. Und die Kette. Nun, ihr Vorbesitzer starb einen unschönen Tod. Mit Gewalt wurde ihm das Schmuckstück entrissen, jetzt liegt er verkokelt im Feuer. Und dann erst das Kind, eben noch sollte es dir geopfert werden und einen Wimpernschlag später überlegt es sich seine Mutter anders. Zu guter Letzt wäre dann da auch noch ich... Mein Amulett ist mir lieb und teuer geworden und ich werde mich ganz sicherlich nicht mehr davontrennen. Somit ist diese Beschwörung nicht län-"
Ohrenbetäubend war das Grollen, welches sich ausgehend von der Pupille des Archons erhob und der Quelle des dreisten Widerspruchs eine Druckwelle entgegenfegte, die eine dicke Staubschicht vom Boden des Gewölbes aufwirbelte und Karnak die Kapuze vom Kopf riss. Ein Mann mittleren Alters kam darunter zum Vorschein, der auf besondere Weise langweilig und auffällig unauffällig wirkte.
"Eine Kompensation, eine Entschädigung, hmm? Das Ritual hat seinen Preis... Ich verstehe... Wie es der Zufall so will, sind noch ein paar von uns Leben. Du kriegst die Seelen dreier Menschen und im Gegenzug brechen wir dieses Ritual an. Denk doch nur an die Alternative. Keine Opfergaben, keine Seelen. Du bist solange in dieser Form an den Ort gebunden, bis wir alle tot sind, womöglich noch länger."
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Sakkaras Augen blickten trüb von Karnak zu dem großen schwarzen Auge. Dort, wo sie Angst oder Furcht oder zumindest einen Schreck fühlen sollte, war nichts, bis auf eine endlose Leere, in der sich ein einsamer Gedanken wie eine Fahne im Sturm an den Mast klammerte. Es sollte von Anfang an nicht anders sein…
Doch die Erkenntnis traf die Mutter zu spät, um noch den Mund zu öffnen und Karnak für sein widerliches Spiel und seinen abscheulichen Sieg zu gratulieren, um ihren Kälte in einem letzten Schlag der Magie alle Kraft zu entziehen und wenigstens ein letztes Leben zu nehmen, ehe sie ihren Sohn verlor. Zu spät, um noch die Hand zu heben oder einen Schritt nach vorne zu setzen.
Der Gedanke riss und das Tuch, welches einst Symbol und Hoffnung trotz der bitteren Erkenntnis hätte darstellen könnte, schwankte im Wind davon, indes die Bilder vor ihren Augen verschwammen, verblichen und sich in tiefer Dunkelheit ihrer selbst überantworteten. Die Welt würde sich von nun an ohne sie weiterdrehen und ihr letzter Gedanke war die Frage, warum das Wissen darum sie nach all den Jahren noch immer schmerzte.
Der Körper einer Frau, eins Mutter zweier Söhne, einst Witwe eines Mannes, den sie nie geliebt hatte, einst Hüterin des Stolzes ob des Glaubens, diese Welt retten zu können, sackte leblos darnieder.
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Es schien trotz dem Vorfall mit Baquìr alles glatt zu laufen und das Ritual schien vollbracht, doch es dauerte nicht lange, da begann Karnak zu sprechen. Zuerst klang es wirr, doch dann, dann gab es einen Sinn..
Der Vorhang fiel und offenbarte ein falsches Spiel. "Verräter.." zischte der junge Theben und war bereit, Karnak dafür bezahlen zu lassen. Ein letztes Mal, das schien ihm gewiss, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen und er zog einen Dolch vom Gürtel um sich im nächsten Moment auf diese hinterhältige Schlange zu stürzen. Hastige Schritte trugen ihn zum Ziel, stürzte auf ihn, doch erreicht sein Ziel nie. Mit einem Wort der Macht wurde Theben zurückgeschleudert und schlug gegen die Wand, sank auf den Boden und spürte, wie sich die Splitter zerstörter Tonvasen in sein Fleisch bohrten.
Nein.. so kommst du mir nicht davon.. Wankend richtete er sich wieder auf und stapfte wütend auf sein Ziel zu. Dieser schien jedoch wenig begeistert, seine Augen verrieten, wie siegessicher er war. Nicht mehr lange da... Theben stockte mitten im Satz und starrte mit vor Furcht geweiteten Augen auf seinen Brustkorb. Eine schwarze, fast schemenhafte Pranke hatte sich durch seinen Brustkorb gebohrt, ihn regelrecht aufgespießt.
Theben verharrte einen weiteren, kurzen Augenblick so, bevor sich die Spannung löste und der Körper des Jungen in sich zusammensackte und durch die Schatten zum Boden glitt. Und damit verlosch das Grinsen von Ptahs Bruder für immer.
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Stumm wie Fische lagen die ehemaligen Mitglieder der Kurie verstreut um den Jungen herum. Leere in den toten Augen, Schweigen auf ihren Lippen.
Fassungslos hatte das erwachsene Selbst die letzten Entwicklungen miterlebt, die plötzliche Wende der Ereignisse hatte ihn zutiefst überrascht, gar überfordert. Nicht, dass er sich angemaßt hätte, verstehen zu können, welche Ziele die einzelnen Personen im Raum hier verfolgt hätten, aber dass sich die Geschichte so ändern würde, hatte er sich beim besten Willen nicht denken können.
Doch just während dieser Überlegungen wandelte Karnak zu ihm herüber. Sein Fokus ruhte auf dem geschundenen Körper, doch mehr als das verriet das ausdruckslose Gesicht nicht.
"Der Zeitpunkt rückt näher Lebewohl zu sagen, kleiner Mann.", begann er mit beinahe gleichgültigem Tonfall zu sagen, "Sobald die Barriere sich auflöst, bist du frei und auf dich allein gestellt. Herr des eigenen Glücks. Doch bevor sich unsere Wege trennen, muss ich dir noch eine Frage stellen.", während er mit Ptah sprach, nahm Karnak das Amulett ab und hielt es dem Jungen vor das Gesicht. "Eben bevor wir mit dem Ritual begonnen haben, hast du diesen Anhänger längere Zeit betrachtet. Was genau ist dir daran aufgefallen?"
Nur sehr zögerlich kamen dir Worte über die dünnen Lippen des Jungen: "Ich... ich habe ein Muster gesehen. Wie Buchstaben... nur anders geformt." Karnaks rechte Augenbraue lupfte sich in diesem Moment. Hinter ihm begann sich die Barriere mehr und mehr in Richtung des Archonauges zusammenzuziehen. "Es war wie -" Der Satz erstarb im Mund des Jungen, als das grau pulsierende Flimmern schließlich Karnak erreichte. Mit einem Plopp verschwand das letzte Mitglied der Kurie hinter der magischen Wand. Eine Faust schlug auf die Abschirmung ein und der Schmerz beim Auftreffen zeichnete sich deutlich auf dem Gesicht des Mannes ab.
"Dieses Gespräch ist noch nicht beendet.", mahnte er mit einem gefährlichen Knurren in seiner Stimme.
Derweil war die Barriere auch bei Ptah angekommen, seine Haut schien unter Strom zu stehen, als der Schirm über ihn striff und dabei die schwarzfleckigen Reste des Ritualzaubers mit sich riss. Kurz bevor er den Körper des Jungen vollständig zurückließ, bildete sich aus dem Schwarz ein Symbol, das fast den gesamten Rücken bedeckte. Ein schwarzes Ankh blieb auf der Haut zurück. Mahnmal und Schlüssel der Ereignisse dieses Nachmittags. Jetzt begriff der Geist des Erwachsenen seine Bestimmung hier. Es war an ihm... er selbst musste die Erinnerungen in seinem Unterbewusstsein einzuschließen. Um sein jüngeres Ich vor Karnaks Nachstellung zu bewahren und um ihm ein normales Aufwachsen frei von Ängsten und Furcht zu ermöglichen, musste er den Kreis schließen und diese toten Tage tief in seinem kindlichen Selbst vergraben.
Adanos... Wahrer des Gleichgewichts. Ich bitte dich um deine Gnade für ein Kind, dem große Ungerechtigkeit wiederfahren ist. Unverschuldet wurde es von seiner Familie verraten, mit Feuer gezeichnet und musste großes Leid erdulden. Gewähre ihm die Chance auf einen Neuanfang, indem du jegliche Erinnerung an alles, was sich bis zu diesem Tag ereignete,
"Nun, sag endlich, was du erkennen konntest.", drohte Karnak indes, als er mehr und mehr seine Geduld verlor, doch der Junge zeigte keine Reaktion.
in den verschlossensten Ort seiner Seele verbannst, bis dieser Mensch reif genug ist, sie zu ertragen.
Und während die letzten Worte von Ptahs Geist in der dumpfen Weite verhallten, zerfloss die Umgebung der seltsamen Dimension, ergossen sich Ströme schwarzer Tinte über ihn, die abermals Sinn und Wahrnehmung raubten.
Als er die Augen wieder öffnen konnte, blickte er in den dunklen Nachhimmel Varants. Sterne funkelten hier und da über dem ruhenden Meer aus Sand. Irgendwo heulte ein Schakal.
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