2 Wochen Später...
Sie schlief. Nach einem etwa sieben Stunden langen Tag wurde sie direkt zum Schlafen beordert. Seit Luceija hier war hatte sie mehr geschlafen als wohl in den letzten zwölf, dreizehn Jahren. Und auch gegessen. Zwar kein wirklich gutes essen - sie befand sich immerhin nicht im Urlaub sondern immer noch im selben Untergrundbunker Noverias - aber allemal besser als die Zwangsernährung die sie die ersten paar Tage hatte mitmachen müssen. Luceija war schon untergewichtig seit sie denken konnte. Ihr Tagesablauf akzeptierte nie etwas anderes: Aufstehen, Drogen, Training, Aufträge, noch mehr Drogen, Untersuchungen, Ausflug in Bars oder wenns gerade passte ins Bett von irgendjemandem, an den sie sich am nächsten Tag nicht mehr erinnerte. Aber seitdem sie hier eingebuchtet worden war, unterlag ihr Tagesablauf einem verdammt strengen Plan. Ihre Schlafzeiten wurden drastisch erhöht, die Mahlzeiten gefühlt verdreifacht und die Drogen in noch seltsameren Dosen verabreicht. Viel seltsamer war allerdings für sie, dass sie Therapien mit ihr begonnen hatten, von denen sie nie etwas gehört hatte. Verdammt viele waren verwirrend und oft genug auch schmerzhaft - nicht rein körperlich aber umso mehr seelisch. Am Ende des Tages war sie so müde und so ausgelaugt, dass sie sich nicht einmal mehr Gedanken um all das machen konnte. Sie funktionierte nur noch.
Piep. Piep. Piep.
Der Wecker. Luceija drehte sich ein wenig in ihrer spärlichen Schlafgelegenheit und wie bereits gewohnt stand zu ihrer Seite ein Arzt, der sie auf die Füsse zwang und ins Zimmer nebenan schleifte. Man lies sie auf einen Stuhl sitzen und schob ihr eine Schale Essen unter die Nase, dessen Geruch sie mittlerweile schon zum würgen brachte. Es war abartig. Das Essen, der Aufenthalt. Jedes Mal wenn sie an sich hinunter sah, sah sie viel weniger sich und viel mehr eine Unbekannte. Irgendwann registrierte sie sich gar nicht mehr auf die selbe Weise wie zuvor. Es war viel eher wie früher. Lange bevor sie hier her kam. Lange bevor sie auf der Citadel und Omega einen riesen Scheiss verursachte. Und in ihr brannte wieder immer mehr diese Wut, die sie von damals kannte. Und sie wusste genau, in welche Richtung diese Wut ging.
Ein weiterer Blick nach unten verriet ihr, dass weder die Zwangsernährung noch das regelmässige Überfüttern in den zwei Wochen all zu viel gebracht hatte. Zwar hatte sie ein, zwei Kilo mehr auf den Rippen aber war es kein weltbewegender Unterschied zu vorher. Vielleicht kam es ihr aber auch nur so vor, weil sie sich jeden Tag so sah. Jeden verdammten Tag, der ihr unendlich lang und mühselig vorkam.
Als sie zurück in ihr-...nun, man konnte es nur als Kammer bezeichnen - brachte, um sich die andere verdammt sträflingsähnliche Kluft über zu werfen, konnte sie einen kurzen Blick auf die restliche Kleidung werfen, mit welcher sie hier her gekommen war. Ein abgetragenes Bündel, aber noch immer ihr bevorzugter Kleidungsstil. Ihre Finger glitten abwesend über den Stoff, während ihr ein schmales Lächeln über die Lippen strich. Sie zog es aus dem Schrank, breitete es aus und strich über die Front. Noch immer klebten verschiedene Umwelteinflüsse auf dem Anzug. Der Waffengurt hing leblos an dessen Seite.
Sie atmete scharf ein, als ihre Finger einen Gegenstand auf Hüfthöhe streiften. Die selbe Insignie hing noch immer hier. Prangte in glänzendem, beschlagenen Silber am zweiten Gurt um den Anzug. Eine fast schwärzliche, verschmierte Spur beklebte einen Teil der Front.
Luceijas Atem beschleunigte sich. Ihre Augen verengten sich zu leichten Schlitzen. Der Blick mischte Nachdenklichkeit mit Schmerz, als ihre Hand sich um die Auszeichnung schloss und bereit war, sie vom Stoff zu reissen. Nur Sekunden davon entfernt die einzig normale Kleidung hier zu zerstören.
Der Schmerz um ihren Verbündeten war noch immer frisch und viel zu tief, alsdass es gut gewesen wäre. Cerberus nutzte das aus, mit allen Mitteln. Ihre Therapien waren genau darauf zugeschnitten. Sie bügelten Sergios Fehler aus. Hetzen sie erneut gegen diese Spezies auf. Gegen ihn. Alle, die damit in Verbindung standen. Und nun...stand sie hier alleine, mit der Insignie in der geballten Faust und zerfressen fast von zwei so unterschiedlichen Seiten.
Doch diese Era war vorbei. Das war es, was sie hier lernte. Einen Weg zurück in die Normalität. Cerberus' Normalität.
"Was ist da drinnen los?", rief eine Stimme von draussen. Kühl und kurz. "Siebenunddreissig, zehn Sekunden."
"Ich bin fertig.", sagte sie knapp. Schmiss den alten Anzug zurück in den Schrank und wandte sich zur Türe.
'Willkommen in deinem neuen Leben, Luceija.'