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    Ritter Avatar von Rethus
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    Der Fünfstern (1. Teil): Der Weltenaltar

    Sie rannten und rannten. Der Glatzkopf dachte nicht weiter nach. Eigentlich hätte er die Spur beibehalten sollen, aber jetzt rannte er um sein Leben. Kurz schaute er zu seiner größten Verletzung am Arm hinab. Vielleicht war es auch besser so. Einen erneuten Kampf hätte er nicht überlebt.
    Sein Ziehvater Handor hatte ihn aus dieser misslichen Lage befreit. Er dankte es dem Ritter des Königs. Allerdings gab es da zwei Dinge, die ihn zur Beunruhigung brachten. Zum einen war Handor wie gesagt ein Ritter im Namen Innos. Sie alle hatten den Befehl, Rethus gefangen zu nehmen oder gar zu töten. Und andererseits, und diese Möglichkeit war noch viel schlimmer, brachte ihn sein Ziehvater gerade zu den Magiern des Fünfsterns. Noch immer war Rethus‘ Vertrauen in Handor erschüttert, seitdem dieser ihm dieses Messer geschenkt hatte, das von den Magiern mit etwas Magie belegt wurde, damit es wie ein Sender funktionierte.
    „Halt!“ unterbrach der Glatzkopf die Flucht. Die vier Männer, die die beiden begleiteten blieben direkt hinter dem Schwarzgekleideten stehen. Handor stoppte schließlich auch und wirbelte herum.
    „Was gibt es, Rethus?“ fragte Handor. Kurz schaute sich dieser um und prüfte die Lage. „Es ist alles okay. Brauchst du eine Pause?“
    „Auch, aber es geht um etwas anderes.“ Rethus hatte einen ernsten Gesichtsausdruck aufgesetzt.
    „Schlagt bitte ein Lager auf“, wies der Ritter seine Männer an. „Was ist denn?“ Jetzt ging er auf den Glatzkopf zu.
    „In welcher Mission bist du gerade unterwegs und von wem wurde sie gestellt?“ Rethus packte den Griff seines Schwertes.
    „Kein Grund zur Beunruhigung“, entgegnete Handor. „Ich kenne dein Kopfgeld in Thorniara. Aber ich würde dich doch nie ausliefern. Du warst wie ein Sohn für mich. Das weiß auch dein leiblicher Vater Vogor. Ich dachte, du hättest das nicht vergessen.“
    „Schon“, meinte der Schwarzgekleidete und hielt weiterhin den Griff einer seiner Gruftklingen fest. „Aber ich weiß nicht mehr, ob ich dir vertrauen kann. Als ich wegen einer Mission auf Khorinis angekommen bin, bin ich zum zweiten Mal einem der Magier von Anguriano begegnet. Bei unserem Kampf habe ich das Messer verloren, das du mir vor langer Zeit geschenkt hattest. Es war mit einem Zauber belegt, womit mich diese Typen immer wieder finden konnten.“
    „Rethus, vertrau mir. Ich habe bis vor kurzem selbst nicht gewusst, dass unsere Messer mit diesem Zauber belegt sind. Meines war auch mit dieser Markierung ausgestattet worden.“
    Jetzt ließ der Glatzkopf sein Schwert doch noch los. Scheinbar führte Handor doch keine bösen Absichten. „Aber wie kommt dann…?“
    „Gute Frage. Ich glaube, das wird ein Geheimnis bleiben. Vielleicht eines Nachts, während wir geschlafen haben.“
    „Ich finde es noch immer seltsam, dass sie mich nicht schon längst beseitigt haben.“ Rethus starrte ins Leere.
    „Sie wollen dich und Vogor gleichzeitig ausschalten. Das wäre das Ende von dem Volke von Anguriano.“
    „Aber was sagt es ihnen, dass ich nicht schon längst einen Nachkommen habe? Schließlich wollen sie ja genau das verhindern.“
    „Hm, ich denke, das hat nicht nur damit etwas zu tun. Ich weiß nichts über Ulgrad, aber es könnte durchaus sein, dass der Anführer der Magierkaste so finster und grausam ist, dass er dich und deinen Vater aus Prinzip gleichzeitig töten will. Er will euch beiden gleichzeitig gegenüber stehen. Genau das ist auch eine Schwachstelle von ihm… die du genutzt hast. Du hast das Messer von mir beseitigt und erst jetzt kommen sie auf die Idee, dich sofort zu töten.“
    „Könnte sein“, entgegnete noch einmal der Glatzkopf, bevor er sich etwas zu trinken nehmen wollte.
    „Also, um noch einmal auf deine erste Frage zurück zu kommen“, begann Handor erneut. „Ich handle weder im Auftrag des Ordens noch im Auftrag der Magierkaste. Du kannst mir und meinen Männern vertrauen. Sie sind ehemalige Rebellen. Genau wie du und deine Männer damals. Ich komme von selbst aus, weil ich etwas herausgefunden habe. Die Magier haben mich für keine ernsthafte Bedrohung gehalten. Deshalb haben sie mir nur einen Kopfgeldjäger auf den Hals gehetzt. Diesen konnten wir verhören. Er berichtete uns von dem Treffpunkt der Magier, womit sie ihn beobachteten, damit er während seines Auftrages keinen Mist baute. Des Weiteren erfuhr ich auch dadurch, dass mein Messer mit einem Zauber belegt war.
    Das hat mich natürlich zum grübeln gebracht. Ein Treffpunkt der Magier, von dem sie ihn aus beobachten? Und da wurde mir alles sofort klar. Auch ihn hatten sie mit einem magisch belegten Gegenstand ausgestattet.“
    „Also haben sie mich auch von diesem Ort aus aufgespürt?“ erkannte Rethus freudig.
    „Genau.“
    Endlich hatten sie eine heiße Spur… allerdings…
    „Ich habe zurzeit noch einen Auftrag“, entgegnete der Schwarzgekleidete noch einmal.
    „Das habe ich mitbekommen. Es geht um diese Typen, die dich angegriffen haben. Ich habe das ganze etwas beobachten lassen. Meine Männer sind genug, um diese Typen in Schach zu halten. Sie zwingen sie also nach Stewark.“
    „Glück im Unglück, meine Mission ist doch gerettet.“
    „Es tut mir leid, dass ich dich von dort wegführen musste, aber es ist jetzt viel wichtiger, diesen Ort aufzusuchen, bevor ihn die Magier versiegeln oder so.“

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    Ritter Avatar von Rethus
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    Nachdem sie das Lager abgebrochen hatten, gab es keine weitere größere Pause. Handor hielt es sichtlich für wichtig, noch in den nächsten zwei Tagen bei diesem Ort zu erscheinen. Der Ritter hatte seinem Ziehsohn noch immer nicht erzählt, wo es genau hinging und was sie erwartete. Vielleicht gab es Fallen oder irgendwelche Viecher, die diese Magier dem Trupp hinterlassen hatten. Wer würde so einen wichtigen Ort unbeobachtet lassen?
    „Handor“, begann Rethus ein Gespräch.
    „Was ist?“ reagierte der Ritter, ohne den Blick auf Rethus zu lenken.
    „Du hast mir noch nicht erzählt, wo es genau hingeht“, meinte der Glatzkopf neugierig.
    „Hm, stimmt. Der Ort befindet sich im Weißaugengebirge. Unser Verhör an diesem Kopfgeldjäger hatte ergeben, dass es sich um einen alten Tempel handelt.“
    „Ein Tempel?“ Das machte Rethus stutzig. „Ich habe nicht erwartet, dass diese Magier alte, mystische Bauten benutzen.“
    „Vielleicht genau deshalb. Der Tempel wurde weder von ihnen gebaut noch widmen sie dort ihr Tun für einen Gott oder Dämon.“
    „Ein alter Tempel, der einfach nur als Versteck benutzt wird“, kam Rethus‘ Erkenntnis.
    „Richtig“, bestätigte Handor. „Es könnte sowohl zur Tarnung sein als auch als Versteck dienen. Ich höre manchmal Gerüchte darüber, dass es mehrere Tempel unter dem Weißaugengebirge geben soll. Es gibt vielleicht mehr als jemand gefunden werden könnten. Sie sind angeblich sehr gut versteckt. Und weil sie so gut versteckt sind, wird einer auch von der Magiergilde aus Anguriano verwendet.“
    „Clever“, entgegnete der Schwarzgekleidete. „Und was denkst du, wird uns dort erwarten?“
    „Also alles wusste der Kopfgeldjäger natürlich auch nicht. Es muss dort so etwas wie einen Schrein oder Altar geben, an dem sich die Magier versammeln, um irgendetwas oder irgendjemanden zu überwachen, der eine magische Bindung zu diesem Ort aufbaut.“
    „Etwa der, der ein verzaubertes Messer bei sich trägt.“
    „Zum Beispiel… Meine Theorie basiert jedoch auch darauf, dass die Magier nicht nur ihre Vorhaben damit auskundschaften. Du weißt, dass Anguriano eine Insel weit westlich auf dem Ozean ist. Die Magier werden hin und wieder ihre alten Schriften auf Anguriano benötigen, um besser arbeiten zu können. Und um keine große Reise mit einem Schiff machen zu müssen…“
    „… benutzen sie diesen Treffpunkt, um nach Anguriano zurück zu kehren“, vollendete Rethus den Satz. „Heißt das, ich könnte damit auch nach Anguriano?“
    „So ist es“, antwortete Handor.
    „Aber dann kann ich ja jetzt endlich die Dinge herausfinden, die ich gegen diese Magierkaste benötige.“
    „Genau das ist der Sinn unserer Reise zu diesem Ort.“

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    Ritter Avatar von Rethus
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    Sie befanden sich längst am Rande des Weißaugengebirges. Der Wald begann sich etwas zu lichten. Aber sie nutzten nachwievor die Bäume als Deckung. Es regnete auch schon den ganzen Tag. Rethus regte es höllisch auf, aber man konnte nichts dagegen machen.
    Bald hielten die sechs unverhofft. Rethus schaute sich etwas um, teilweise um nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten.
    „Sind wir da?“ fragte Rethus seinen Ziehvater.
    Der Ritter ging an einer Steinwand entlang, die mit Moos bedeckt war. Irgendwann schien er etwas entdeckt zu haben. Er untersuchte kurz die gefundene Stelle, dann öffnete sich plötzlich genau an der Stelle eine Steinluke.
    „Hier ist es“, entgegnete Handor schließlich und betätigte einen Schalter, der sich hinter dieser Luke befand.
    Nun begann die gesamte Felswand vor ihnen zu erzittern. Alter staub rieselte aus dem Fels heraus. Schließlich hob sich die Platte an. Noch einmal schaute Rethus sich um. Niemand schien sie bemerkt zu haben. Aber vielleicht befanden sich die Feinde erst im Inneren.
    Irgendwann rastete die Steinplatte mit einem leichten Knall ein.
    „Kommt schon, die Pforte bleibt nicht lange offen“, meinte Handor.
    Sie gingen seiner Bitte nach und betraten den unterirdischen Tempel. Nur wenige Sekunde nach ihrem Eintritt senkte sich der Stein wieder, bis er schließlich wieder leise auf den Boden krachte.

    Im Inneren war es hell genug, um keine Fackeln entzünden zu müssen. Es lag allerdings nicht an Lichtern, die bereits an der Wand hingen, sondern um Kristalle, die im Boden steckten. Sie schimmerten hellblau und spendeten eigenständig Licht. Vielleicht waren sie mit Magie gefüttert. Doch wenn dem so war, dann konnten sie auch annehmen, dass die Magier diese Kristalle auch als Beobachtungsmittel verwenden konnten. Hoffentlich verneinte sich diese Möglichkeit.
    „Los jetzt“, signalisierte Handor ihren Aufbruch. „Wir müssen schnell sein. Ich erwarte wenig Gegenwehr.“
    Was machte ihn da so sicher?

    Sie stiegen zügig eine Treppe hinab. Unten angekommen folgten sie einem längeren Tunnel, bis sie eine Kreuzung erreichten. Handor gab ein Zeichen, dass sich seine Männer an die Ecken postierten. Ein Weiteres wies sie darauf hin, gleichzeitig die Gänge nach links und rechts zu sichern.
    „Sauber“, sagte einer der Männer kurz. „Sauber“, bestätigte einer auf der anderen Seite.
    „Also weiter“, befahl Handor. Wir nehmen den Gang geradeaus. Diese hier sehen aus wie Wachstuben.
    Schnell folgten sie dem weiteren Weg geradeaus. Dann bogen sie, nachdem der Gang gesichert wurde, um eine Rechtskurve ab. Schließlich folgte noch eine Treppe hinunter. Das schien nie zu enden.
    „Der Tempel ist ja riesig“, bemerkte einer der ehemaligen Rebellen.
    „Bleibt leise, es geht weiter“, mahnte der Ritter matt.
    Ein weiterer Gang wurde gesichert, an dem eine leere Wachstube grenzte. Es schien tatsächlich überhaupt niemanden in diesem Tempel zu geben – noch nicht einmal Viehzeug. Die leeren Wände rasten förmlich an Rethus vorüber. Hin und wieder stand ein Kristall an der Wand, der ihnen weiter Licht spendete. Sie mussten doch irgendwann mal da sein.

    „Da ist es.“

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    Sie waren durch die Gänge geeilt, immer wachsam falls ihnen ein Feind auflauerte. Aber seltsamerweise war der komplette Tempel völlig unbelebt. Absolut nichts Lebendiges lungerte hier herum. Im Tempel fanden sie zwar drei Kammern, die als Wachstuben umfunktioniert werden konnten, aber keine davon war besetzt.
    Nun befanden sich die sechs Männer in einem großen, runden Raum. Vor ihnen lag eine Art Brücke aus Fels. Links und rechts ruhte sowas wie ein unterirdischer See. Niemand wollte wissen, ob es dort irgendwelches Viehzeug gab. Stattdessen begannen sie die Brücke zu einer runden Insel in der Mitte des Sees zu überqueren, auf der sich so etwas wie ein Tisch befand, um den Stühle herum standen.
    „Ist das der besagte Altar, Handor?“ erkundigte sich nun Rethus, der direkt dem Ritter folgte.
    „Ja“, entgegnete er matt. „Das ist der Weltenaltar.“
    Sie erreichten die kleine Insel. Nichts schien sich in dem Tempel zu rühren. Die Wände waren vollkommen von Kristallen erhellt, sodass nichts unbeobachtet blieb. Nur das Wasser des Sees war kohlrabenschwarz. Jetzt widmete der Glatzkopf seine Aufmerksamkeit dem Altar. Es war ein runder Tisch, der genau wie die Stühle völlig aus Stein bestand. Die Stühle waren auch fest in den Boden gehauen, sodass man sie nicht wegrucken konnte. Sie standen auch im gleichen Abstand von einander um den Tisch herum entfernt. In der Mitte des Altars hatten die Magier einen Runensteinplatziert.
    „Bist du dir sicher, dass das ein Altar der Magierkaste ist?“ fragte der Glatzkopf leicht misstrauisch.
    „Fällt dir etwas an dem Altar auf?“ fragte Handor etwas hochgestimmt.
    „Redest du von dem Runenstein?“ landete Rethus weiterhin mit einer Gegenfrage.
    „Das wäre das erste. Wir werden auf dich aufpassen, solange du da drin bist. Sobald dem Stein etwas passiert, wird dein Geist aufgelöst.“
    „Ich wäre dann tot“, entgegnete der Schwarzgekleidete ernst berichtigend.
    „Ja, so darf man es ausdrücken. Aber was fällt dir noch auf, was mehr auf die Magierkaste des Fünfsterns hinweist?“
    „Ich bin mir nicht sicher. Hat es etwas mit der Stühlen zu tun? Immerhin sind es fünf.“ Rethus begann um den Altar herum zu gehen.
    „Ja, genau. Schau dir an, wie genau sie da stehen.“
    Sie standen genau im gleichen Abstand voneinander entfernt um den Tisch herum und standen fest an ihrer Stelle. Dann plötzlich fiel es Rethus auf. „Die Stühle stehen fest an ihrer Stelle, immer im gleichen Abstand voneinander. Es wirkt, als wären sie die fünf Zacken des Fünfsterns.“
    „Erraten. Betrachtet man diesen Tisch von oben, würdest du ein Pentagramm über diesen Altar zeichnen können. Ist das Beweis genug für dich?“
    „Ich denke schon, fangen wir“, sagte Rethus schließlich etwas aufgeregt. „Wo muss ich mich hinsetzen?“
    „Jeder Platz ist für eine bestimmte Person beabsichtigt. Das kann ich dir leider auch nicht sagen.“ Handor kratzte sich am Kopf. Er schien nun gänzlich am Ende seines Wissens über diesen Ort zu sein.
    Der Glatzkopf machte ein nachdenkliches Gesicht. „Fünf Stühle für fünf Magier. Diese fünf Magier bilden eine Einheit – die Einheit des Fünfsterns. Egal wie man den Stern dreht, er hat entweder oben einen Zacken oder unten einen. An den Seiten sind sie immer paarweise.“ Handor schaute seinen Ziehsohn verdutzt an, scheinbar erstaunt darüber, auf welche Gedanken Rethus bei dem Altar kam. „Das heißt, ein Zacken ist immer alleinstehend. Und die Magierkaste hat einen Anführer namens Ulgrad. Er ist bestimmt der mächtigste von ihnen.“ Rethus erreichte wieder den Tisch dort, wo sich hinter ihm die Brücke befand. „Aber natürlich. Ich muss mich dorthin setzen, wo Ulgrad sitzen würde. Er ist immer das Oberhaupt des Sternes, egal ob der alleinige Zacken nach oben oder nach unten zeigt.“
    „Clever“, reagierte Handor verdutzt. „Aber wo musst du dann genau sitzen?“
    „Ganz einfach.“ Rethus legte seinen Waffengurt ab und ging wieder um den Tisch herum. „Von vorn betrachtet ist der alleinige Zacken genau auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke.“
    Der Ritter grinste und schien kein Wort darauf zu wissen. „Gut, probieren wir’s“, meinte er schließlich.
    Der Schwarzgekleidete nahm genau auf den besagten Stuhl Platz. „Und jetzt?“ fragte Handor erneut, als nichts passiert.
    „Ich denke mal, wenn ich mich genau auf Anguriano konzentriere und den Stein…“ Ohne fertig zu reden, legte er seine rechte Hand auf den Runenstein und konzentrierte sich darauf nach Anguriano zu wollen.
    Plötzlich riss es ihn von dem Stuhl. Es fühlte sich seltsam an; als würde er durch einen furchtbar engen Schlauch gezogen werden. Schließlich spürte er festen Boden unter den Füßen. Seine Augen hielt er aber nachwievor geschlossen.

    „Rethus? Funktioniert es?“

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    Handors Stimme hallte wider, so als wäre Rethus in einem Traum und die Stimme klang nicht von hier.
    „Was ist?“ hallte sie noch einmal in seinem Kopf.
    Zuerst traute sich der Glatzkopf gar nichts zu sagen. Er wollte auch noch kein Auge öffnen, aber er spürte, dass er völlig woanders war. Fester Boden befand sich unter seinen Füßen; ja, er stand mit den Füßen auf dem Boden, anstatt auf dem steinernen Stuhl zu sitzen. Der Glatzkopf spürte den Wind, eine recht salzige Luft und er hörte etwas… Es waren Möwen.
    Langsam begann er doch noch seine Augen zu öffnen. Licht drang zu ihm hindurch, es war Mondlicht, nichts weiter. Sonst lag Stockfinsternis um ihn herum. Es war bewiesen, er war woanders… Er war auf der Insel Anguriano, ferner in einer kleinen Stadt. Wahrscheinlich kamen von diesem Ort seine Vorfahren…
    „Was ist jetzt? Rethus?“
    Rethus konnte Handors Stimme noch immer hören. Der Ritter war aber nicht hier.
    „Ich höre dich, Handor“, antwortete der Glatzkopf.
    „Und? Funktioniert es?“ fragte er unruhig.
    „Ja, ich bin in der Stadt von Anguriano.“ Mit Entsetzen bemerkte er erst jetzt den Anblick der Stadt.
    „Wie sieht sie aus?“ fragte Handor neugierig.
    „Die Stadt ist völlig… Sie ist völlig zerstört. Keine Menschenseele, kein Licht, nicht einmal ein Tier… einfach gar nichts.“
    „Das wusstest du aber schon. Konzentriere dich auf deine Aufgabe“, mahnte den Schwarzgekleideten die hallende Stimme. „Auch wenn du dich für deine Vorfahren zu interessieren scheinst, in Anguriano wirst du nicht einen Hinweis mehr über sie entdecken. Ulgrad hat das ganze Volk ausgelöscht.“
    „Gut.“ Rethus seufzte. So erschrocken war er lange nicht mehr gewesen. Ihm fiel auf, dass er noch nie eine völlig zerstörte Stadt gesehen hatte… Vor allem handelte es sich immerhin um die Stadt seiner Wurzeln. „Ich reiße mich zusammen.“ Der Glatzkopf schaute sich genauer um. „Neben den ganzen Häuserruinen scheint es noch ein paar intakte Gebäude zu geben, auch wenn sie völlig unbelebt zu sein scheinen.“ Hinter ihm befand sich ein großes Haus. Es wirkte, als würde es im Mittelpunkt dieses Viertels stehen. Aber nichts schien darauf zu schließen, dass es den Magiern gehörte. Das Haus schien eher prunkvoll zu sein und sehr wichtig. „Ich glaube, ich stehe hier vor dem Rathaus oder so. Das Viertel, in dem ich mich gerade befinde, erinnert mich irgendwie an das obere Viertel von Khorinis, nur etwas kleiner.“ An der Fassade des möglichen Rathauses flatterte noch jetzt ein Banner. Es schien das Wappen von Anguriano gewesen zu sein: Eine rote Wolke auf einem schwarzen Hintergrund. Das Zeichen hatte er noch nie gesehen.
    „Siehst du noch etwas?“ lenkte die hallende Stimme wieder Rethus‘ Aufmerksamkeit auf sein Vorhaben.
    „Ja.“ Da war tatsächlich noch etwas… viel magietypischer. „Ein Viertel weiter kann ich einen Turm erkennen. Er ist außer dem Rathaus das einzige Gebäude, das noch völlig heil ist.“
    „Geh dort hin“, wies ihn Handor an. „Los, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
    Das ließ sich der Glatzkopf nicht zweimal sagen. Er stürmte direkt durch die Trümmer hindurch. Wäre die Stadt noch völlig im ursprünglichen Zustand, hätte er womöglich einen riesigen Umweg laufen müssen. So konnte er einfach querfeldein laufen.
    Seine Füße hielten ihn vor dem besagten Turm… und tatsächlich: Ein Pentagramm.
    „Hier sind wir richtig“, meinte Rethus.
    „Geh rein.“
    „Sollte ich nicht auf Fallen achten? Nicht das Eindringlinge des Todes sind.“
    „Du kannst dort nicht sterben.“
    Rethus runzelte die Stirn. Das klang unglaubwürdig. „Wie meinst du das?“
    „Weil du nicht wirklich dort bist.“
    „Ich spüre den Boden unter den Füßen, den Wind…“
    „Es ist dein Geist, der in diese Scheinwelt geschickt wurde. Du bist nicht wirklich dort, aber siehst trotzdem den Zustand von Anguriano, genauso wie er in diesem Moment ist. Dein Körper… ist in Wirklichkeit hier.“
    Der Glatzkopf schluckte. Sein Leben konnte er in dieser Welt also nicht verlieren, dafür aber wenn sein völlig verwundbarer Körper in der echten Welt verletzt wurde. Er schätzte, genau deshalb hieß dieses Ding auch Weltenaltar. Es war eine haargenaue Kopie von dem originalen Anguriano. Dieser Ort erinnerte ihn beinahe an das unendliche Tor, das ihn in eine Parallelwelt geschickt hatte. Diese war aber völlig anders.
    Rethus schüttelte den Kopf, er musste sich auf das Jetzt konzentrieren…
    „Ich gehe rein.“

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    Der Turm war ziemlich groß. Schon der Eingangsbereich war ein hoher, runder Raum. Die meisten Türen, die sich an der runden Wand herum befanden, hatte man abgeschlossen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei ohnehin nur um die Zimmer der Magier. Dort konnte er sowieso nichts Genaues über den Fünfstern erfahren.
    Rethus befürchtete, dass die Magierkaste die Bibliothek gar nicht abschließen. Niemand von ihnen würde damit rechnen, dass jemand wie Rethus es bis hierher schaffen würde.
    Der Glatzkopf ging eine Treppe hinauf, die sich ebenso in dem großen, runden Raum befand. Oben angekommen, wirkte alles schon wieder etwas kleiner. Der Grund dafür war logischerweise, dass der Bau nach oben hin schmaler wurde. Rethus fand sich in einem Gemeinschaftsraum wieder. Hier stand ein großer Tisch, an dem fünf Stühle gestellt worden waren. Vielleicht diente er auch den gemeinschaftlichen Speisen. Wenn sich der Schwarzgekleidete das ganze so ansah, hatten die Magier demnach nicht schlecht gelebt, ähnlich wie die Feuermagier in Vengard.
    „Wo bist du jetzt?“ hallte Handors Stimme in Rethus‘ Kopf wider.
    „Ich bin im Turm, genauer gesagt im ersten Stock… scheinbar auch im obersten“, fügte er hinzu, während er zur Decke hinauf starrte.
    „Such weiter.“
    Rethus hörte auf den hetzenden Befehl nicht mehr und suchte in Ruhe nach der Bibliothek weiter. Jedoch musste er jetzt auch nicht mehr schnell suchen. Es gab nur noch zwei Türen: Ulgrads Zimmer und die Bibliothek. Rethus entscheid sich für die Rechte der beiden Türen… Volltreffer!
    Die Bibliothek war nicht besonders groß. In dem Raum standen links und rechts Regale an der Wand. Auf der anderen Seite des Zimmers protzte ein riesiges Fenster, durch das Mondlicht fiel. In der Mitte der Bibliothek stand abermals ein Tisch mit fünf Plätzen und am hinteren Fenster ein Bücherständer. Den wollte sich Rethus genauer anschauen. Die Bibliothek war nämlich ziemlich gut aufgeräumt. Wenn die Magier Informationen benötigten, dann musste das schnell gehen. Wahrscheinlich ließen sie das Buch einfach auf dem Bücherständer liegen. Er verschloss die Tür hinter sich.
    „Ich bin jetzt in der Bibliothek“, sagte er und erschrak, als sich Fackeln automatisch erhellten.
    „Gut, schon etwas Auffälliges Entdeckt?“ fragte Handor.
    „Ja, das kann man wohl sagen.“ In der Mitte des Raumes offenbarte sich neben dem Tisch ein riesiges Pentagramm. „Auf dem Boden befindet sich ein Fünfstern. Sie werden hier wahrscheinlich Zauber ausprobiert haben.“
    „Noch was?“
    „Ja, doch. Hinten sehe ich einen Bücherständer, auf dem ein größeres Buch liegt. Ich denke, das wirkt ziemlich auffällig.“
    „Gut, schau dort nach.“
    Langsam nervte Rethus sein Ziehvater. Allerdings hatte der Ritter vollkommen Recht. Mit der Aktivierung des Weltenaltars haben sie bestimmt auch gleichzeitig die Magiergilde von Anguriano alarmiert. Sie werden diesen Ort nicht völlig unbeobachtet lassen.
    Sogleich machte sich Rethus an das Buch…

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    Rethus ist offline
    Der Inhalt des Buches wurde jedes Mal nachgetragen. Man konnte es beinahe als Tagebuch mit unterschiedlichen Kapiteln bezeichnen. Jeder schrieb in jedes Kapitel immer irgendetwas Neues rein. Genauer gesagt bestand das gesamte Buch neben einer Einleitung aus drei Kapiteln: Das Pentagramm, Die Tore und Notfallplan. Im letzten Kapitel stand momentan noch das Wenigste.
    Rethus begann ganz einfach mal mit der Einleitung…
    ‚In diesem Buch versuchen wir fünf Magier aus der Kaste des Fünfsterns unsere Erkenntnisse festzuhalten, die für unseren Plan benötigen. Unser größtes Ziel wird darin liegen, dass wir das gesamte Volk von Anguriano auslöschen müssen. Ein Seher berichtete Ulgrad von jemandem aus diesem Volk, der die Magiergilde besiegen wird. Schnell wurde uns nach der Apokalypse auf dieser Insel klar, dass es Älkalonds Familie war, die sich uns in den Weg stellte. Wir wissen außerdem nicht, wer dieser Seher war. Es wäre mal sehr interessant, etwas darüber zu erfahren, aber unser Meister Ulgrad spricht nicht darüber. ‘
    Der Glatzkopf ließ nun einige Zeilen weg. Sie waren nur Geschwafel. Ganz unten auf der Seite waren die Mitglieder von Rethus‘ Familie abgebildet, die sich die Magierkaste zum Ziel gemacht hatte. Älkalond war der erste, danach folgte sein Großvater, dessen Name scheinbar Karlos hieß. Beide Namen waren rot durchgestrichen. Darunter befanden sich noch die Namen Vogor und Rethus.

    Das war dem Glatzkopf ja schon bekannt. Er blätterte um… zum ersten Kapitel „Das Pentagramm“.
    ‚Wir haben Mittel und Wege gesucht, unseren Plan durchzuführen. Wir studierten zuerst die Mächte der Götter Innos, Beliar und Adanos. Schnell einigten wir uns darauf, dass die Macht jedes einzelnen Gottes nicht ausreicht, um ein Volk wie das von Anguriano auszulöschen. Wir wurden immer gieriger, wollten immer mehr als die bekannten Magieschulen des Festlandes haben. Jeder Einzelne von uns wollte nur eines: Macht, grenzenlose Macht. Dafür reichen aber die Götter nicht.
    Als nächstes untersuchten wir die Schriften einer Sekte… einer Sekte aus dem Sumpf vom Minental von Khorinis. Diese Sekte gibt es noch nicht besonders lange. Daher war dieser Fund zuerst ein ziemlich großer Gewinn für uns. Die Gurus dort beten mit ihren Schülern einen Gott an, der nichts mit den anderen drei Göttern zu tun hat. Er scheint mächtiger zu sein. Ulgrad hatte aber schnell beschlossen dieses Projekt aufzugeben. Bei diesem sonderbaren Gott handelte es sich um einen Erzdämon, bekannt unter dem Namen „Schläfer“. Hätten wir versucht, seine Macht zu nutzen, hätte er uns in seinen Bann gezogen und wir wären seine Sklaven gewesen. ‘
    Im Folgenden übersprang Rethus gleich mehrere Seiten. Hier trugen die Magier noch mehr Dinge zusammen, die ihre Machtquelle werden konnte. Viele Dinge darunter schienen alte Artefakte gewesen zu sein, aus denen sie die Macht stehlen wollten. Meistens war aber der Aufwand deutlich größer als Macht, die sie daraus beziehen konnten.

    Aber schließlich kamen sie dann zum Pentagramm…
    ‚Als wir bemerkt haben, dass es nichts Verfügbares auf der Welt gab, was unseren Machthunger stillen konnte, haben wir einen anderen Weg gesucht. Entweder wir hätten unsere Macht aus den Göttern bezogen und hätten ihnen dienen müssen oder wir hätten sie aus den alten Artefakten gestohlen, aus denen wir nicht einmal einen Bruchteil der göttlichen Kräfte gewinnen konnten. Wir einigten uns darauf, dass der Weg der Macht nicht der über die Götter war. Wer mächtiger als alle anderen werden wollte, musste sich gegen die Götter stellen.
    Nach weiteren Recherchen viel uns etwas sehr Banales auf: Egal, welche Magieschule wir untersucht hatten, ob sie zu den drei Göttern oder zu einem Dämon bestand, jede Einzelne von ihnen hat etwas gemeinsam: Sie benutzen das Pentagramm, den Fünfstern. Es ist ein Symbol der Magie. Ulgrad vermutete, in diesem Stern etwas entdeckt zu haben, dass unser Problem lösen konnte. Also begannen wir unsere Recherchen noch einmal ganz von vorne und untersuchten die Magieschulen darin, wie sie das Pentagramm benutzten. ‘
    Jetzt wurde es interessant…
    ‚Uns viel schon nach kurzer Zeit auf, dass jede einzelne Magieschule das Pentagramm für die gleichen Zwecke nutzte. Es ist ein sehr bekanntes und vor allem effektives Symbol der Magie. Man nutzte es, um größere Magiemassen besser kontrollieren zu können. ‘
    Das wusste Rethus auch schon von Callindor…
    ‚Aber wie genau? Die Frage war einfacher als erwartet zu lösen: Das Pentagramm ist auch Symbol für die Unendlichkeit. Betrachte man den gesamten Stern von seinem Aussehen her, dann konnte man etwas ganz Auffälliges erkennen: Ein fertiger Fünfstern besitzt weder einen Anfang noch ein Ende. Jeder Zacken geht unmittelbar in den nächsten über. Und seine innewohnende Kraft, die er aus sich selbst bezieht, hat er teilweise seiner Form zu verdanken: Er ist mathematisch perfekt. Jede Linie ist gleichlang, jeder Zacken besitzt denselben Winkel, jede geometrische Figur in ihm ist identisch. Es ist ein mathematisch perfektes Symbol der Unendlichkeit. Aber worin liegt noch seine Kraft?
    Diese Frage beantwortete sich erst, als wir den Stern darin untersuchten, wenn er von allen drei Magieschulen gemeinsam benutzt wird. Denn daraus bezog man noch viel mehr magische Kraft, die noch unkontrollierbarer war. Nur mit den drei Magieschulen war es den Magiern möglich gewesen, diese immense Macht steuern zu können. Um dieses Verhalten zu verstehen, untersuchten wir den genauen Ablauf eines solchen Rituals. Meistens wurden fünf Magier verwendet, die sich genau auf jeden Zacken stellten. Dabei beschworen sie Magie auf unterschiedliche Weise… immer in unterschiedlichen Elementen.
    Jetzt begannen wir den Stern genau zu verstehen. Jeder Zacken stand nicht für eine magische Quelle, sondern für ein Element. So langsam begann die magische Kraft des Pentagramms Sinn zu machen. Er ist tatsächlich ein Symbol der Macht, der alle Formen der Magie aus den Bereichen der Elemente steuert. Deshalb übertrifft er auch jede einzelne Magieschule, die es gibt.
    Wir haben unseren Schlüssel gefunden: Das Pentagramm. Fort an nannten wir unsere Gilde die Magierkaste des Fünfsterns und begannen damit den Stern genau zu studieren. ‘
    Rethus war unheimlich angespannt. Ihm offenbarten sich gerade sämtliche Antworten darauf, wie er diese Magiergilde zu verstehen hatte…
    ‚Bald stellte sich heraus, wie genau der Fünfstern funktioniert. Es gibt zwei verschiedene Formen des Pentagramms: Einmal wenn ein Zacken nach oben zeigt und einmal wenn einer nach unten zeigt. Viele Menschen glaubten immer das Erstere sei ein gutes Symbol und das andere sei das Symbol des Teufels. Tatsächlich scheint die Macht des bekanntlich „guten“ Pentagramms darin Dämonen abzuwehren. Scheinbar liegt es in dessen Natur. Das andere hingegen strahlt eine finstere Aura aus, von denen Menschen krank wurden. Genau auf diese Merkmale hin forschten wir weiter und kamen bald zu einer Erkenntnis.
    Das gute Pentagramm scheint dem Menschen Schutz zu geben, während das böse ihm den Schutz nimmt. Mit anderen Worten: Das gute Pentagramm beschwört und das Böse verbannt. Auf dieselbe Weise beschwören Magier auch Zauber und bannen sie wieder. Genauso funktioniert das Pentagramm, um diese immensen magischen Kräfte kontrollieren zu können.
    Wie gesagt benötigt man dazu jedes einzelne Element: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Jedes dieser vier Elemente steht für einen Zacken des Sterns und ergänzt ihn damit. Kontrolliert werden diese von dem alleinstehenden Zacken des Sterns: Dem Äther oder auch „Geist“. Die nächste Frage war nun: In welcher Reihenfolge müssen die Elemente stehen?
    Sie müssen Sinn ergeben und jedes andere ergänzen. Somit beantwortet sich die Frage schnell. Stellt man sich ein gutes Pentagramm vor, also eines, das den Äther nach oben zeigt, muss man den Zacken links unten mit „Erde“ beschriften, denn der Geist symbolisiert damit die fruchtbare Mutter Erde. Der Zacken rechts oben trägt das Element des Wassers, weil es die Erde fruchtbar macht. Von da aus geht es weiter zu dem Zacken links oben. Dieser trägt das Element des Windes, denn das Wasser benötigt den Sauerstoff aus der Luft, um Leben hervor zu bringen. Also trägt der letzte Zacken rechts unten das Feuer, weil dieses nur mit der Luft Leben kann. Und schließlich verbindet sich dieses wieder mit dem Äther. Der Geist und das Feuer symbolisieren den Seelenfunken. Wieso das eine ein beschwörendes Pentagramm und das andere ein bannendes Pentagramm ist, ist somit auch schnell beantwortet.
    Beginnt man das Pentagramm von Äther aus zu zeichnen, gelangt man zuerst zur Erde. Das bedeutet, dass der Geist über den Körper herrscht. Damit beschwört man. Beginnt man hingegen andersherum und zeichnet den Fünfstern von der Erde zum Äther, dann bedeutet dies, der Körper herrscht über den Geist. Damit verbannt man.
    Uns wurde somit eines klar: Jeder von uns musste ein eigenes Element entdecken. Jede Magieschule macht eines falsch: Sie spezialisieren sich nicht auf eines dieser Elemente und arbeiten nicht zusammen. Würde jeder Magier ein einziges Element perfektionieren, könnte man noch mächtigere Kräfte aus dem Pentagramm erwecken und genau das wollen wir uns zu Nutze machen. ‘
    Damit endete das erste Kapitel. Rethus zitterte…

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    Ritter Avatar von Rethus
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    Die Magierkaste hatte erkannt, dass man aus dem Fünfstern Macht beziehen konnte, ohne sich an Grenzen binden zu müssen. Das Pentagramm war ein unendliches Symbol der Magie, das bedeutete auch, dass die Macht unendlich war. Das Einzige, was man dafür nur benötigte, waren fünf Magier mit jeweils einem Element – und das hatten sie.
    Der Glatzkopf blätterte zum zweiten Kapitel um. Es gab keine Zeit zu verlieren…
    ‚Wir haben mit Hilfe des Pentagramms zwei Dinge erforscht, die wir uns in unserer Machtausübung zu Nutze machen wollen. Zum einen haben wir es mit dieser großen magischen Energie geschafft Paralleluniversen zu öffnen. ‘
    Dem Glatzkopf fiel der Mund auf…
    ‚Wir haben es geschafft, Paralleluniversen kontrolliert zu öffnen. Uns zwar testen wir unsere Magie an Toren, die wir errichtet hatten. Mit Hilfe dieser Tore schaffen wir für unsere Zwecke Zufluchtsorte und Verstecke… andererseits aber auch Orte, an denen wir lästige Feinde verbannen können. ‘
    Ohne Zweifel, hier war das unendliche Tor gemeint, in das Rethus mit einigen Freunden vor längerer Zeit getappt war. Aber… es gab mehr davon?
    ‚Wir nutzen schon lange nicht mehr diesen Turm oder irgendeinen anderen Ort, wo wir gemeinsam hausen. Wir achteten darauf, möglichst getrennt zu leben, das macht das Überleben der Magiergilde einfacher. Genau das geht am besten, wenn jeder von uns in einem anderen Paralleluniversum lebt. Damit aber keiner verschollen geht, haben wir mehrere dieser Tore erschaffen und sie überall versteckt.
    Als zweites haben wir erkannt, dass man mit dem Pentagramm sonst unkontrollierbare Wesen erschaffen kann. Dämonen, die für einen einzigen Magier – selbst für fünf Magier ohne Pentagramm – völlig unkontrollierbar wären.
    Zurzeit haben wir neben unserer Suche nach Älkalonds Familie eine Forschung laufen, mit deren Hilfe wir sogar mehr erreichen können als so viel Macht anzustreben. Wir versuchen das Beschwören von Kreaturen mit den Toren zu verbinden. ‘
    Rethus schluckte abermals. Jetzt wurde ihm auf schreckliche Weise alles klar. Die Magierkaste existierte nicht nur aus dem Vorwand, Rethus und seinen Vater töten zu wollen. Sie streben ungeahnte Mächte an, die sich ein Mensch nicht in seinen Träumen wagen würde. Es klang pseudomäßig, aber hörte sich an als strebten die Magier so etwas wie das Ende der Welt an. Sie waren durch Hass zerfressen, Hass an den Völkern oder sonst was… vielleicht sogar an den Göttern. Sie würden nun die Welt vernichten und in ein Paralleluniversum flüchten. Langsam ergab ihr gesamtes Vorhaben einen Sinn. Ulgrad war völlig von Sinnen, er war kein Mensch.
    „Rethus“, meldete sich Handor wieder. „Stimmt etwas nicht? Du hast einen Schweißausbruch und bist völlig von der Rolle?“
    „Ich habe gerade etwas ganz schlimmes erfahren“, meinte Rethus. Der Glatzkopf verspürte seit seiner Begegnung mit dem Dämon von Gotha wieder so etwas wie unermessliche Angst.
    „Beeil dich, wir wurden bemerkt.“
    „Ja.“ Rethus blätterte weiter zum dritten und letzten Kapitel um. Den Rest von den Portalen brauch er gar nicht weiter zu lesen. Die Magier hatten sogar Skizzen von der Erschaffung von Kreaturen erschaffen, die sich Rethus nie vorstellen konnte. Er konnte sich das Ganze nicht länger ansehen.
    ‚Einen Notfallplan haben wir ausgearbeitet, aber verzichten darauf, großartig etwas darüber zu erwähnen. Zur Erinnerung: Es gibt einen Notfall, falls einer von uns aus unerklärlichen Gründen stirbt. Denn das Überleben unseres Vorhabens hat oberste Priorität. ‘
    „Die sind doch krank“, schimpfte der Schwarzgekleidete völlig zornerfüllt.
    ‚Wir werden am Ende oder falls andere Dinge passieren, in ein Paralleluniversum flüchten. Kleine Vorkehrungsmaßnahmen: Den Fünfstern im Angesicht von Rethus oder Vogor unerwähnt lassen (zu hohe Gefahr, falls sie ihn gegen uns einsetzen). Das magische Gewand von Anguriano bleibt im Tempel unseres Wasserelements verwahrt. Die Tore werden innen mit versteckten Schlüsseln ausgestattet, um aus den Paralleluniversen flüchten zu können, falls etwas schief geht. Ende. ‘
    Letzteres wusste Rethus bereits. Als er in dem Paralleluniversum gefangen war, konnte nur mit Hilfe eines Schlüssels in Form einer magischen Kugel zurückkehren. Aber er konnte das Pentagramm gegen sie verwenden? Interessant. Und was war bitte das magische Gewand von Anguriano? Es gab also noch viel zu entdecken.
    „Ich bin hier fertig, Handor“, sagte der Glatzkopf laut.
    „Äh, wir haben hier ein Problem. Du musst einen eigenen Weg wieder heraus finden.“ Die Stimme des Ritters klang sehr angespannt.

    „Es gibt keinen anderen Weg raus“, sagte plötzlich eine völlig Fremde Stimme.

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    Ritter Avatar von Rethus
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    Der Glatzkopf war erschrocken. In der echten Dimension stand gerade einer der Magier vor ihnen. Sein Körper saß dort einfach so vor diesem Altar und griff nach dem Runenstein. Völlig wehrlos konnte er auf der Stelle getötet werden.
    „Rethus?“ hallte Handors Stimme wider.
    „Ja, ich versuch etwas.“ Der Glatzkopf versuchte sich komplett auf die Rückreise zu konzentrieren. Er wünschte sich, auf der Stelle zu Handor zurück zu kehren…
    Es klappte nicht…
    „Ich sagte eben, es geht nicht“, sagte wieder die fremde Stimme. „Einer von uns blockiert den Zugang von außen.“
    Verdammter Mist, aber wie sollte er es sonst schaffen? Plötzlich schrie einer von Handors Männern. Ein Platschen folgte. Scheinbar wurde jemand in die Luft gewirbelt und landete ins Wasser.
    Der Schwarzgekleidete musste etwas machen. Wie konnte er aus diesem Gefängnis entkommen. Wenn er nicht schnell handelte, würde er sterben. Sollte er allerdings alles zu hektisch überstürzen, machte das seine Situation nicht besser.
    Also, er war hier gefangen. Ein Magier des Fünfsterns blockierte den Zugang nach draußen. Rethus musste etwas finden, das mächtiger war, als ein solcher Magier. Aber das funktionierte doch nicht. Er war kein Magier…
    Aber vielleicht brauchte er das auch gar nicht zu sein. Ihm fiel gerade das Pentagramm auf dem Boden ins Auge. Vielleicht konnte er…
    Schnell rannte er zu dem Regal hinüber, das unmittelbar neben dem Fünfstern stand. Dort hatte man mehrere Gegenstände hinterlassen, die sehr eigentümlich aussahen. Glücklicherweise waren sie beschriftet. Besonders auffällig waren fünf Steine aus einer sandigen Substanz. Davor lag ein Schild mit der Aufschrift ‚Ersatzelementträger‘. Damit hatte der Glatzkopf eine Idee. Er entnahm dem Regal die fünf Steine. Sogleich platzierte er sich auf die Zacken des Pentagramms, das in dem Boden eingelassen war.
    Jetzt ging er die einzelnen Elemente noch einmal durch. Den Geist ließ er unberührt. Dem nächsten Stein schüttete er etwas Wasser über, das er auf dem Tisch gefunden hatte. Einem weiteren pustete er einfach Sand herunter. Einen weiteren sengte er mit einer Fackel an. Und schließlich warf er dem letzten Stein etwas Erde von einem Blumentopf über. Sollte das reichen. Sofort stellte er sich in das Pentagramm und stellte sich vor, hier weg zu wollen… es klappte nicht.
    Enttäuscht schaute er zu dem Stein hinüber, der den Äther darstellte und wünschte sich abermals, hier weg zu wollen…
    Plötzlich wurde er wieder durch diesen furchtbar engen Schlauch gezogen. Dann landete er wieder in dem steinernen Stuhl. Erschrocken ließ er den Runenstein los.
    „Rethus?“ reagierte Handor völlig verblüfft. „Du hast es geschafft.“
    Der erste, dem der Glatzkopf ins Auge fiel, war der Magier. Es war ein anderer als beim letzten Mal. Sein Gesichtsausdruck blieb cool, aber man merkte, dass es ihm nicht gefiel, Rethus unbeschadet vor sich zu sehen. Der Magier trug einen schwarzen Umhang, eher einen Mantel, der ziemlich weit geschnitten war und absichtlich zu lange und breite Ärmel aufwies. Über den ganzen Mantel waren rote Pentagramme übersät.
    „Kaum zu glauben“, sprach der Kerl plötzlich. „Das hast du also geschafft, aber uns wirst du nicht mehr aufhalten.“ Er hob seinen Arm zur Tempeldecke hinauf. Plötzlich rieselte Dreck herunter, bis dieser durch Steine abgelöst wurde. Ohne ein weiteres Wort, löste sich der Typ in Sand auf.
    „Mist! Wir müssen hier raus!“ brüllte einer von Handors Männern.
    Sofort nahmen sie ihre Beine in die Hand und rannten über die Brücke. Hinter ihnen zerbarst der Weltenaltar unter einem riesigen Brocken. Kurz darauf begann die Brücke einzustürzen.
    „Schneller!“
    Sie kamen um die Ecke. Das gesamte Gemäuer begann einzustürzen. Die Wachstube hier vorne war bereits vollkommen verschüttet. Rethus hätte nie gedacht, dass die Reise über den Altar so anstrengend sein würde. Er war jetzt schon völlig fertig, zwang sich jedoch weiter zu rennen. Schnell rasten sie die Treppe hinauf, weiter durch die Gänge hindurch. Hinter ihnen stürzte das Gestein von der Decke hinter her, als wäre es eine Lawine, die sie verfolgte.
    So schnell sie ihre Füße noch tragen konnten, kamen sie geschwind an den beiden letzten Wachstuben vorbei und rannten die Treppe zu der geöffneten Tempeltür hinauf. Oben angekommen stürzte sich der Glatzkopf einfach auf den Boden. Hinter ihm endete das Getöse schlagartig.
    „Der Tempel ist verschüttet“, meinte Handor, der sich nur hingekniet hatte. „Das war vielleicht knapp.“
    „Das muss der Magier des Erdelements gewesen sein“, dachte der Glatzkopf laut.
    „Was?“ bemerkte Handor darauf.
    „Nichts“, erwiderte Rethus.
    „Was hast du in Anguriano erfahren.“ Der Ritter half Rethus auf.
    „Ich will nicht alles sagen. Es ist besser, wenn ich die Dinge größtenteils für mich behalte“, erwiderte dieser. „Nur so viel: Sie benutzen das Pentagramm für große Beschwörungen. Und jeder Magier von ihnen bildet ein Element aus.“
    „Deswegen sagtest du, Magier des Erdelements.“
    „Ja, ihr Ziel ist es nicht nur, mich und meinen Vater zu töten. Das ist nur der erste Schritt. Die Macht, die sie in dem Pentagramm entdeckt haben, lässt ihnen viel mehr Möglichkeiten. Sie erwähnten so etwas wie die völlige Apokalypse der Welt.“
    Handors Gesichtsausdruck drückte vollen Schrecken aus. So hatte ihn der Glatzkopf noch nie gesehen.
    „Seid also bitte gewarnt und haltet euch weiterhin daraus. Du kannst mit deinen Männern nichts mehr dagegen ausrichten.“
    Apropos Männer, er bemerkte erst jetzt, dass nur noch einer übrig war. Scheinbar sind die anderen während dem Kampf oder dem Einsturz umgekommen.
    „Was hast du jetzt vor?“ fragte Handor weiterhin.
    „Meinen Auftrag bei Stewark weiter ausführen. Mir fehlen Hinweise und Spuren, die mir bei den Magiern weiterhelfen können. Und sie werden ihren Plan erst durchführen, wenn ich weg vom Fenster bin. Also kann ich mir für’ s Erste Zeit lassen.“
    „Gut, wir begleiten dich.“

    Ende

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