Zitat von
DJ-Jäger
Die Natur hat es ja laut der Evolutionstheorie so eingerichtet, dass sich durch Selektion und Mutation die Spezies weiterentwickelt. Und genau das war beim home erectus einfach nicht mehr notwendig. Er kam mit allen Widrigkeiten klar und konnte nahezu jedes Problem lösen, vor das er gestellt wurde.
Das ist eine etwas schiefe Auffassung der Evolutions-Prinzipien. Es kommt nicht zu Weiter-/"Höher"-Entwicklungen, weil dafür eine Notwendigkeit besteht. Sondern es treten aufgrund von Mutation und "natürlicher Zuchtwahl" Veränderungen zunächst bei einzelnen Vertretern einer Art auf, die sich als vorteilhaft erweisen. Gemessen wird die Vorteilhaftigkeit am langfristigen(!) Fortpflanzungserfolg.
Der Homo Erectus mag "gut genug" an seine Umwelt angepasst gewesen sein. Sobald sich aber ein einzelnes Individuum durch irgendeine "Verbesserung" auszeichnete, hatte es die Chance, sich in größerer Zahl fortzupflanzen als seine Artgenossen. Mit etwas Glück hat sich das dann tatsächlich so ergeben, und im Laufe der Generationenfolgen verdrängten die "besseren" Varianten der Art die "schlechteren".
Kurz: Das Bessere ist Feind des Guten.
Und damit, dass der homo sapiens quasi aus dem Nichts kommt, meine ich, dass jede Spezies, die jemals auf diesem Planeten gelebt hat, durch archäologische Funde zurückverfolgt werden kann.
(...)
Es gibt nur ein Kuriosum: Man hat in all der Zeit nie die Zwischenstufe von erectus auf sapiens gefunden, er war urplötzlich da.
Ich bin kein Experte für Paläontologie. Soweit ich weiß ist es jedoch so, dass gegenwärtig die Entwicklung sehr vieler Arten nur lückenhaft nachgezeichnet werden kann, anhand von Entwicklungsstufen, die durch Fossilien herleitbar sind. So eine große Ausnahme scheint das "Missing Link" zum Homo Sapiens also nicht zu sein.
Und solange dieses Missing Link nicht gefunden wurde, greift die Evolutionstheorie nicht beim Mensch. Bei allen anderen, außer beim Mensch.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass verwertbare Überreste ausgestorbener Arten, bzw. von den Vorstufen existierender Arten, nur aufgrund des Zusammentreffens außergewöhnlicher Umstände aufgefunden werden können. Zuerst muss in der Vergangenheit überhaupt ein (aussagekräftiges) Fossil entstanden sein, dann muss es in der heutigen Zeit entdeckt werden. Anders gesagt: Die Rekonstruktion der Entwicklungslinien der Arten ist reine Glückssache. Ist es da wirklich so erstaunlich, dass es beim Vorfahren des Menschen Unklarheiten gibt? Ich meine nicht.
Entscheidend ist doch: Für die Annahme, dass die Arten durch den evolutionären Prozess entstehen -- und sich permanent verändern --, existiert überwältigende Evidenz. Daher ist auch für die Entwicklung des Menschen die Evolution der mit gewaltigem Abstand naheliegendste Erklärungsansatz.
Sicher ist an diesem Prozess vieles höchst verwunderlich. Aber das gilt nicht nur bezüglich des Menschen, sondern auch für andere Arten. Unsere durch Alltagserfahrungen geprägte Intuition ist nur sehr bedingt dazu in der Lage, die "Plausibilität" der Evolutionstheorie in Bezug auf konkrete Erscheinungen des Lebens einzuschätzen. Einfach weil der Prozess der Evolution normalerweise VIEL zu langsam abläuft, um innerhalb der menschlichen Lebensspanne auffällige Veränderungen zu bewirken.
Aber genau das ist es ja. Im Grunde gibt es nur für die wenigsten Dinge Beweise, auch für den Urknall gibt es keinen tatsächlichen Beweis. Man stützt sich doch oft nur auf Indizien. Indizien sind keine Beweise, sondern sie unterstützen nur eine Theorie, (...)
Das ist natürlich wahr. Nicht wahr ist aber, dass es überhaupt eines Beweises bedürfte, um eine Theorie wissenschaftsfähig zu machen.
Außerhalb der Mathematik lässt sich nämlich NIE etwas endgültig beweisen. Vielmehr erringen Theorien die Zustimmung der Wissenschaftlergemeinde, weil sie von überzeugender Erklärungskraft sind, mit beobachtbaren Tatsachen übereinstimmen und ggf. Vorhersagen für beobachtbare Tatsachen zulassen, sich also bewähren können. Solange es keine gleichwertigen konkurrierenden Erklärungsmodelle gibt und solange die Theorie nicht in Widerspruch zu Tatsachen gerät, "gilt" sie.
Du kannst gerne an die Evolutionstheorie glauben, das tue ich ja auch. Aber sie greift beim modernen Menschen nicht, deshalb kann man auch hier -solange das missing link nicht gefunden wurde- genauso gut an eine höhere Macht glauben, die eingegriffen hat, denn diese Theorie hat genauso viele Beweise für die Entsteheung von sapiens wie die Evolutionstheorie. Nämlich null.
Siehe oben: Die Unterschiede zwischen einem bloßen Glauben (wie in den Weltreligionen) und einer "gültigen" wissenschaftlichen Theorie sind RIESIG. Es ist irrational, den jeweils besten Erklärungsansatz für etwas abzulehnen, nur weil er nicht letztgültig bewiesen werden kann. Und es ist irrational, stattdessen an etwas zu glauben, für das es absolut KEINE Indizien gibt -- wie an den Lieben Gott.
Was die "Missing-Link"-Spekulation des Buches betrifft, bezweifle ich sehr stark, dass diese ein besseres Erklärungsmodell für die Entstehung des Menschen anbietet als die etablierte Wissenschaft mit der Evolutionstheorie. Wahrscheinlich könnte ich das aber auch nach Lektüre des Buches nicht genau beurteilen, weil ich kein Experte auf dem Gebiet bin.
Ferner habe ich nicht von "glauben" gesprochen, sondern von einem "faszinierenden Gedanken", das ist ein gewaltiger Unterschied. Ich glaube nämlich auch nicht an Dinge, solange sie nicht irgendwie mit Beweisen oder mehreren Indizien untermauert werden können.
OK, dann sind wir uns ja anscheinend doch im Wesentlichen einig.