[Rodeon]

„Zu viel Süßholzgeraspel“, flüsterte Rod in Kerdrics Ohr und winkte ein paar Ordensbrüder heran die die Waffenröcke parat hielten.
Es dauerte nicht lange, bis nichts mehr daran erinnerte, dass die beiden mal was anderes außer Angehörige des Paladinordens waren.
„Genießt den Rest des Abends mit den übrigen Ordensbrüdern, ich denke ihr habt euch genug zu erzählen. Ab morgen nehmt ihr dann euren Dienst auf. Calan, wir hatten ja gestern noch über eine kleine Altlast geredet die du noch zu erledigen hast. Ich würde vorschlagen, dass du das möglichst bald in Angriff nimmst. Vielleicht erklären sich ja noch ein paar andere Ordensbrüder bereit dich zu begleiten, ich denke den meisten hier in diesem Raum schadet es nicht, mal unser Heiligtum in Nordmar von Innen zu sehen.
Und jetzt auf auf mit euch. Ihr habt doch sicher was Besseres vor als den Rest des Abends hier in der Kapelle zu schmoren.“

[Kerdric]

Immer noch fühlte es sich ungewohnt an, ständig mit dem Ringpanzerhemd unterwegs zu sein, das eine nicht unerhebliche Belastung für den Träger darstellte, auch wenn man die Schultern mit Hilfe des Gürtels entlasten konnte. Und der neue Waffenrock und der Umhang, die ebenfalls zur Uniform des Ordens gehörten, waren sicher mehr als geeignet, die Blicke von neugierigen Passanten auf sich zu ziehen. Kerdric gab sich jedoch Mühe, sich so normal zu verhalten wie möglich – er war schließlich auch nicht das einzige Ordensmitglied in Thorniara –, während er durch die Straßen in Richtung der Bastion schritt, wo Calan immer noch seine Werkstatt hatte. Er war am Hafen gewesen, um sich nach einem Schiff zum Festland umzusehen, und glücklicherweise würde das nächste schon in kurzer Zeit auslaufen.
»Für Innos«, grüßte er den neuen Ordensbruder, als er die Werkstatt betrat, und erzählte kurz von dem Schiff, das er ausfindig gemacht hatte. »Von mir aus könnten wir es nehmen – wobei es gut wäre, wenn der Helm bis dahin fertig ist. Ist er? Und hast du dann noch zu tun oder können wir schon in See stechen?«

[Calan]

Wahrlich, Kerdric war wie ein neuer Mensch – was ein neuer Waffenrock und ein Umhang so alles ausrichten konnte! Was gestern, wie er selbst, noch ein kleiner Soldat der Wache war, war nun ein Ordensbruder, für alle Augen erkenntlich. Als wäre ein wenig vom strahlenden Schein Innos' auf ihn übergegangen. Calan selbst hatte natürlich die selbe Ausrüstung, doch er gerade war in einfache Kleidung gehüllt. In einer Werkstatt war die Uniform mehr als fehl am Platz. Hier ging es nicht immer sauber zu. Ein wenig Staub hier dort, etwas Harzleim hier und schon war der neue Umhang versaut. Deswegen war er mitsamt Waffenrock und Ringpanzerhemd fein säuberlich in einer Truhe am Fuße seines Bettes verstaut.
„Innos zum Gruße, Bruder!“ hieß Calan Kerdric willkommen, als dieser in die Werkstatt trat und ihm über ein Schiff erzählte, dass schon bald seinen Anker lichten und Kurs aufs Festland nehmen sollte. „Morgen schon, sagst du?“ erkundigte sich der Ordensbruder und kratzte sich am Kinn. „Nun, theoretisch wäre das schon möglich. Ich habe hier keine Aufträge mehr, die so dringend wären, dass man sie nicht um eine gewisse Zeit verschieben könnte. Das Ganze ist natürlich schon etwas plötzlich, aber dieses Schiff hat uns Innos gesandt. Also auf zum Festland. Und damit die Reise nicht allzu gefährlich für dich wird...“
Der Rüstungsbauer deutete auf die Tischplatte, auf der die bereits fertiggestellten Werke lagen. Darunter ein Helm, aus Leder gefertigt, mit Metall verstärkt, dazu ein lederner Nackenschutz. „Dein Helm! Probier ihn am besten erstmal an, ob er auch passt.“

[Kerdric]

Der Helm!, dachte Kerdric, und ein erfreutes Lächeln huschte über sein Gesicht. Interessiert nahm er ihn auf und drehte ihn in den Händen hin und her, strich über die metallenen Verstärkungen, die darauf angebracht waren, und nickte nachdenklich. Dann setzte er ihn auf. Fühlt sich gut an, dachte er, nachdem er den Kopf hierhin und dorthin gedreht hatte. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig … vor allem auf der Nase … aber alles in allem gut.
Nicht einmal die Sicht wurde besonders behindert, auch wenn das natürlich auf Kosten des Schutzes ging, den der Helm bot. Aber irgendwann würde er sich vielleicht einen anderen Helm anschaffen, wenn es nötig wurde. Vorerst jedoch reichte dieser.
»Danke«, sagte er und hob die Hände, um den Helm abzusetzen. Dann ließ er sie wieder sinken und griff stattdessen nur zum Geldbeutel, um Calan zu bezahlen; wenn er sich daran gewöhnen musste, das Ringpanzerhemd zu tragen, hielt er das mit dem Helm am besten genauso. Als Mitglied des Ordens endete sein Dienst niemals wirklich – außer mit dem Tod –, so dass er stets für alles bereit sein musste. »Dann werden wir wohl dieses Schiff nehmen. Also … bis morgen. Für Innos.«

[Ravenne]

Es war interessant gewesen, die Aufnahme zweier Bekannter in den Orden der Paladine zu sehen. Es war das erste Mal, dass sie eine solche Aufnahme selbst sah, das letzte Mal war sie durch einen dämlichen Zufall die einzige gewesen, die aufgenommen worden war, in Nordmar. Anwärter hatte es drei gegeben, soweit sie wusste. Calan war krank geworden, genau wie sie war er der Kälte nicht gewachsen gewesen. Hätte sie eine Wahl gehabt, hätte sie ihre einstige Heimat Varant bevorzugt, aber das Kloster war nun einmal in Nordmar. Davon abgesehen hatte sie dort auch Avik getroffen, der es anscheinend geschafft hatte, bei einem Ritter zum Knappen zu werden. Beide hatte sie danach äußerst lange nicht mehr gesehen. Umso schöner, dass Calan es schließlich doch geschafft hatte, diesmal zusammen mit Kerdric.

Gerade hatte sie nicht allzu viel zu tun, was sie erwägen ließ, vielleicht einmal öfter die Bibliothek aufzusuchen. Es bestand keine Möglichkeit, dort alles gelesen zu haben, weshalb es ein guter Zufluchtsort war und einem immer eine Beschäftigung gab. Ähnlich stand es wohl mit dem Beten, in der Kapelle würde niemand sie mit ihren Gebeten stören. Beide Ideen verwarf sie und beschloss, sich zur Abwechslung wieder mit dem Bogenschießen zu befassen. Man wollte ja in allen Disziplinen geübt sein, ob des Geistes oder des Körpers. Also wandte sie sich gen Bastion, wo sie unerwarteterweise Rod antraf, was nicht zum Nachteil sein musste.

Zum Gruß, Rod.
Wo ich dich hier antreffe, kam mir der Gedanke, ob ich als deine Knappin nicht irgendwas für dich zu erledigen habe? Denn meines Wissens bin ich das noch.

[Rodeon]

„Ja“, antwortete Rod, nachdem er das Gekrakel entziffert hatte. „Die Weihe gestern hat mich nachdenken lassen, speziell die von Calan. Du warst die einzige, die letztes Jahr bereit für diesen Schritt war. In der Zeit hast du viel geleistet und viel gelernt.
Ich hab dir, hoffentlich, irgendwann mal gesagt, dass eines Tages dein Gott mehr von dir verlangt. Dieser Tag ist vielleicht nun endlich gekommen. Wenn du willst, wird deine Zeit als Ordensmaid enden und du wirst als vollwertiges Mitglied, als Ritter, in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Dies ist mein Angebot. Wenn du Zeit zum Nachdenken brauchst, dann nehm sie dir.“

[Ravenne]

Es war interessant, dass die Weihe nicht nur sie zum Nachdenken angeregt hatte. Sie war gespannt darauf, wie sich Calan und Kerdric nun im Orden machen würden, und wer nun die Ausbildung der Rekruten in die Hand nehmen würde. Nach wie vor hatte Ravenne keinerlei Interesse daran, den Umgang mit dem Schwert zu erlernen, wenn ihr ihre Kuse doch gute Dienste leistete. Insbesondere jetzt. Für den Rest hatte sie den Bogen, und da bildete Karad ja aus. Er machte seine Sache nicht schlecht, wie sie fand.

Abgesehen davon sprach Rod noch weiter, hielt sich nicht an Details auf. Er bot an, ihre Zeit als Ordensmaid zu beenden. Sie wusste nicht, wie lange genau sie nun Ordensmaid war, lediglich dass es im Herbst letzten Jahres gewesen war, als sie in den Orden aufgenommen worden war. Ihre Gedanken wanderten kurz zu ihrer Kuse, die nach dieser einen Nacht der inneren Einkehr für sie einfacher zu handhaben war, für andere schwieriger. Wenn das kein Zeichen war, genau wie die ganze Feuergeschichte oder der Kriegsgefangene, dann wusste sie auch nicht.

Ich nehme das Angebot gern an. Wenn Innos mehr von mir verlangt, will ich geben, was ich geben kann.
Womit wir zum Haken an der Sache kommen, nicht wahr? Kann ich den Eid überhaupt in einer Form leisten, die als bindend anerkannt wird?

[Rodeon]

„He, ja, das ist die Frage.“
Rod musste schmunzeln, aber es dauerte nicht lange, bis sein Gesicht einen Ausdruck der Ratlosigkeit annahm. Darüber hatte er noch nicht nachgedacht.
„Ich bin da grad etwas überfragt“, meinte der Paladin. „Ich kann mich zumindest an kein Ordensmitglied erinnern, das den Eid nicht ablegen konnte. Aber auch dafür muss es eine Lösung geben. Ich werde mit Albrecht reden müssen, ich denke dann kann ich dir genaueres dazu sagen.“
Diese Stummheit machte auch einfach nur Probleme. Warum konnte Ravenne nicht einfach wie ein normaler Mensch zur Welt gekommen sein? Bei Innos, es würde so viele Dinge so viel einfacher machen.
„Wir reden zu einer anderen Zeit nochmal darüber, wenn ich mit Albrecht geredet hab. Bis dahin wirst du dich wohl noch mit dem Leben als einfache Ordensmaid anfreunden müssen.“

[Ravenne]

Seltsam, er machte gar keine Anspielung darauf, dass sie sprechen lernen solle. Oder sich irgendwo eine Stimme beschaffen sollte. Oder allgemein aufhören sollte, mit ihrer Stummheit den Lauf der Dinge zu verkomplizieren. Das klang gar nicht nach Rod, wie er sonst war. Mittlerweile hatte sie sich schon so daran gewöhnt, dass diese Spitze kam, dass das fast schon unheimlich war. Sie wischte die Tafel ab, nutzte den Moment, um sich zu ordnen und sich nichts anmerken zu lassen.

Ich bezweifle, dass ich auf der Stelle tot umfalle, wenn diese Sache nicht jetzt sofort geklärt wird. Insofern mach ich einfach das beste draus und nutze die Zeit zum Lernen, Üben und Beten.

Sie hatten schon bei der Aufnahme in den Orden gewusst, dass es Probleme geben würde, als Rod ihr die Eide der Ritter und Paladine genannt und erklärt hatte. Trotzdem war sie überrascht, es nun zumindest zur Anwärterin der Ritterehre geschafft zu haben. Sie hätte die Zeit wohl nutzen sollen, solcherlei Komplikationen vorher aus dem Weg zu räumen. Aber selbst wenn ... jetzt war wohl trotz allem ein guter Zeitpunkt, den Eid in und auswendig zu lernen.

[Calan]

Es war ungewohnt. Alles war ungewohnt. Calan hob eine Hand und rieb sich die Schulter, auf der schon seit Stunden das neue Kettenhemd ruhte. Darüber trug der Ordensbruder den Waffenrock, den als Ordensbruder tragen durfte, und dazu den Umhang. Er machte einen fast heroischen Eindruck, wenn man ihn so sah, in Rot und Weiß gewandt, den Umhang an den Schultern, leicht im Wind flatternd. Er war eine Respektsperson geworden, das wurde auch nach außen hin klar.

„Nach Vengard? Ach ja, sicher, ihr wart gestern schon hier, das haben wir ja beredet. Nun, sicher, kommt an Bord, lasst euch eure Kajüte zeigen. Den Preis könnt ihr bezahlen, möchte ich meinen, ja?“
Der Kapitän des Schiffes, das Kerdric gefunden hatte war ein Mann, der wohl auf die fünfzig Sommer zuging. Erste graue Strähnen zeigten sich in seinem ohnehin recht lichten, schwarzen Haar. Seinem Bauch nach zu urteilen war er wohl einer guten Speise nicht abgeneigt. Dennoch war er weder körperlich noch mental ein schwacher Mann und schaffte es, seine Crew unter Kontrolle zu halten.
Nachdem das Geld seinen Besitzer gewechselt hat und schnell im Beutel des Kapitäns verschwunden waren, wurden die beiden auf das Schiff geführt. Die Dominique war ein Handelsschiff, soweit Calan das sehen konnte, ein einmastiges Schiff mit dickem Bauch. Obwohl sie schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben schien, sah sie doch recht robust aus.
„Nun gut, damit wären alle an Bord. Der Schiffsjunge wird euch zeigen, wo ihr es euch gemütlich machen könnt. Wir werden gleich ablegen!“

[Ravenne]

Nachdenklich schritt sie in Richtung Kapelle. Mittlerweile ging sie täglich hin, eine Pflicht, die sie sich selbst erteilt hatte. Vielleicht half es ihr ein wenig beim Beten, zu wissen, dass hinter der Statue das Grab eines großen Paladins verborgen lag. Leise betrat sie die Kapelle und schaute sich um, ihr lag es fern, jemanden beim Beten zu stören. Rod schien sie nicht bemerkt zu haben, zumindest deutete er das nicht an. Sie setzte sich etwas abseits hin und betete selbst, still wie stets. Den Blick hatte sie zumeist auf den Boden geheftet, schaute aber hin und wieder zur Statue.

Wie sie betete, war eine Sache zwischen Innos und ihr, sie äußerte sich dazu nie gegenüber irgendwem anders. Sie hatte es auch geschafft, das Thema zu umgehen, als sie die Reiter angewiesen hatte, wöchentlich zur Predigt zu gehen, und wehe dem, der dort schlief. Die Wahrheit war, dass sie seit der Gebetsnacht an der Schmiede aufgehört hatte, um ein Zeichen oder gar eine Stimme zu bitten, da das auch nicht besser war als das Verhalten derer, die nur beteten, wenn sei Not litten. Sie hatte ihre Not eben schon länger, und noch dazu hatte sie die Zeichen übersehen. Beschämend.

[Rodeon]

„Moin“, begrüßte Rod die junge Ordensmaid, die anscheinend versucht hatte extra leise zu sein um ihn nicht zu stören. Nun, es war beim Versuch geblieben.
„Gut, dass du kommst, ich wollte sowieso zu dir“, fuhr er fort. „Ich hab mit Albrecht geredet, musst du wissen, über dein kleines, naja, über deine Altlast, um mal nicht drüber herzuziehen. Es war ein längeres hin und her, aber gut, wir machen es so, dass ich oder irgendwer anderes dir den Eid vorliest und du das Pergamentblatt auf dem der Eid steht unterschreibst. Ich denk mal ein Siegel wirst du nicht haben, das ist halt was für die feineren Herren. Aber gut, die ganzen Paladine und Ritter werden deine Zeugen sein und halt das mit der Unterschrift, das sollte reichen um vor Innos und der Welt zu zeigen, dass du es ernst meinst. Aber ich sag dir eins, du wirst von nun an jeden Tag zu Innos beten und ihn auf Knien anflehen, dir eine Stimme zu geben. Falls du jemals die Ehre haben solltest die Flamme zu empfangen, Innos bewahre, solltest du zusehen dir bis dahin eine Stimme zugelegt zu haben. Ich werd mir das ganze Drumherum jedenfalls nicht noch einmal antun.
Ach Mist, jetzt bin ich doch drüber hergezogen.“
Vielleicht war das etwas zu grob formuliert gewesen, aber Ravenne sollte sich mittlerweile an seine Art gewöhnt haben und dass er es nicht so meinte. Die Sache mit der Stimme störte auch einfach nur. Das hatte er sich wohl nicht so richtig überlegt, als er sie in seine Dienste aufgenommen hatte.
„Nun, ich frag dich ein letztes Mal“, unterbrach er die baldige Ritterin, die schon wieder mit der Kreide bewaffnet ihre Schiefertafel malträtierte. „Willst du Ritter werden und dein Leben für alle Zeit in die Dienste Innos’ stellen? Oh, und ein Nicken reicht.“

[Ravenne]

Auch wenn er nicht gezeigt hatte, dass er sie eintreten gehört hatte, war er anscheinend nicht drumherum gekommen, ihre Anwesenheit zu bemerken. Das offenbarte sich dadurch, dass er sie ansprach und ihr erklärte, was er mit Albrecht besprochen hatte. Höflich, dass er nicht über ihr Problem herziehen wollte, typisch, dass er es trotzdem tat. Das entschädigte vermutlich auch das letzte Treffen, wo er es vergessen zu haben schien. Sie hatte die Tafel gezückt, als er erwähnte, dass sie vermutlich kein Siegel hätte, sein Missfallen darüber war ihm anzusehen.
Sie nickte auf seine Frage hin, schrieb aber trotzdem einen Satz auf die Tafel, in der Hoffnung, es würde die Sache mit dem Eid vereinfachen.

Falls es hilft: Einen Siegelring habe ich.

[Galen]

„Wachablösung!“, bellte eine Stimme nah an Galens Ohr.
Er zuckte zusammen und blickte in das grimmige Gesicht eines anderen Waffenknechtes. Wie hatte sich der Typ nur heran schleichen... oder war Galen etwa eingedöst? Kein Wunder... seit Jahr und Tag kroch er in den Innereien der Bastion herum, in den kalten dunklen Kellergewölben. Eintönig wurde es recht schnell. Und jedes Mal, wenn er versuchte die Gefangenen zu necken, kam irgendeiner vorbei und stauchte ihn zusammen. Kein bisschen Spaß hier unten, keine Abwechslung.
„Gepennt im Dienst?“, fragte seine Ablösung.
„Nein, nein... ich war nur konzentriert auf diesen Fleck dort vorne an der Mauer.“, erklärte Galen und deutete vor sich auf einen Stein, „Der sieht echt seltsam aus. Musst du dir mal genauer ansehen. Wer weiß, was das ist...“
Seine Ablösung kniff die Augen zusammen und trat an die Mauer, um sich genauer anzusehen, was er meinte. Galen ging in der Zwischenzeit weiter. Immerhin war er offiziell abgelöst worden, da konnte er seinen Dienst für heute auch beenden und in den Feierabend gehen.

Irgendwie habe ich mir das alles anders vorgestellt... auf der Seite der Gewinner., Galen seufzte leise in sich hinein, Aber nun darf ich mir Tag ein, Tag aus die Beine in den Bauch stehen in diesem modrigen Kerker... von wegen meine Amnestie verdienen! Und dieser Baruch, verdammt! Ich habe nichts mehr von ihm gehört!
„Hey!“, rief ein anderer Wachhabender, bevor er den Kerker verlassen hatte, „Der Hocker hier ist im Eimer. Gib beim Quartiermeister mal bescheid, wenn du eh grad gehst.“
Galen winkte nickend ab.
Kein Wunder bei deinem breiten Hintern, dass der Hocker irgendwann aufgibt... der Klügere gibt nach.
Mit düsteren Gedanken schlurfte er den Gang entlang in Richtung des Quartiermeister-Büros. Er musste etwas machen. Irgendetwas, um aus diesem Keller raus zu kommen. Hier würde er versauern. Vor der Bürotür hielt er an und hob die Hand zum Klopfen, zögerte jedoch noch einen Augenblick.
Vielleicht hat der Quartiermeister ja etwas für mich zu tun... um hier raus zu kommen.
Dann klopfte er an die Tür.

[Yared]

Yared glaubte endlich zu wissen, warum er sich so mies fühlte. Es war der ständige Belagerungszustand, in dem er sich befand. Da waren Tavik und dessen unrühmliche Vergangenheit, daneben des Kapitäns eigene Taten, die ihm, sollten sie offenkundig wurden, den Kopf kosten würden. Dann war da das Durcheinander, das Hagens Unschlüssigkeit gerade in der Hierarchie der Truppe hinterließ. So lange der Statthalter keinen Obristen einsetzte, war die Führungsfrage innerhalb der Wache und der ihr beigegebenen Garnisonstruppen ungeklärt und der erste Ort, an dem sich dieses Chaos Bahn brach, war natürlich die Militärverwaltung, die in Yareds Händen lag.
Kein Wunder, dass hier niemand sichtbare Erfolge gegen Setarrif vorweisen konnte.
Am Morgen war ein Dokument von Hagen in seine Schreibstube getragen worden, die er sich sonst mit Schwester Sianna, der Kompanieschreiberin, und Illjan, seinem Zahlmeister, teilte.
Wahrscheinlich auf Betreiben von Sir Albrecht hatte man ihm die Aufsicht über den Hafen und die Werft wieder entzogen und Jerford wieder direkt dem Stadtvogt unterstellt. Er selbst war jetzt nur noch für die Lagerhäuser der Garnison und des Arsenals zuständig. Das war zwar irgendwo sehr schade, aber andererseits entlastete es ihn auch ein wenig.

Der Kapitän schreckte aus seinen Gedanken auf, als es an der Tür zu dem kleinen Vorzimmer klopfte. Der fahle Rick, der diese Schicht als Trabant für den Kompaniechef der Marinepioniere eingeteilt war, streckte seinen Kopf fragend zur offenen Verbindungstür aus dem Vorzimmer herein.
An sich erwartete Yared so spät am Abend niemanden mehr. Sianna und Illjan waren auch schon längst gegangen, nur er saß noch im Schein einiger Kerzen, die auf einem behelfsmäßig aus einem Wagenrad gezimmerten Kronleuchter über ihm thronten, vor einem Stapel Papiere.
Der Kapitän nickte seinem Leibwächter ohne sich zu erheben zu. Diese eine Angelegenheit noch und dann würde er es für heute Abend gut sein lassen.
Der lange dürre Armbrustschütze öffnete die Tür in der eine kräftige Gestalt, etwas größer als Yared, erschien, gekleidet in den Rock der Stadtwache. Auffällig war, dass es sich den Narben im Gesicht nach zu urteilen um einen kampferfahrenen Mann handeln musste, er aber offensichtlich nicht zu Leutnant Jessens Leuten vom Festland gehörte, denn der Kapitän hatte den Kerl noch nie gesehen.

[Galen]

Galen wartete vor der Tür, mit den Gedanken war er bereits halb in der Baracke in seinem Bett, nicht einmal wie sonst in irgendeiner Kneipe oder bei einem Paar Brüsten. Der Kerkerdienst hatte ihn zermürbt und das fand er selbst fürchterlich erschreckend. Wann kam es schon einmal vor, dass ein Mann wie er die Nachtruhe einem Zug durch die nächtliche Stadt und ihre Etablissements vorzog?
Als die Tür geöffnet wurde, trat er ein und salutierte, so, wie man es von ihm erwartete. Mit dem Quartiermeister hatte er bisher nicht viel zu tun gehabt. Wenn er mal etwas brauchte, kam er selten direkt zu dem Mann hier. Er wusste nur, dass er Yared hieß, vom Hörensagen.

„Waffenknecht Galen, zweite Kompanie der Stadtwache. Eben vom Kerkerdienst abgelöst worden, habe Meldung zu machen.“, Galen nahm die Hand wieder herunter und blickte den Mann am Schreibtisch an.
Der Mann war ein Bursche, denn er sich besser am Steuer eines Schiffes vorstellen konnte. Er hatte dieses Etwas, dass die Seefahrer damals im Hafenviertel in Vengard ausgezeichnet hatte. Man hatte sie sofort erkannt, sobald man in eine Kaschemme herein gekommen war. Was macht so einer hier im Keller der Bastion?
„Melde einen defekten Hocker in der Wachstube bei den Kerkern.“, erklärte Galen und fragte sich im selben Augenblick, ob dieser Mann hier wirklich der richtige war, der sich mit solchem Kleinkram befasste, aber nun waren die Worte draußen.
Er zögerte, aber nur kurz, bevor er noch etwas nachsetzte, wofür der Quartiermeister vielleicht eher der richtige Mann war.
„Der Waffenknecht bittet um eine Versetzung aus dem Kerkerdienst, Herr Quartiermeister.“, meinte er und neigte den Kopf leicht, „Was immer Ihr zu tun habt für einen Waffenknecht.“
Für jemanden wie mich... aber zu viel muss der Herr Quartiermeister vorerst auch nicht von meinen Fähigkeiten wissen...

[Rodeon]

Zusammen mit einer kleinen Prozession des Ordens begab er sich wieder in die Kapelle, wo Ravenne immer noch still vor sich hin betete – alles andere wäre ja auch sehr überraschend gewesen.
„Bereit?“, fragte er die junge Ordensmaid, hätte sich aber selber mit der Handfläche auf die Stirn schlagen können. Wen frag ich das eigentlich?
Ein Nicken später, an solche einfachen Methoden hatte er gerade gar nicht gedacht, schickte er einen der Ritter den er im Schlepptau hatte zur Innosstatue, um dort den geheimen Eingang zum Grab des heiligen Dominique freizulegen.
„Das ist vielleicht alles viel auf einmal“, musste Rod eingestehen, der ohne Vorwarnung mit einem ganzen Gefolge wiedergekommen war. Auf einmal ging aber auch alles ganz schnell, er hatte kurz mit Hagen und Albrecht geredet und dann hatte man eben noch ein paar Ritter zusammengetrommelt die gerade im Bereitschaftsraum waren und wenig später ging es auch schon los zur Kapelle. Die Eile konnte Rod in dem Moment zwar nicht ganz nachvollziehen, aber er hatte ehrlich gesagt auch keinen Grund der dagegen spräche den Ritterschlag lieber früher als später durchzuführen.
„Hast du noch Fragen?“, wollte der Paladin noch zusätzlich von seiner Knappin wissen, bevor sie mit dem offiziellen Teil starteten. „Jetzt hast du noch Gelegenheit. Und ja, du darfst diesmal auch die Tafel herausholen.“

[Yared]

Galen von der zweiten Kompanie? Soso. Hatte Flarke also doch schon begonnen die Truppe etwas zu durchmischen? Vielleicht war es ganz gut, wenn die Veteranen der zweiten und die Frischlinge der ersten Kompanie nicht getrennt arbeiteten. Die Rekruten konnten sich sicher noch einiges von den erfahrenen Soldaten abschauen.
Aber das der Kerl mit einem abgehalfterten Hocker zu ihm kam ...
Das zeigte nur mal wieder dass die Leute nicht wusste, dass und vor allem wie der Dienstweg einzuhalten war. Er würde das Thema morgen beim Appell mit den Kompaniefourieren und den Sergeanten ansprechen müssen. Es musste Klarheit her.
Allerdings konnte das ramponierte Sitzmöbel auch nur vorgeschoben sein. Der Kerl wollte offensichtlich vom Dienst im Kerker befreit werden.
Der Kerl hatte einen imposanten Haarschnitt. war so ein Mittelhaarstreifen nicht mal Mode bei den Söldnern der orkischen Besatzer gewesen?
Hier war doch was im Busch.
"Galen also. Dann erzählen Sie doch mal mir und dem guten Rick hier, ", er deutete auf seinen Leibwächter der hinter Galen die Tür wieder geschlossen hatte, "erstens, was Sie ausgefressen haben, dass man Sie zum Dienst hier unten verdonnert hat, und zweitens, warum ich mir die Mühe machen sollte, Leutnant Jessen, Hauptmann Flarke oder Oberstleutnant Mansk um Ihre Versetzung zu bitten. Und überlegen sie sich, ob sie wirklich bei der Unterstützungskompanie dienen wollen. Denken Sie daran, wir sind von der Marine, hier läuft einiges anders, Galen."

[Ravenne]

Nach einer Weile war Rod zurückgekommen, sie hatte fast nicht damit gerechnet, nachdem er gegangen war. So oder so hatte sie die Zeit für ihr Gebet genutzt, dafür war sie ja in die Kapelle gekommen. Für Innos und nichts anderes. Was sie aber wirklich wunderte, waren die Männer, die ihn begleiteten. Zuletzt hatte sie diese Leute bei Calans und Kerdrics Aufnahme in den Orden gesehen, da lag die Annahme nicht fern, dass es sich um Ritter, wenn nicht gar Paladine des Ordens handelte. Einer der Männer legte den Geheimgang frei, und sie überlegte kurz. Sie hatte über die Pflichten der Ritter gelesen und war Knappin gewesen, um darüber zu lernen. Sie hatte sich mit den vergangenen Paladinen und ihren Entscheidungen beschäftigt und hatte sich im Kampf weitergebildet. Die Fragen zur Zeremonie selbst hatten sie im Vorfeld geklärt, nötig war es ja gewesen. Nein, da war nichts mehr. Sie schüttelte den Kopf, ärgerte Rod nicht mit der Tafel.

Ravenne stand auf, schloss sich dem Zug zu Dominiques Grab an. Es war gewiss der richtige Ort für eine Zeremonie vor Innos. Kurz grübelte sie darüber nach, was sie alles dabeihatte. Tafel und Kreide, beides würde ihr nichts nutzen. Den Symbolring - sie verbat es sich, es Siegelring zu nennen, aber jetzt würde er ja die Funktion eines solchen erfüllen. Und als Ritterin hätte sie wohl auch Anspruch auf ein Siegel. Im Nachhinein würde keiner meckern. Sogar etwas Siegelwachs hatte sie aufgetrieben, allerdings hatte sie das ursprünglich für Tests in der Schmiede besorgt. Als Goldschmiedin kam sie nicht umhin, mit Siegelringen zu tun zu haben, und beim Feinschliff nutzte sie das Wachs, um sich zu vergewissern, dass der Abdruck auch so wurde, wie er sein sollte. Feuer zum Schmelzen war da das geringste Problem. Da konnte ja nichts mehr schiefgehen.

[Galen]

Galen musterte den Quartiermeister. Marine... und saß in einem Büro im Keller der Bastion. Schon seltsam irgendwie. Und was sollte er ausgefressen haben? Er hatte sich eigentlich... fast gar nichts zu Schulden kommen lassen, seit er in Thorniara war... und war es nicht der Sinn einer Amnestie, dass die alten Geschichten begraben wurden?
„Ich bin ein gewöhnlicher Reichsbürger...“, meinte er und log dabei nicht einmal, immerhin konnte er es nachweisen mit einer Urkunde, „...vielleicht hat man mich nur... übersehen bei der Dienstrotation. Oder man befand ich würde meine Arbeit gut machen und wollte mich nicht abziehen.“
Oder Baruch wollte mir doch eins auswischen...
„Was die Versetzung angeht...“, Galen runzelte die Stirn und warf nur einen kurzen Seitenblick zu diesem Rick.
Solang der Bursche hier herum steht, kann ich nicht frei heraus vorschlagen die Versetzung zu umgehen...
„Da der Posten des Quartiermeister für die Ausstattung aller Kompanien zuständig ist... vielleicht gäbe es ja auch eine Aufgabe für jemanden einer anderen Kompanie?“, schlug Galen vor, „Eine Berufung zum Dienst unter dem Quartiermeister, die nur temporär ist? Dann müsste ich nicht die Einheit wechseln.“
Ich habe keine Lust auf diesen ganzen Papierkrieg hin und her. Ich will nur aus dem Kerker raus...
Galen konnte einen leichten hoffnungsvollen Blick in Richtung Yareds nicht verbergen.