Braelyn Gavros
Es konnte nicht vorbei sein. Es
durfte nicht vorbei sein.....Monate....
Jahre der Planung. Alles hatte hierauf hingearbeitet. Auf diesen, einen Moment. Verzweifelt blickte die Turianerin sich um. Unweit ihrer Position war die Stelle, an der das Geländer des Stegs herausgebrochen war, nachdem sie Beyo hindurch getreten hatte. 2 Meter. Vielleicht eineinhalb.....zum Springen fehlte ihr die Kraft....aber vielleicht.....
"Gaaah!" Mit dem Mut der Verzweiflung schlug sie um sich. Traf die Asari im Brustbereich, stolperte vorwärts, schaffte es kaum sich auf den Beinen zu halten.
Pang
Sie fühlte das Projektil, das sich in ihre Wade bohrte, schrie auf, schafft es nicht sich abzustoßen.....und fiel über den Steg nach unten.
Schmerzhaft landete sie auf ihrem rechten Arm, spürte außer einem Taubheitsgefühl nichts mehr, nahm den verletzten linken und zog sich an dem Geländer hoch, welches sich nun bei ihr befand.
"Nicht so...nicht so....."
"Braelyn."
Sie vernahm die verhasste Stimme und blickte auf. Blickte in das Gesicht des roten Turianers, welches ebenso lädiert aussah wie ihres es sicher war. Sah das Blut, was immer noch an seinem Mund klebte, die blauen, durchdringenden Augen.
"Aaargh!" Sie schlug nach ihm, verfehlte ihn. Spürte, wie sie sich kaum halten konnte. Er trat auf sie zu. Sie hob die andere Hand, zielte auf den verbundenen rechten Arm, welchen der rote Turianer in Schutzstellung vor sich hielt, vergrub die Klauen in ihn.
Der Turianer verzog keine Miene. Er bewegte den Arm in Richtung seines Körpers, zog sie damit nah an sich heran. Nur wenige Zentimeter trennten ihre Gesichter.
"Genug!"
3 kurze Schläge trafen ihre Schläfe. Den letzten Rest der Kraft verlierend rutschte Braelyn stöhnend zu Boden, schaffte es kaum sich auf den Knien zu halten, klammerte sich nur mit einer Hand weiter an dem Geländer fest.
Beyo richtete seine Pistole auf sie. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie der Rest der Gruppe wieder auf dieser Ebene ankam. Sie verstand nicht, was gesagt wurde, sah nur wie einige scheinbar einschreiten wollten, andere jedoch hielten sie zurück. Keiner sagte ein Wort.
"Ich schätze....." hustete die Killerin leise und spuckte weiter Blut aus.
"....es ist nur passend, dass es so endet." Sie war in diesen Tunneln aufgewachsen. Abschaum, am Rande der Gesellschaft, von niemandem beachtet. Nun, wo es zu Ende ging, kannte jeder ihren Namen.
"Du hast es fast geschafft Beyo......" murmelte sie wie im Delirium.
"Mit mir stirbt auch deine Vergangenheit."
Der Turianer zeigte keinerlei Regung. Wie eine Statue stand er vor ihr, die Waffe fest umgriffen, der Arm kerzengrade, die Augen fixierten sie, fest und entschlossen. Wie vor all den Jahren, als er ihr Leben zerstört hatte.
"Ich weiß nicht, worauf du wartest." flüsterte sie.
"Du hast bewiesen dass du es kannst.....also los....tu es."
Er erwiderte nichts.
"TU ES!" schrie sie ihn an. Mit einem mal überkam sie ein Schwall der Emotionen. Bilder von damals, aus besseren Tagen. Ihr ganzes Leben, wie in Zeitraffer.
"Tu es....." schluchzte sie leise.
"Vielleicht....sehe ich ihn dann endlich wieder....."
Der Finger bewegte sich am Abzug.
Pang
Beyo Vhan
Einige Stunden zuvor
"Warum? Warum kommst du damit wieder zu mir? Nach allem was passiert ist.....hast du nicht Angst, dass ich es noch schlimmer mache?"
"Natürlich habe ich das. Aber weißt du, wovor ich noch mehr Angst habe? Dass du etwas anderes, noch destruktiveres versuchst. So gebe ich dir wenigstens die Chance, es diesmal richtig zu machen."
Beyo zögerte, bevor er in den Kommunikator sprach.
"Ich.....weißt du, ich habe es nie wirklich verstanden. Ich war immer dankbar über deine Freundschaft, aber ich habe nie verstanden wieso. Malkizan....Javed......ich, wir alle drei, haben dir damals so viel angetan. Haben deinen Ruf zerstört, dich verletzt. Du wusstest was wir taten und konntest es nicht beweisen. Und nachdem die Beweise fort waren, hast du mir einfach geholfen, wieder auf den rechten Weg zu kommen. Wieso?"
"Ich habe einfach mehr gesehen in dir Beyo. Mehr als....das. Was vergangen ist, kann man nicht ungeschehen machen. Was zählt, ist das Hier und Jetzt. Aber um deine Vergangenheit hinter dir zu lassen, musst du noch eine Sache lernen: Dir selbst zu vergeben."
Karvas Worte trafen ihn wie ein Paukenschlag.
"Du....du lässt das so klingen als wäre es einfach!"
"Tue ich das? Dann tut es mir Leid, dass du mich missverstehst. Es nicht nicht einfach. Es ist das Schwerste überhaupt. Aber umso wichtiger ist es, dass du es tust. Denn wie sollen andere dir vergeben, wenn du es nicht kannst?"
Jetzt
Der Lauf der Waffe rauchte. Die Zeit schien stillzustehen. Die Augen des Turianers starrten auf die Stelle, an der das Projektil eingeschlagen war. Es waren nicht die einzigen.
"....wieso?" Braelyn starrte verständnislos auf die geschwärzte Stelle im Boden, wenige Handbreit vor ihr.
"Du bist - "
"Nein. Bin ich nicht!"
Angewidert warf Beyo die Waffe von sich. Sah, wie sie über das Geländer fiel und ins bodenlose Nichts verschwand.
"Das ist was ich war." Er kniete sich zur ihr auf Augenhöhe.
"Was ich war! Früher!"
Er starrte auf seine Handfläche, betrachtete das angetrocknete Blut und verdeckte es, indem er die Faust ballte.
"Das ist nicht mehr was ich bin....."
Ihre Blicke trafen sich.
"Du kannst mich für das, was ich getan habe, bis an dein Lebensende hassen....." hauchte er.
"Ich bin fertig damit, es selbst zu tun....."
Natürlich würde Kalio's Tod weiter auf ihm lasten. Ebenso wie all die anderen Leben, die er zerstört hatte. Nichts konnte das, was geschehen war rückgängig machen. Aber jetzt....hier und heute.....konnte er endlich damit aufhören.....konnte damit beginnen, das Richtige zu tun. Angefangen bei ihr.
"Ma'am.....Captain....." Mit langsamen Schritten ging er auf die Gruppe zu.
"Nehmen Sie sie mit....sorgen sie dafür dass sie ins Gefängnis kommt.....lebend....."
Er warf einen Blick über die Schulter zurück zu ihr.
"Es hat genug Tote gegeben....."
Captain Yuhki kämpfte mit sich. Man spürte, dass es ihm schwer fiel. Auch er hatte Leute verloren. Doch nach einem kurzen Blick zu T'Saari sah er Beyo an und nickte schließlich.
Braelyn machte keine Anstalten mehr zu fliehen. Wo wenige Minuten zuvor noch Starrsinn und Kampfeslust bis zum Ende gewesen war, war nun nichts mehr. Ihre Augen waren leer und kraftlos. Sie hatte so viel auf Spiel gesetzt und alles verloren.....und nun, wo es zu Ende war, hatte sie sogar falsch bei ihm gelegen. Ihr letzter Triumph war ihr aus den Händen geglitten.
Der Captain und der Asari-Spectre entfernten sich mit ihrer Gefangenen. Zurück blieb die sechsköpfige Gruppe, die verschiedener wohl nicht hätte sein können. Und doch waren sie diesen Weg gemeinsam zu Ende gegangen. Zu Ende.
"Heh....." Beyo wusste nicht, wie ihm geschah. Seine Gesichtszüge gehorchten ihm nicht mehr. Er begann zu lachen. Nicht laut oder voller Freude. Vielmehr realisierte er erst, was gerade geschehen war.
"Es ist vorbei....wir....wir haben es wirklich geschafft....."
Kaum zwei Wochen waren vergangen, seit diese verrückte Geschichte ihren Lauf genommen hatte. Seit Saenia Sorax zu ihm ins Büro gekommen war und ihn zu der Wohltätigkeitsfeier eingeladen hatte.....und doch war mehr passiert, als innerhalb eines ganzen Jahres.....oder mehr......
Mit einem Mal kamen die Tränen. Emotionen überschwemmten den Turianer, unkontrollierbar und von allen Seiten.
Tränen der Freude, Tränen der Erleichterung.....aber auch des Verlustes. Ja, nun, wo alles vorbei war und die ganze Last von ihm abfiel, kamen auch all die anderen Sachen zurück. Kyron war immer noch tot. Ebenso wie all die anderen......
Er verspürte einen starken Schmerz. Das Adrenalin flaute ab. Sein Körper war in den letzten Tagen und Stunden durch die Hölle gegangen. Die Kraft in den Beinen versagte ihm und er glitt unsanft am Geländer herunter in Sitzposition. Seine Sicht verschwamm, er vernahm den eigenen Atem laut im Gehörgang. Langsam und unkontrolliert fielen ihm die Augen zu.
"Hrch!" Wie ein Stromschlag überkam ihn die Dosis Medigel. Er erkannte nicht wer es war, der neben ihm kniete und sie ihm verabreichte. Ebenso konnte er nicht genau sagen, wer sich nun vor ihn stellte und ihm die Hand anbot. Er ergriff sie und wurde sofort wieder auf die Füße gezogen. Die neue Kraft belebte seinen Körper. Er spürte, dass die meisten Blicke auf ihm ruhten.
"Ich weiß nicht wie es ihnen allen geht...." begann er.
"Aber ich....könnte jetzt etwas zu trinken vertragen......"