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Katan
08.11.2005, 14:35
Ein Wort der Einleitung
Folgende Wörter wurden bei dem Workshop vorgegeben, bei welchem diese Geschichte entstanden ist: Aliens, Kindergarten, Karl-Heinz, Sternschnuppe, Männergesangverein, Friedhof.
Diese Geschichte hat keinen tieferen Sinn und auch keinen besonderen Zweck. Sie ist einfach nur so da.

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Zwei Tage im Leben der Maria Koch


28. Juni 1998
Blutrot erhob sich die Sonne am Horizont. Ich öffnete leise die Tür zum Zimmer meiner kleinen Tochter und schlich zu ihrem Bett. Glücklicherweise hatte sie einen festen Schlaf, ansonsten wären meine Schleichversuche an den auf den Boden verstreuten Spielsachen, Stiften und anderem fehlgeschlagen. Neben das Bett gekniet betrachtete ich sie. Ich beobachtete sie gern beim Schlafen und stellte mir dabei vor, wie sie wohl aussehen würde, wenn sie erst einmal sechzehn oder achtzehn Jahre alt war. Natürlich würde sie eine hübsche junge Frau werden, immerhin hatte sie die ebenmäßigen Gesichtszüge und die hohen Wangenknochen von mir und die lebhaft braunen Augen von ihrem Vater geerbt. Wie immer musste ich lächeln, während ich so vor ihr hockte und das einzige Geräusch das leise und gleichmäßige Atmen des Kindes darstellte. Aber nun war keine Zeit mehr. Mit der rechten Hand streichelte ich über ihre nussbraunen Locken und küsste sie auf die Stirn.
„Aufwachen“, sagte ich sanft, als Christina sich murrend auf die andere Seite wälzte, „wir müssen bald los.“
Müde Augen blinzelten mich verschlafen im Halbdunkel des Raumes an.

Mein Mann Jonathan und ich brachten Christina immer zusammen zum Kindergarten, von welchem aus sie dann zu gegebener Zeit zur Schule geschickt wurde. Wir nahmen uns die Zeit für unser Kind und mussten ohnehin erst später bei der Arbeit sein als sie im Kindergarten. Außerdem hatte es den Vorteil, dass Jonathan und ich uns nicht mehr darum stritten, wer das Mädchen nun an welchem Tag hierher bringen durfte. Schließlich hatten wir sogar einen Plan dafür erstellt. Keiner hatte auf sein Vorrecht dem Kind gegenüber verzichten wollen. Als uns endlich klar geworden war, dass wir uns selbst wie Kinder aufgeführt hatten, hatten wir uns darauf einigen können sie einfach gemeinsam zum Kindergarten zu bringen. Und siehe da - das Streitmaß in unserem Haus war rapide abgesunken.
Eine kurze steinerne Treppe führte zu einer eisernen Pforte hinauf. Diese wurde gerade erst aufgezogen. Ich für meinen Teil hatte angenommen, dass wir etwas zu spät herkommen würden, aber wie immer waren wir zu früh. Und ich musste mir von meinem Mann die Scherze über meinen Pünktlichkeitswahn anhören, der so gut wie immer damit endete, dass ich eine halbe Stunde früher vor Ort war als geplant. Er stellte gerne Übertreibungen an. Aber natürlich meinte er es nicht böse.
Als Christina mit zwei ihrer Freundinnen diese Steintreppe hinauf rannte, erinnerten Jonathan und ich uns an das erste Mal, als wir unser kleines Mädchen zum Kindergarten gebracht hatten. Sie hatte geweint, ich hatte geweint, Jonathan hatte sich mühevoll zurückgehalten. Wieso war es eigentlich so schwer, einfach loszulassen? Es war ja nun nicht so, dass das Kind nach Amerika zog oder einen Job in Japan annahm. Es war wohl schlicht die Tatsache, dass der Kindergarten den ersten Schritt zum Erwachsenwerden und Loslassen bedeutete - und besonders Mütter wie ich scheinen sehr gerne zu vergessen, dass die Nabelschnur bereits bei der Geburt getrennt wird. Inzwischen aber hatte ich mich an das hohe Backsteingebäude mit den hohen von Kinderhänden bemalten Fenstern und dem Spielplatz auf dem Hinterhof gewöhnt. Es tat nicht mehr so weh, das eigen Fleisch und Blut in die Hände anderer zu geben.
Am oberen Absatz der Treppe angelangt, drehte Christina sich noch einmal und winkte uns zu. Lächelnd hob ich die Hand und erwiderte ihren Gruß.
„So, ich muss nun auch los“, sagte Jonathan und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
„Ja, viel Spaß“, entgegnete ich. Jede Woche das gleiche Theater, die gleichen Worte, wenn er endlich losfahren wollte; wenn seine Tochter auf dem Grundstück des Kindergartens bereits verschwunden und von uns nicht mehr zu sehen war. Er war immer ganz versessen darauf, zum Alten Rathaus zu fahren, wo der Männergesangverein zusammen kam. Und wie jede Woche unterließ ich jeglichen Kommentar über sein fehlendes musikalisches Talent.
Ich lächelte einfach nur. Wie immer.

08. November 2005
Rote Farbe mischte sich mit schwarzer Farbe; zusammen bildeten sie eine Einheit. Der Pinsel strich über das Papier, von einer Ecke zur anderen, und hinterließ ein schwarzrotes Gemisch, das an Blut erinnerte. Mir erschien es wie eine Ewigkeit, bis ich den Pinsel in das zum Wasserglas umfunktionierte Marmeladenglas sinken ließ und mein Werk betrachtete. Rot, schwarz, kein Sinn, keine Konturen. Nicht einmal die moderne Kunst hätte dieses Bild wirklich als das angesehen, was auch nur im Entferntesten als „Kunst“ bezeichnet werden konnte. Es war ein Alptraum.
Ich entschuldigte meine heutige Unkreativität mit der Kälte, die hier im Keller vorherrschte. Ich hatte hier unten nie eine Heizung installieren lassen. Der Regen, der schon vor zwei Stunden in langen Strähnen vom Himmel gefallen war, klopfte gleichmäßig gegen das kleine vergiebelte Fenster. Zwischen den beruhigenden Geräuschen des Himmels, dem stetigen Trommeln des Regens und der leisen Musik von Bach, die kaum hörbar aus den Boxen meines Radios drang, vernahm ich das Brummen eines Automotors. Das Brummen kam näher, zerriss die Stille unbarmherzig, endete abrupt. Das Geräusch einer zufallenden Autotür, eine lachende Mädchenstimme. Christina. Und ihr Freund Karl-Heinz. Unter normalen Umständen hätte ich mich wieder einmal gefragt, wie zwei erwachsene Menschen nur auf die Idee kommen konnten, ihren Sohn in dieser Zeit der Moderne noch Karl-Heinz zu nennen. Das grenzte wahrlich schon an Grausamkeit. Doch diesem Gedanken schenkte ich nur wenige Sekunden, ich hatte Anderes, Wichtigeres im Kopf.
Ich ließ mir die Zeit, meine eingefärbten Hände mit einem alten Handtuch abzuwischen, bevor ich die Kellertreppe hinauf stieg und in den Flur trat. Obwohl auch hier die Heizung nicht eingeschaltet war, wirkte es auf mich um Vieles wärmer als unten in meinem kleinen provisorischen Atelier.
Gerade noch durfte ich Zeuge davon werden, wie meine Tochter ihren Freund zum Abschied küsste und ihm dann dümmlich lächelnd die Tür vor der Nase zuschlug. Und ich hatte bereits gedacht, meine grässliche Malerei hätte den kreativen Tiefpunkt dieses Tages gebildet…
„Hey Mama“, sagte Christina freudig und ließ ihren Rucksack auf den gefliesten Boden des Flures sinken. „Bevor ich es vergesse: Ich gehe heute mit Karl aus. Er hat mich zum Essen eingeladen.“ Sie freute sich wie ein kleines Mädchen, dem man einen Lolly geschenkt hatte. Ich hingegen war darüber gar nicht glücklich.
„Denkst du eigentlich immer nur an dich selbst?“, fragte ich so ruhig wie es mir möglich war, „anstatt dich mit diesem… diesem Menschen zu treffen“ - ich wies auf die geschlossene Haustür, hinter der der Motor von Karl-Heinz’ Golf III aufjaulte - „könntest du doch vielleicht mal so gut sein und mir etwas unter die Arme greifen. Wie zum Beispiel zum Friedhof zu gehen und dich nur ein einziges verdammtes Mal um das Grab deiner Großmutter zu kümmern. Oder meinst du etwa, ich kann alles allein machen, seit dein Vater uns verlassen hat?“
„Ach Mama…“, stöhnte Christina genervt. Ich konnte ihre Gedanken förmlich lesen: Du bist doch schuld daran, dass er gegangen ist, Mama; wenn du dich nicht so daneben benommen hättest, dann wäre er jetzt noch hier. Ich hörte auf, Spekulationen über ihre Gedankengänge anzustellen; ich war schon wütend genug.
„Weißt du was?“, knurrte ich, „mach doch was du willst.“ Mit diesen Worten ließ ich sie im Flur stehen und ging in die Küche. In meinem Leben hatte ich eine Erfahrung gemacht: Kochen und Backen hilft. Man kann es einfach zu Hause machen und es nimmt einen voll in Anspruch. Man ist nicht gezwungen, an andere Dinge zu denken wie vielleicht an den Ehemann, der einen nach vielen Jahren wegen einer Anderen, einer Jüngeren verlassen hatte. Heute hatte ich einen Schokoladenpudding in Angriff genommen. Eigentlich hatte ich meiner Tochter damit eine Freude machen wollen, doch momentan war ich drauf und dran den Pudding samt der Glasschüssel einfach in den Mülleimer zu schleudern. Aber nein… ich musste ruhig bleiben. Alles war in bester Ordnung. Wenn ich mir das nur lange genug einredete, würde ich vielleicht eines Tages selbst dran glauben. Den Pudding hatte ich zum Abkühlen auf die Ablage neben der Spüle gestellt.
Tief ein- und wieder ausatmend packte ich die Glasschüssel mit beiden Händen. In Gedanken versunken trottete ich in Richtung Kühlschrank und - strauchelte, stolperte über meine eigenen Füße. In letzter Sekunde konnte ich den Sturz abfangen und mich an der Spüle festhalten, doch der Pudding war verloren. Wie in Zeitlupe sah ich das Glas in winzige glitzernde Stücke zersplittern, die braune Masse sich auf dem gerade erst gewischten Linoleumboden verteilen. Die Röte, die mir heiß in den Kopf geschossen war, wurde just in dem Moment von einer tiefen Blässe abgelöst, als Christina sich an das Klavier in der Stube setzte und darauf zu klimpern begann. Sie hatte das nicht vorhandene musikalische Talent ihres Vaters geerbt. Doch eine andere Sache beschäftigte mich im Moment und wie gebannt starrte ich auf den Pudding, der sich immer weiter über den Boden verteilte und riesengroß zu werden schien, den Boden verschluckend fast wie ein schwarzes Loch. Mein Blick machte einen Schwenk hin zur Spüle. Wie soll ich diese Sauerei nur wieder sauber machen?, fragte ich mich und blickte panisch auf den blauen Lappen, der über dem blank polierten Metallwasserhahn hing. Dieser Lappen… er ist viel zu klein! Mit einem so kleinen Lappen kann ich das alles doch nicht sauber machen!
Gerade entlockte meine Tochter dem Klavier einen weiteren schiefen Ton, als mir eine Idee kam. Ohne weitere Zeit zu verlieren rannte ich in das obere Stockwerk, öffnete die kleine Klappe zum Dachboden und zog die ausfahrbare Holztreppe hinaus. Ich kletterte nach oben, sah mich in der Dunkelheit um und erkannte in zwei schemenhaften Gegenständen die beiden alten Reisekoffer, die ich von meiner Kur auf Borkum mit nach Hause gebracht hatte. Ich packte sie, kletterte wieder nach unten und rannte in das Zimmer meiner Tochter. Hastig warf ich einen der beiden Koffer auf das Bett, öffnete ihn, riss die Türen ihres Kleiderschranks auf und räumte so viel ein wie nur ging. Dann kam mein Zimmer dran: Rein, Koffer auf, Schränke auf, Sachen in den Koffer stopfen, fertig. Nun ging ich wieder nach unten, stellte das Gepäck vor der Haustür ab und machte mich auf den Weg in die Stube. Für einen winzigen Moment hielt ich inne, als ich meine Tochter sah. Ich hatte nicht bemerkt, dass das ohrenbetäubende Geklimper des Klaviers geendet hatte. Stattdessen saß sie vor dem Fernseher und sah sich irgendeinen komischen Film mit Aliens an, die auf Sternschnuppen ritten. Nein, keine Zeit. Ich packte Christina am Arm und sie war so verwirrt, dass sie sich einfach aus dem Zimmer zerren und neben den Koffern postieren ließ.
Jetzt kam der letzte Teil meines Planes an die Reihe. Benzin… schnellen Schrittes machte ich mich auf zur Garage, öffnete sie und zog zwischen allerlei Gartengegenständen einen vollen Kanister Benzin heraus. Nie wieder, dachte ich, als ich wieder in Richtung Haus spazierte und meine Tochter mich nur ungläubig anstarrte. Noch immer sagte sie kein Wort. Verwunderlich, aber sie hätte mich auch nur abgelenkt.
In der Stube vor dem Klavier stehend konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich ließ mir die Zeit, es langsam und an allen Ecken und Kanten mit Benzin zu übergießen und freute mich umso mehr, als ich eine Packung Streichhölzer aus dem Stubenschrank holte. Ich zündete es an und warf es auf das Klavier, welches nach wenigen Sekunden lichterloh in Flammen stand. Das Problem mit dem Pudding hatte sich schon fast gelöst. Wie auch das Klavier und alles andere in diesem Haus würde er bald nur noch graue Asche sein.
Wieder vor dem Haus angelangt nahm ich den fassungslosen Blick Christinas gar nicht wahr. Mit Genugtuung sah ich den grauen Rauchschwaden aus dem Wohnzimmer zu, wie sie in Richtung Himmel immer unscheinbarer wurden und schließlich vollends verschwanden. Christina zückte ihr Handy und wählte eine Nummer ein, dann hielt sie es sich ans Ohr.
„Papa?“, sagte sie in diese Miniaturversion eines kabellosen Telefons. „Kannst du mich heute früher abholen? Mama muss wieder in die Klapse.“
Gut möglich, dachte ich mir. Macht aber nichts. Ich brauch’ eh ’ne neue Wohnung.

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Cain
08.11.2005, 15:22
ich find sie gut... immerhin besser als im Unterricht schlafen.. §ugly


Ähm.. joa.. sowas können nur ROllenspieler *gg*

Schön gemacht Katan!

Kekse hab ich keine..

und das letzte Wort auchnoch... scheiße wa? §ugly§ugly

Spike Spiegel
08.11.2005, 16:02
Ersma kuhler Titel. Damit kann schonmal nix schief gehen. Kuhler Titel => Kuhle Geschichte.

Was mich schwer beeindruckt hat, ist wie du dich in die Mutter hineinversetzt hast. Die Ich-Erzählperspektive war ne gute Wahl bzw. hast se gut umgesetzt. Man konnte sich gut mit der Mutter und ihrem Alltag anfreunden.
Auch das Beschreiben des Hintergrundgeschehens bzw. der Umgebung hat mir gut gefallen. Die interessanten Umschreibungen haben dem ganzen nen eigenen Stil verpasst.
Die Charaktere, besonders natürlich die Mutter, wurden auch sehr glaubhaft in Szene gesetzt. Zumindest könnt ich mir das auch uneingeschränkt im echten Leben vorstellen...ausser vielleicht das mit dem Klavier anzünden, aber das solls ja auch geben ^^"
Und dann war der Schluss natürlich noch toll. Hätte man nicht, ne, konnte man nicht mal vermuten. Ein wirklich sehr gelungenes Ende einer einfach schönen Geschichte. Sowas ließt man gerne ^^

Nen Manko find ich leider net. Hät mir an einigen Stellen teilweise weitere Ausführungen gewünscht, aber da es sich hierbei um ne Kurzgeschichte handelt, kann man da nech meckern.

Khurad
08.11.2005, 16:45
Hehe...geschockt hast du die Klasse damit alle Mal.^^
Schon, als man die ersten Zeilen von dem ja so perfekten Leben liest, wartet man schon gespannt darauf, was wohl im Laufe der Geschichte passieren wird.


Doch eine andere Sache beschäftigte mich im Moment und wie gebannt starrte ich auf den Pudding, der sich immer weiter über den Boden verteilte und riesengroß zu werden schien, den Boden verschluckend fast wie ein schwarzes Loch.

Bei den Zeilen dachte ich fast, aus dem Pudding formt sich ein Monster oder sowas... §ugly
Naja, und die Sätze danach (Die mit dem viel zu kleine Lappen...) sind echt einfach nur geil.^^
Man und danach wird so richtig die Spannung aufgebaut . Man fragt sich echt, wie das Problem den gelöst wird...auf sowas Krasses wartet man jedoch nicht, hehe^^
Der Schluß überrascht dann echt nochmal...kommt aber echt gut.
...und insgesamt echt super geschrieben. Man kann sich echt gleich reinversetzen und die Beschreibungen sind gut gewählt. :)

Shiravuel
09.11.2005, 18:36
Eine super Story. Erstaunlich, wie Du Dich in die Mutter hineinversetzen konntest und einen scheinbar normalen Ehe-Alltag geschildert hast, der dann - wie man später sah - doch nicht so ganz normal war.
Der Pudding hat mich auch überrascht, zumal nach Deine Alien-Ankündigung oben. Ich befürchtete irgendso ein Viech vom anderen Stern, das da plötzlich auftaucht. Nix da, es war und blieb ein simpler Pudding :D

Das übergossenene und angezündete Klavier: ein Ausdruck des Hasses gegen den ebenfalls unmusikalischen Ex-Mann? gegen das Leben, das so anders wurde, als es viele Jahre früher erwartet wurde? Das "Durchdrehen" eine Abwehrreaktion auf eine nicht mehr erträgliche Realität? Die Eifersucht auf den Freund der Tochter: Angst vor einem erneuten "Verlassenwerden"? Erst ging der Mann und jetzt wird die Tochter erwachsen und führt ihr eigenes Leben....

Und der trockene Humor zum Schluß: "brauch sowieso eine neue Wohnung". Galgenhumor? Erleichterung, dass etwas geendet hat? Zufriedenheit, demnächst für eine Weile für nichts mehr die Verantwortung tragen zu müssen?
Jedenfalls bin ich sehr beeindruckt :)

Katan
09.11.2005, 18:57
Erstmal vielen Dank an Cain, Khurad, Spike und Dragonlady, dass ihr die Kurzgeschichte gelesen habt. Ich hätte mich zwar über etwas mehr Feedback gefreut, aber die meisten Kommentare haben ohnehin bestätigt, dass ich mit dem Textinhalt genau das rüber bringen konnte, was ich auch rüber bringen wollte.

@ Cain
Äh... ja... danke. ;D

@ Spike
Du hast kein Manko gefunden? Ich selbst so einige, an manchen Stellen lässt der Text sich - wie ich beim dritten Mal lesen heraus gefunden habe - etwas holprig lesen. Ich habe einen Wiederholungsfehler drin und an eines der Wörter habe ich wohl in dem Moment gedacht, als ich es schrieb, allerdings etwas vollkommen anderes zu Papier bringen wollte. Schließlich habe ich noch das Gefühl, dass der Anfang etwas schleppend ist. Aber das muss leider so sein, um das äußerlich perfekte Leben darzustellen, welches sich am Ende als verkorkst herausstellt. Ganz nach Marke: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

@ Khurad
Auch dir danke für das Feedback. Du hast etwas sehr Interessantes angesprochen, was mich gefreut hat: Das perfekte Leben. Genau das wollte ich mit dem ersten Teil widerspiegeln. Und vielleicht ist sogar das der Grund, warum man gar nicht darauf wartet, dass die Mutter derart austickt.

@ Dragonlady
Ich freue mich sehr, dass auch die Kurzgeschichte gelesen hast. Einen "Feuerblume reich"-Smiley werde ich für solche Momente demnächst entwerfen. Und der Pudding + das Alien... na ja... man versucht ja, alles möglichst realistisch zu verpacken :D
Schön auch, dass du ein paar Fragen gestellt hast. Oder besser: Dass du auf ein paar Dinge eingegangen bist, die man sich als Leser im Endeffekt nur denken, sie aber nicht wissen kann.
Das übergossenene und angezündete Klavier: ein Ausdruck des Hasses gegen den ebenfalls unmusikalischen Ex-Mann? gegen das Leben, das so anders wurde, als es viele Jahre früher erwartet wurde? Das "Durchdrehen" eine Abwehrreaktion auf eine nicht mehr erträgliche Realität? Die Eifersucht auf den Freund der Tochter: Angst vor einem erneuten "Verlassenwerden"? Erst ging der Mann und jetzt wird die Tochter erwachsen und führt ihr eigenes Leben....Eigentlich hast du mit allem Recht. Ihr Mann war vollkommen unmusikalisch und wie man erkennt, ist sie selbst eigentlich eine Künstlerin (s.: Das Malen am Anfang des zweiten Teils). Früher hat sie wohl einfach nur belächelt, dass ihr Mann zum Gesangverein ging und das halbe Rathaus zusammen quietschte mit seiner Stimme. Aber dann verlässt er sie und erkennt die Verhaltensweisen in ihrem eigenen Kind wieder, in ihren Augen das einzige, was ihr noch geblieben ist.
Wie die Einleitung sagt, hat die Mutter ein 08/15-Leben erwartet und war glücklich. Auf ewig mit ihrem Mann vereint und eine süße Tochter - was wünscht man sich mehr? Tja, und dann kommt der tiefe Fall...
Am besten trifft es noch dieser Punkt: Das "Durchdrehen" als eine Art Abwehrreaktion auf eine nicht mehr erträgliche Realität. Die arme Frau ist einfach überfordert - und ihre Tochter hängt, wie Jugendliche nun mal so sind, auch lieber mit ihrem Freund rum als ständig die Mutter zu trösten und ihr bei allem unter die Arme zu greifen. Und mal ehrlich: Das ist auch nicht ihr Job als Tochter.
Und der trockene Humor zum Schluß: "brauch sowieso eine neue Wohnung".Nicht ganz das, was du meintest. Man kann es letztllich drehen, wie man möchte. Allerdings wollte ich damit eher aussagen: "Pff... Pech, ist eh alles scheißegal *Schulterzuck*". Ich muss zugeben, dass mir die abschließenden drei Sätze nicht mehr so gut gefallen haben. Ich habe alles mögliche versucht, um genau das rüber zu bringen, was mir im Kopf rumschwebte: Hier mal nen Absatz gelassen, es als Ganzes gelassen und einen Absatz zwischen Gesamttext und Abschlusssätzen gelassen, usw. Irgendwie hat das nie den gewünschten Effekt gehabt.

Wie gesagt, vielen Dank auch an dich. Man lernt die eigene Geschichte erst richtig gut durch das Feedback eines Lesers kennen und wird angespornt, noch einmal selbst darüber nachzudenken. :)

Superluemmel
06.12.2005, 12:06
Vieles wurde bereits gesagt, dem ich mich im Prinzip nur anschließen kann...

Erstmal vorweg: Wirklich gelungen. Ich bin der Meinung, dass du für den behandelten Stoff genau die richtige Länge gefunden hast. Gerade bei der Kurzgeschichte ist es wichtig, dass jede eingestreute Information auch wirklichen Wert für die Geschichte besitzt. Du beschreibst sehr deutlich, wie deine Erzählerin auf eigentlich alltägliche Gegebenheiten reagiert. Dadurch entsteht nicht nur ein sehr plastisches Bild deiner Figur, sondern es wird auch bereits zu Beginn der Geschichte deutlich, dass ihre Reaktionen stets einen Tick an dem vorbeischrammen, was man gemeinläufig als "normal" bezeichnen würde. Schon am Ende des ersten Absatzes ahnt der Leser, dass irgendetwas nicht stimmen kann, im zweiten wird diese Vorahnung auf drastische Art und Weise bestätigt.
Gerade das Ende des ersten Absatzes hat mir auch besonders gut gefallen. Diese unterschwellige Bosheit, die irgendwo hinter dem Lächeln der Mutter versteckt liegt, die Andeutung, dass die anfangs noch gewöhnlich erscheinende Beziehung vielleicht doch nicht so ganz gewöhnlich ist - da steigt die Lust zum Weiterlesen. Gerade der Kontrast zum Beginn der Szene (die Schilderung, wie sich Mann und Frau um das Vorrecht, ihre Tochter zum Kindergarten fahren zu dürfen, streiten, lässt zunächst noch die Illusion einer glücklichen Beziehung entstehen) erzeugt durch den plötzlichen Bruch Spannung.

Schon der Beginn der zweiten Szene lässt erahnen, dass etwas nicht stimmen kann. Ein vergleichender Blick auf das Datum der beiden einzelnen Szenen verdeutlicht den Sprung, den die Geschichte gemacht hat. Warum assoziiert eine Mutter ihre Malerei mit einem Albtraum? Aufgrund des Wissens, das durch das Ende der vorigen Szene vermittelt wurde, lassen sich die ersten Vermutungen aufstellen. Guter Beginn für eine Szene.

Beim weiteren Lesen stolperte ich jedoch über eine Formulierung: "[...] ...wie meine Tochter ihren Freund zum Abschied küsste und ihm dann dümmlich lächelnd die Tür vor der Nase zuschlug."
Das Wort dümmlich lag mir im Weg. Ich las den Satz erneut, dachte darüber nach, was hier genau zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Mutter kann Karl-Heinz nicht leiden, ist unglücklich über die Beziehung ihrer Tochter. Das Rumgeturtel stört sie massiv. Insofern sucht sie sogar bei ihrer eigenen Tochter nach negativen Faktoren, über die sie sich ärgern kann.
Dennoch: Ich komm mit dem Satz nicht ins Reine. Ich finde dieses Adjektiv in solch wertender Form zu hart. Zeitweise war ich mir sogar nicht sicher, ob damit angedeutet werden soll, dass die Tochter geistig etwas zurückgeblieben ist. Sobald ich mir das "dümmlich" jedoch wegdenke, komm ich mit dem Satz sowie dem Restzusammenhang gut klar.

Gut gelungen fand ich wiederum den Ausbruch des eigentlichen Wahnsinns. Eine Lapalie als Zünder, den sprichwörtlichen Funken am Pulverfass. Die durch die vorigen Ereignisse geweckten Vorahnungen erhalten Form.
Ich persönlich kann deine Abneigung gegenüber den letzten drei Sätzen nicht ganz nachvollziehen. Die bringen doch genau das rüber, was du ausdrücken wolltest: "Dumm gelaufen, aber ist ja eigentlich eh wurscht. Nach dem Scheiß ist es ohnehin egal."
Auch die Reaktion der Tochter passt wie die Faust aufs Auge. Spüre ich da bitteren Sarkasmus? Genau meine liebste Art, eine Kurzgeschichte zu beenden.