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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story] Der Kuss des Inquisitors



Lady Xrystal
31.07.2010, 00:51
Vorwort

Ohne großartige Rede sei gesagt, dass ich sehr gerne schreibe und mir angesichts der vielen Geschichten hier im Forum gedacht habe, mich auch mal an einer Risen-Story zu versuchen. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und würde mich über Feedback, insbesondere in Form von Verbesserungsvorschlägen, riesig freuen. :gratz
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Zwischen den Gitterstäben
Mirianne lugte an den rostbefleckten Gitterstäben vorbei in die kleinen, zumeist leeren Zellen. Ein muffiger Gestank hing in der dicken Luft; es war unmöglich zu sagen, woher er kam und aus was genau er bestand. Und zu allem Überfluss schmerzten Miriannes Füße, war sie es doch schon lange nicht mehr gewohnt, so lange am Stück zu laufen.
Die letzten Zeiten – waren bereits Jahre vergangen? - hatte sie stets in einem kleinen Kerker verbracht, nicht wissend, ob sie den Tag überstehen würde und doch mit dem Willen, so an ihrem Leben festzuhalten, wie ein Angler an seiner Rute, wenn er glaubt, zum ersten Mal einen dicken Barsch, statt eines kleinen Herings am Haken zu haben.
Obwohl sie sich noch immer in den spärlich beleuchteten Korridoren des Gefängnisses zu Faranga befand, eingekesselt zwischen Rost und Mauer, sowie zwischen zwei bulligen Kerlen, die vor und hinter ihr her trabten, genoss Mirianne das schwache Gefühl der Freiheit. Die Wärter, die sie vor einiger Zeit wortkarg abgeholt hatten, hielten es nach wie vor nicht für notwendig, Mirianne über das Ziel ihrer Wanderschaft aufzuklären und so wusste sie nicht, ob sie tatsächlich einen Gang in die Freiheit angetreten war oder – was ihr viel wahrscheinlicher erschien – bald schon dem Tode auf Augenhöhe begegnen würde.
Noch ehe sich Mirianne so recht entschieden hatte, inwieweit sie ihrem Gefühl trauen und einen Fluchtplan schmieden konnte, steuerten sie und die beiden schweigsamen Wächter auf eine Tür zu, vor der sie schließlich zum Stehen kamen. Jetzt oder nie! war Miriannes erster und einziger Gedanke, als sich die Tür überraschend lautlos öffnete und der Gefangenen einen Moment lang die Möglichkeit gab, in einen nächsten Raum zu blicken. Ganz gleich, was sich hinter dem massiven Holz der Pforte letztendlich befand, solange weiterhin nur dicke Luft ihre Haut streichelte, sah Mirianne keinen Grund darin, den Wärtern Folge zu leisten.
Sie rammte dem einen ihren Ellenbogen in die Seite, als dieser nur halbherzig auf sie achtete, und quetschte sich anschließend an seinem breiten Rücken vorbei, um den Korridor entlang stürmen zu können. Mirianne hatte gerade Fahrt aufgenommen, da spürte sie ein unsanftes Ziehen an ihrem Arm. Sie wurde zurückgerissen, stolperte und fand im letzten Moment Halt an den stämmigen Armen des zweiten Wächters, der sie angrinste und dabei faule Zähne offenbarte.
Ein Schauer lief ihr durch den Rücken, als sie den Anblick gelblich-brauner Beißerchen bemerkte und mit einer hastigen Bewegung zerrte sich Mirianne vom Griff des Wärters los. Sie taumelte ein paar Schritte rückwärts, ihr Blick hing gleichermaßen gebannt, wie angewidert an der Miene des Wärters, da spürte sie auch schon zwei große Handflächen, die sich an ihre Schulterplatten legten.
„Rein da!“, fauchte der Wärter hinter Mirianne, während er sie so heftig schubste, dass sie die Schwelle der inzwischen gänzlich offenen Holztür mit einer erneut stolperähnlichen Bewegung passierte.
Ein wütender Laut entfuhr ihren Lippen, dann schloss sich die Tür hinter ihr mit einem lauten Knall und Mirianne blickte auf. Der Raum war ähnlich spartanisch eingerichtet, wie ihre Kerkerzelle. Er wirkte recht quadratisch und war lediglich von einer Steinmauer begrenzt, andere Türen gab es nicht. Inmitten stand ein Holztisch, sowie zwei Höcker, die sich gegenüber lagen und auf einem derer saß ein braunhäutiger Mann, der Mirianne mit einem Lächeln begutachtete.
Mirianne grüßte ihn mit einem strengen Kopfnicken und nahm ungebeten auf dem anderen Hocker platz. Sie hielt es nicht für nötig, etwas zu sagen, schließlich war es nicht ihr Wunsch gewesen, den Besucher zu empfangen und zudem war sich die Gefangene nicht sicher, ob ihre Stimme überhaupt noch funktionierte.
„Lange nicht mehr gesehen“, das Lächeln auf den dunklen Lippen des Mannes weitete sich noch ein Stück und auch Mirianne selbst musste beim Klang der vertraut-öligen Stimme leicht schmunzeln. Nicht, weil sie sich freute, nach so langer Zeit wieder in Basirs tiefschwarze Augen blicken zu können, sondern eher, weil sie sich schlagartig an alte Tage erinnert fühlte.
„Die Freude liegt ganz meinerseits“, log Mirianne, während sie sich einerseits erleichtert fühlte, dass ihre Stimme in den Tagen ihrer Haft kaum an Stärke verloren hatte und andererseits bemerkte, wie gut Basir inzwischen aussah. Er war nicht sonderlich attraktiv, das war er noch nie gewesen, doch wenigstens wirkte er in seiner prunkvollen, beigefarbenen Robe ausgesprochen gesund und wohlgenährt.
Plötzlich machte sich Mirianne Gedanken um ihr eigenes Erscheinungsbild. Sie musste fürchterlich aussehen, ungesund blass und ausgelaugt, mit tiefen Augenringen, dünnem Haar und brüchigen Fingernägeln. Sie war schon immer recht dünn gewesen, ohne blickfangende Kurven, doch nun war sie sich sicher, dass sie inzwischen als klapperdürr durchgehen konnte.
„Du wirst dich sicher fragen, warum ich dich nach so langer Zeit hier aufsuche“, allmählich verschwand Basirs Lächeln und wurde durch eine unentschlossen wirkende Miene ersetzt.
Vielleicht hatte Miriannes Stimme zu schroff geklungen, als sie seine Vermutung mit einem schlichten „Allerdings“ bestätigt hatte, denn senkte Basir kurz darauf seinen Blick, während er mit der einen Hand am Ärmelsaum der anderen fummelte.
„Nun, äh ...“, setzte er schließlich an, „ich bekleide nunmehr, wie du mir vielleicht angesehen hast, das Amt des Hauptrichters zu Faranga und -“
„Wenn du nur auf Lobesbekundungen aus bist“, unterbrach Mirianne ihren Besucher erneut herrisch, „dann muss ich dich wohl enttäuschen.“
Basir schreckte kurz hoch, dann fand er den Faden offenbar wieder. Deshalb erwiderte er:
„Nein, das ist es nicht. Obwohl ich mich über Glückwünsche immer freue“, er sah wieder lächelnd auf und sein Blick traf die regungslose Miene Miriannes, die ihn anscheinend dazu antrieb, erneut seinen Ärmelsaum zu berühren. „Jedenfalls bin ich hier, um dir ein Angebot zu machen. Du hattest, soweit ich weiß, nie einen richtigen Prozess, deine Schuld ist noch gar nicht bewiesen und ich hätte nur wenige Mühe damit, dich hier wieder rauszuholen, verstehst du?“
Mirianne streckte sich und das Holz unter ihr knarrte bedrohlich, was, wie sie hoffte, jedoch dem Alter des Hockers und weniger ihrem Gewicht geschuldet war.
„Ein Angebot?“, ein verschmitztes Lächeln huschte über ihre Lippen, die mit jedem Wort, das sie sprach, stärker schmerzten. „Was ist mein Part dabei?“
„Nun, du hast gewisse ... Talente“, er betonte jenes Wort, sodass seine Stimme noch öliger wirkte, als ohnehin schon, „die man fördern sollte.“
„Talente?“, Miriannes Lächeln verschwand, stattdessen runzelte sich ihre Stirn. „Wenn du damit auf meine Fähigkeit anspielst, Magie zu wirken, dann erstaunst du mich“, mit deiner Dummheit, fügte sie in Gedanken hinzu.
Basir machte eine wegwerfende Handbewegung und blickte Mirianne nun direkt in die Augen. „Du kennst doch Vincent Maruf“, (Mirianne nickte finster). „Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er momentan inmitten der Ruinen der Vulkanfeste sitzt und von dort aus versucht, die alten Truppen zu mobilisieren. Du weißt schon, Rekruten, Ordensritter, Magier ... das ganze Gesindel von früher eben.“
„Was hat er vor?“, Mirianne hatte ihre Stimme gesenkt, um ihre Frage möglichst scharf stellen zu können und war überrascht, wie gut ihr jenes Unterfangen noch gelang.
„Na was wohl? Er möchte das schaffen, was seinem Onkel Mendoza damals nicht gelungen ist: Er will die Titanen erwecken! Und, wenn du mich fragst“, Basir beugte sich zu Mirianne vor und flüsterte nunmehr, „hätte er kaum eine bessere Entscheidung in seinem Leben treffen können. Meinen Segen hat er jedenfalls.“
Mirianne musste grinsen. „Immer noch ganz der Alte, was?“
„Nun, du musst bedenken, dass Vincent seinem Onkel einst ewige Treue geschworen hat und auch sonst wahnsinnig viel von ihm hielt. Es wäre für ihn eine ungemein große Ehre, wenn er den Plan Mendozas zur Vollendung führen könnte.
Mirianne musste kichern. „Die Hoffnung, dass sich Vincent dahingehend je ändern würde, habe ich schon lange aufgegeben. Und, um ehrlich zu sein meinte ich mit meiner Bemerkung auch weniger ihn, als vielmehr dich.“
„Mich?“, Basir klang gleichermaßen überrascht, wie empört.
„Dein neues Amt“, Mirianne deutete demonstrativ auf Basirs Robe, „scheint dir das Gesetz auf Faranga jedenfalls nicht sympathischer gemacht zu haben.“
Basir musterte eine Weile sein Gewand, dann seufzte er leise und blickte wieder zu Mirianne. „Da magst du Recht haben. Aber, solange ich noch in Ruhe meine Arbeit erledigen kann, spielt meine Abneigung keinerlei Rolle“, er zuckte gleichgültig mit der Schulter, zwinkerte ihr dabei jedoch schelmisch zu. „Jedenfalls bin ich schon lange der Überzeugung, dass ein Machtwechsel unserer schönen Hafenstadt ganz gut tun würde.“
„Dir ist aber sicher bewusst, dass Mendoza die Insel eher zerstören wollte, als ihr ein neues Rechtssystem zu verpassen. Oder?“, fügte Mirianne nachdrücklich hinzu. Sie war sich nicht ganz sicher, wie viel von seiner Naivität Basir verloren hatte, also rechnete sie mit dem Schlimmsten in Form einer unüberlegten Huldigung.
„Natürlich“, Basir zauberte einen Hauch Verblüffung auf Miriannes Gesicht. „Aber Mendoza ist Geschichte, wie du weißt. Und Vincent sieht die Insel Faranga genauso als seine Heimat an, wie wir beide es tun. Ich glaube nicht, dass er etwas tun würde, das die Insel irgendwie gefährden könnte und zugleich bin ich mir absolut sicher, dass Vincent nach dem tragischen Tod seines Onkels dessen Aufzeichnungen seines Onkels eingehend studiert hat.“
„Und wenn schon!“, diesmal war es Mirianne, die eine wegwerfende Handbewegung ausführte. „Ich bin mir dagegen absolut sicher, dass Vincent den Plan seines geliebten Onkels allem anderen vorziehen wird. Somit auch dem Wohlergehen der Insel und seiner Bewohner. Das Befassen mit den Titanen ist seit Mendoza nicht nur aus Spaß absolut untersagt.“
Basir stand nun auf, in seinen Augen flackerte ein wütendes Feuer. „Drei Jahre hier im Kerker haben deinen Verstand ganz offensichtlich vernebelt“, sagte er bitter und lieferte Mirianne damit unbewusst die Information über die Zeitspanne, die Mirianne nunmehr in Gefangenschaft verweilte.
Drei Jahre ... eine ungeheuer lange Zeit.
Mirianne seufzte. Was machte es schon, einem starrsinnigen Magier, wie Vincent zweifellos einer war, zu dienen, wenn man dafür in Freiheit leben durfte?
„Eine solche Diskussion hat keinerlei Nutzen“, versuchte die Gefangene ihren einstigen Gefährten zu beschwichtigen. „Kommen wir lieber zurück auf dein Angebot zu sprechen. Wenn ich das richtig sehe“, Basir setzte sich wieder, während Mirianne sprach, „soll ich mich nach meiner Entlassung von Vincent rekrutieren lassen und ihn bei seinem Vorhaben, die Titanen zu erwecken, unterstützen?“
„Du hast es erfasst“, Basir nickte und wirkte zufrieden.
„Verstehe“, Mirianne lehnte sich leicht zurück und ließ sich mit Absicht ein wenig Zeit, ehe sie Basirs Angebot annahm.
Sie musste ihren Teil der Abmachung ja nicht erfüllen.
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Fortsetzung folgt...