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Fargas Ferrigan
15.09.2005, 15:31
Ohne Dich

Die Finsternis des Waldes hatte sich einem dunklen Gewand gleich um ihren zierlichen Körper gelegt. Kein lieblicher Vogelgesang erhellte ihr Herz. Keine vom Tau getränkten Halme streichelten ihre zarten Füße. Kein Mondenschein drang durch der Blätter Dach, ihre Haut erstrahlen zu lassen. Kein Wind ließ ihr Haar wehen. Es schien, als habe der Abend ein Tuch über das Land geworfen.
Ihre Füße trugen sie den einsamen Weg entlang in des Waldes Dunkelheit. Sie wagte nicht, ihren Blick schweifen zu lassen, war doch in jedem Schatten, jedem wässrigen Spiegelbild, gar jedem Blatte sein Gesicht. Die Wälder schwarz und leer, umgeben einzig von seinem Antlitz. In der Stille der Nacht seine Stimme, so lieblich in ihrem Ohr und doch so fern…

Fast dachte sie, das erlösende Ende des Waldes sei erreicht, als sich die trügerischen Schatten der Bäume zurückzogen, doch schon bald zeigte sich, dass sie der Weg nur auf eine Lichtung geführt hatte, auf der sie dem Dunkel des Waldes für einen Moment entfliehen konnte. Doch ach! Auch hier war ihr keine Ruhe vergönnt, plagten sie doch die Erinnerungen an jene schöneren Tage, als sie sich gemeinsam über die grünen Wiesen gewälzt, laue Sommernächte beisammen gelegen hatten. Langsam schritt sie um jenen geheiligten Orte. Ihre bleiche Hand strich zärtlich über die Stämme der Bäume, welche die Grenze der Lichtung zum Walde verhießen – ihre feuchten Augen wie gebannt auf die Lichtung gerichtet.
Doch plötzlich hielt sie inne, als ihre Finger über eine Kerbe im Holze strichen. Als wolle er sie verspotten, erschien im selben Moment der Mond hinter den dichten Wolken und warf ein silbriges Licht auf das Symbol in der Rinde der Fichte: ein verblichenes Herz…

“In Liebe auf Ewig - Cardamon & Tarya“

Ungläubig fuhren ihre zierlichen Finger die zarten Linien im Holze ab und ein dünner Tränenfilm benetzte ihr Gesicht. Widerwillig stieß sie sich von dem Bildnis im Stamme des Baumes ab und rannte auf die offene Lichtung. Wie kurz doch die Ewigkeit sein konnte…Bittere Tränen rollten ihre feucht schimmernden Wangen hinab. Sie sank auf die Knie nieder, vergrub das Gesicht im Schoß. Niemals mehr würde sie in den Armen ihres geliebten Cardamon liegen können…Einige Wolken schoben sich erneut vor den fahl scheinenden Himmelskörper und hüllten Tarya erneut in Dunkelheit – Einsamkeit. Bilder der Vergangenheit zuckten durch ihren Geist, wühlten ihre Gedanken auf. Weites Meer… Sie warf sich herum, die Hände an die Schläfen gepresst. Ein Schiff im aufgewühlten Meeresschaum… Sie riss ihren Kopf wie von Sinnen hin und her. Doch die Bilder blieben, brannten sich in ihr Augenlicht ein…



* * *


Tot sank der erschlaffende Körper zusammen, als er die Klinge aus der Brust seines Gegenübers zog. Seine Brust hob und senkte sich stark bebend. Vergeblich versuchte er, sich mit dem Handrücken des Schweißes auf seiner Stirn zu entledigen. Sein ganzer Körper glänzte von den Anstrengungen – doch ein Ende war nicht in Sicht. Noch immer tobten auf dem ganzen Deck unerbittliche Kämpfe. Es betrübte ihn, Freunde und Verbündete im Strom des Blutes ertrinken zu sehen, aber diese meuternden Halunken hatten nichts Besseres verdient, als einen grausamen Tod.

“Pass auf, Cardamon!“

Er riss sich von dem schauerlichen Anblick los, doch sah er den Speer zu spät, geführt von einem feigen Verräter. Kalter Stahl bohrte sich in seine Hüfte, drang tief in weiches Fleisch ein. Ungläubig starrte er auf den Schaft, der aus seinem Körper ragte, geführt von starken, rauen Händen. Ein grimmiges Lächeln entblößte ungepflegte Zähne, dem ein flinker Dreh des Speers folgte. Cardamon spürte, wie sich der Widerhaken durch seine Eingeweide wühlte, spürte, wie seine Organe zerfetzt wurden, spürte das warme Blut aus seinem Mundwinkel laufen. Haltlos taumelte er zurück, spürte noch die Reling in seinem Rücken, doch seine Hände waren zu schwach, sein Geist zu vernebelt. Er fiel…

Kaltes Wasser holte ihn aus der Dämmerung seines Körpers, als er auf die raue Meeresoberfläche stieß. Mit weit aufgerissenen Augen musste er mit ansehen, wie die Umrisse des Schiffs verschwommen und schließlich hinter einer rötlichen Wolke verschwanden. Einzig das grelle Licht der Sonne wäre in der Lage gewesen, ihm den rechten Weg zu zeigen, doch sein Körper verweigerte jeglichen Dienst. Er reckte seine Arme aus nach dem errettenden Lichte in der Ferne. Sein Schrei verklang ungehört in den Tiefen des Meers und nur die zarten Bläschen verbrauchter Luft strebten als stille Zeugen der Oberfläche entgegen. Im Wirbel roten Blutes glaubte er für einen Moment das liebliche Antlitz seiner Tarya zu erkennen, doch der Augenblick verging und mit ihm auch jenes bezaubernde Bild seiner Geliebten. Dunkelheit erfasste von ihm Besitz, benebelte seine Sinne zusehends, bis er sich bald gänzlich in Schwärze gehüllt fand…



* * *


Ein verzweifelter Schrei, mit dem sie sich aller Schmerzen hatte entledigen wollen, hallte durch den nächtlichen Wald, doch ihre Qualen hielten an. Sie starrte in den Wolken behangenen Sternenhimmel, starrte in das liebliche Gesicht Cardamon’s, in jene unergründlichen Augen, in denen sie sich ach so oft verloren hatte – und nie wieder verlieren würde. Sie sah ihn, ohne den sie nicht sein wollte – nicht sein konnte! Als hätten die Wolken Erbarmen mit jenem armseligen Mädchen, welches sich dort am Boden wälzte, öffneten sie ihre Pforten und entließen Tropfen feinsten Regens, um die Sorgen Tarya’s hinfort zu spülen. Jenes Wasser, das sich vom Himmel auf sie ergoss, quälte sie mit der Erinnerung an ihren Cardamon, den die See ihr geraubt hatte. Jenes Wasser, das sie mit ihm verband…

Wie von Sinnen sprang Tarya auf und rannte geradewegs hinein in die Finsternis des Waldes, ließ die Lichtung und jene bösen Erinnerungen hinter sich, die ihren Geist zu zerreißen drohten. Sie spürte nicht die Äste und Zweige, die ihr ins Gesicht schlugen, spürte nicht die Dornen, die Kleid und Haut aufrissen, spürte nicht jenes warme Blut, das aus den Wunden quoll. Ihre feucht glänzenden Augen ruhten auf jenem schwachen Punkt, der nur schwerlich in der Ferne zu erahnen war. Es schien ihr wie eine Ewigkeit – eine Ewigkeit, in der sie von ihrem geliebten Cardamon getrennt war – bis schließlich das Ende des Waldes in absehbare Entfernung rückte, das Rauschen der Wellen in der Tiefe widerhallte und von den Felsklippen an ihr Ohr getragen wurde…

Der Waldesrand lag bereits hinter ihr, vor sich jene steilen Klippen, die aus den Tiefen ihre Erlösung verkündeten. Sie spürte, wie ihr nackter Fuß jenen rauen Felsvorsprung das letzte Mal berührte, ehe sie sich all ihrer Qualen entledigen könnte, ehe sie in die Tiefe stürzte. Ein ewiges Lächeln zierte ihre Lippen, ewiger Glanz stand in ihren feuchten Augen geschrieben, als sie den Meeresspiegel durchbrach und ihrem geliebten Cardamon in die Dunkelheit folgte…