PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sinnlos?



Superluemmel
19.07.2005, 22:41
Sinnlos?


"Meinst du nicht, dass du damit aufhören solltest?", fragte sie und bedachte ihn mit dem sorgenvollen Blick eines Bombenentschärfers, der sich nicht sicher war, ob er den roten oder blauen Draht durchzwicken sollte.
"Warum fragst du?", stellte er sich unschuldig.
"Schau dich doch bloß mal an! Du hast seit Tagen zu wenig geschlafen, deine Augenringe kannst du mittlerweile als Landkartenmarkierungen benutzen und ich sehe doch, dass du dich nur selbst kaputtmachst."
"Ach", er lächelte und versuchte ihre Sorgen mit einer Handbewegung wegzuwerfen, "du nimmst das viel zu ernst."
"Da bin ich aber nicht die Einzige."
Erneut dieselbe, wegwerfende Handbewegung, gefolgt von einem kräftigen Schluck Kaffee und einem Schulterzucken.
"Tja, man lebt halt nur einmal. Außerdem seht ihr das ganz falsch."
"Dann erklär mir doch bitte, wie es richtig ist. Du beschwerst dich doch, dass du nächtelang kein Auge zukriegst und ständig Kopfschmerzen hast. Wenn ich etwas mach und merke, dass es mich auf Dauer kaputtmacht, dann lass ich es halt sein."
"Naja, es ist ja nicht so, dass es mich nur kaputtmachen würde."
Ihre Handflächen drückten so fest auf den Tisch, als ob sie ihn davon abhalten müsste, sie anzuspringen.
"Aber ich sehe doch, dass du vor die Hunde gehst."
Jetzt hob er abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf.
"Nein, nein, mach mal halblang. Du behauptest, das Schreiben würde mich kaputtmachen. Dabei hast du dir doch noch gar nicht überlegt, wie ich ohne das Schreiben aussehen würde. Du gehst davon aus, dass es mich nur kaputt macht. Mag ja sein, von Zeit zu Zeit ist es halt einfach deprimierend. Aber dafür gibt es auch wieder andere Zeiten, in denen ich dafür umso besser drauf bin."
"Ja", sagte sie düster, "nur liegt die letzte über zwei Monate zurück."
"Ach", er warf wieder ein halbes Pfund Luft weg, "wenn schon mal eine Idee zu mir kommt, geht sie meist nicht wieder so schnell. Und ich werde den Teufel tun um sie rauszuekeln."
Er trank einen weiteren Schluck Kaffee und blickte aus dem Fenster auf die Straße.
"Ich glaube, es würde dir gut tun", ließ sie nicht locker.
Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und blickte sie ernst an.
"Weißt du, das ist wie Durchfall: Wenn man ihn unterdrückt, bekommt man nur Magenkrämpfe und wahrscheinlich irgendwann nen Darmdurchbruch. Wenn das Zeug erstmal drin ist, will es auch wieder raus."
"Das ist jetzt ein dummer Vergleich."
"Stimmt aber. Sowas darf man nicht unterdrücken. Das ist sogar erwiesen. Frag Freud."
Sie schüttelte nur den Kopf. Ihr Blick war traurig.
"Aber das ist doch sinnlos. Wenn du wenigstens mal was veröffentlichen würdest. Aber du häufst das Zeug wie eine Elster irgendwelche Glitzersachen und löschst den Großteil eh wieder."
Als er diesmal aus dem Fenster schaute, grüßte sein Blick irgendwo am Ende seines Sichtfeldes den Horizont. Und seine Mundwinkel wellten sich in Aussicht auf ein Lächeln.
"Wart doch erstmal ab. Wenn ich mal was wirklich Gutes hab, bring ich's vielleicht auch raus."
Als sie diesmal den Kopf schüttelte, versuchte ihr Blick die Tischplatte zu penetrieren.
"Du bist echt hoffnungslos."
"Vielleicht", sagte er und das Lächeln brach vollends durch.
Irgendwann in derselben Nacht lag er in seinem Bett und konnte nicht einschlafen. Auf dem Rücken liegend füllten seine Ideen seinen Hinterkopf völlig aus. Als er sich von einer Seite auf die andere wälzte, wälzten sie sich mit. Irgendwann stand er auf, fiel ein weiteres Mal über seine Kaffeevorräte her und setzte sich schließlich an den Rechner. Diesmal übten seine Finger denselben Druck auf die Tastatur aus, wie es kurze Zeit später der Kaffee auf seine Blase tat und auch seine Ideen flossen aus ihm heraus wie wenig später sein Lieblingsgetränk. Das Gefühl, endlich seinen Geist entleeren zu können, schenkte ihm drei Stunden später zum ersten Mal seit langem wieder einen erholsamen Schlaf.
Als er am nächsten Tag gegen Mittag aufstand, schaltete er seinen Rechner ein, markierte den gestern geschriebenen Text und löschte ihn. Und als sich seine Fingerspitzen abermals wie bei einem Klavierspieler auf die Tasten legten, lag ein breites, befriedigtes Grinsen auf seinem Gesicht.