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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story]Sakrileg



Ian
15.07.2005, 09:58
1.


Das blasse Mondlicht schien von draußen herein. Paan der Dritte hielt sich mit einer Schussverletzung am Sockel fest, auf dem ein Bildnis einer Pyramide stand, als Zeichen der Dreifaltigkeit.
Paan ächzte vor Schmerz. Diese verdammten Wissenschaftler!
Schon vor einigen Tagen hatten sie ein Attentat auf die Engelskathedrale verübt, indem sie versucht hatten, St. Angelo in die Luft zu sprengen, pure Blasphemie. Nun begannen sie die heiligste Feste der Dreifaltigkeit von innen zu infiltrieren.
Paan war einem Mann bewaffnet mit einer Pistole begegnet.
Zuerst hatte er ihn für einen Gardisten der Kyr-Garde gehalten, doch als ein Schuss auf des Hohenpriesters Bauch lospeitschte, wusste dieser, dass es nicht so war.
Der Agent war geflohen und hatte Paan schwer verletzt liegen gelassen.
Das Abbild von den 3 ineinander verschlungenen Engeln auf dem Boden war zu sehen, gebildet aus dem Bündnis zwischen dem kühlen Licht des Mondes, das durch das Fenster fiel, und dem verzierten Muster des Glases.
Sie würden ihm nun auch nicht mehr helfen.

Aber die Welt musste erfahren wer den Anschlag verübt hatte. Die Kirche musste es erfahren. Die Wissenschaftler mussten gestoppt werden.
Zitternd und geschwächt vom immensen Blutverlust begann der letzte Hohepriester der Kirche der Dreifaltigkeit, seine Botschaft zu schreiben.
Eine unübersehbare Botschaft.


2.


Orion, der Galard (ungefähr gleichzusetzen mit einem Kardinal der katholischen Kirche), hatte aus seinem Zimmer im Kloster innerhalb von St. Angelo gebetet, als er einen hallenden Schuss hörte. Ein nicht zu überhörbares Peitschen einer Pistolenkugel.
Es hatte begonnen. Orion wusste, was geschehen war.
Der Krieg hatte sich schon lange angebahnt. Die Wissenschaftler konnten die Kirche nie ganz akzeptieren, das eine schloss das andere aus. Allerdings war es auch umgekehrt der Fall.
Alles fing mit der Meinung der Kirche an, sie hätten das Recht, den Leuten ihren Glauben aufzuzwingen und damit ihre Macht zu missbrauchen.
Die Wissenschaftler jedoch deckten diese Meinung in kurzer Zeit auf, sodass die Menschen der Kirche nunmehr misstrauten und viele glaubten nun nicht mehr an die heilige Jungfrau Maria oder an Jesus, geschweige denn an irgendeins der Altbiblischen Wunder.
Dann begann die Macht der Wissenschaft zu wirken und sie fand für jede Frage eine Erklärung. Die Kirche sah sofort, dass das noch schlimm ausgehen würde.
Wie Recht sie doch hatte...
Der Aberglauben setzte ein. Die Menschen glaubten jetzt nicht mehr an Gott und seine Engel, sondern fürchteten sich vor dem Teufel und vor Vampiren und Werwölfen.
Dies war ein derber Rückschlag für die Wissenschaft, die damit genau das Gegenteil von dem erreicht hatte, was sie wollte, nämlich Wahrheit verbreiten und auch für die Kirche, da sich die Leute lieber vor etwas fürchteten, als an etwas Gutes und Immerwährendes zu glauben.
Verdammte Ignoranten. Sie würden schon sehen, wo sie mit dieser Meinung hinkommen würden.
Nun herrschte ein inoffizieller Krieg zwischen den Wissenschaftlern und der Kirche.
Beide versuchten die Ordnung wieder herzustellen.
Und jeder dachte, seine Art, dieses Ziel zu erreichen, würde die einzig Richtige sein.
Orion blickte von seinem stillen Gebet auf, zu dem Jesuskreuz, was sich an der Wand vor dem knienden Priester befand.
Eine einzige Kerze leuchtete in der Dunkelheit der Kirche.
Und plötzlich, unverhofft, fiel das Kreuz von der Wand und zersplitterte mit einem unüberhörbaren Laut und dem Bildnis Jesus auf dem kalten Marmorboden.
Die Kerze erlosch…


3.


Die Zeit war gekommen, hervorzutreten aus der Dunkelheit des Exils, in das sich die Kirche selber gebracht hatte. Es war die Zeit des Umbruchs. Für alles und jeden.
Die Kirche würde sich erheben. Diesmal waren die Wissenschaftler zu weit gegangen. Diesmal würden sie büßen für ihre Sünden.


4.


Orthan der Mönch begab sich mit langsamen bedächtigen Schritten in die Fänge der Wissenschaftler. Er war weit außerhalb von St. Angelo gefahren, um nun die letzte gute Tat in seinem Leben zu vollbringen. Auf seinem Rücken befand sich eine von den Wissenschaftlern erfundene Waffe, die alles Leben in 3 Kilometer Umkreis vernichten würde, so die Aussagen des gefangenen Agenten.
Damit wollten die Wissenschaftler die Engelskathedrale zerstören. Aber die Kirche war nicht ohnmächtig und schon gar nicht dumm. Paan selbst hatte den Agenten entdeckt und ihn gestellt.

Der Mönch stapfte also durch den weichen Wüstensand der Sierra.
Baldig sah er hoch aufragende Felsen, die wie Wehrtürme in der Nacht, bedrohlich und abschreckend auf alle Besucher.
Erde, Luft, Feuer und Wasser. Die Wissenschaftler hatten ironischerweise ihre alten Elemente benutzt, um allen Eindringlingen den Zutritt zu verwehren.
Das war die Falle der Erde, die Sierra Fata. Ein grausamer Ort, hier in der Wüste der Sierra Fata war es nachts bitterkalt und tagsüber kam man hier vor Hitze fast um. "Eine Prüfung, ganz ohne Zweifel, die Gott mir auferlegt hat. Er will mich testen und ich werde den Test bestehen!", dachte der Mönch im festen Glauben.
Die Waffe, die die meisten Menschen wohl als Bombe bezeichnen würden, lastete schwer auf Orthans Rücken.
Noch nie im seinen ganzen Leben hatte er bei solcher Eiseskälte dermaßen geschwitzt.
In seiner Hand war eine Taschenlampe, um in der stockfinsteren Nacht den Weg wenigstens etwas erleuchten zu können.
"Illuminieren...", schoss es dem Mönch in dem Kopf.
Plötzlich tauchten über den Felsen auf der rechten Seite Lichter auf.
Blendende, sehr sehr helle Lichter.
Nun war die Zeit gekommen, in der Orthan sich bewähren musste.
Er schaltete die Taschenlampe aus.


5.


Orion rannte so schnell er konnte die Gänge der Kathedrale entlang, auf der Suche nach dem Angeschossenen.
Eigentlich konnte es nur ein Ort sein, wo der Hohepriester sich um diese Zeit aufhalten würde.
Sein Schlafgemach.
Der Galard rannte so schnell wie möglich nördlich, zum Atrium. Hinter dem Atrium befanden sich die Schlafzimmer aller Ehrwürdigen der Kathedrale und der ganzen Gegend.
Priester, Räte und natürlich die Galards und der Hohepriester und Bischof nächtigten hier.
Aber ein Agent hätte es niemals bis zu den Gemächern geschafft. Die ganze Gegend war von Kyr-Gardisten bewacht.

Orion sürmte rasch weiter.
Der Hof lag in Stille und Friedfertigkeit dar, subtil, in diesem Augenblick.
Mittem im Atrium ragte ein hoher Obelisk auf, mit einer Pyramidenspitze, als Ehrbietung zu Dreifaltigkeit und des Himmels. Der Obelisk selber hatte als Sockel einen wunderschönen Brunnen.
"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes...", betete der Galard im Gedanken. "Lass ihn noch nicht tot sein, Vater."
Orion betrat das dem Hauptkomplex gegenüberliegende Gebäude. Geschwind war er die ersten Stufen der Treppe hochgesprungen.
Er hatte keine Zeit, um die prächtigen Kunstwerke an den Wänden zu begutachten, weder die wunderschönen Fresken, noch die fantastischen Bilder.
Die Treppen ließen ein hohles, schallendes Echo aus, dumpf und fremd in der Dunkelheit.
Oben an der Treppe angelangt befand sich ein großer, hoher und kreisrunder Raum in dessen Mitte ein einziges Kreuz stand.
Es war aus Gold und es hieß, ein Engel habe es gebracht und sein Blut über das Kreuz gegeben, sodass es immer die Kathedrale und die Gemächer beschützte. Es glänzte im aus einem Fenster fallenden Mondlicht.
Auch die niederen Mönche und Nonnen in den Mönchskammern hatten so etwas, jedoch aus Silber.
Gegenwärtig war das aber egal.
Von dem Kreuzraum aus führten drei Gänge außer dem Eingang in verschiedene Richtungen.
Einer für die Räte und Galards, einer für die Priester und einer für den Bischof und den Hohepriester.
Der Letztere, den Orion suchte, war der Gang, der direkt gegenüber dem Eingang.
Keine Kyr-Gardisten in Sicht.
"Mal wieder typisch.", meinte der Galard zynisch zu sich selbst.
Orion lief zu dem Gang und betrat ihn.
Nur einzelne Kerzenleuchter an den Wänden erleuchteten ihn.
"Illuminieren...", dachte Orion flüchtig.
Es gab keine Fenster und auch keine Türen. Jedenfalls für den nicht Eingeweihten.
Orion musste die Kammern schon oft betreten, da er einige Regelverstöße begangen hatte, zum Beispiel war er einmal nicht zum Morgengebet erschienen und musste die Strafe ertragen, den ganzen Tag nichts zu essen und nur Brunnenwasser trinken zu können.
Außerdem musste er den Hof fegen.
Das war noch ganz am Anfang seiner Laufbahn im Kloster St. Angelo gewesen.
Und plötzlich kam eine Tür in Sicht. Der Eingang um Gemach und Arbeitszimmer des Hohepriesters.
Sie stand offen.
Das konnte wirklich nur eins bedeuten:
Paan der Dritte, Hohepriester des Kloster und der Kathedrale St. Angelo, hielt sich nicht da auf, wo er sich aufhalten sollte.
Paan würde nie seine Tür offen stehen lassen, er war etwas senil geworden und litt und Paranoia.
"Oh, verdammt!", murmelte Orion.