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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitspsychologie mit Hyperion #2 - der Leistungsbonus



Hyperion
11.04.2005, 18:50
Da es wieder etwas Zeit für einen neuen Thread wurde, eröffne ich einmal den zweiten Teil meiner "Serie". :D

Eigentlich wollte ich bereits früher dieses Thema anschneiden, doch da in der deutschen Wirtschaft der eine oder andere Fall dabei war, verschob ich ihn bis sich die Gemüter beruhigen, damit eine allfällige Diskussion auch sachlich geführt wird.

Das Thema diesmal:



der Leistungsbonus

Besonders im Management- und Dienstleistungsbereich wurde die sogenannte leistungsabhängige Entlöhnung eingeführt.

Anfang des Jahres werden mit dem Vorgesetzten Ziele vereinbart, die es zu erfüllen gilt. Nach einem halben Jahr wird zum Teil ein weiteres Gespräch geführt, ob der Mitarbeiter die Ziele erreichen kann. Auf Jahresende erfolgt das letzte Gespräch - der Leistungsbeurteilung -, wo kontrolliert wird, ob die Ziele erreicht wurden (gleichzeitig werden meist neue Ziele definiert). Wer diese Ziele erreicht bzw. übertrifft, kann mit einem Leistungsbonus rechnen.

Ziel dieses Systems ist es, die Mitarbeiter zu motivieren und unternehmerisches Denken zu fördern. Als Belohnung winken wie gesagt extrinsische Motivationsfaktoren (Geldbonus, Aktienanteile, etc.). In einigen DL-Betrieben sind Leistungsbonus schon so üblich, dass man fast schon fest damit rechnen kann (auch wenn dies vom Unternehmer immer dementiert wird) und auch beim einfachen Mitarbeiter ohne Probleme einen Monatslohn betragen kann. (also etwas ähnliches wie "Weihnachtsgeld" ;) )

Leistungsbonus sind besonders im Kader verbreitet. Dort sind Leistungsboni bis zu 50% (zum Teil auch mehr) des Jahreslohnes möglich. Dabei gilt die Regel, dass der Anteil am Lohn höher ist, je höher der Manager in der Hierarchie steht.

So viel zur Theorie, die IMHO recht einfach und verständlich ist.

Grosse Probleme bietet jedoch oftmals die Praxis:

Kaderleuter (unteres und mittleres Kader) versuchen immer wieder, durch Massnahmen die Ziele zu erreichen bzw. zu überbieten, die nicht mit den Zielen der Unternehmen übereinstimmen. Dies ist besonders bei Leitern von sogenannten "Profit Centern" (in der Buchhaltung: ein Betrieb innerhalb eines Betriebes; rechtlich jedoch "nur" eine Abteilung) der Fall. Dabei wird besonders gerne die Erfolgsbilanz verbessert, indem in den Personalkosten Korrekturen erfolgen.
Typische Beispiele sind dabei:

- Einsparungen beim Grundlohn der Mitarbeiter. Bei Vakanzen werden meist junge und/oder weniger qualifizierte Leute eingestellt, die einen tieferen Lohn bekommen. (Der Grundlohn ist übrigens meist etwas tiefer als anderswo, da ja bekanntlich ein Bonus in Aussicht gestellt wird).

- Weiterbildungskosten werden gesenkt. Neben den direkten Kosten (Kurse, Prüfungen, etc.) können so auch indirekte Kosten gesenkt werden (höhere Lohnforderungen aufgrund erfolgreicher Meisterprüfung, etc.)

Natürlich wird auch so die Qualität der Arbeit gesenkt, da das Know-how nicht verbessert wird. Gegen diese Einsparungen müsste die Unternehmung eigentlich nichts haben. Doch besonders im DL-Bereich (wo Leistungsboni verbreitet sind), ist die Weiterbildung der MA wichtig. Weiter besteht die Gefahr einer hohen Fluktuation (Personalaustritte in % der Belegschaft), da ausgezeichnete Mitarbeiter - mit Potenitial für eine Weiterbildung - das Unternehmen verlassen, um in einer anderen Untenehmung die gewünschte Weiterbildung zu erhalten.

Gerade vor wenigen Wochen hat bei REAL die "Übermotivation" für einen hohen Leistungsbonus einiger Kadermitarbeiter so weit geführt, dass sie die Anweisung gaben, altes Fleisch erneut zu verpacken und wieder zum Verkauf bereit zu stellen.
Diese Entscheidung wurde getroffen, damit die Kosten gesenkt wurden und der Manager bei der Leistungbeurteilung somit bessere Karten für einen hohen Bonus bekommt.
Eine solche Gefahr auf einen PR-Schaden (den REAL nun hat), würde die Geschäftsleitung wahrscheinlich nicht eingehen (deshalb wird davon ausgegangen, dass es - wie hier beschrieben - eine Entscheidung vom niedrigen bzw. mittleren Kader war)

Der durchaus erhöhte Leistungsdruck (insbesondere in wirtschaftlich schlechten Zeiten wie dieser) wird im übrigen auf die Kollegen weitergegeben. So ist der Kollege nicht mehr der Teamkamerad (und allenfalls guter Freund beim Feierabendbier), sondern ist nun ein Rivale geworden. Da jeder Mitarbeiter unternehmerisch Handeln soll, handelt nun folglich auch jeder als eigene Unternehmung und nicht als ein Team/Unternehmen.
Es besteht also auch eine Gefahr für Mobbing, da eine gute Leistung des Teamkollegen automatisch den eigenen Leistungsbonus schmälern kann.

Dieser erhöhte Druck bei der Arbeit (Arbeitsinhalt, Arbeitsklima, Teamkollegen) hatte leider in der Schweiz auch schon Opfer gekostet (Amoklauf eines Mitarbeiter, der sich benachteiligt fühlte). :(

Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Lohn in unserer Region zwar ein Geheimnis ist, aber trotzdem jeder ziemlich gut informiert ist, ob man im Vergleich zu den Kollegen bzw. zu den Löhnen der Konkurrenz gut oder schlecht abschneidet. Es wird also recht schnell bekannt sein, wer in der Unternehmung (mit gleichem Job) mehr verdient als andere.


Weitere Punkte sind im übrigen bereits wissenschaftlich erwiesen:

- Mitarbeiter, bereits längere Zeit mit dem Vorgesetzten zusammenarbeiten, bekommen im Schnitt eine höheren Leistungsbeurteilung (und somit auch Bonus) als jene, die erst vor kurzem dabei sind.

- Je höher die Hierachrie eines Kaderangestellten, je besser die Leistungsbeurteilung. (Offensichtlich will das Kader "untereinander" nichts antun -> eine Hand wäscht die andere.)

Tipp für alle Arbeiter:
Sofern kein Sprung in der Hierarchie möglich ist (Beförderung, etc.), sollte man versuchen, immer den selben Vorgesetzten zu haben (was bei Unternehmen, die sich oftmals restrukturieren, sehr schwierig ist). Am besten sollte man sich deshalb auch vergewissern, ob das Unternehmen in einer Branche ist, die sich möglichst wenig anpassen (restrukturieren) muss. ;)


Weiter sollte man beachten, dass die Kritik besteht, dass ausgerechnet die hohen Kaderleute prozentual hohe Boni erhalten.
Da diese Manager eigentlich langfristig planen und Gewinne erwirtschaften sollten, sollten sie auch prozentual tiefe Boni erhalten.
Mitarbeiter der untersten Stufe sollten hingegen hohe Leistungsboni erhalten, da diese kurzfristig handeln und direkt die Gewinne erwirtschaften.

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So viel zu diesem Thema.
Die Diskussion steht nun offen. Anmerkungen, Kritikpunkte, etc. sind erwünscht. ;)
(Deshalb habe auch diesmal wieder das Thema etwas "exrem" dargestellt. ^^)

Wer noch das letzte Thema nachlesen möchte, kann dies durch den nachfolgenden Link tun:
Arbeitspsychologie mit Hyperion #1 - interne Kommunikation (http://forum.worldofplayers.de/forum/showthread.php?t=53188)

Der Gote
11.04.2005, 20:36
Natürlich ergeben sich in dem Falle von Leistungsboni gewisse Schwierigkeiten, die natürlich nicht gerade einfach sind. Ich möchte zuerst Dein letztes Beispiel aufgreifen, welches besagt, das Deiner Meinung nach, höher gestellte Manager einen prozentual kleineren Anteil des "Leistungskuchens" beziehen sollten. Gerade da beißt sich nämlich die berühmte Katze selbst in den Schwanz.

Wenn Du bedenkst, das der Bonus eine recht beträchtliche Summe erreichen kann, besteht die Gefahr, das es bei diesem System dann doch eh keiner mehr für nötig hält, sich zum Manager fortzubilden, was ja auch mit höherer Verantwortung und einer größeren Forderung an eigene Fähigkeiten verbunden ist. Nur mal als kleiner Umkehrschluß. ;)

Was das Konkurrenzdenken in der Firma anbelangt, so stimme ich Dir zu, das es bei leistungsorientierter Entlohnung, eher zu einem Gegen- statt zu einem Zueinander kommt. Allerdings hat auch hier die Geschäftsleitung die Möglichkeit mit einem Abteilungsbezogenen Leistungsbonus diesem Problem vorzugreifen.

Aber wie so oft: keine Medaille ohne Kehrseite. Das verhindert zwar den innerbetrieblichen Konkurrenzkampf, fördert aber die einzelnen Schwachstellen in den Abteilungen. So kann es passieren, das derjenige bezahlt wird, der keine besondere Leistung erbracht hat. Trotzdem ist das immer noch besser, aus Firmensicht gesehen, als eine offene Zwietracht.

Vielleicht sollte man sowieso einfach besser differenzieren wer was "verdient" und wer was "bekommt"...

Hyperion
14.04.2005, 07:35
Natürlich ergeben sich in dem Falle von Leistungsboni gewisse Schwierigkeiten, die natürlich nicht gerade einfach sind. Ich möchte zuerst Dein letztes Beispiel aufgreifen, welches besagt, das Deiner Meinung nach, höher gestellte Manager einen prozentual kleineren Anteil des "Leistungskuchens" beziehen sollten. Gerade da beißt sich nämlich die berühmte Katze selbst in den Schwanz.

Wenn Du bedenkst, das der Bonus eine recht beträchtliche Summe erreichen kann, besteht die Gefahr, das es bei diesem System dann doch eh keiner mehr für nötig hält, sich zum Manager fortzubilden, was ja auch mit höherer Verantwortung und einer größeren Forderung an eigene Fähigkeiten verbunden ist. Nur mal als kleiner Umkehrschluß. ;)

Nur als Ergänzung für die weiteren Posts diverser User:

Selbt heute verdient ein Kaderangestellter ohne dem Leistungsbonus erheblich mehr als "normale" Mitarbeiter mit Leistungsbonus.
Dies würde wohl bei meinem Beispiel nicht anders sein, zudem man wohl damit rechnen muss, dass der Basislohn (Lohn ohne Bonus) der Mitarbeiter etwas sinkt - da nun Aussicht auf mehr Bonus -, während jener des Kaders steigt, da nun mit weniger Lohn zu rechnen ist.
Somit wäre es eine grosse Motivation vorhanden, sich weiterzubilden. Der Lohn ist höher und der Anteil des "variablen Lohnes" (welchen man nicht mit Sicherheit bekommt) ist geringer.