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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story] Blutschrei



*~>Karaca<~*
05.04.2005, 16:44
Blutschei ist ne Story, die ich zusammen mit ner Bekannten, sies nich hier im Forum angemeldet, schreib. Alleine hab ich denk ich nich das durchhalteverm,ögen das durchzustehen, sie treibt mich da gut an ^^
Ich fang mal nur mit dem Prolog an, werde mit der Zeit mehr posten, erkennen wer den Teil geschrieben habt könnt ihr an der Farbe ^^ weiß bin ich, grau sie ;)



- Blutschrei -

Denn Blut ruht nie, es giert nach mehr
es ruft nach gleichem, schreit so sehr



Prolog

Ihr Atem ging schnell, zu schnell, ängstlich, bedroht hetzte sie durch die enge und verlassene Gasse und so schnell sie auch immer rannte, so spürte sie dennoch seinen Atem in ihrem Nacken. Die feinen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf. Er verfolgte sie nun schon seit einiger Zeit.
Wie lange genau konnte sie nicht sagen, denn jede Sekunde zog sich in die Länge, jeder Schritt wurde schwerer, langsamer, und es schien, als liefe sie in Zeitlupe, er von dieser ausgenommen, denn die Schritte die seine Anwesenheit begleiteten waren langsam und ruhig, zu langsam auf dass er rennen könnte, zu ruhig auf dass er mit ihr Schritt halten könnte.
Könnte.
Denn erneut spürte sie den warmen Hauch, der die Angst nur noch tiefer in sie schneiden ließ.
Sie stieß einen letzten Schrei aus, bevor ihr Körper leblos zu Boden fiel...

Nur ein Traum, redete sie sich ein.
„Julie, Telefon!“, kam es aus dem Wohnraum der kleinen WG.
Der Fernseher lief noch, sie musste eingeschlafen sein, sie wusste nicht wann, doch die Tatsache, dass ein Blick auf die Uhr verriet, dass es erst halb 6 war, Nachmittags wohl angemerkt, gab ihr den Zuspruch, dass sie letzte Nacht sich doch mehr Schlaf und weniger Alkohol hätte nehmen sollen.
„Ich komme...“, rief Julie zurück und schob die weiche Decke zur Seite, huschte in Jeans und einem roten Trägertop, indem sie eingeschlafen war, hinaus.
Dass im Fernsehen eine Sondersendung einschaltete, bemerkte sie nicht mehr.
Denn es war ihr nicht bestimmt, noch nicht, von einer jungen Frau zu erfahren, deren lebloser Körper mit einer Stichwunde im Rücken in einer schmalen Gasse gefunden wurde...

*~>Karaca<~*
07.04.2005, 20:32
Kapitel 1

Es war mitten in der Nacht. Nichts um sie rührte sich und doch war es ihr so, als ob sie seit einiger Zeit jemand verfolgte. Immer wieder blickte sie nach hinten, doch ihre Augen vermochten in der Dunkelheit nichts zu erkennen. Sie setze ihre Füße immer schneller und schneller vor sich auf den Boden, mit dem Wunsch so schnell wie möglich von dieser verlassenen angsteinflößenden Straße zu kommen und doch mit dem Wissen, dass ihr das nicht gelingen würde. Alles wirkte so verschleiert und trotzdem real. So real, dass es schon beinahe erschreckend war. Sie hörte ein leises Geräusch hinter sich und erkannte plötzlich, dass sie sich nicht geirrt hatte, jemand verfolgte sie, jemand, der nicht Ruhe geben würde, bevor er sie eingeholt hatte. Jemand der, wie es ihr plötzlich klar wurde, nicht Ruhe geben würde, bis sie durch seine Hände den Tod gefunden hatte.

Julie wachte schweißgebadet in ihrem Bett auf. Sie schreckte hoch, voller Angst, und brauchte einige Momente um zu erkennen, dass das eben nur ein Alptraum gewesen war. Oder etwa doch nicht? Julie war sich da nicht so sicher, schließlich war alles so real gewesen. Sie setzte sich in ihrem Bett auf und ihr Blick fiel auf den Spiegel auf der Wand gegenüber. Ihr Anblick versetzte ihr einen weiteren Schock, sie hatte rote Augen, tiefe Augenringe und war vollkommen bleich im Gesicht. Ihre Augen sahen ängstlich und gehetzt aus, schnell wendete sie ihren Blick wieder ab. Sie erhob sich langsam aus dem Bett, mit ihren Gedanken immer noch bei dem seltsamen Traum. Plötzlich läutete das Telefon. Julie dachte, dass es wohl wieder, so wie gestern ihre beste Freundin Amy, sein würde, Sie ging schnell nach draußen, auf den Flur und hob den Hörer ab. Dass, was sie dann einige Augenblicke später hörte, waren drei Wörter. Einfach drei Wörter, nur drei Wörter, doch sie setzten in Julie eine Angst frei, wie sie, sie noch nie gespürt hatte. “Du wirst sterben”, flüsterte eine kalte, leise Stimme durch das Telefon Julie zu. Trotz der geringen Lautstärke dieser Stimme sprengten die Wörter Julie beinahe das Trommelfell und sie hallten in ihrem Kopf immer wieder. Vor Schreck rutschte ihr das Telefon aus der Hand und fand seinen Weg zu Boden, wo es mit einem lauten Knall aufschlug. Julie schien den Krach nicht zu bemerken, sie starrte auf die Wand gegenüber und redete sich immer wieder ein, dass sie noch immer schlief, dass sie noch immer träumte, doch egal wie oft sie den Gedanken in ihrem Kopf wiederholte, er wurde einfach nicht wahr.
Noch immer war ihr Blick starr auf die Wand gerichtet, den Hörer hatte sie längst vergessen, den Anruf mitsamt, allein die Worte wiederholten sich in ihrem Kopf, dröhnten, schrieen, forderten sie, quälten sie, trieben sie tiefer in Angst und Ungewissheit. Wie durch Rauch, dichten Rauch, der einem Sicht und Atmung blockiert, nahm sie die Realität war. Jeder Atemzug schmerzte, jeder Augenschlag trieb ihr Tränen in die Augen, Tränen der Angst, Tränen, die sie noch nie vergossen hatte. Klar fiel die erste, zerbarst am Boden, zersprengte in eine Vielzahl noch kleinerer Tropfen, die wirr durcheinander zogen.
Und als hätten sie eine Vorbildfunktion begannen es ihre Gefühle gleich zu tun, an ihr zu zerren, sie zu reißen, von Angst in Hilflosigkeit, wieder zurück, in Hass, Furcht, dann Vorurteile, Selbstschuld, schließlich wieder Angst, Hilflosigkeit...
Und die rauchigen Schwaden, die sie hemmten, verloren sich unter den hastigen Bewegungen Sophies.
„Julie!“, mit ängstlicher Stimme sank sie in die Knie. Julie hatte sich an die Wand gelehnt, ist den Tränen hinterhergestürzt. Und die Nacht, die über sie hergefallen war, zog sich unter den sanften Worten Sophies zurück.
„Ist alles ok...? Was ist passiert? Julie! Oh mein Gott...“
Julie gab ein Wort von sich, „Telefon“, doch ihre Stimme war zart, uneben durch die Angst, die mit ihr schwemmte, fast lautlos, und so hörte Sophie sie nicht. Sophie, die nun schon seit fast 2 Jahren Mitbewohnerin Julies war, versuchte Julie verzweifelt zu beruhigen.
„Telefon“ wiederholte Julie, diesmal deutlicher, etwas ruhiger. „Ein Mann war am Telefon...“, wieder brach ihre Stimme unter der Last ihrer Tränen zusammen, sie hielt inne, atmete einmal tief durch, setzte erneut an. „Ein Mann war am Telefon... Ich werde sterben.. er hat -“
Diesmal waren es nicht Julies Tränen, die sie zur Unterbrechung zwangen, es war mehr Sophie, die erklärend den Kopf schüttelte.
„Der Strom ist weg.. seit irgendwann letzte Nacht... das Gewitter muss heftig gewesen sein...“
Julie blickte sie verwirrt an. „Kein Strom...? Aber der Mann...“
Sie hatte noch kein Licht anzuschalten versucht, das Telefon aber, es hatte geklingelt.
Erneut schüttelte Sophie den Kopf und wischte Julie mit dem Ärmel ihres Strickpullovers die Tränen aus dem Gesicht. „Du hattest nur einen Alptraum...“ versuchte sie Julie zu besänftigen, „wieder...“, fügte sie lautlos hinzu...
„Aber nein!“, wieder zog eine Träne ihre Bahn ihre Wange hinab, „das war kein Traum... kann kein Traum gewesen sein. Ich bin mir sicher...“
Innerlich jedoch glaubte sie sich zu belügen, denn wusste sie, dass es wirklich kein Traum gewesen war? In letzter Zeit hatte sie immer wieder Alpträume gehabt, Träume, die ihr so real schienen, dass sie nach ihrem Erwachen noch seinen Atem gespürt hat, seine Berührung, ihren Tod. Was wenn es ein Traum war? Solche Träume konnten Menschen paranoid machen, sie hatte oft genug von solchen Fällen gehört, ihr Vater, Psychologe.
Und dieses Eingeständnis lies sie die letzten Worte verschlucken, die Sophie eigentlich so verständlich zu wissen geben sollten, dass sie sich irren musste, der Strom wieder ginge.
„ja... ein Alptraum“, sprach sie zu Sophie, und richtete sich, immer noch leicht zittrig, auf, um ihre lächerlichen Fantasien mit einem starken Kaffee davon zu spülen...

*~>Karaca<~*
19.04.2005, 13:14
Kapitel 2

Sophie zerrte an Julies Arm. „Hast du das Kleid gesehen? Wunderschön... aber nichts für arme Schlucker, wie wir es sind“, scherzte Sophie. Den Preis konnte sie zwar auf nicht sehen, doch die Tatsache, dass es im Ausstellungsfenster des teuersten Laden für Abendgarderoben aushing, reichte ihr als Bestätigung.
Julie nickte nur einmal kurz, wiederholte aufgesetzt lächelnd, „ja, nichts für arme Schlucker, wie wir es sind...“
Die Idee Sophies Julie durch eine gemeinsame Shopping-Tour abzulenken war zwar lieb, doch immer wieder schwenkten Julies Gedanken zu ihren Träumen, dem Anruf, der Stimme, die ihr merkwürdig bekannt vorkam, doch rau, hart, grausam, nein, es konnte niemand aus ihrem Bekanntenkreis sein. Ein erneuter Ruck an ihrem Arm riss sie aus ihren Gedanken, hinein in einen Laden, der, wie sein Werbeslogan verriet, die „moderne Jugend“ vertrete.
Sofort begann Sophie in den dicht behangenen Ständern zu wühlen. „Das ist doch süß“, ein leichtes Grinsen zeichnet sich auf ihren Lippen ab, als sie Julie das knallpinke Top, das zudem eher in die Kinderabteilung zu gehören schien, anhielt.
„Was sagst du?“, fragte sie mit neckischem Unterton, da Julie nicht wirklich anwesend zu sein schien.
„Ja... sehr schön“, erwidert diese trocken, mit einer Teilnahmslosigkeit in ihrer Stimme, die Sophie nicht kannte. Schulternzuckend lies sie das Top von Julie ab und verstaute es wieder an seinem ursprünglichen Platz.
„Hör mal zu Julie...“, ihre Stimme klang ernst, die Fröhlichkeit, die Heiterkeit, mit der sie Julie eigentlich abzulenken gedachte, war gewichen. „Ich weiß diese Träume sind schlimm für dich... und genau deswegen bin ich der Meinung du solltest etwas dagegen tun, einen Psychiater aufsuchen, ja, einen Psychiater“, kurz hält sie inne, ihr blinkt senkt sich gen Boden, hebt sich jedoch sofort wieder auf um sich aufdringlich in ihre Mitbewohnerin zu bohren. „Wenn du willst kann ich mitkommen, damit du nicht alleine dorthin musst...“
„Ja... vielleicht hast du recht“, reagiert Julie unter dem zwingenden Blick ihrer Freundin.
„Gut“, mit einem Mal kehrte die Heiterkeit zurück, die dem ernsten, wenn auch sehr kurzen Gespräch zu Willen nach hinten getreten war, „Mal schauen ob wir noch was für dich finden“
Und wieder zog sie Julie hinter sich her, blieb vor einem Regal mit Jeans in sämtlichen Variationen stehen. Stretch, Schlag, Rock,... .
Julie schloss die Augen, atmete einmal tief durch, sprach ruhig zu sich, sie solle sich nicht verrückt machen. Immer wieder, noch mal, noch einmal, doch ihre Gedanken blieben an der Stimme hängen, am Telefonat, dass, sie war sich so sicher, nie stattgefunden haben konnte.
Konnte es nicht? Nein, konnte es nicht. Das Telefon war tot, TOT, schrie sie sich gedanklich entgegen und verstand mit einem Mal wie ernst die Situation für Sophie wirken musste. Immerhin streite ich schon mit mir selbst..
Bleib ruhig Julie, bleib ruhig...
So sog sie die Luft noch einmal tief ein und das Bild vor ihren Augen, Sophie, die sich mit der großen Auswahl an Jeans beschäftigte, begann zu verschwimmen.
Nach Luft ringend musste sie inne halten. Die Hetzjagd hatte sie erschöpft, doch seine gelassenen Rufe hallten noch immer hinter ihr , „Blut, es findet“, seine Schritte waren deutlich zu hören, „Blut, es richtet“, doch nirgends konnte sie ihn erblicke, „Blut, es strafet“, die Stimme klang nah, sie stolperte nach vorne, um ihre Flucht fortzusetzen, „es vernichtet“. Und kaum war der Hall seiner Worte verloschen, so stand er vor ihr, wo er denn herkam, sie wusste es nicht, nahm an sie sei ihm in die Arme gelaufen, in ihrer Panik, ihrer Angst. Ihr Herz raste, zerrte an ihr und sie sprach zu sich selbst, „Lauf, lauf“, doch ihre Beine verwehrten ihren Dienst, sie verweigerten zu gehorchen, sie sackten zusammen.
Die Puppe, die einen modischen Jeansrock, sowie ein gelbes Top mit weißer Aufschrift „Maybe yours...“, präsentierte, kippte um.
Er legte einen Strick um ihren Hals, die weinte, schrie panisch, doch hatte die Kontrolle über ihren Körper verloren, der sie nun dazu zwang den Schrei zu verschlucken.
Als suchte sie Hilfe fiel die Puppe, ihre Arme nach Julie gestreckt, vor dieser zu Boden.
Stumme Schreie, Dunkelheit, Kälte, Tod.
Ein schriller Schrei, panisch stürzte Julie zurück, weg von der Puppe. Sophie wirbelte hastig herum und auch die übrigen Passanten schienen den Reiz der Waren für diesen Moment aus den Augen verloren zu haben, schockiert betrachteten sie die junge Frau, die sich, die Hände krampfhaft ins Gesicht gepresst, bitter schluchzend auf dem Boden zusammengekauert hat.
Der Schrei des Blutes, geltend laut,
stirbt nie, er ruht nur, tief unter der Haut

*~>Karaca<~*
26.04.2005, 13:29
Kapitel 3

Julie saß im Warteraum eines Psychologen. Nein, nicht irgendeines Psychologen, sondern ihres Psychologen. Was hatte sie hier überhaupt zu suchen? Es fehlte ihr doch nichts. Es ging ihr einfach super, besser als jemals zuvor. Das Schlimme daran war nicht, dass es alles nicht stimmte, sondern eher, dass es nicht stimmte und Julie es trotzdem schön langsam zu glauben begann. Sie redete es sich richtig ein, wollte, nein konnte einfach nicht glauben, dass ihre “Tagträume” real waren.
Julie sah auf die weiße Wand gegenüber und verfiel wieder ihren ruhelosen Gedanken. “Erster Besuch?”, hörte sie plötzlich eine Stimme fragen. Sie zuckte zusammen, im ersten Moment hatte die Stimme nach der Stimme des Mörders aus ihren Träumen geklungen. Ihr Herz wollte nicht aufhören immer schneller und schneller zu schlagen und sie spürte wie ihr Gesicht vollkommen bleich wurde. Langsam richtete sie ihren Kopf auf und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes, der nur einige Jahre älter war, als sie. “Ähm, ja..”, begann sie leise. “Sieht man mir das etwa an?”, sie lächelte nun und spürte gleichzeitig wie der Schock langsam nachließ, wie ihr Blut aufhörte vor Schreck in ihrem Körper zu kochen. “Ja”, meinte der junge Mann ehrlich und leicht lächelnd. Er streckte Julie seine Hand entgegen. “Ich bin Ryan.”, stellte sich dieser vor. “Julie.”, entgegnete sie. “Und dein wievielter Besuch ist das?“, fragte Julie direkt und schüttelte seine Hand. “Ach, ich habe aufgehört zu zählen. Ich bin hier sozusagen Stammkunde”, er lächelte. “Und warum?”, fragte Julie interessiert und irgendwie brachte sie seine Offenheit, seine entspannten Züge, dazu sich wieder vollkommen zu beruhigen. “Hast du etwa auch Tagträume von einem Massenmörder?”, entkam es ihrem Mund. Sie war erschrocken über ihre plötzliche Offenheit und doch war sie erleichtert, endlich mit jemandem darüber sprechen zu können, der sie, wie sie glaubte, verstehen würde. Oder sie wenigstens nicht für verrückt halten würde. Er zögerte einige Augenblicke, dann begann er langsam zu sprechen, doch sein Ton hatte sich verändert, er war nicht mehr so locker, so ruhig, sondern verwirrt, Julie meinte fast ein erstickte, verdrängte Angst heraus zu hören. “…Nunja…ja….schon….so etwas ähnliches…”, sein Blick wurde plötzlich verschleiert, er war in Gedanken und es schien so, als würde er nicht so schnell wieder aus seiner Gedankenwelt auftauchen, doch der Schein trog. Wenige Augenblicke später schüttelte er seinen Kopf. “Was ist?”, wollte Julie wissen. “Ach nichts. Vergiss es einfach”, sagte Ryan leise. Julie merkte, dass sie heute nichts mehr über ihn erfahren würde also nickte sie. “Warum gehen wir nicht einfach? Ich habe keine Lust jetzt eine Stunde in diesem stickigen Raum zu sitzen und irgendwem von meinem Problemen zu erzählen, der sowieso nicht annähernd in der Lage ist diese zu verstehen…”, Ryan sah ihr mit festem Blick in die Augen. Julie konnte seine Worte nachvollziehen, ihr ging es genauso. Sie glaubte auch nicht, dass der Psychologe auch nur im Entferntesten verstehen würde, was sie gerade durchmachte. Wie sie litt. Welche Angst sie hatte, obwohl sie nicht einmal wusste wovor sie genau Angst hatte. Sie hatte einfach Angst. Schreckliche Angst, alles erstickende, einnehmende Angst. Doch für heute wollte sie das vergessen, genauso wie Ryan. “Wieso eigentlich nicht?”, meinte sie, grinsend. “Lass und gehen.” Er lächelte. Sie warf noch einen Blick durch den Warteraum und ging dann nach draußen.

Einige Zeit später schlenderten die Beiden eine Straße entlang, die ziemlich verlassen war. Kein Auto war zu sehen, kein Mensch lief hektisch durch die Gegend. “Und weißt du was?”, fragte sie ihn. “Als wir die Rolltreppe hinauf gegangen sind haben wir anfangs nicht einmal bemerkt, dass sie nach unten fährt und nicht nach oben, wir waren so in unser Gespräch vertieft. Meine Freundin und ich sind dann erst etwas später drauf gekommen, als einige Leute zu uns gesehen haben. Du hast ja keine Ahnung wie peinlich ihr das war.”, sie lachte und auch er erlaubte sich ein leichtes Lächeln, da er nun seine errichtete Mauer um seine Gefühle wieder zusammen gesetzt hatte. Es war für beide momentan leichter, ihre Gefühle einfach zu verdrängen, oder teilweise sogar auszuschalten, als darüber zu sprechen. Es stellte sich dabei nur die Frage wie lange es so weiter gehen würde…
Plötzlich wurde Julie schwindelig, sie schloss die Augen und sackte zu Boden. Er konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie auf dem Boden aufschlug. Beunruhigt blickte Ryan sie an...

Sie wusste, dass er knapp hinter ihr war, er würde sie einholen. Sie konnte nur fliehen, wollte ihm nicht begegnen, hätte keine Chance gegen ihn. Sie warf noch einmal einen Blick nach hinten, doch dann sah sie wieder nach vorne. Sie wusste, dass ihre einzige Chance war schnell zu fliehen, sie konnte ihn nicht besiegen. Sie würde es nicht schaffen. War noch nicht stark genug dafür und würde wahrscheinlich auch nie stark genug sein.

Ryan beobachtete wie Julie’s Gesicht sich vor Angst verzerrte, er sah eine Bank in der Nähe der Straße und trug sie dorthin. Julie’s Gesichtszüge wurden immer mehr von angst und Verzweiflung geprägt. Ryan versuchte sie aufzuwecken, doch sie rührte sich nicht.

Sie spürte wie er immer näher kam. Spürte seine Schritte die in immer kürzeren Abständen den Boden berührten und hörte doch nichts. Er war wie ein Gespenst, ein Geist, ein Schatten, der so unwirklich schien und doch so verzweifelt real war. Der sie, früher, oder später das Leben kosten würde. Er war hinter ihr, hatte sie letztendlich doch eingeholt. Sie spürte seinen Atem im Nacken. Sie blieb stehen, es hatte keinen Sinn mehr, sie drehte sich langsam um und sah ihn an. “Endlich hast du es begriffen. Die Flucht ist zwecklos. Die Flucht hat noch keiner etwas geholfen, alle haben sich schlussendlich ihrem Schicksal gebeugt”, er lächelte, doch sein Lächeln war kalt. Seine Augen sahen sie mit einem Blick an, der zwar vollkommen wahnsinnig wirkte, doch da war noch etwas anderes, etwas unter der Oberfläche, etwas, das ganz und gar nicht wahnsinnig war. “Schicksal?!”, sie sah ihm direkt in die Augen, ihr Blick war furchtlos, denn sie wusste sie konnte nichts mehr verlieren, er hatte ihr bereits alles genommen. "Du wagst es von Schicksal zu sprechen? Wagst es über die vielen anderen zu sprechen, denen zu schon das Leben genommen hast?" Und bald, ja, bald würde er ihr auch das anscheinend letzte nehmen, was sie besaß, ihr Leben, ihr Blut, doch sie würde ihn nicht anflehen, würde nicht im Angesicht des Todes schwach werden und ihn darum bitten sie zu verschonen. Nein, sie würde ihm trotzig ins Gesicht sehen, ihn bis zu ihrem letzten Atemzug mit ihrem lebendigen, ruhelosen Blick durchbohren. Sie sah den Dolch, den er zog, sah, wie er sich ihrem Bauch immer mehr näherte und doch rührte sie sich nicht. Sie sah ihm fest in die Augen, furchtlos, aber voller Hass. Hass der auch durch ihren möglichen Tod nicht erlöschen würde. “Na, was hast du? Bist du plötzlich schwach geworden?”, fragte sie in einem frechen Tonfall, worauf seine Gesicht um noch eine Spur bleicher wurde. "Du Feigling", zischte sie voller Verachtung. Der Dolch ruhte noch immer in seiner Hand, die ihn fest umschloss. Doch die Hand hatte aufgehört sich zu bewegen. Er zögerte, hatte noch nie gezögert und konnte doch nicht anders. Einen kurzer Moment kehrte Ruhe ein, doch er hatte seine Zweifel schnell beseitigt und stieß den Dolch mitten in ihren Magen. Sie sank zu Boden, nahm jedoch ihre Kraft zusammen, zog den Dolch aus ihrem Körper und warf ihn auf ihn. Doch er war schon in der Dunkelheit verschwunden. Sie lag nun am Boden, spürte wie das Blut langsam aus ihrer Wunde floss und wie trotzdem die Wunde langsam verheilte. Die zeit war noch nicht gekommen. Es war noch zu früh für sie. Der Ruf des Blutes war noch zu schwach...

Julie schreckte zusammen, sie fuhr von der Bank hoch, atmete schnell. Sie sah auf ihren Bauch und in den ersten Sekunden sah sie dort die Wunde, die noch vor kurzem dort gewesen war, doch dann verlosch sie langsam vor ihren Augen und ihr Oberteil setzte sich ebenfalls wieder zusammen. Von all dem schien Ryan, der sie noch immer besorgt musterte nichts mitbekommen zu haben. Julie spürte wie ihr Tränen in die Augen traten. Es durfte so nicht weiter gehen. Ryan machte den Mund auf, um etwas zusagen, fand jedoch nicht die richtigen Worte und schloss so seinen Mund wieder, er ging einfach einen Schritt auf sie zu und umarmte sie. Und obwohl sie ihn gerade erst kennen gelernt hatte, fühlte sie sich sicherer. Eine einzige Träne floss ihre Wange hinunter, dann versiegten ihre Tränen, ihre Gesichtszüge versteinerten sich und sie sah gerade aus, sie war gar nicht wirklich in dieser verlassenen Gegend und auch nicht in ihren Gedanken, sie war irgendwo weit weg. Irgendwo, wo ihr niemand mehr etwas anhaben konnte. Und sie begriff plötzlich etwas: Sie würde nur überleben können, wenn sie diesen Träumen auswich. Sie durfte nicht daran denken, musste es ausblenden. Und doch beschäftigte sie der Verlauf des Traumes. Er unterschied sich von den anderen. Er hatte nicht mit einem Tod geendet, aber, zu Julie’s Bedauern war er um noch eine Spur realer gewesen…

*~>Karaca<~*
08.06.2005, 17:24
Fortsetzung Kapitel 3

„Verdammt“, stieß Carol aus, schlug mit der geschlossenen Faust heftig auf den modrigen Waldboden. Die Wunde war zwar verheilt, gestorben war sie nicht, doch er war ihr entkommen, würde weitere Opfer finden, mächtiger werden. Sie müsste ihm bald Einhalt gebieten. Wie aber? Sie war zu schwach, das Erbe zu mächtig, als dass sie damit umgehen könnte.
Doch was hatte sie vorhin gespürt, gehört? Jemand war ihr gefolgt - oder ihm? - sie konnte es ganz deutlich fühlen, ja, da war jemand, hatte sie beobachtet...
Noch Jemand?, fragte sie sich. Der Gedanke, dass es jemanden gab, der ihre Bestimmung mit ihr teilte, war nicht absurd, doch nie hätte sie daran einen Gedanken verschwendet – wieso eigentlich?
Was immer es zu bedeuten hatte, wer immer sie beobachtet hatte, wenn nicht physisch, dann geistig, sie würde es herausfinden, den Jemand finden...

„Danke Ryan“, sie wippte unruhig auf ihren Füßen, stützte sich dann an den Türrahmen. „Kein Problem“, gab dieser zurück, mit einem Ton, der für Julie ein wenig nach Casanova klang. Sie schmunzelte, hielt jedoch inne, bevor sie den Schlüssel, mit dem sie die ganze Zeit unruhig in den Finger gespielt hatte, mit einer nervösen Geste in ihrer Manteltasche verschwinden ließ. „Möchtest du noch mit rein? Auf einen Kaffee oder so?“
Ihre Stimme klang unsicher. Es war nicht der Traum, nein, zwar war er der Grund, wieso sie Ryan gebeten hatte, sie nach Hause zu begleiten, doch letztendlich hatte sie ihn fast vergessen, Ryan, ja, es war mehr Ryan, der sie in diesen Zustand versetzte.
„Tut mir Leid, Julie. Ich habe noch einen Termin. Man rechnet ja nicht damit dass man beim Psychiater jemanden interessanten trifft.“
Sein Lächeln wirkte warm und vertraut. Beide schwiegen, schauten sich an, rührten sich jedoch nicht. Ewig schien Julie dieser Moment, erst beendet, als ihr Schlüssel, sie musste ihn in ihrer Gedankenverlorenheit wieder gegriffen haben, zu Boden fiel.
„Ich geh dann mal“, gab Ryan noch von sich. „Wir sehen uns wieder“, als sie sich wieder aufrichtete, den Schlüssel aufgehoben hatte, war er verschwunden.
Unbeschwert fröhlich zuckte sie mit den Schultern und trat in die Wohnung, zielstrebig ins Wohnzimmer, wo sie Sophie anzutreffen hoffte.
„Sophie“, sprach sie laut, dass es gar nicht Sophie war, die da saß, hatte sie nicht bemerkt. Noch nicht. Erschrocken zuckte sie zurück. „Wer sind sie?“, ihre Stimme, die nur kurz zuvor noch laut und klar gewesen war, wirkte unsicher und hilflos – oft genug hatte sie von Einbrüchen gelesen.
Die Frau rührte sich nicht, saß ungestört im Sessel, den Kopf gesenkt. Ihr Haar war verklebt, hing ihr ins blasse, fast bleiche Gesicht.
„Hallo?“, gespielt selbstsicher trat sie auf die Frau zu, sprach sie erneut an – keine Reaktion.
Julie... Nicht näher, bleib wo du bist Julie
Mahnend hallten ihre Gedanken in ihrem Kopf wieder. Doch wider diesen, gar wider dem, was Julie selbst zu wollen glaubte, schritt sie näher auf die Frau zu, die still – leblos? – da saß. Vorsichtig streckte sie die Hand aus – schlief die Frau? Sanft stieß sie gegen ihre Schulter.

Panisch kreischend, kroch sie zur Wand. Sophie, von einem schrillen schrei geweckt, wachte auf, reckte sich kurz, bevor ihr Blick auf ihre verstörte Freundin fiel. Ruckartig sprang sie aus dem Sessel, Julie entgegen, diese jedoch schlug die Arme über den Kopf, „Nein...“, leise, zerbrechlich, „Nein...“, hilflos, verloren, „Nein...“, schwarz.

„Was hast du?“, fragte Sophie. „Ist alles in Ordnung?“, wiederholte sie ihre besorgte Frage, doch Julie hörte nichts, sie sah nur erschrocken auf die Person vor ihr, die ganz und gar nicht Sophie zu sein schien. Nein, es war eine ihr fremde Frau, die kraftvoll und schwach, müde und wach, unverletzt und doch voller Wunden, jung und alt zugleich war. Ihre Züge waren gutmütig, ihr Blick jedoch ruhelos. Ihre Lippen umspielte ein Lächeln das eine gewisse Unberechenbarkeit und einen gefährlichen Ehrgeiz widerspiegelte. Julie wich noch einen Schritt zurück. „Wer....wer sind sie?“, fragte sie leise. „Carol“, war die Antwort, die nicht lauter ausgesprochen war, jedoch im Raum immer und immer widerhallte und immer mehr an Kraft und Lautstärke zu gewinnen schien. Als Julie ihren verunsicherten Blick wieder auf die Frau richtete, war diese plötzlich verschwunden und Sophie stand vor ihr. Sophie. Sophie, die Julie noch nie mit so einem besorgten Blick gemustert hatte, wie sie es jetzt tat. Julie blickte unsicher zur Seite. Sie hatte keine Ahnung wie sie das alles erklären sollte, Sophie glaubte doch anscheinend sowieso schon, sie sei verrückt.

„Also was war los?“, fragte Sophie Julie einige Minuten später. Die Beiden saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer. Vor ihnen standen zwei Tassen mit Kamillentee. Sophie hatte ihn zubereitet mit den Worten „der wird dich jetzt beruhigen“. Julie glaubte nicht, dass sie jetzt irgendetwas beruhigen konnte, doch sie tat ihrer besten Freundin, seit sie denken konnte, den Gefallen und trank den Tee. Julie zuckte mit den Schultern. „Nichts.“, antwortete sie einfach. „Nichts?!“, wiederholte Sophie und zog ihre Augenbrauen etwas hoch. „Also nichts würde ich das nicht nennen...“, fügte sie noch hinzu. Julie bemühte sich ruhig zu wirken, doch innerlich kochte in ihr Wut, Verzweiflung und vor allem Angst. „Es ist wirklich alles in Ordnung. Es geht mir gut.“, sagte Julie mit einer Stimme, deren Ruhe sie selbst überraschte. „Wirklich“, bekräftigte sie ihre Aussage noch einmal.
„Weißt du was?“, fügte Julie noch hinzu. Sophie sah sie fragend an.
„Was?“
“Ich denke ich werde nicht mehr zu dem Psychiater gehen”
“Warum nicht?”
“Ich denke nicht, dass er mir helfen kann.”
“Aber du musst irgendetwas tun.” Sophie’s Stimme klang ziemlich verzweifelt, sie konnte es nicht ertragen ihre Freundin so verwirrt zu sehen. “Du willst schließlich nicht mit mir reden.”
“Du brauchst dir keine sorgen zu machen. Es geht mir gut.”
“Ja, ja”, Sophie verdrehte etwas die Augen, Julie merkte, dass Sophie ihr nicht glaubte, doch sie ging nicht näher darauf ein.
“Vielleicht solltest du auch einfach irgendeinen Kampfsport erlernen. Du weißt schon, zur Selbstverteidigung. Vielleicht fühlst du dich dann sicherer.”
“Hey, das ist eine super Idee.” Julie bemühte sich um ein Lächeln, doch mit den Gedanken war sie wo anders, nämlich bei ihren seltsamen “Visionen” und einem geheimnisvollen jungen Mann, den sie vor kurzem kennen gelernt hatte.