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Shiravuel
05.01.2005, 21:56
Textfetzen, Erinnerungsfetzen. Chaos, welches, wie es dier Natur des Chaos entspricht, nicht gebunden werden kann:

Nächte wie Glas. Zerbrechlich, klirrend. Sterne, die vom Firmanent stürzen und zerspringen.
Erinnerungen wie Herbstlaub, das bunt von den Bäumen fällt und verweht. Ein Lachen,
ein Wiehern, Wind in der Mähne und im Haar. Ein Galopp in den aufgehenden Morgen. Glück.
Gestern, so scheint es. Unwiderbringlich verloren.Tote kehren nicht wieder. Nie mehr. Der
Schmerz bleibt immer. Zerreisst, zerfetzt die Seele.
Diese Nächte sind es, die sie immer wieder erlebt. Diese Nächte, die selbst am Tag vorhanden
sind. Ständige Begleiter. Schatten, unsichtbar und sichtbar zugleich. Sie umgeben sie immer.
Sie möchte vergessen, doch nicht einmal das Vergessen gelingt ihr. Sie möchte träumen, doch
Träume verwandeln sich in Albträume. Ein wildes Stakkato der Erinnerungen. Und täglich kommen
neue hinzu. Neue Schmerzen, manchmal Lachen. Ein Lachen, dass sich nicht traut zu existieren,
als wüsste es um seine Vergänglichkeit. Eine Frau im Wirbel gläserner Nächte. Gefangen im
Schmerz. Gebunden in ewiger Trauer. Sie möchte fliegen in diesen Nächten. Frei sein von allem,
was war, was ist oder sein wird. Eins werden mit dem Gestern und einem wilden Galopp.
Noch einmal diese Freiheit spüren. Sein, was sie war, nicht was sie ist. Ein Lächeln, eine
ausgestreckte Hand, ein Vertrauen, das erlischt, zerschlagen wird, zertrümmert unter einem
Himmel ohne Sterne.
Manchmal träumt sie. Träumt von zwei roten Monden. In solchen Träumen kommt sie nach Hause.
Nie ist sie anwesender als während der Abwesenheit ihrer selbst. Doch die Monde erlöschen,
verglimmen, verblassen zu Schatten. Werden zu Erinnerungen. Sie wehrt sich. Will fliegen,
schweben unter Mond und Stern. Einer Sonne entgegen. Irgendwo. Einer Sonne, die ihr wiedergibt,
was sie verlor. Doch der Tod gibt nichts zurück. Gefangen in der tiefsten Hölle ihres Seins,
gebunden in Ketten, die sie niederdrücken und jegliches Fliegen zu verhindern wissen. Oft
sehnt sie sich nach dem Tod. Nein, nicht nach dem Sterben. Das Sterben selbst macht ihr
Angst.
Nächte wie Glas. Selbst Freunde sind Lichtjahre entfernt. Wind heult und rast durch die
Strassen. Es ist nicht ihr Wind. Nicht der Wind von einst, jener Wind der Freiheit, erlebt
auf einem Pferderücken. Zentaur. Das war sie. Sie und ihr Pferd. Zwei Seelen, die sich erkannt
hatten. Sie und alle Pferde. Denn alle Pferde waren einst "ihre" Pferde. Menschen sind
Fremdkörper. Ein vertrauter Freund, der plötzlich verletzt, feindseldig wird. Sie weiss nie,
warum. Nie, wann es geschehen wird. Menschen. Auch sie wie buntes Laub. Wirbeln durcheinander.
Kälte. So oft, so kalt. Die eigenen Gefühle - gefrorenes Eis. Spiegelnd, glitzernd, unwirklich.
So oft schon ist sie gegangen. Hat sich niemals umgedreht. Vorbei ist vorbei. Kein Lebewohl.
Nur Erinnerungen. Der Weg führt sie weiter. Sie kämpft immer. Keine Wahl. Der Mut von einst
ist längst Selbstzweck geworden. Worte wie Messer. Sie ist eine gute Messerwerferin geworden.
Clownsmaske und fliegende Messer. Ein Zirkus der Psyche. Eintritt frei in solchen Nächten.
Trauer, die sich wie ein blaues Licht auf sie senkt. Ungeweinte Tränen, die sie zu ersticken
drohen und die sie selbst erstickt. Erstickt hinter Lachen und Worten, wenn die gläsernen
Nächte weichen. Irgendwo ist immer Hoffnung. Irgendwo ... Aber es gibt keinen Wegweiser dahin.
Und soviele Kreuzungen und Sackgassen. Dabei wollte sie nur wieder fliegen.